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Zitiervorschlag

Ingeborg Becker-Textor: Unser Kind soll in den Kindergarten. Ein neuer Schritt für Eltern und Kinder. Freiburg, Basel, Wien: Herder 1993 - Online-Buch

Inhalt

Vorwort
Zur Einstimmung
Wann muss man beginnen, an den Kindergarten zu denken, und welche Aufnahmekriterien haben Kindergärten?
Wer ist eigentlich verantwortlich für die Schaffung und den Betrieb von Kindergärten?
Für welchen Träger sollen wir uns nun entscheiden?
Es gibt so viele verschiedene Kindergärten
Anmeldung - Voranmeldung - Information
Wie läuft denn ein Erstgespräch im Kindergarten ab?
Lernen im Kindergarten
Der Situationsansatz im Kindergarten
Elternarbeit
Kindergartenbeirat
Der Kindergartenalltag
Beschäftigungsangebote im Kindergarten
Kindergartenfähigkeit - Gruppenfähigkeit
Trennungsangst
Zu große Gruppen
Der Kindergarten als Lebensraum für Kinder
Der Kindergarten und seine Außenkontakte
Der Kindergarten als Ort der Beratung
Wenn das Kind Schwierigkeiten macht
Grundbedürfnisse der Kinder
Schlusswort
Anhang

Vorbemerkung

Im Titel heißt es: Unser Kind soll in den Kindergarten!

Ein-Eltern-Familien und Alleinerziehende sollen sich damit jedoch nicht ausgeschlossen fühlen. Jedes Kind hat Vater und Mutter. Auch wenn sie nicht zusammenleben oder Mutter/ Vater mit einem/r anderen Partner/in ihr/sein Leben gestaltet, so spielt die Frage nach dem Kindergarten eine wichtige Rolle und muss im Rahmen des Beziehungs- und Lebensalltages diskutiert werden.

Definition Kindergarten 1901 und heute noch aktuell

"Das Wesen des Kindergartens im allgemeinen

Der Name und die Aufgabe des Kindergartens

Der Name 'Kindergarten' ist ein sinnbildlicher; er wurde von Friedrich Fröbel für die von ihm gegründete Kleinkinder-Erziehungsanstalt gewählt, um schon durch den Namen anzuzeigen, dass in derselben die Kinder von der Erzieherin (Kindergärtnerin) gleich Pflanzen in einem Garten durch naturgemäße Behandlung in ihrer Entwicklung gefördert werden, und dass diese Anstalt sich sowohl dem Zwecke als auch in den Erziehungsmitteln und in der Art der Anwendung dieser von der Schule unterscheidet.

Der Kindergarten hat die Aufgabe, die häusliche Erziehung der Kinder im vorschulpflichtigen Alter zu unterstützen und zu ergänzen, somit die Kinder durch geregelte Übungen des Leibes und der Sinne sowie durch naturgemäße Bildung des Geistes für den Volksschulunterricht vorzubereiten" (aus: Alois Fellner "Der Kindergarten", Verlag Pichler, Wien 1901).

Vorwort

Der (wohl noch Jahre andauernde) Mangel an Kindergartenplätzen führt dazu, dass Sie sich als Eltern, als Vater oder Mutter, schon sehr frühzeitig mit der Frage nach dem "richtigen" Kindergartenplatz für Ihr Kind beschäftigen müssen. Sie gewinnen somit auch Zeit, sich mit den verschiedenen frühpädagogischen Erziehungskonzepten und Kindergartentheorien zu befassen, und können Ihr Kind rechtzeitig auf den Übergang von der Familie in den Kindergarten vorbereiten.

Unverzichtbar wird für Sie die Auseinandersetzung mit Fragen wie:

  • Was erwarte ich als Vater/ Mutter vom Kindergarten?
  • Was erwarte ich für mein/ unser Kind?
  • Welche Anforderungen stelle ich an meinen Wunschkindergarten?
  • Wie stelle ich mir die Erzieherin/ den Erzieher meines Kindes vor?
  • Welche Freunde wird mein Kind haben?
  • Was wird sein, wenn mein Kind die Erzieherin/ den Erzieher lieber hat als mich?
  • Inwieweit bin ich bereit, mich als Vater/ Mutter in den Alltag des Kindergartens einzubringen?
  • usw.

Diese Fragen können Sie auch "umdrehen" und auf die Erzieherin/ den Erzieher ausrichten:

  • Was erwarte ich als Erzieherin/ Erzieher vom Kindergarten und was bin ich bereit, an "fremde" Kinder zu geben?
  • Was erwarte ich für mich selbst von der Kindergartenarbeit?
  • Welche Anforderungen stelle ich an meine Kindergartenarbeit und meine Mitarbeiter?
  • Wie stelle ich mir die Eltern "meiner" Kinder vor, und welche Erwartungen habe ich an sie?
  • Welche Freundschaften werden sich im Alltag des Kindergartens entwickeln?
  • Was tue ich, wenn mich ein Kind nicht mag oder ein Kind sich emotional zu eng an mich bindet bzw. ich mich an das Kind?
  • Inwieweit bin ich bereit, auf Eltern zuzugehen und sie in den Kindergartenalltag einzubinden?
  • usw.

Dieses Buch richtet sich zwar in erster Linie an Mütter und Väter, kann aber auch (vielleicht) für Erzieherinnen/ Erzieher eine Hilfe zur Selbstbeurteilung und Reflexion des Erziehungsalltags sein. Eltern und Erzieher müssen sich ihrer individuellen Fragen bewusst sein und lernen, diese zu beantworten und zu bewältigen. Nur dann kann es zu einer dialogischen Beziehung aller Beteiligten kommen und das Wohl des Kindes bestmöglich sichergestellt werden.

Professionelle und "Laien"-Erzieher treffen im Kindergarten aufeinander. Erzieherinnen/ Erzieher sind nicht die besseren Pädagogen oder Väter/ Mütter die schlechteren - nur weil sie ohne fachspezifische Kenntnisse sind. Vielmehr weiß jeder etwas anderes über das Kind und über Erziehung, besitzt ein anderes Allgemeinwissen und hat verschiedene Lebenserfahrungen gemacht. Diese Unterschiedlichkeiten gilt es, miteinander zu vereinbaren und daraus die Pädagogik für Ihr Kind entstehen zu lassen. Dann brauchen Sie auch nicht mehr zu befürchten, dass Ihr Kind bevorzugt oder benachteiligt wird.

So werde ich in meinen Ausführungen von den Perspektiven des Kindes, des Vaters/ der Mutter sowie der Erzieherin/ des Erziehers ausgehen, dabei Aspekte der Entwicklungspsychologie berücksichtigen und Impulse für praktische Hilfen für alle Beteiligten geben.

Die Vielzahl der "Pädagogiken" des Kindergartens und der sogenannten "neuen" Konzepte führt zu allerlei Verunsicherungen. Idealistische Beschreibungen einzelner Kindergartentypen in Elternzeitschriften und -ratgebern tragen dazu ganz wesentlich bei. Sie beschreiben, welche Rahmenbedingungen für einen guten Kindergarten erfüllt sein sollten, welche Qualifikation das Personal haben sollte, welche Spielmaterialien zur Verfügung stehen sollten usw. Das müssen jedoch nicht für Sie die richtigen und wichtigen Entscheidungskriterien sein, wenn Sie vor der Entscheidung stehen: In welchen Kindergarten soll mein/ unser Kind?

Ich hoffe, dass es mir im Verlauf meiner Ausführungen gelingen wird, Ihnen die Zusammenhänge Elternhaus - Kind - Kindergarten durchschaubar zu machen und Ihnen somit Entscheidungskriterien für die Auswahl des Kindergartens für Ihr Kind an die Hand zu gehen.

Es ist für Eltern schwer, die richtige Wahl zu treffen, zumal objektive Gegebenheiten mit subjektiven Wünschen, Vorstellungen und Erwartungen in Einklang gebracht werden müssen. Lassen Sie sich deshalb beim Lesen dieses Büchleins genug Zeit zum Nachdenken, zum Überlegen, für Gespräche mit Ihrem/r Partner/ Partnerin, zur Beobachtung Ihres Kindes.

Ein Problem kann ich mit meinen Ausführungen sicher nicht lösen: den Mangel an Kindergartenplätzen. Je mehr Kindergartenplätze in Ihrem Wohnumfeld angeboten werden, desto mehr Auswahl haben Sie. Leider können Sie aber zur Zeit vielerorts nicht auswählen, sondern "müssen" den ersten besten Platz nehmen. Dann bleibt Ihnen aber immer noch die Chance, an der Gestaltung des Kindergartenalltags Ihres Kindergartens mitzuwirken und damit wenigstens schrittweise Veränderungen anzustoßen.

Noch einige Worte zur Methodik bzw. zum Aufbau des Buches: Ich will versuchen, die Fragen von Vätern/ Müttern realitätsnah zu beschreiben, aber ebenso auf die Fragen von Erziehern/ Erzieherinnen und die auf beiden Seiten vorhandenen Ängste einzugehen. So werden Elternfragen präzise formuliert, daneben wird aber auch ein Erzieher/ eine Erzieherin zitiert.

Ich greife in meinen Ausführungen zurück auf meine l2jährige Tätigkeit als Kindergartenleiterin, die vielen Aufnahmegespräche und Erfahrungen aus der Elternarbeit ebenso wie auf die Fragen der Kollegen und Kolleginnen, die mir als Fortbildungsreferentin immer wieder gestellt werden.

Zur Einstimmung

Es folgt nun kein zweites Vorwort, sondern ein kleiner Text, der Sie zum Nachdenken, zur Reflexion, zum Philosophieren über Ihre eigene Kindheit anregen soll. Viele Ihrer Kindheitserlebnisse und -erfahrungen werden nämlich gewollt oder ungewollt, beabsichtigt oder unbeabsichtigt in die Erziehung Ihrer Kinder einfließen.

"Alles, was Du wirklich wissen musst, hast Du schon als Kind gelernt", heißt der Titel des aus dem Amerikanischen übersetzten Buches von Robert Fulghum. Ich wähle das nachfolgende Zitat zu Ihrer Einstimmung, da es auf die Bedeutung der frühen Kindheit verweist. Wenn wir wirklich alles, was wir wissen müssen, schon als Kinder lernen, dann kommt damit dem Kindergarten als einem wichtigen Ort des frühkindlichen Lernens und der frühkindlichen Erfahrungen eine nicht unbeachtliche Bedeutung zu.

"Alles, was ich wirklich über mein Leben, über die Art, wie ich es führen und was ich tun und wie ich sein soll, wissen muss, habe ich schon als Kind gelernt. Nicht den ätherischen Höhen der High-School, sondern dem Sandkasten im Kindergarten habe ich all meine Weisheit zu verdanken. Dort habe ich folgendes gelernt:

Teile alles mit den anderen. Sei fair.

Schlage niemanden.

Lege die Dinge immer dorthin zurück, wo Du sie gefunden hast.

Räume Deine Sachen auf, wenn Du sie in Unordnung gebracht hast.

Nimm nicht, was Dir nicht gehört.

Entschuldige Dich, wenn Du jemandem weh getan hast. Wasch Dir vor dem Essen die Hände.

Wenn Du auf der Toilette gewesen bist, betätige die Spülung.

Warme Plätzchen und kalte Milch sind bekömmlich.

Führe ein ausgewogenes Leben - lerne etwas und denke nach, aber zeichne auch jeden Tag ein wenig und male, singe, tanze, spiele und arbeite.

Halte jeden Nachmittag ein Nickerchen.

Wenn Du auf der Straße gehst, achte auf den Verkehr, und wenn Ihr zu mehreren unterwegs seid, fasst Euch bei den Händen und bleibt zusammen.

Achte auf die Wunder, die Dich umgehen. Vergiss nicht das kleine Samenkorn im Blumentopf: Die Wurzeln gehen hinunter, und die Pflanze wächst nach oben - und niemand weiß wirklich, wie oder warum das so ist, aber wir alle sind wie das Samenkorn.

Goldfische, Hamster und weiße Mäuse und sogar das kleine Samenkorn im Blumentopf - sie alle sterben. Das tun wir auch.

Und dann erinnere Dich an Deine Bilderbücher aus jenen Tagen und an das erste Wort, das Du gelernt hast, das allerwichtigste Wort: 'Schau'.

Alles, was man wirklich wissen muss, ist irgendwie darin enthalten. Die goldene Regel, die Liebe und die Grundsätze der Hygiene. Die Ökologie, die Politik, die Gleichberechtigung und das vernünftige Lehen. Alle diese Grundsätze werden sich, wenn sie im Familienlehen, am Arbeitsplatz, in der Regierung oder in der Welt, in der wir leben, verwirklicht werden, als wahr, einfach und tragfähig erweisen.

Man braucht sich nur einfach einmal vorzustellen, um wie viel besser es um unsere Welt bestellt wäre, wenn die Menschen jeden Nachmittag warme Plätzchen essen, Milch trinken und sich dann zu einem Schläfchen hinlegen würden.

Oder wenn in allen Regierungen der Grundsatz befolgt würde, alles dorthin zurückzulegen, wo man es gefunden hat, und jeder die Unordnung, die er angerichtet hat, selbst wieder in Ordnung bringen würde. Und es wäre sicher auch gut, wenn Sie - ohne Rücksicht auf Ihr Alter - Ihren Mitmenschen die Hand reichen und sie im Auge behalten würden, wenn Sie in die Welt hinausgehen" (Fulghum 1989).

Viel Wahrheit steckt in diesen Worten!

Wann muss man beginnen, an den Kindergarten zu denken, und welche Aufnahmekriterien haben Kindergärten?

Eltern: Heute war bei der Schwangerschaftsgymnastik das große Thema: Wann müssen Kinder im Kindergarten vorangemeldet werden? Ob wir schon zu spät dran sind? Unser Kind wird doch erst in ca. sechs Wochen geboren und unter drei Jahren wird doch kaum ein Kind aufgenommen? Wer weiß, ob wir in drei Jahren überhaupt noch in diesem Stadtteil wohnen? Vielleicht sollten wir unser Kind gleich nach der Geburt in verschiedenen Kindergärten vormerken lassen, dann haben wir wahrscheinlich die Sicherheit, auf alle Fälle einen Platz zu bekommen.

Erzieherin: Wenn es nicht bald mehr Kinderbetreuungsplätze gibt, dann helfen unsere ganzen Vormerkungen nichts. Da steht eine Familie seit drei Jahren auf der Warteliste. Es besteht kein dringender Grund, das Kind pünktlich mit dem dritten Geburtstag aufzunehmen. Gerechterweise muss ich doch zuerst die Kinder von Alleinerziehenden aufnehmen und vor allem ältere Kinder. Ein Fünfjähriger braucht dringender einen Platz als ein Dreijähriger!

Autorin: Das Vormerkungs- bzw. Anmeldeverfahren ist von Einrichtung zu Einrichtung verschieden. Deshalb sollten Sie sich auf alle Fälle frühzeitig erkundigen, wie dies in den Kindergärten in Ihrem Wohnumfeld gehandhabt wird - noch bevor Sie sich näher mit dem Kindergarten bzw. seinen Inhalten beschäftigen.

Da gibt es den Kindergarten, der grundsätzlich keine Vormerkungen annimmt, sondern einen Einschreibungstermin bekannt gibt - meist etwas später als der Schulanmeldetermin. Erst wenn der Kindergarten weiß, wie viele Kinder definitiv in die Schule kommen - auch Testkinder - steht fest, wie viele Plätze vergeben werden können. Aus der Zahl der sich bewerbenden Kinder wird dann entsprechend der zahl der freien Plätze ausgewählt. Dies geht nach ganz unterschiedlichen Kriterien:

  • Soziale Gründe (Vater und Mutter müssen beide berufstätig sein, um den Unterhalt für die Familie sicherzustellen, Alleinerziehende; erzieherische Probleme, die den Besuch eines Kindergartens aus Jugendhilfegesichtspunkten dringend ab dem dritten Lebensjahr erforderlich machen; problematische familiäre Verhältnisse, wie z.B. Sucht, Alkohol, Gewalt, Pflegefall in der Familie, Vater/ Mutter müssen ihre Ausbildung noch beenden; engste Wohnverhältnisse; Scheidungskinder; von Arbeitslosigkeit betroffene Eltern usw.).
  • Erzieherische Gründe (Einzelkindsituation, Überforderung von Vater/ Mutter, z.B. durch sehr schnelle Geburtenfolge; Auffälligkeiten des Kindes oder frühkindliche Entwicklungsstörungen, die durch Fachkräfte und in der Kindergruppe besser behandelt werden können; mangelndes Sprachvorbild im Elternhaus, Probleme in der frühkindlichen Sozialisation; Überbehütung durch Vater/ Mutter; Nicht-Loslassen-Können der Eltern; Beziehungsstörungen usw.).
  • Medizinische oder psychologische Gründe (Verweigerung therapeutischer Angebote wie Sprachtherapie oder Krankengymnastik; Schutz vor Überbehütung bei vorhandenem Krankheitsbild oder Behinderung; Beitrag zur "Normalisierung" des Lebensalltags von Krebskindern, Kindern mit organischen Fehlentwicklungen bzw. chronischen Erkrankungen, vorliegende körperliche oder Sinnesbehinderung usw.).
  • Es gibt aber auch Kindergärten, die nach Warteliste vorgehen, und dann ist es wirklich notwendig, dass Sie Ihr Kind frühzeitig anmelden.
  • Wieder andere Kindergärten bevorzugen Geschwisterkinder oder Kinder, die z.B. zur Pfarrei gehören oder im Einzugssprengel des Kindergartens wohnen.
  • Aufnahme nach Alter - das heißt, zuerst kommen die ältesten Kinder der Warteliste an die Reihe - ist auch eine häufig angewandte Regelung.
  • Fazit: Sie müssen sich frühzeitig erkundigen, was an Ihrem Ort bzw. in Ihrem Stadtteil üblich ist. Je knapper die Versorgung, desto mehr kann die Suche nach einem Kindergartenplatz zum Glücksspiel werden!

Eltern: Wer ist eigentlich verantwortlich für die Schaffung und den Betrieb von Kindergärten? Es ist schon seltsam, dass es an dem Ort, an dem Bekannte von uns wohnen, für nahezu jedes Kind ab dem vollendeten 3. Lebensjahr einen Kindergartenplatz gibt. Hier hei uns scheint es anders zu sein, denn sonst käme doch niemand auf die Idee, sein Kind schon kurz nach der Geburt anzumelden

Autorin: Nach § 24 KJHG (Kinder- und Jugendhilfegesetz) regeln die Bundesländer durch Landesrecht wie das Förderangebot von Kindern in Tageseinrichtungen - und damit auch Kindergärten - ausgestaltet werden soll, und tragen für einen bedarfsgerechten Ausbau Sorge.

§ 26 KJHG legt den Landesrechtsvorbehalt fest. So muss die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (§ 22 KJHG) immer im Kontext der §§ 24 und 26 KJHG gesehen werden. Die Länder können eigene Kindertagesstättengesetze - als Ausführungsgesetze zum KJHG oder auch als eigene Bildungsgesetze (z.B. Bayern mit einem eigenständigen Kindergartengesetz) - oder Richtlinien und Verordnungen erlassen, die nähere Regelungen für das jeweilige Land treffen.

Was den Bedarf an Plätzen in Kindertagesstätten betrifft, so liegen für die verschiedenen Altersstufen ganz unterschiedliche Einschätzungen vor.

"Die bedarfsnotwendige Zahl von Kindergartenplätzen lässt sich für eine Gemeinde oder für eine Stadt aus den Geburtenzahlen der Gemeinde bzw. des jeweiligen Stadtteils ermitteln oder noch besser: aus der Einwohnerstatistik, wenn diese ohne größeren Aufwand Aussagen über die Altersgruppe der 3- bis 6jährigen zulässt. Gewisse Risiken hat die Ermittlung in typischen Altstadt- oder Neubaugebieten, weil dort eine Fluktuation durch den Weg- bzw. Zuzug von jungen Familien besteht, die eine längerfristige Voraussage erschwert" (Motsch 1992).

Als Eltern können Sie "Ihren" Kindergarten frei auswählen; es gibt keine Sprengeleinteilung wie etwa im Bereich der Schule. Ein Kindergarten mit einem guten Ruf wird also sicher mehr Zulauf haben als ein "schlechter Kindergarten".

Wenn in einem Stadtteil oder einer Gemeinde festgestellt wird, dass die Kindergartenplätze nicht ausreichen, so ist es gemeindliche Pflichtaufgabe sicherzustellen, dass diese Plätze errichtet und unterhalten werden.

"Im Rahmen dieser Sicherstellungspflicht haben freie Träger Vorrang (Subsidiaritätsprinzip). Unter den freien Trägern sind neben traditionellen Wohlfahrtsorganisationen vor allem Kirchengemeinden sehr an einem Kindergarten interessiert und deshalb bereit, sich personell und finanziell für diese Institutionen zu engagieren. Soweit sich darüber hinaus keine freien Träger finden, ist es durchaus denkbar ... dass engagierte Eltern einen Verein als freien Träger gründen. Eine kommunale Trägerschaft soll zu allerletzt angestrebt werden" (Motsch 1992).

Ein Kindergarten wird in der Regel mit ein bis vier Gruppen betrieben (in Einzelfällen auch mehr Gruppen). Als pädagogisch ideal sind allerdings zwei- bis dreigruppige Kindergärten zu sehen, da sie für Kinder, Betreuer und Eltern überschaubarer sind und auch noch gemeinsame Aktionen aller Kindergartenkinder zulassen.

Beim Personal in den Gruppen (ca. 15-25 Kinder pro Gruppe) ist in der Regel von zwei pädagogischen Kräften auszugehen (Erzieherin und Kinderpflegerin). Die öffentliche Förderung durch Land und Gemeinde deckt die Personalkosten nicht ab, so dass mit den Elternbeiträgen und Eigenmitteln des Kindergartenträgers ungedeckte Personal- und sachliche Betriebskosten ausgeglichen werden müssen. Viele Kommunen gewähren freien Trägern auch freiwillige Zuschüsse über die rechtlichen Vorschriften hinaus (Defizitausgleich).

Eltern: Für welchen Träger sollen wir uns nun entscheiden? Ob ein kommunaler Kindergarten besser ist als ein kirchlicher oder ein Elternvereinskindergarten? Und wer ist überhaupt der Träger? Die Begriffe sind zu anonym, und wir wüssten gerne, wer sich dahinter verbirgt bzw. mit welcher verantwortlichen Person man verhandeln muss.

Erzieherin: Ich hätte auch gerne gewusst, wer der Träger ist. Zuerst arbeitete ich in einem kirchlichen Kindergarten. Jeder wollte bestimmen: der Pfarrer, der Kirchenvorstand, die Kirchenverwaltung - und dazu kam noch das Beratungsrecht des Kindergartenbeirats. Offiziell hieß es: "Träger des Kindergartens ist die Kirchengemeinde St. Johannes". Allein drei Pfarrer wies unsere Gemeinde auf. Obwohl einer von ihnen "offiziell" für den Kindergarten verantwortlich sein sollte, entschied er nichts ohne seine Kollegen... Jetzt arbeite ich in einem kommunalen Kindergarten. Träger ist die Gemeinde. Also reden der Bürgermeister, die Gemeinderäte und die Gemeindeverwaltung mit. Die Interessen sind bei all diesen "Trägervertretern" ganz unterschiedlich: pädagogische Inhalte, Finanzen, Ruhe...

Autorin: Träger von Kindergärten sind Städte und Gemeinden (in wenigen Ausnahmefällen auch einmal Landkreise), Wohlfahrtsverbände, wie z.B. Caritasverband, Diakonisches Werk, Arbeiterwohlfahrt, Rotes Kreuz, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, die beiden großen Kirchen (deren Einrichtungen dann meist dem Caritasverband oder dem Diakonischen Werk angeschlossen sind), Vereine, Stiftungen, Elterninitiativen bzw. Elternvereinigungen usw.

Unterschieden wird noch zwischen dem Bau- und dem Betriebsträger eines Kindergartens, die aber auch identisch sein können. Für Sie von Bedeutung ist in erster Linie der Betriebsträger, denn er muss für die Finanzierung sorgen, stellt das Personal ein und trägt auch die Verantwortung für die inhaltliche Ausgestaltung des Kindergartenlebens - es sei denn, er hätte die Verantwortung ausdrücklich an die Kindergartenleiterin delegiert.

"Evangelische und katholische Kindergärten legen besonderen Wert auf eine christliche Lebensführung ihrer Angestellten und auf ihre Bereitschaft und Fähigkeit, innerhalb der Kindergartenarbeit auch eine religiöse Erziehung im Sinne der jeweiligen Glaubensgemeinschaft zu verwirklichen" (Haug-Schnabel/ Schmid 1988).

Die Mehrzahl der Kindergärten befindet sich in evangelischer oder katholischer Trägerschaft. Grundsätzlich nehmen aber alle Kindergärten, die öffentliche Zuschüsse erhalten, Kinder aller Konfessionen und religiösen Gruppierungen oder auch ungetaufte Kinder auf. Die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit wird respektiert. Da jeder Träger aber erhebliche Eigenmittel in den Kindergarten einbringen muss, ist es verständlich, wenn er vorrangig - insbesondere bei großen Bewerberzahlen - Kinder seiner Glaubensrichtung aufnimmt, insbesondere auch dann, wenn Kindergärten verschiedener Träger am Ort zur Verfügung stehen.

Sie als Eltern können durch Ihren Einsatz und Ihr Engagement das Konzept Ihres Kindergartens mittragen, müssen aber die Grundkriterien der dort praktizierten religiösen Erziehung akzeptieren, insoweit sie nicht gegen andere Religionen ausgerichtet sind. Insbesondere in den Ballungsräumen der Großstädte wird Ihr Kind mit Kindern verschiedenster Religionen aufwachsen und diesen auch im Kindergarten begegnen. Um so wichtiger ist es, dass Ihre religiösen Sinn-, Wert- und Glaubensvorstellungen für Ihr Kind spürbar und sichtbar sind.

Letztlich geprägt wird aber die religiöse Erziehung in Ihrem Kindergarten nicht vom Träger, sondern von den Menschen, die im Kindergarten arbeiten, deren religiöser Erziehung und christlichem Weltbild. Das kann z.B. bedeuten, dass ein kommunaler Kindergarten christlicher ausgeprägt ist als so mancher konfessionelle Kindergarten.

"Von beiden großen Konfessionen wird die Zielsetzung christlicher Erziehung, die von Anfang an zu den Aufgaben des Kindergartens gehörte, nahezu identisch gesehen. Sie ist ein Teilbereich der ganzheitlichen Erziehung im Kindergartenalltag und soll nicht getrennt von der übrigen pädagogischen Arbeit mit den Kindern ablaufen. Im Mittelpunkt der christlichen Kindergartenarbeit steht die Frage nach dem Sinn des menschlichen Lebens und nach den Zielen des menschlichen Handelns" (Haug-Schnabel/ Schmid 1988).

Insbesondere in vielen konfessionellen Kindergärten ist religiöse Erziehung noch immer ein heikles Thema. Hierzu ein Beispiel aus der Kindergartenpraxis einer Erzieherin:

"In einem kirchlichen Kindergarten wurde meine Religiosität gemessen am sonntäglichen Kirchgang und der Zahl der Gebete und biblischen Geschichten, die 'meine' Kinder beherrschten. Ich wollte jedoch meinen Vorsatz verwirklichen, mit Kindern Religion zu leben und nicht nur durch Vorlesen der biblischen Geschichte am Freitag - so dass die Kindergartenkinder auf den Kindergottesdienst vorbereitet würden - meine 'Pflicht' erfüllen. Ich wurde nie gefragt, wie ich denn religiöse Erziehung im Kindergarten gestalten würde, sondern nur welche Gebete, Verse, Geschichten meine Kinder gelernt hätten. Der Kirchenvorstand beschäftigte sich mit meinem Verhalten und ich wurde vor das Gremium zitiert: Wie viele biblische Geschichten und wann? Warum kommen Ihre Kinder nicht in den Kindergottesdienst? Warum gehen Ihre Mütter nicht zur Bibelstunde?

Ich riskierte es: Warum kommen Sie nicht in den Kindergarten? Warum erleben Sie nicht den von uns gelebten und praktizierten Situationsansatz in der Religionspädagogik?

Schweigen. Ich ließ mich allerdings nicht von meinem Weg abbringen. Zum Gottesdienst des Kindergartens zur Entlassung der Schulkinder, ebenso wie zum Adventsgottesdienst des Kindergartens wurde der gesamte Kirchenvorstand eingeladen. Niemand kam. Endlich eines Tages hatte ich es geschafft. Eine Kirchenvorsteherin 'verirrte' sich in den Kindergarten. Nach dem ersten halben Tag ihrer Anwesenheit stellte sie fest: Nichts Religiöses. Ich ersparte mir jede Diskussion, denn es war so viel geschehen an diesem Vormittag. Sie kam noch öfters. Einige Tage später hatte sie ihr Schlüsselerlebnis und ab sofort meinte sie, dass wir 'wirklich religiös' seien: Die Kinder gossen unsere Blumen und unsere frisch angelegten Gemüsebeete. Peter hatte die Gießkanne wieder weggeräumt und trommelte alle bei den Gemüsebeeten zusammen. Mit ernstem Gesicht sagte er: 'Wir müssen beten und Gott danken, dass die Erde so fruchtbar ist, wir Wasser haben zum Gießen und unsere Pflanzen wachsen können. Das ist nämlich gar nicht und überhaupt nicht selbstverständlich, denkt bloß an Afrika.' Die Kinder falteten ihre Hände, und Peter sprach ein frei formuliertes Gebet. Es war wie ein Gottesdienst. Wochen später brachten wir Gemüse von unseren Beeten beim Erntedankfest zum Altar und feierten unseren eigenen kleinen Erntedankgottesdienst. Ein Kindergartenvater, selbst Pfarrer, übernahm die Liturgie ..."

Doch zurück zu Ihrer Frage: Welcher Kindergartenträger? Sie müssen mit den Menschen sprechen, die im Kindergarten arbeiten, und dann entscheiden.

Eltern: Es gibt so viele verschiedene Kindergärten! Im Adressbuch fanden wir unter dem Stichwort Kindergarten ganz verschiedene Begriffe:

  • Pfarrkindergarten St. Agnes
  • Gemeindekindergarten Rosenbach
  • Waldorf-Kindergarten
  • Montessori-Kindergarten
  • Integrationskindergarten
  • Kindertagesstätte
  • Kinderhaus
  • Gemeineinwesenzentrum

Die Kindergärten sind quer über unseren Ort verteilt. Arbeiten sie alle gleich und ist es egal, welchen wir wählen?

Autorin: Die Begriffe Pfarrkindergärten und Gemeindekindergärten machen lediglich Aussagen über den Träger, nämlich die Pfarrgemeinde oder die Kommune. Ersterer ist demnach konfessionell ausgerichtet. Der Begriff Integrationskindergarten steht in der Regel für einen Kindergarten, in dem behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam in einer Gruppe betreut werden. Zumeist setzt sich die Gruppe aus zehn nichtbehinderten und fünf behinderten Kindern zusammen und ist mit zusätzlichem Personal ausgestattet, bzw. hält besondere Angebote und Dienste für die behinderten Kinder bereit (Logopädin, Krankengymnastin u.ä.).

Die Zahl behinderter Kinder in Regelkindergärten ist in den letzten Jahren konstant angestiegen und die gemeinsame Betreuung damit normal geworden. So besuchen behinderte Kinder nicht nur Integrationskindergärten, sondern auch den Kindergarten in der Nähe der Wohnung, und die Integration in das Leben im Stadtteil oder der Gemeinde wird damit ganz wesentlich erleichtert.

Die im Integrationskindergarten vertretene Pädagogik kann Elemente des Fröbel-Kindergartens, des Waldorf-Kindergartens, aber auch des Montessori-Kindergartens aufweisen. Hauptmerkmal ist die gemeinsame Betreuung der Kinder.

Gleichzeitig muss ich aber auch auf die sogenannte "graue Integration" hinweisen. Damit sind all jene behinderten Kinder, die in Kindergärten an ihrem Wohnort betreut bzw. dort ganz selbstverständlich aufgenommen werden, gemeint. Die Wohnortnähe und das Eingebundensein in das soziale Netz sind oft Vorteile im Vergleich mit den speziellen Modelleinrichtungen, die zudem wegen mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten oft auf sehr unsicheren "Füßen" stehen. Letzteres ist auch ein Grund, warum Integrationskindergärten nur sehr spärlich entstehen, obwohl die Nachfrage von Eltern groß ist.

Wenn Sie sich als Vater/ Mutter für Ihr Kind - gleich ob es behindert oder nichtbehindert ist - für einen Integrationskindergarten entscheiden, heißt das für Sie, dass Sie sich allen Fragen Ihres Kindes stellen müssen. Und, Kinderfragen nehmen keine Rücksicht auf Empfindlichkeiten von Erwachsenen.

Ein Praxisbeispiel mag zeigen, wie unterschiedlich die Haltungen von Kindern und Erwachsenen sein können:

"Wolfgang, ein geistig behinderter Junge, besucht den Regelkindergarten in der Nähe der elterlichen Wohnung. Die Lösung vom Elternhaus, insbesondere die Entklammerung von der Mutter, brachte allerhand Probleme mit sich. Wolfgang wollte zu den Kindern und wollte weg von der Mutter. Er schubste sie jeden Morgen weg: 'Nicht Mama, Kinder', waren seine Worte. Eine innige Freundschaft verband ihn bald mit Jens. Jens, ein Jahr älter, verstand es, mit Wolfgang - mit all seinen Fähigkeiten, aber auch den Folgen seiner Behinderung - umzugehen. 'Natürlich kann auch ein behindertes Kind in den Kindergarten. Wir können dem Kind doch gut helfen. Wenn da nur behinderte Kinder wären, das wär' nicht so gut. Ballspielen geht auch, wenn ein Kind nicht laufen kann und im Rollstuhl sitzt. Man muss halt vorsichtiger werfen und nicht so fest!'

Jens förderte Wolfgang mit Rücksicht auf seine Fähigkeiten und beschützte ihn auch - wenn es notwendig war. Die Mutter von Jens wusste nichts über die Freundschaft der beiden Buben. Jens war Alleinheimgänger, und die Mutter kam nur äußerst selten in den Kindergarten. An einem Nachmittag holte sie ihren Sohn zu einem Arztbesuch früher ab. Die Kinder spielten im Garten. Jens wollte die Gelegenheit nutzen und der Mutter seinen Freund Wolfgang vorstellen. Die Reaktion der Mutter ließ Jens erstarren: 'Ist der bei Euch im Kindergarten? Mit dem spielst Du doch hoffentlich nicht? Unverschämt, dass Eltern nicht gefragt werden, bevor solch ein Kind in den Kindergarten aufgenommen wird!' Jens nahm Wolfgang in den Arm. 'Er ist mein Freund. Er bleibt hier und ich spiele mit ihm, solange ich will!'

Ihre Frage richtet sich aber auch auf den Waldorf-Kindergarten. Grundlage für die Waldorf-Pädagogik bildet die Lehre Rudolf Steiners. Insbesondere in den letzten Jahren ist die Zahl der Waldorf-Kindergärten gestiegen. Das mag daran liegen, dass Eltern nach Alternativen zu Kindergärten mit schlechten Rahmenbedingungen suchen. Sie versprechen sich eine freiheitlichere Pädagogik, eine ausgewogene musische Erziehung, Hinführung zur Natur, mehr Selbständigkeit und Zufriedenheit im Umgang mit den Dingen, Förderung in Tanz, Gesang und Sprache.

Was von vielen Eltern nicht wahrgenommen wird ist, dass die Waldorf-Pädagogik nicht losgelöst von ihrer weltanschaulichen Grundlage zu sehen ist. Dies gibt oft Anlass zu widersprüchlichen Diskussionen.

"Betrachtet man die Waldorf-Kindergartenarbeit, fallen sofort zwei Aspekte auf:

1. Die Übereinstimmung zwischen Theorie und Praxis der Waldorf-Pädagogik,

2. die Einheitlichkeit der Arbeit in den einzelnen Waldorf-Kindergärten.

Beide Tatsachen rühren aus der starken Geschlossenheit des anthroposophischen Gedankengebäudes her, das von einem einzigen Menschen entwickelt und bis heute unverändert überliefert wurde. Wer die Vielfalt der Arbeit in den übrigen Kindergärten kennt, weiß, dass von dem Kindergarten eigentlich nicht gesprochen werden kann. Anders in den Waldorf-Kindergärten. Durch die relativ feste Orientierung am sich ständig wiederholenden Rhythmus der Jahreszeiten und Feste ist es möglich, ungefähr vorauszusagen, welche Themen und Tätigkeiten zu einer bestimmten Zeit auf dem Programm stehen" (Lachenmaier/ Lehner 1989, S. 104).

Was für Sie als Eltern immer wieder verlockend erscheinen mag, ist die intensive Elternarbeit der Waldorf-Kindergärten. Während oft Eltern in die anderen Kindergärten nicht hinein dürfen, sind hier die Eltern erwünscht, allerdings weniger um eigene Gedanken und Ideen einzubringen, als um sich nach Anleitung der Erzieher zu beteiligen bzw. um an den verschiedenen Gesprächskreisen teilzunehmen.

Im eigenen Bekanntenkreis erlebte ich folgendes Beispiel: Vater und Mutter beteiligten sich ganz wesentlich am Aufbau eines Waldorf-Kindergartens und arbeiteten jeden Samstag mehrere Stunden hei der Gestaltung der Außenanlagen und der Beete für den Kindergarten. Eines Tages bemerkte der fünfjährige Sohn (zu Recht): "Hier kriegt ihr dreckige Hände und arbeitet im Garten. Daheim bei uns macht das der Gärtner. Noch nie hat sich einer von Euch um meine Radieschen im Garten gekümmert - höchstens bloß das Kindermädchen!" Elternengagement? Elternmitarbeit?

Die Montessori-Pädagogik - eigentlich alle Vertreter der Reformpädagogik - erlebt zur Zeit eine regelrechte Renaissance. Im Unterschied zur Waldorf-Pädagogik basiert sie nicht auf einer eigenen Weltanschauung. Die italienische Ärztin und Pädagogin Maria Montessori entwickelte die nach ihr benannte Erziehungsrichtung Anfang des 20. Jahrhunderts in Rom. Elemente der Montessori-Pädagogik finden Sie heute in vielen Kindergärten, ganz besonders in Kindergärten mit integrativen Ansätzen.

Es wäre vermessen, hier alle Elemente und Grundsätze der Montessori-Pädagogik verkürzt wiedergeben zu wollen. Ich will deshalb nur auf die aus meiner Sicht zentralen Elemente eingehen: Die Eigenständigkeit des Kindes, die freie Entscheidung für das Handeln und Tun der Kinder sind Maria Montessori besonders wichtig. Ihr Leitsatz für Kinder heißt deshalb auch: "Hilf mir, es selbst zu tun!" Nicht: "Lieber Erzieher, liebe Erzieherin, lieber Vater, liebe Mutter, mache es für mich", sondern: "Gib mir nur Hilfestellung, dass ich es allein schaffen kann." Wir alle kennen den Ausspruch von Kindern: "Ich bin doch schon groß!" Ja, Kinder sind auf ihre Art groß, wenn wir sie nicht für klein und dumm halten und entsprechend behandeln.

Auffallend an Montessori-Kindergärten ist das Material, mit dem sie ausgestattet sind. Alle von Montessori eingesetzten und teilweise auch entwickelten Materialien lassen sich aufgrund verschiedener Eigenschaften (Farbe, Form, Oberflächenbeschaffenheit, Wärmegrad, Gewicht usw.) strukturieren bzw. einander zuordnen. Der Umgang mit dem Montessori-Material fordert die Kinder insbesondere im Bereich der Konzentration und Ausdauer. Jedes Material hat gewissermaßen die Fehlerkontrolle "eingebaut" - das bedeutet, dass das Kind selbst merkt oder überprüfen kann, ob es eine selbstgestellte Aufgabe gelöst hat.

Eine ganz wichtige Rolle kommt demnach in einem Montessori-Kindergarten der Erzieherin zu. Aufgrund ihrer intensiven Beobachtung eines jeden Kindes kann sie seine Entwicklung unterstützen, indem sie die Umgebung vorbereitet, das heißt, die jeweils angemessenen Materialien bereitstellt. Dann kann das Kind mit den Materialien eigenständig umgehen und an seinem Handeln wachsen. Übrigens ist es viel schwieriger für eine Erzieherin, sich quasi zurückzuhalten als einzumischen. Häufig werten Eltern jedoch das "scheinbare Nichtstun" einer Erzieherin als negativ. Im eigentlichen Sinn müsste aber eine Gruppe von Kindern so spielen und arbeiten, dass die Erzieherin "überflüssig" wird. Wenn Sie sich für einen Montessori-Kindergarten entscheiden, dann sollten Sie selbst auch die Chance nutzen, mit den dort angebotenen Materialien zu spielen und zu arbeiten. Sie werden wertvolle Erfahrungen machen.

Im Konzept der Montessori-Pädagogik werden wenig Aussagen über die Elternarbeit gemacht. So können das Elternangebot und das Elternengagement in den einzelnen Einrichtungen recht unterschiedliche Einschätzung finden.

Vielfach wird statt Kindergarten auch der Begriff "Kindertagesstätte" verwendet. Es ist eigentlich ein Oberbegriff für Kinderbetreuungseinrichtungen jeder Art und für die verschiedensten Altersstufen, z.B. Krippe, Kindergarten oder Hort. In erster Linie sind aber Einrichtungen gemeint, die ganztägige Kinderbetreuung mit Mittagessen anbieten. Sie müssen sich auf jeden Fall erkundigen, was sich hinter dem Namen "Kindertagesstätte" bei Einrichtungen in Ihrer Nähe verbirgt.

Vielleicht wundern Sie sich schon über die Vielfalt der Einrichtungen. Insbesondere in den letzten drei bis fünf Jahren hat sich im Bereich der Kinderbetreuung einiges getan. So entstehen auch vereinzelt "Kinderhäuser" (Häuser für Kinder und Familien, Kita-Zentren, Orte für Kinder u.ä.). In der Regel werden darunter Einrichtungen verstanden, in denen Kinder der verschiedensten Altersstufen gemeinsam betreut werden:

Kinder im Alter von

  • 0 - 15 Jahren oder
  • 0 - 6 Jahren oder
  • 3 - 15 Jahren.

Die Idee hierzu ergab sich unter anderem aus der Tatsache, dass heute sehr viele Kinder als Einzelkinder aufwachsen und nur noch mit Erwachsenen leben, ihnen somit jeglicher Bezug zu Geschwistern fehlt. Kinderhäuser bieten aber auch eine Erleichterung für Väter/ Mütter mit zwei oder mehr Kindern, da dort möglicherweise alle Kinder der Familie betreut werden können. Das heißt für Väter/ Mütter und Kinder, dass sie nur zu einer Einrichtung Kontakt aufnehmen müssen und dass Geschwister ihre Zeit in der Einrichtung gemeinsam verbringen können.

Von der Ausstattung und personellen Besetzung her unterscheiden sich Kinderhäuser von Krippen, Kindergärten und Horten, denn sie müssen ja allen drei Altersstufen gerecht werden. Vielerorts sind Modellversuche angelaufen, und es liegen auch schon erste Erfahrungen vor. Verbindliche Rahmenbedingungen und Konzepte existieren allerdings noch nicht in allen Bundesländern. Sollten Sie sich für eine solche Einrichtung entscheiden, so achten Sie auf die dort vorhandenen Rahmenbedingungen - vor allem auf die Gruppenstärke. Die Bedürfnisse der Kleinstkinder sollten hier richtungweisend sein. Bei allem Positiven, was diese gemeinsame Erziehung für sich hat: Es muss ausreichend Rückzugsbereiche für die einzelnen Altersstufen geben, Ruhezonen für Hausaufgaben, konzentriertes Spiel usw. Vielleicht wissen Sie auch aus Ihrer eigenen Kindheit, dass Geschwister verschiedensten Alters nicht immer nur in aller Harmonie beisammen sind, dass den älteren Kindern die Kleinen auch manchmal zuviel werden oder die Kleinen überfordert sind.

Anmeldung - Voranmeldung - Information

Eltern: Wie sollen wir uns denn bei der Information/ Voranmeldung/ Anmeldung in einem Kindergarten verhalten? Dürfen wir Fragen stellen oder vielleicht auch einmal dableiben und uns den Alltag anschauen? Wahrscheinlich würden wir da einen besseren Eindruck bekommen, als wenn wir nur im Büro der Leiterin sitzen. Gibt es bestimmte Anmeldungs- oder Sprechzeiten oder können wir wohl zu einem beliebigen Zeitpunkt hingehen? Wahrscheinlich braucht der Kindergarten einige Unterlagen über das Kind und die Familie, wie zum Beispiel Geburtsurkunde o.ä.. Gibt es eine Liste, was alles notwendig ist?

Erzieherin: Mir ist es immer am liebsten, wenn Neuanmeldungen am Nachmittag kommen. Da ist es etwas ruhiger. Ob es unbedingt während einer festgelegten Sprechzeit sein muss? Da bin ich eigentlich geteilter Meinung. Letzteres würde zwar Störungen im Gruppengeschehen ausschließen, aber andererseits den Kindern und Eltern auch den Einblick verwehren. Außerdem kann ich die Eltern bitten, für die formelle Anmeldung an einem anderen Tag zu kommen, oder ich gebe den Anmeldeschein einstweilen mit. Es muss auf alle Fälle noch ein intensives Aufnahmegespräch geben.

Eine andere Erzieherin: Ich will, dass die Eltern am angekündigten Anmeldetag kommen. Bei der Schuleinschreibung gibt es auch keine Sonderregelungen.

Autorin: Das bekannt werden mit Ihrem Kindergarten beginnt eigentlich schon sehr früh. Bei Spaziergängen können Sie erkunden, wie die Entfernung zu den einzelnen Kindergärten in Ihrer Umgebung ist. Sie können das Gebäude und die Außenspielfläche "begutachten". Wenn die Kinder im Garten spielen oder aktiv sind, können Sie ruhig einen Blick über den Zaun werfen und dem Treiben ein bisschen zusehen. Auch Ihr Kind wird sich dafür interessieren. Die Kinder werden abgeholt, verabschieden sich von der Erzieherin, berichten Vater/ Mutter gleich von ihren Erlebnissen. Das verschafft Ihnen schon einen kleinen Einblick in die Atmosphäre bzw. das "Klima" der Einrichtung. Sie sehen, ob die Erzieher mit den Kindern gemeinsam spielen oder sich am Rande mit anderen Dingen beschäftigen, ob Tür- und Angelgespräche zwischen Eltern und Erziehern stattfinden, wie sich die Kinder von der Erzieherin verabschieden, oh sie ihr zuwinken.

Wenn Ihr Kind schon eineinhalb bis zwei Jahre alt ist, dann sollten Sie unbedingt den ersten Schritt in den Kindergarten wagen und nach den Aufnahmebedingungen/ Voranmeldungsformalitäten fragen - gleichzeitig auch, ob Sie vielleicht einmal einen Nachmittag mit Ihrem Kind in der Einrichtung zubringen können. Manche Kindergärten legen glücklicherweise schon großen Wert auf die Ein- bzw. Hinführung zum Kindergarten, gestaltet sich doch dann der Übergang von der Familie in den Kindergarten relativ problemlos, wenn schon eine gewisse Vertrauensbasis entstehen konnte. So bieten viele Kindergärten heute für Zweijährige Spielgruppen an (von einem Nachmittag pro Monat bis zu einem Nachmittag pro Woche), damit die künftigen Kindergartenkinder die Einrichtung kennen lernen können. Solche Besuchstage werden allerdings dann vereinbart, wenn sie mit einer Zusage für einen Kindergartenplatz verbunden sind. Es wäre sonst für Sie und Ihr Kind eine Enttäuschung, würde Ihnen später mitgeteilt, dass Sie keinen Platz bekommen könnten.

Die Mehrzahl der Kindergärten lädt die künftigen Kindergarteneltern zusammen mit der schriftlichen Zusage für einen Kindergartenplatz zu einem Informationsabend und eventuell auch zum Sommerfest des Kindergartens ein. Bei beiden Veranstaltungen erleben Sie jedoch eine Sondersituation des Kindergartenalltags oder der Elternarbeit. Informationsbesuche, wie vorher beschrieben, sind deshalb vorzuziehen. Fragen Sie ruhig nach, ob dies im Kindergarten Ihrer Wahl nicht auch möglich gemacht werden kann. Mit dem Anmeldeformular erhalten Sie ferner eine Liste der Unterlagen, die Sie mitbringen müssen, bzw. der Dinge, die Ihr Kind benötigt (z.B. Hausschuhe, Turnsachen usw.).

Eltern: Wie läuft denn ein Erstgespräch im Kindergarten ab? Müssen wir uns in irgendeiner Weise vorbereiten? Können wir unser Kind mitbringen (auch kleinere oder größere Geschwister)? Ist es notwendig, dass Vater und Mutter teilnehmen?

Erzieherin: Das terminlich vereinbarte Erstgespräch ist für mich sehr wichtig. Natürlich gehen diesem Gespräch schon ein oder mehrere Begegnungen mit Vater/ Mutter und dem künftigen Kindergartenkind voraus. Aber jetzt geht es ja um die feste Vormerkung bzw. Aufnahme in die Einrichtung, und da ist ein solches Erst- oder Aufnahmegespräch unersetzlich für den Start in die gemeinsame Erziehung des Kindes durch Vater/ Mutter und Erzieherinnen im Kindergarten. Ich muss mir deshalb auch ausreichend Zeit nehmen und mich einlassen auf die ausgesprochenen und unausgesprochenen Fragen. Gleichzeitig habe ich die Gelegenheit, mehr über die Rahmenbedingungen, das Konzept, überhaupt die Situation in unserem Kindergarten zu berichten. Leider haben viele Eltern kein großes Interesse an einem solchen Einführungsgespräch. Die Hauptsache scheint für sie zu sein, dass sie einen Platz haben. Oft hören wir sogar die Aussage: "Wir zahlen ja, also muss uns auch etwas geboten werden für unser Geld!"

Autorin: Wie kann sich im Idealfall ein Erst- und Aufnahmegespräch gestalten? Sie haben zusammen mit dem Kind mehrfach "Kontakt" mit dem Kindergarten aufgenommen, an einigen Nachmittagen konnten Sie mit dem Kind schon im Sandkasten mitspielen. Nun wollen Sie Ihr Kind anmelden und mehr über den Kindergarten erfahren. Sie suchen das Gespräch mit der Leiterin der Einrichtung, und sie wird einen Termin mit Ihnen vereinbaren. Wenn es sich arrangieren lässt, dann wird sie einen Zeitpunkt wählen, zu dem Vater und Mutter des künftigen Kindergartenkindes und eventuell auch Geschwister teilnehmen können. Überlegen Sie sich, was Sie alles über den Kindergarten wissen möchten, und fragen Sie alles, was Ihnen auf dem Herzen brennt. Damit können falsche Erwartungen verhindert werden, und Sie werden die notwendigen Informationen über den Kindergarten erhalten.

Eine erfahrene Kindergartenleiterin beschreibt den Verlauf der Erst- bzw. Aufnahmegespräche, wie sie diese schon seit vielen Jahren erfolgreich durchführt und wie der Beginn bzw. Einstieg in regelmäßige Elterngespräche ist:

"Zuerst begrüße ich das Kind: ‚Ich freue mich, Johanna, dass du heute kommst und deine Mama (deinen Papa, deine(n) kleine(n)/ große(n) Bruder/ Schwester) mitbringst. Ich glaube, dass du jetzt bald ein richtiges Kindergartenkind werden möchtest? Jetzt will ich aber auch die anderen Mitglieder deiner Familie begrüßen.' Gemeinsam gehen wir in mein Büro, das weniger einem Büro als einem kleinen gemütlichen Wohn- und Spielzimmer gleicht. Eine kleine Spielecke hat neben dem Schreibtisch und den notwendigen Schränken und Regalen Platz gefunden. Auch gibt es eine Sitzecke, in der wir alle gemütlich Platz finden können. Ich habe einige Kekse und Saft bereitgestellt. Wenn es sich einrichten lässt, dann nimmt auch die künftige Gruppenleiterin des Kindes an dem Gespräch teil".

Das Prinzip des Kindergartens war und ist das Spiel

"Die Mittel der Kindergarten-Erziehung

Die Mittel der Kindergarten-Erziehung sind: Beschäftigungen, welche den schaffenden und gestaltenden Tätigkeitstrieb bilden, Bewegungsspiele mit und ohne Gesang, Anschauen und Besprechen von Gegenständen und Bildern, Erzählungen und Geschichtchen, endlich leichte Gartenarbeiten.

Aller Unterricht im Sinne der Schule ist ausgeschlossen. Wenn auch der Unterricht im Sinne der Schule ausgeschlossen bleiben muss, so ist es doch nicht der Unterricht überhaupt; denn jede mittelbare oder unmittelbare Einwirkung der Erzieherin auf den Zögling, jedes Wort von ihr soll der Ausbildung des kindlichen Geistes dienen, also Unterricht im weitesten Sinne des Wortes sein. Der Unterschied zwischen dem unterricht in der Schule und dem im Kindergarten und in der Kinderstube liegt nicht in den Bildungsstoffen, sondern auch in der Art und Weise der Vermittlung des Bildungsstoffes, in der Unterrichtsmethode.

Die Schule entnimmt die Bildungsstoffe den Lehrgegenständen, wie dem Lesen, Schreiben, Rechnen, dem Religionsunterrichte usw., der Kindergarten den Erzählungen, Liedern, Gedichten, dem Anschauen und Besprechen von Gegenständen und Bildern, den Spielen usw..

Die Art und Weise, wie der Kindergarten seine Bildungsstoffe verwertet, die Methode des Kindergartens, trägt das Wesen des Spieles; das Kind soll nicht einmal ahnen, dass es im Spiele an seiner Entwicklung arbeitet, und die Kindergärtnerin darf den Kindern die Schere und Schwierigkeit ihrer Arbeit nicht merken lassen; Frohsinn und Heiterkeit, mütterliche Liebe seitens der Kindergärtnerin und kindliches Vertrauen seitens der Zöglinge muss im Kindergarten walten" (aus: Alois Fellner "Der Kindergarten", Verlag Pichler, Wien 1901).

Meist zieht es die Kinder gleich in die Spielecke. Sie wollen sehen, was es dort alles gibt. Die Ausgestaltung und die Materialien richten sich in etwa nach der Jahreszeit oder dem Themenkreis, den wir gerade im Kindergarten behandeln. So beginnt dieser Besuch im Kindergarten ganz zwanglos mit gemeinsamem Spiel oder dem Vorlesen eines Bilderbuches. Manchmal sind Vater/ Mutter enttäuscht dass ich ihnen nicht alleine meine volle Aufmerksamkeit widme. Nach einer Weile spielt das Kind und ich knüpfe mit dem Gespräch bei diesem Spiel an. Wie verhält das Kind sich daheim, spielt es gerne, und was sind seine bevorzugten Spielzeuge und Spielsituationen?

Spiel ist das Prinzip der Kindergartenpädagogik und das ganz Zentrale im Alltag unseres Kindergartens. Ich erzähle etwas über den Ablauf eines Kindergartentages und baue so eine Brücke zu den Fragen der Eltern. Häufig kommt sofort die Frage, ob denn im Kindergarten nicht gelernt und auf die Schule vorbereitet würde. Ich frage die Eltern nach ihrer Motivation für den Kindergartenbesuch ihres Kindes und welche Vorstellungen sie sich über den Übergang von der Familie in den Kindergarten machen. Mit der Zeit kommen von den Eltern immer mehr Fragen, es beginnt ein Dialog, ein partnerschaftlicher Austausch von Informationen.

Mittlerweile gesellt sich das Kind wieder zu uns. Ich lade die Familie ein, mit mir die Räume des Kindergartens anzuschauen. Auch hier besteht nochmals Gelegenheit, Fragen zu stellen. Wir kehren zurück in das Büro. Ich gebe den Eltern das ausführliche Anmeldeformular mit und bitte sie, es zuhause gemeinsam auszufüllen. Bei der Verabschiedung lade ich das Kind ein, bald wieder im Kindergarten vorbeizukommen. 'Du bringst ja sicher bald mit der Mama den Anmeldeschein wieder vorbei. Vielleicht habt ihr am... Nachmittag Zeit, denn dann kannst du gleich heim Kasperletheater mit dabei sein!'"

Lernen im Kindergarten

Eltern: Ja wie ist das mit dem Lernen im Kindergarten? Heute braucht doch wohl jedes Kind den Kindergarten, damit es gut durch die Schule kommt. Ich weiß von Freunden, dass ihr Kind im Kindergarten durch ganz spezielle Lernprogramme trainiert wird. Nur Spielen, das ist doch wohl zu wenig. Wenn nur gespielt wird, dann bräuchten wir unser Kind doch gar nicht in den Kindergarten zu schicken...?

Erzieherin: Es steckt noch immer in den Köpfen von Eltern, Lehrern und selbst von Kolleginnen: Lernprogramme, Vorschulmappen, Stillsitzen, Anpassung, Gehorsam, schulische Lerntechniken - die einseitige kognitive Förderung. Und wir Erzieherinnen lassen uns immer wieder verunsichern. Warum eigentlich? Brauchen unsere Kinder am. Mittag heim Abholen einen Leistungsnachweis? Die ständige Frage von Eltern an ihr Kind ist: "Na, was habt ihr denn heute gelernt, gemacht, gebastelt, gemalt...?" Das bringt viele Kolleginnen unter Druck. Dann basteln sie eifrig, und schon die Dreijährigen tragen einwandfreie Faltarbeiten nach Hause. Und die Eltern glauben auch noch, dass das ihre Kinder selbst gemacht hätten. Wir Erzieher müssen Eltern unbedingt über die Formen des kindlichen Lernens aufklären nicht belehrend, sondern am besten über die Methode des eigenen Erfahrungslernens.

Autorin: Die Aufgabe des Kindergartens ist es nicht, dem Kind Lernprogramme aufzuzwingen und damit seine Entfaltung zu stören. Vielmehr geht es im Kindergarten um einen Lebensbereich, in dem das oberste Prinzip das Spiel des Kindes ist. Kinder erfassen die Welt spielend. Schiller sagt in seinen ästhetischen Briefen: Der Mensch (also der Erwachsene ebenso wie das Kind) ist erst dann ganz Mensch, wenn er spielt.

"Gerade im Kindergarten wird nach Herzenslust gespielt, da hier alle bemüht sind, möglichst gute Spielbedingungen zu schaffen. Jede begeisterte, lustvolle Beschäftigung eines Kindes, allein oder mit anderen, wird von ihm als Spiel empfunden. Ob es sich seine Tätigkeiten selbst wählt oder auf ein Aktivitätsangebot eingeht, ausschlaggebend für den wahren Spielcharakter sind das Engagement und die Begeisterung für sein Tun" (Haug-Schnabel/ Schmid 1988, S. 83 f).

Im Spiel macht das Kind alle notwendigen Erfahrungen, die es für das spätere schulische Lernen braucht. Es kann dabei seinem eigenen individuellen Lerntempo folgen, kann also bei einem Spiel länger, beim anderen kürzer verweilen oder es beliebig oft wiederholen. Kinder entwickeln dabei Sicherheit. Sie wissen aus ihrer eigenen Erfahrung, dass sie z.B. das Puzzle selbständig zusammensetzen können, sehen also ihren Erfolg voraus, können ihr Tempo steigern. Sie wenden sich dann ganz von alleine der schwierigeren Aufgabe zu.

Erwachsene entwickeln Spielsachen für Kinder (gestalten Bilderbücher) nach ihren Vorstellungen und Zielsetzungen. Oft werden diese Materialien von den Kindern nicht in der erwarteten Weise angenommen. Sie lassen den Kindern zu wenige Spielräume, zu wenig Raum für kindliche Kreativität, Phantasie und Gestaltungsdrang. Warum montieren Kinder Spielzeugautos auseinander? Sie wollen sehen, wie sie funktionieren. Aus der Sicht der Erwachsenen sind die Autos dann kaputt, aus der Sicht von Kindern wird es jetzt erst interessant. Sie spielen (arbeiten) konzentriert und mit Ausdauer.

Alle Kinder sind neugierig und wollen ihre Welt entdecken. Neugierde, Freude und Spaß sind die wichtigsten Lernvoraussetzungen. Kindergartenkinder lernen im konkreten Umgang mit den Dingen. Sie wollen ihre Welt mit all ihren Sinnen erfassen: Riechen, Sehen, Tasten, Schmecken, Hören. Sie brauchen diese Erfahrungen, um Dinge in ihrer Ganzheit wahrzunehmen und zu begreifen. Viele vorschulische Lernprogramme abstrahieren Dinge nur, bannen sie als Zeichen auf Papier. So verwundert die Aussage eines Kindes wie folgende nicht: "Müssen wir schon wieder Arbeitsblätter machen?"

Noch immer spielen diese Lernprogramme in den Kindergärten eine große Rolle. Noch immer argumentieren viele Erzieherinnen, dass Eltern und Lehrer dies wollten und dass sie so den Eltern die Fähigkeiten ihrer Kinder besser verdeutlichen könnten. Lassen Sie sich bei der Auswahl des Kindergartens für Ihr Kind nicht blenden von solchen Arbeitsmappen, von wunderschönen Bastelarbeiten, die angeblich die Kindergartenkinder ganz selbständig angefertigt hätten! Indem Sie selbst mit Ihrem Kind spielen, wissen Sie am besten, was es allein kann. Verliert es die Lust, oder fragt es ständig nach Ihrer Hilfe, so ist das in den meisten Fällen ein Zeichen von Überforderung.

So wird ein dreijähriges Kind mit Wonne (und viel Kleister) Papierschnipsel auf ein Blatt aufkleben - in vielen Schichten - aber kaum eine ganz konkrete Darstellung alleine gestalten können. Vielmehr übt es seine Motorik im Reißen der Schnipsel (übrigens eine ausgezeichnete Vorbereitung auf das Schreiben - man könnte es als "sogenannte schreibvorbereitende Übung" sehen) und experimentiert mit dem Kleister. Es macht die Erfahrung, dass Papier auf Papier nur mit Kleister hält, dass der Kleister klitschig und nass ist, dass es damit wunderbar schmieren kann... Kurzum, es macht Erfahrungen mit bestimmten Materialien. Diese Erfahrungen braucht es, will es im späteren Alter - aus der Sicht der Erwachsenen - "richtige" Bilder kleben.

Leider gelingt es nur wenigen Erzieherinnen, dieses prozesshafte Lernen den Eltern begreifbar zu machen und die Lernleistung des Kindes zu definieren. Ein ganz konkretes Beispiel aus dem Kindergartenalltag:

"Die Beratungslehrerin an einer Grundschule bat mich, ein Kind für einige Tage zur Beobachtung im Kindergarten aufzunehmen. Das Kind sollte wieder ausgeschult werden, die Mutter wehrte sich jedoch dagegen, da es erstens das Schulalter erreicht habe (6 1/2 Jahre) und zweitens vom Kindergarten als unbedingt schulreif bezeichnet worden sei. Bevor ein weiteres und dann entscheidendes Gespräch angesetzt werde, sollte ich das Kind im Kindergarten beobachten. Da Besucherkinder in unserem Kindergarten alltäglich waren, wurde auch H. als solches eingeführt und von den Kindern herzlich begrüßt. Schon bald stellte sich heraus, dass das Kind sehr unselbständig war und außerdem die anderen meist nur herumkommandierte: "Los gib mir!" "Wo ist...?" usw.. H. brüllte los, wenn ihm ein Farbstift abbrach. Ich bewunderte die Geduld der Gruppe: "Da hinten ist doch die Spitzmaschine, kannst dir doch selber anspitzen". H. konnte mit der Schere nicht umgehen und quetschte das Papier lediglich auseinander, forderte immer wieder aktive Unterstützung bzw. Hilfe.

Ich konnte im Verlauf weniger Tage eine ganze Reihe von Beobachtungen machen, die den Rückschluss zuließen, dass H. in vielerlei Hinsicht nicht schulfähig ist. Im gemeinsamen Gespräch mit der Beratungslehrerin erklärte die Mutter jedoch, dass ihr Kind vom Kindergarten als absolut schulreif, ja sogar hochbegabt dargestellt worden sei und dass sie das an Hand der dort eingesetzten Arbeitsmappen auch beweisen könnte. Sie legte drei dicke Mappen mit Arbeitsblättern zur vorschulischen Erziehung und zum Sprach- und Intelligenztraining auf den Tisch. Jedes Arbeitsblatt war exakt bearbeitet, sauber ausgeschnitten oder ausgemalt, fehlerlos. Die Mutter erklärte, dass man daran ersehen könne, wie fit ihr Kind sei."

(Anmerkung: Eine fleißige Erzieherin hatte einen "Leistungsnachweis" geführt und jedes Blatt bearbeitet, damit nur alles schön und richtig war. Die Mutter hatte sich davon täuschen lassen. Die Erzieherin wollte vielleicht, dass die Mappe "schön" sei...)

Lernen im Kindergarten sollte also nicht am Ergebnis von Arbeitsblättern gemessen werden, denn es vollzieht sich situativ im Alltag, meist in den pädagogischen Freiräumen, dann, wenn wir das Kind gar nicht bewusst "unterrichten", anleiten, anweisen bzw. erziehen.

Der Situationsansatz im Kindergarten

Eltern: Wir haben gehört, dass ein Kindergarten, der den sogenannten Situationsansatz verwirklicht, ganz besonders gut sein soll, Nur, was versteht man darunter? Wir wollen schon wissen, was sich hinter einem solchen Konzept verbirgt, und ob wir das mit unseren Erwartungen an den Kindergarten in Einklang bringen können.

Erzieherin: Situationsansatz, so richtig "greifen" kann ich eigentlich auch nicht, was sich dahinter verbirgt. Wir Kolleginnen untereinander sind auch recht unsicher und dann fragen uns die Eltern immer wieder. Heißt Situationsansatz nun, dass wir im Kindergarten immer warten sollen, bis sich eine Situation ergibt und auf alle Förderangebote verzichten, oder heißt es, dass wir stets Situationen schaffen müssen und damit bestimmen, was Kinder tun sollen und womit sie sich beschäftigen dürfen? Es gibt Stimmen aus Eltern- und Trägerreihen, die sagen, dass wir im Kindergarten gar nichts mehr täten, seit der Situationsansatz propagiert wird, und man doch besser die Vorschule oder Vorklasse einführen solle. Leider gibt es in der Literatur keine guten Darstellungen, und die Fortbildung in diesem Bereich lässt sehr zu wünschen übrig!

Autorin: Was verbirgt sich nun hinter dem Situationsansatz und warum schafft er soviel Unsicherheit und Verwirrung?

"Situationsorientiertes Lernen versteht sich als der Versuch, Lern- und Bildungsprozesse stärker auf die gesellschaftliche Realität zu beziehen" (Hebenstreit 1980). Ein Hauptziel des Situationsansatzes ist es, von isolierten Förderprogrammen wegzugehen. Statt dessen bekommen das situative Lernen und die Begriffe Autonomie und Kompetenz zentrale Bedeutung. Dabei werden unter Kompetenzen Qualifikationen im sozialen Kontext gesehen und unter Autonomie die "verantwortliche Wahrnehmung von Interessen (Solidarität) im Sinne der Aufhebung von Fremdbestimmung und von emanzipatorischem Verhalten" (Hebenstreit 1980).

Was ist nun unter Situationen zu verstehen? Es sind dies Probleme, Fragen, Ängste, Erlebnisse, Freuden, Begegnungen, Erfolge, Misserfolge... von Kindern in der Gegenwart oder in absehbarer Zukunft. Durch die Arbeit nach dem Situationsansatz, durch situatives Lernen, sollen Kinder befähigt werden, die vorgenannten Situationen zu bewältigen und durch das Erfahrungslernen daraus mögliche Schlüsse für die Zukunft ziehen. Kinder lernen in Situationen für zukünftige Situationen. Für die "Zukunft lernen" wäre zu kurz gefasst, da erst eine (nicht) bewältigte Situation die notwendige Kompetenz oder Basis für zukünftige Situationen liefert.

Vielfach glauben nun Erzieher, dass sie nur noch warten müssten, bis das Kind mit einer Frage kommt, bis es einen Käfer entdeckt und etwas darüber wissen will, dass also jede Planung und Vorbereitung sinnlos sei: Man weiß ja nie was kommt! So "einfach" macht jedoch der Situationsansatz den Kindergartenalltag nicht. Eine situative Pädagogik geht immer von der Situation aus, in der sich Kinder gegenwärtig befinden oder in die sie in nächster Zukunft hineinkommen werden. Jede Situation ist aber dreidimensional zu verstehen. Sie hat eine Vergangenheit, eine Gegenwart und eine Zukunft. Genau hierin liegt auch die Schwierigkeit, wenn man nach dem Situationsansatz arbeiten will.

"Das Garten-Vorurteil

Unweigerlich tragen wir auch mitten in die Natur Vorurteile, die es erschweren, das Wahre zu erkennen. Wir haben uns einen zu symbolischen Begriff der Blumen gemacht und sind stärker bestrebt, die Tätigkeit der Kinder unseren eigenen Vorstellungen anzupassen als dem kleinen Kind zu folgen, um seine wirklichen Neigungen und Bedürfnisse zu interpretieren. So hatten die Erwachsenen das Kind auch bei der Gartenarbeit in eine künstlich festgelegte Tätigkeit gezwungen. Ein Samenkorn in die Erde setzen und auf das daraus entstehende Pflänzchen zu warten, das ist eine zu geringe Arbeit und eine zu lange Wartezeit für Kinder. Sie wünschen große Arbeiten zu vollbringen und ihre Tätigkeit direkt mit den Erzeugnissen der Natur in Verbindung zu bringen.

Zweifellos lieben Kinder Blumen, sie sind jedoch weit davon entfernt, sich damit zu begnügen, sich inmitten von Blumen aufzuhalten und ihre farbigen Blütenblätter zu betrachten. Kinder sind zutiefst zufrieden, wenn sie handeln, kennen lernen, entdecken können, auch unabhängig von äußerer Schönheit" (aus: Maria Montessori "Die Entdeckung des Kindes", Herder Verlag, Freiburg 1990).

Die Erzieher müssen die augenblickliche Situation analysieren und zu deren Ursprung zurückfinden, aber auch gleichzeitig die möglichen Folgen und Auswirkungen für die Zukunft im Auge haben.

Für die Arbeit nach dem Situationsansatz kommen nur Situationen in Frage, die im Rahmen der pädagogischen Arbeit oder durch pädagogische Aktionen beeinflussbar sind. Die Neugierde und Motivation des Kindes wird aus der augenblicklichen Situation heraus zu Überlegungen für die Zukunft führen.

Ein einfaches Beispiel:

Die Kinder haben im Garten entdeckt, dass die Kirschen am Baum beginnen, langsam rot zu werden. Es freuen sich alle, dass es nicht mehr lange dauern wird bis zur Ernte. Rückblickend erinnern sie sich noch an die Blütezeit. Wie weißer Schnee sah es aus, als die Blütenblätter zu Hunderten zu Boden fielen. Wie lange wird es noch dauern, bis die Kirschen rot sind? Ob sie süß schmecken werden? Ob sie Würmer haben - wie im vergangenen Jahr? Man könnte sie pflücken und gleich aufessen, einmachen oder Marmelade kochen oder...

Der Kirschbaum entspricht bei diesem Beispiel der Bereitstellung eines Erfahrungsraumes. Die Kinder können beobachten und dann (hoffentlich) autonom und kompetent entscheiden, was sie mit den Früchten machen werden. Damit sich Erziehung aber so vollziehen kann, braucht es der wachen, aktiven, flexiblen Erzieherin, die die Kinder "selbst kommen lässt" und ihnen, nur wenn nötig, mit Rat und Tat zur Seite steht. Diese Art einer ganzheitlichen Erziehung fordert sehr viel mehr von Erziehern, als wenn sie sich eine gezielte Beschäftigung für jeden Tag vornehmen (Montag - Turnen, Dienstag - Bilderbuch, Mittwoch - Spiel, Donnerstag - Basteln...).

Nach dem Situationsansatz zu arbeiten, heißt nicht, auf Planung zu verzichten. Es wird nur eine ganz andere Planung notwendig; andere Arbeitsweisen sind unverzichtbar. Die Arbeitsschritte sind:

  • Analyse von Situationsanlässen,
  • Überlegungen und pädagogische Zielsetzungen (Bestimmen von Zielen, die erreicht werden sollen),
  • Planung und Durchführung von Projekten auf der Basis von analysierten Situationsanlässen,
  • bis hin zur Bereitstellung notwendiger und ergänzender Materialien, die dem jeweiligen Thema entsprechen bzw. dazu beitragen, in es tiefer einzusteigen oder damit zu experimentieren.

Es wäre falsch zu glauben, dass Situationen ganz besondere Begebenheiten (aus der Sicht der Erwachsenen) sein müssten. Meist handelt es sich bei situativen Anlässen um Alltagsbegebenheiten wie aktuelle, lebensgeschichtliche Ereignisse (Geburtstag, Werden und Vergehen), lokale Begebenheiten (ein Haus wird gebaut, Hochwasser, Sturmschäden) oder jahreszeitlich bedingte Situationen. Aufgabe der Erzieher ist es, den Kindern gut zuzuhören, sie genau zu beobachten. Nur so können sie einen Anknüpfungspunkt für den Situationsansatz finden.

Ganz besonders aktuell und interessant am Situationsansatz ist, dass er weit über den traditionellen Alltag des Kindergartens mit seinen "klassischen Kinderbeschäftigungen" wie Gespräch, Lied, Malen, Turnen ... hinausgeht und im Kindergarten den Weg zu einer stärkeren Gemeinwesenorientierung öffnet. Dadurch bekommt das Umfeld des Kindergartens neue Bedeutung ebenso wie Projektarbeit: Der herkömmliche Kindergarten wird "aufgebrochen"; es kommt zu Kontakten mit Institutionen und Menschen außerhalb des Kindergartens. Exkursionen in die Gemeinde, zu Betrieben, an den Arbeitsplatz von Eltern, werden ebenso zur Regel wie Besuche von Eltern, Großeltern und Geschwistern im Kindergarten.

Damit die Realisierung eines situativen Konzeptes aber gelingen kann, braucht es Konstanz und Sicherheit im Team der Mitarbeiter und im Umgang mit den Eltern, denn viele Aktivitäten lassen sich nur (oder besser) unter Einbeziehung einzelner Väter/ Mütter durchführen. Das stellt natürlich an die Elternarbeit neue Anforderungen! Eltern werden zu Partnern des Kindergartens.

Gleichzeitig hat der Situationsansatz auch Auswirkungen auf die Rolle bzw. das Verständnis von der Rolle des Erziehers. Vom "Bestimmer" - wie Kinder oft die Erzieher bezeichnen - über den Ablauf des Kindergartenalltags wird er zum Koordinator dessen, was einen Kindergartenalltag (er-) füllt. Er wird zum Partner von Kindern und Eltern. Damit Erzieher ihre neue Rolle ausfüllen können, bedarf es allerdings dringender Veränderungen in den Ausbildungsinhalten. Besondere Bedeutung muss die Elternarbeit bekommen.

"Das Verhältnis des Kindergartens zur Familie.

Der Kindergarten hat die Aufgabe, die häusliche Erziehung der Kinder im vorschulpflichtigen Alter zu unterstützen und zu ergänzen. In diesem Satze ist das Wesentliche des Verhältnisses zwischen Elternhaus und Kindergarten und zugleich auch der Aufgabe des Kindergartens zum Ausdruck gebracht.

Der Kindergarten unterstützt die häusliche Erziehung der Kinder, wenn er diese zur Grundlage seiner Wirksamkeit nimmt. Die Kindergärtnerin soll die Verhältnisse des Elternhauses, insoweit sie auf die Erziehung des Kindes Einfluss haben, die Erziehungsarbeit der Mutter und die körperlichen sowie die geistigen Fähigkeiten des Kindes kennen, um ihrerseits mit den erzieherischen Maßnahmen des Hauses gleichen Schritt halten zu können. Die Mutter hingegen soll die Erziehungsweise des Kindergartens kennen und in steter Fühlung mit der Kindergärtnerin bleiben. Wenn auch solch ein ideales Verhältnis selten zu finden ist, und deshalb die Forderung, der Kindergarten habe die häusliche Erziehung der Kinder zu unterstützen, im vollen Maße schwer durchführbar ist, so muss doch unbedingt gefordert werden: die Kindergärtnerin hat auf die Richtung der Familienerziehung in Bezug auf die allgemeine, körperliche Erziehung, die Sprache (Muttersprache) und die Bildung des religiösen Gefühles strenge zu achten.

Die Hauptaufgabe des Kindergartens ist in der Ergänzung der häuslichen Erziehung zu suchen; diese Aufgabe erfüllt er, wenn er jenen erzieherischen Einfluss ausübt, den das Elternhaus aus irgend einem Grunde nicht ausübt oder ausüben kann (aus: Alois Fellner: "Der Kindergarten", Verlag Pichler, Wien 1901).

Nicht nur für Erzieher ist der Situationsansatz schwer zu (be-) greifen, sondern auch für Eltern. Wussten sie im traditionellen Kindergarten immer, was Kinder gemacht haben - geturnt, ein Lied gelernt - so wird es jetzt schwieriger, Inhalte und Abläufe darzustellen. Den Situationsansatz durchschaubar machen oder aufschlüsseln, kann der Kindergarten jedoch erst, wenn die Eltern beteiligt werden.

Elternarbeit

Eltern: Elternarbeit, das ist ein Bereich, über den wir mehr wissen möchten. Wir hören auch da so ganz Unterschiedliches. Bei einem Kindergarten, da gibt es drei Elternabende im Jahr, wohl ähnlich wie in der Schule. Bei einem anderen, da können Väter und Mütter einfach tagsüber dableiben, wenn sie wollen. Da gibt es Wanderungen und Wochenendfreizeiten mit Kindergarten und Familie. Wie sollte denn Elternarbeit sein? Welche Angebote sprechen für einen guten Kindergarten und für gute Elternarbeit? Ist es Pflicht für Eltern, daran mitzuwirken bzw. an den Veranstaltungen teilzunehmen?

"Warum darf ich nicht rein?

Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz: 'Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht'. Wenn das so ist, warum darf ich dann als Mutter nicht rein in den Kindergarten? Übertrage ich den professionellen Erzieherinnen das Recht und die Pflicht der Erziehung in dem Augenblick, in dem mein Kind die Schwelle des Kindergartens überschreitet? Aber mir wurde hei der Anmeldung doch gesagt, dass auf Elternarbeit und Elternmitarbeit großer Wert gelegt wird. Und jetzt?

Ich stehe mit meinem Anliegen draußen vor der Tür. Mir wurde gesagt, wo käme man denn hin, würde man jede Mutter oder gar auch noch Väter reinlassen! Ich solle für den Elternbeirat kandidieren oder mich um die Vorbereitung der Feste kümmern. Kuchen backen, Würstchen braten. Da bräuchte man immer Helfer.

Kindergarten und Familie sollen sich ergänzen. Aber dann meine ich, müssen wir uns doch besser kennen lernen. Das geht doch nicht so kurz zwischen Tür und Angel oder beim Vortragsabend, zu dein der Elternbeirat immer wieder einlädt. Ich habe mir Elternarbeit anders vorgestellt, offener, mehr Gemeinsamkeit - es geht doch in erster Linie um die Erzieher.

Trotzdem, ich werde das Gefühl nicht los, dass Erzieherinnen eine gewisse Angst vor Müttern und Vätern haben. Dabei wollen wir als Eltern auf keinen Fall deren Professionalität in Frage stellen, ihnen auch keine besserwisserischen Ratschläge erteilen, bei einer Teilnahme am Kindergartenalltag das Verhalten der Nachbarskinder beobachten oder gar die Erziehungsfehler der Betreuer zählen! Elternarbeit, Elternmitarbeit, offene Elternarbeit, Ergänzung von Familie und Kindergarten. Wie soll ich das den Erzieherinnen nur alles sagen? Als Mütter/Väter haben wir Vertrauen in die Arbeit der Erzieherinnen, wir vertrauen unsere Kinder professionellen Betreuerinnen an. Sie haben eine Ausbildung für die Erziehung im Kindergarten durchlaufen. Wir sind Familienerzieher, aber in den Augen vieler Erzieherinnen absolute Laien.

Was ich mir wünsche? Eine offene, partnerschaftliche Zusammenarbeit, keine unnötigen Vorbehalte, die Kontaktaufnahme und Gespräche nur schwierig machen. Teilnahme am Lebensraum Kindergarten und an den Erlebnissen der Kinder, keine Vorträge über die Erziehungsfehler von Eltern. Wir alle machen Fehler, sind ständig Lernende. Ich will die Erzieherinnen nicht verunsichern. Auch ich hin unsicher in vielen Erziehungsfragen. Vielleicht können wir uns ergänzen, einander helfen, miteinander reden? Es gibt Gesetze, die Elternarbeit zur Pflicht machen, verordnete Elternarbeit? Vielleicht darf ich morgen schon rein in unseren Kindergarten ...?" (Becker-Textor, Welt des Kindes, 1991).

Erzieherin: Elternarbeit war für mich lange ein rotes Tuch. Auch viele meiner Kolleginnen scheuen nach wie vor die Elternarbeit. Sie sagen, die Eltern fordern nur vom Kindergarten. Sie wollen, dass ihr Kind im Kindergarten brav wird, viel lernt, schulreif wird. Von Mitarbeit im Kindergarten, von Gesprächen über die gemeinsame Erziehung der Kinder halten viele Eltern nichts. Sie zahlen ihren Elternbeitrag und wollen in Ruhe gelassen werden. Wie soll ich da als Erzieherin familienergänzend erziehen? Ich suche immer wieder nach neuen Methoden, Möglichkeiten und Ideen. Seit ich mich selbst nicht mehr so stark unter Druck setze und glaube, dass es einzig und allein an mir läge, dass nicht mehr Eltern kommen, und ich außerdem weniger Elternabende mit Referenten anbiete, kommen immer mehr Väter und Mütter. Ich denke, ich bin auf dem richtigen Weg. Ich lasse die Eltern in den Kindergarten und komme damit den Familien viel näher!

Autorin: Elternarbeit ist ein Thema, mit dem Sie sich schon vor Eintritt Ihres Kindes in den Kindergarten vertraut machen sollten. Häufig sind Eltern nämlich überrascht, dass auch sie als Eltern vom Kindergarten gefordert werden und dass nicht damit Genüge getan ist, den monatlichen Beitrag zu entrichten und das Kind täglich in der Gruppe abzugeben.

Das Wort "Elternabend" ist für viele Väter und Mütter negativ besetzt. Meist wird beim Elternabend in der Schule "belehrt", werden nur Informationen gegeben, was das Kind an Schulbüchern, Heften oder zum Schullandheimaufenthalt braucht. Wird ein/e Vater/ Mutter in die Elternsprechstunde bestellt, dann bedeutet das in der Regel, dass es Probleme mit dem Kind gibt. Elternsprechtage - verbunden mit gemütlichem Beisammensein - sind im schulischen Bereich leider noch äußerst selten. Gegen dieses Negativ-Image der Elternarbeit muss der Kindergarten antreten.

Für Sie als Vater/ Mutter sollte es ein ganz positives Zeichen sein, wenn der Kindergarten offen auf Eltern zugeht, sie teilhaben lässt am Alltag, sie zu Gesprächen, gemütlichem Beisammensein und ähnlichem einlädt. Diese Form des Dialogs mit Eltern ist aber auch im Kindergarten noch nicht immer selbstverständlich. Ursache ist - und ich spreche es hier einfach einmal aus - die gegenseitige Angst voreinander. Erzieher haben Angst, dass sich Väter/ Mütter zu sehr in ihre Arbeit einmischen würden und gar Vorteile für ihr eigenes Kind erreichen wollen. Sie fürchten sich vor Vorschriften, Kontrolle, Einmischung, Beurteilung. Ähnlich bei den Vätern/Müttern: Sie haben oft keine oder ganz falsche Vorstellungen vom Ablauf des Kindergartenalltags, wollen keine Einmischung in ihre familiäre Erziehung, sehen den Kindergarten - im negativen Fall - als Dienstleistungsbetrieb. Hier der Kindergarten, dort die Eltern, dazwischen das Kind! Elternarbeit dient aber weder der Selbstdarstellung des Kindergartens noch der Einmischung von Eltern in die Erziehung des Kindergartens. Sie dient vielmehr dem Wohl des Kindes.

Recht leichtfertig wird der Kindergarten als familienergänzende Einrichtung bezeichnet. Wenn ein Teil ergänzt werden soll, dann muss der andere Teil bekannt sein. Will somit der Kindergarten die Familienerziehung ergänzen, dann heißt das, dass die Erzieher etwas über die Erziehung im Elternhaus des Kindes wissen müssen. Will das Elternhaus nicht konträr zum Kindergarten erziehen, dann braucht es notwendigerweise Wissen über den Erziehungsalltag im Kindergarten. Beides lässt sich nur allgemein in Büchern nachlesen. Jedoch ist jeder Kindergarten einzigartig - jedes Kind und jede Familie ebenso. Also bedarf es des Kontaktes und der konkreten Informationen über die jeweilige spezifische Erziehung und das Lebensumfeld. Es werden viel zu häufig falsche Schlüsse aus dem Verhalten eines Kindes gezogen: So darf von der Verhaltensauffälligkeit eines Kindes nicht gleich auf eine Problemfamilie geschlossen werden: "Das muss ja eine schreckliche Familie sein! Das Kind führt sich vielleicht auf!"

Wird im Kindergarten nach etwas freiheitlicheren Prinzipien erzogen, dann wird der Einrichtung oft die Schuld für ein Verhalten des Kindes zugewiesen: "Das kommt alles vom Kindergarten. Die sind dort einfach nicht streng genug!"

Elternhaus und Kindergarten müssen Partner in der Erziehung des Kindes werden; sie müssen sich ergänzen. Kindergarten und Elternhaus haben ein jeweils anderes Wissen über Erziehung ebenso wie über das Kind. Dieses Wissen gilt es im Interesse des Kindes und zum Wohl des Kindes auszutauschen, und gemeinsam ist die Erziehung des Kindes positiv zu gestalten. Damit dies gelingt, müssen noch viele Vorbehalte und Ängste abgebaut werden. Nicht Erzieher, nicht Eltern wissen mehr über das Kind, jeder weiß etwas anderes. Das Wissen beider muss sich ergänzen. Dann kann Elternarbeit beginnen.

Sie als neuer/ neue Kindergartenvater/ -mutter haben es in der Hand, offen auf den von Ihnen ausgewählten Kindergarten zuzugehen. Haben Sie Geduld mit den Erziehern, helfen Sie ihnen, ihre Ängste abzubauen. Machen Sie auch aus Ihren eigenen Ängsten kein Hehl.

"Offene Elternarbeit in einem offenen Kindergarten" heißt das Schlüsselwort. Aber, der Schlüssel "schließt" nicht sofort. Es setzt einen Prozess voraus, der auf Gegenseitigkeit beruht und Zeit zur Entwicklung braucht. Elternarbeit heißt nicht, dass Eltern "konsumieren", was der Kindergarten ihnen anbietet, sondern bedeutet Dialog, Kooperation und offenes Miteinander.

Versuch einer Definition des Begriffes "offene Elternarbeit". Eine endgültige Definition lässt sich nicht finden, deshalb seien hier nur eine Reihe von Gedanken aufgezählt. Offene Elternarbeit - das heißt, der Kindergarten öffnet sich auch für Eltern. Eltern haben die Möglichkeit, den Kindergartenalltag mitzuerleben. Rahmenpläne können gemeinsam mit Eltern besprochen werden, viele Impulse kommen von den Eltern! Die Eltern entwickeln ein neues Verständnis für die Kindergartenarbeit. Die Eltern bekommen mehr Verständnis für das Spiel des Kindes, sie bezeichnen es nicht mehr bloß als Spielerei, sondern erkennen auch die Anstrengungen, die für das Kind damit verbunden sind. Eltern entdecken die vielseitigen Förderungsmöglichkeiten, die sich aus dem Spiel, besonders dem Freispiel, ergeben. Eltern können eine ganze Reihe von Anregungen für das Spiel im häuslichen Bereich mitnehmen. Eltern erleben ihr Kind erstmals in einer Gruppe altersgleicher Kinder, sie sehen so ihr Einzelkind ganz anders. Eltern haben die Möglichkeit, sich am Erzieherverhalten des Personals zu orientieren. Ziele, Methoden, Möglichkeiten und Grenzen der Kinderarbeit werden den Eltern deutlich. Es kommt zu einem intensiveren Austausch über Erziehungsfragen und Erziehungsprobleme, die das eigene Kind betreffen. Setzt man das Erfahrungsfeld offener Kindergarten voraus, so kann die Elternarbeit und können Elternseminare intensiver gestaltet werden. Eltern entdecken die Bedeutung des Kindergartens für die Entwicklung ihres Kindes. Die Eltern entdecken, dass schulische Lernprogramme im Kindergarten keinen Platz haben, dass aber dennoch gelernt wird. Die Eltern erfassen die Bedeutung der Zusammenarbeit von Kindergarten und Elternhaus im Hinblick auf gemeinsame Erziehungsziele, Erziehungsprobleme

Praxis der offenen Elternarbeit - Beispiel an einem Kindergartentag:

An einem Montag im Oktober sieht der Wochenplan ein Gespräch über die Kartoffel vor, im Anschluss daran werden in Kleingruppen einfache Kartoffelgerichte vorbereitet. Die Gesamtgruppe trifft sich zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Kartoffelfest in der Halle.

Die Kinder kommen an diesem Tag sehr frühzeitig in den Kindergarten. Sie sind aufgeregt, jedes trägt eine Tüte mit Kartoffeln zu unserem gemeinsamen Kartoffelfest hei. Gegen 8.00 Uhr kommen Herr K. und Frau M. Sie teilen der Leiterin mit, dass sie gerne den Tag im Kindergarten verbringen würden. Es hätte sich so ergeben, dass Herr K. an diesem Tag überraschend frei hätte. Die Eltern werden herzlich begrüßt und auch von der Kindergruppe sofort aufgenommen. Die Kinder erzählen voller Begeisterung, was am heutigen Tag wohl geschehen würde. Frau M. geht in die eine, Herr K. geht in die andere Gruppe. Es ist auffallend, dass in den Gruppen, in denen sie zu spielen beabsichtigen, nicht ihre eigenen Kinder spielen.

Frau M. mischt sich sofort unter die Gruppe, die in der Puppenecke spielt, das heißt, sie hat keine besondere Wahl, denn eine Gruppe sehr aktiver Mädchen hat sie an der Hand genommen und zur Puppenecke gebracht. Man hat ihr auch sofort eine Rolle zugewiesen. "Du bist nämlich das Baby". Frau M. ist damit einverstanden und wird so voll in das Spiel integriert. Die Kinder gehen ihr Anleitung, welche Aktivitäten sie zu übernehmen hat. Nach einiger Zeit äußert sie den Wunsch, etwas anderes spielen zu dürfen. Worauf die Kinder ihr erklären: "Das kannst du gerne machen, aber du musst zuerst deine Sachen in der Puppenecke aufräumen, dann kannst du dir nämlich etwas anderes aussuchen, das machen wir auch immer so!" Frau M. legt die Puppen zurück in den Puppenwagen, stellt die kleinen Kochtöpfe ins Regal und begibt sich an einen Tisch, an dem eine Gruppe von Kindern malt.

Es ist noch ein Platz frei. Sie setzt sich hin, sofort steht ein Junge auf und sagt: "Wart mal, ich hol dir auch Papier und Stifte, du weißt ja bestimmt nicht wo sie sind". Nun beginnt Frau M. zu malen. Die Bedenken, dass sich die Kinder an den Gemälden der Erwachsenen orientieren würden, treffen nicht zu. Die Kinder erklären ihr nur "Du kannst malen, was du willst. Wir hängen dein Bild auf jeden Fall auf. Bei uns werden nämlich alle Bilder aufgehängt".

Frau M. wechselt an diesem Vormittag noch einige Male ihre Spielaktivitäten. Wenn sie etwas nicht versteht, so fragt sie die Kinder, diese sind gerne bereit, ihr die notwendigen Erklärungen zu geben. Für die Erzieherin ist Frau M. keineswegs eine Belastung. Auch wird die Erzieherin in ihrer Arbeit nicht aufgehalten.

Nach der Frühstückspause wird in kleineren Gruppen über die Kartoffel gesprochen. Die personelle Besetzung des Kindergartens - bedingt durch Berufspraktikanten und Fachhochschulpraktikanten - macht es möglich, dass die nachfolgende Beschäftigung in kleineren Kindergruppen mit 10 Kindern durchgeführt werden kann. Die Kinder entscheiden sich frei für die jeweilige Gruppe, ebenso Frau M.. Im Nachgespräch erklärt Frau M., dass sie sehr erstaunt gewesen sei, mit welcher Intensität Gespräche mit Kindern geführt werden, und dass sie zugeben müsse, dass sie selbst sehr viel Neues erfahren hätte. Die Art und Weise, in spielerischem Tun so viele Erfahrungen zu ermöglichen, sei ihr völlig neu gewesen.

Während der Gespräche in den Gruppen hatte eine Praktikantin in der Teeküche bereits mehrere Töpfe mit Kartoffeln gekocht. So waren diese schon etwas abgekühlt, bis die Gespräche in den einzelnen Gruppen beendet waren. Nun ging es daran, in den einzelnen Gruppen Kartoffelgerichte zuzubereiten. Gemeinsam schälten die Kinder Kartoffeln und überlegten, was man nun daraus machen könnte. Man entschied sich für Kartoffelbrei in einer Gruppe, für Bratkartoffeln in der anderen, für Kartoffeln mit Butter und Salz in der nächsten. Eine Gruppe meinte, man könnte auch Kartoffelklöße machen. Hier erklärte das Kind von Frau M., "die kann meine Mama besonders gut". Wir baten Frau M. darum, in dieser Gruppe mitzuarbeiten, und die Arbeitsanleitung wurde von der Erzieherin mit Frau M. gemeinsam gegeben.

Am Ende des Vormittags trafen sich dann alle Gruppen gemeinsam in der großen Halle und berichteten von ihren Erfahrungen im Umgang mit der Kartoffel und der Zubereitung der Kartoffelgerichte. Der Vormittag endete dann mit einer gemeinsamen Kartoffelmahlzeit.

An diesem Vormittag schloss sich noch ein Nachgespräch mit Frau M. und Herrn K. an. In der Gruppe, in der Herr K. war, war der Ablauf ähnlich. Dieses Gespräch zeugte vom tiefen Interesse der Eltern für die Aktivitäten im Kindergarten. Es war keineswegs eine Kontrolle für das Erzieherverhalten oder das Kinderverhalten, sondern ein echtes Erlebnis für beide Eltern. Sie erklärten, dass sie bei Gelegenheit wieder Gebrauch machen würden vom Angebot der offenen Elternarbeit.

Kann man offene Elternarbeit empfehlen? Es ist nicht möglich, offene Elternarbeit generell zu empfehlen. Wie sich aus dem Bericht zeigt, sind eine Menge wichtiger Faktoren Voraussetzung, damit offene Elternarbeit überhaupt funktionieren kann. Als eine wichtige Voraussetzung muss die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zwischen Erziehern, Eltern und Kindern gesehen werden. Ist ein Partner nicht voll damit einverstanden, so ist offene Elternarbeit zum Scheitern verurteilt.

Anfangs macht die offene Elternarbeit den Erziehern mehr Arbeit. Vieles wird gründlicher durchdacht und überlegt werden, aber nach geraumer Zeit ist sie eine wesentliche Hilfe im Rahmen der gesamten Kindergartenarbeit. Auf alle Fälle zu beachten ist, dass das Erziehungspersonal ganz klare Vorstellungen über seine Ziele und Methoden haben muss. Eltern bringen eine ganze Reihe von Impulsen, doch haben sie wenig Vorschläge, wie diese auch tatsächlich zu realisieren sind. Dabei muss das Erziehungspersonal aus wählen und entsprechende Hilfen gehen. Es wäre zu begrüßen, wenn sich noch mehr Erzieher für die Vorhaben der offenen Elternarbeit entscheiden könnten.

"Das Spiel der Kinder - Herausforderung für die Eltern

Mit Kindern in der richtigen Weise zu spielen, ist auch eine große Kunst. Dies soll nie geschehen, wenn die Kinder nicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen, sondern immer eine besondere Festfreude für sie sowohl wie für die Eltern sein. Aber diese letzteren müssen in diesem Fall alle Art von Erziehung beiseite lassen, vollkommen in der Gedanken- und Phantasiewelt der Kinder aufgehen, nicht versuchen, sie dabei etwas anderes zu lehren, als die alten, inhaltsreichen Spiele, und die Erfahrungen von der Natur der Kinder, zu denen das Spiel den Anlass gibt, für späteren Gebrauch aufbewahren" (aus: Ellen Key, Das Jahrhundert des Kindes", Beltz Verlag, Weinheim und Basel 1991).

Kindergartenbeirat

Eltern: Im Kindergarten gibt es auch einen gewählten Kindergartenbeirat. Ist es sinnvoll, wenn wir uns gleich im ersten Kindergartenjahr um eine Kandidatur bemühen? Wir möchten nämlich für unser Kind das Beste. Was hat der Beirat für Aufgaben und Pflichten? Welche zeitliche Belastung bringt ein solches Amt mit sich?

Erzieherin: Elternbeirat, das ist für mich ein Reizwort. In 15 Jahren Kindergartenarbeit habe ich seit zwei Jahren das erste Mal einen guten, kooperativen Elternbeirat. Davor wurden vom Elternbeirat - ohne Abstimmung mit den anderen Eltern - Entscheidungen getroffen, Termine angesetzt, Themen festgelegt. Wir sollten das dann alles ausführen. Als wir uns wehrten, beschwerten sich die Eltern beim Träger, und der stellte sich hinter die Eltern. Im Kindergartenalltag haben wir nie einen Elternbeirat- oder Trägervertreter gesehen. Jetzt ist es anders. Die Elternbeiratsvorsitzende ist selbst Erzieherin - zur Zeit nicht berufstätig. Sie hat den Elternbeirat über die Arbeit im Kindergarten aufgeklärt, und der war zum ersten Mal bereit zuzuhören: Es kam ja aus den Reihen der Eltern (sie wussten nicht, dass Frau S. selbst Erzieherin war). Jetzt hat sich alles verändert. Es macht wirklich Spaß, mit dem Elternbeirat zusammenzuarbeiten. Unsere ganze Elternarbeit hat sich gewandelt, ist intensiver und effektiver geworden. Immer mehr Eltern beteiligen sich. Der Kindergartenbeirat ist stolz auf seinen Erfolg, und ich bin froh, dass sich die Last der Elternarbeit in Freude an der Elternarbeit verwandelt hat. So kann man sich den Elternbeirat nur wünschen. Leider sind wir Erzieher nicht wahlberechtigt!

Autorin: Die Wahl und Aufstellung eines Elternbeirats bzw. Kindergartenbeirats ist in den Kindergartengesetzen der Länder geregelt. Spätestens drei Monate nach Beginn des neuen Kindergartenjahres muss der neue Beirat - jeweils für ein Jahr - aus der Elternschaft gewählt werden. Er bildet das Verbindungsglied zwischen Gesamtelternschaft, Erziehern und Träger. Auf eine bestimmte Zahl Kinder kommt eine bestimmte Zahl Elternvertreter. Diese werden auf Vorschlag der Elternschaft oder Eigenvorschlag gewählt. Nicht selten sehen Väter/ Mütter in ihrer Mitgliedschaft im Elternbeirat einen ersten Schritt in eine vorpolitische Öffentlichkeit und werden deshalb oft weit über ihre Aufgaben und Zuständigkeiten hinaus aktiv.

Der Kindergartenbeirat hat aber nur beratende Funktion und muss zu bestimmten Fragen des Kindergartens gehört werden. Er kann keine Entscheidungen treffen, die z.B. die personelle Besetzung, finanzielle Ausstattung oder inhaltliche Arbeit des Kindergartens betreffen. Vielmehr kann und soll er mit eigenen Anregungen die pädagogische Arbeit mit Kindern fördern, Eltern beraten und unterstützen. Auch kann er Vorschläge für die Gestaltung der Elternarbeit, die Öffnungszeiten des Kindergartens, Ferienregelung etc. einbringen...

Viele Erzieher stehen dem Elternbeirat kritisch gegenüber, insbesondere wenn er seine Kompetenzen überschreitet und Veranstaltungen oder Aufgaben dem Kindergarten aufzwingt. Dies führt häufig zu Spannungen, die sich negativ auf die Arbeit und das atmosphärische Klima im Kindergarten auswirken können. Ein Elternbeirat, der sich nur wählen lässt und für ein weiteres Engagement nicht bereit ist, wird aber auch der eigentlichen Aufgabe nicht gerecht. Gute Zusammenarbeit, gemeinsames Planen und Handeln sowie gegenseitige Hilfe und Unterstützung zeichnen gute Elternarbeit und gute Elternbeiratsarbeit aus. Wobei jedoch für konstruktive Kritik - im Sinne einer positiven Weiterentwicklung des Kindergartens und der Elternarbeit - immer Raum sein muss.

Wenn Sie zu einer Mitarbeit im Kindergartenbeirat bereit sind, so sollten Sie sich schon bei Eintritt Ihres Kindes in den Kindergarten dafür interessieren und auch die notwendige Zeit einkalkulieren. Es braucht einer gewissen Einarbeitung, um dann engagiert das Kindergartenlehen mitgestalten zu können. Und im Regelfall besucht Ihr Kind den Kindergarten ja nur drei Jahre.

Der Kindergartenalltag

Eltern: Wie gestaltet sich denn der Kindergartenalltag? Spielen die Kinder nur, oder gibt es auch Angebote? Wie steht es mit dem Frühstück? Können Kinder auch im Kindergarten ein Mittagessen erhalten? Der Kindergarten ist ja ganz schön teuer. Ich will als Mutter nicht zurück in den Beruf. Unser Kind braucht also nicht während einer beruflich bedingten Abwesenheit betreut werden. Sollen wir unser Kind dann nur zum Spielen in den Kindergarten schicken?

Erzieherin: Eltern haben kaum Wissen über den Kindergartenalltag. Sie interessieren sich nur für das Lernen. Das Freispiel ist für die meisten Eltern ganz unwichtig. Oft höre ich "Ach so, morgens haben Sie Freispiel, da kann ich mein Kind ja später bringen. Ab wie viel Uhr wird gelernt?"

Autorin: Es wird immer wichtiger, dass wir Erzieher den Eltern einen Einblick in den Tagesablauf des Kindergartens geben, sie teilhaben lassen, sie selbst spielen lassen (offene Elternarbeit). Nur so können sie über eigenes Erfahrungslernen wahrnehmen, dass sie Ihre Kinder überfordern und dass Förderung von Kindern nicht bei den Vorstellungen der Eltern beginnen darf, sondern bei den Grundlagen und Fähigkeiten der Kinder. Wenn der Alltag im Kindergarten sinnvoll gestaltet werden soll, dann kann dies nur gelingen, wenn die Kinder dort abgeholt werden, wo sie stehen.

Der Kindergartenalltag gliedert sich zumeist in:

  • Bringzeit
  • Erste Spielzeit (Freispiel)
  • Frühstückspause
  • Zweite Spielzeit (Angebote, Beschäftigungen)
  • Abholzeit
  • Mittagessen und Mittagsruhe
  • (Nachmittags-) Bringzeit
  • Erste Spielzeit (Freispiel)
  • Nachmittagspause
  • Zweite Spielzeit (Angebote, Beschäftigungen)
  • Abholzeit.

Scheinbar ein ziemlich gleichmäßiger Rhythmus und doch nicht nach der Uhr einzuteilen. Die Bringzeit des Kindergartens reicht von der Öffnung des Kindergartens bis zu einer vom Kindergarten (sinnvollerweise gemeinsam mit den Eltern) festgelegten Zeit. In der Regel sollen Kinder zwischen ca. 8.30 Uhr und 9.00 Uhr im Kindergarten sein, denn sonst bleibt ihnen zu wenig Zeit für das freie Spiel.

Doch nochmals kurz zur Bringzeit. Sie ist für alle Beteiligten von Bedeutung. Als Vater/ Mutter übergeben Sie Ihr Kind für einige Stunden in die Fürsorge und Erziehung des Kindergartens. Es sollte deshalb genug Zeit sein, dass Sie sich ohne Hetze von Ihrem Kind verabschieden können und eventuell auch ein paar Sätze mit der Erzieherin reden können. Diese Tür- und Angel-Gespräche sind wichtig für einen kurzen Informationsaustausch über den bevorstehenden Tag.

Für das Kind beginnt der Tag im Kindergarten mit der Freispielzeit bzw. der ersten Spielzeit. Der Gruppenraum des Kindergartens ist mit vielerlei Spiel- und Beschäftigungsmaterial ausgestattet. Die Art und Weise, wie die Dinge "angeboten werden" bzw. wie sie den Kindern visuell und optisch zugänglich gemacht werden, wird entscheiden, was die Kinder auswählen. Es hängt somit davon ab, inwieweit alle Objekte für die Kinder sichtbar sind, ob die Kinder alle Materialien benützen und ohne Fragen herbeiholen dürfen.

Ob durch die Materialien Neugierverhalten und Beschäftigungsdrang geweckt werden, ist auch von der Vorauswahl abhängig, die die Erzieher durch die Gestaltung des Gruppenraumes getroffen haben. Die italienische Pädagogin Maria Montessori nennt diese "Vorauswahl" "vorbereitete Umgebung". Die Erzieher "steuern" dadurch das freie Spiel und beeinflussen die Aktivitäten der Kinder in der ersten Spielzeit.

Im Gruppenraum finden sich in der Regel

  • ein Baubereich - meist ausgestattet mit Fröbel-Bausteinen, die der Phantasie der Kinder beim Gestalten freien Lauf lassen,
  • eine Haushaltsecke - hier können die Kinder ihr Frühstücksgeschirr selbst abwaschen, das Wasser zum Gießen der Blumen holen,
  • eine Puppen- und Kuschelecke - geeignet zum Rückzug, aber auch für allerlei Rollenspiele,
  • eine Auswahl Bilderbücher,
  • Spiele verschiedenster Art und für alle Altersstufen,
  • Malutensilien mit verschiedenen Farben und Papieren,
  • Raum für Bewegung, ein Platz zum Basteln und, wenn möglich,
  • eine Bastelkammer,
  • eine Kiste mit Verkleidungsmaterialien
  • usw.

Eine Rumpel- oder Bastelkammer sollte in keinem Kindergarten fehlen. Sie birgt besondere Schätze, die von den Kindern im kreativen Spiel gebraucht werden. An der Ausstattung der Bastelkammer sind alle beteiligt: Kinder, Eltern und Erzieher tragen die Verantwortung dafür. Besonders wichtig ist, dass die Kinder während der Freispielzeit die Rumpelkammer eigenständig benutzen können - wie nachstehender Text zeigt, ist dies nicht selbstverständlich.

"Die meisten Kindergärten verfügen über Materialräume. Wohlgeordnet, findet sich dort alles, was die Erzieherin für die Beschäftigungen braucht. Ordnung muss sein. So ist alles bestens sortiert, in großen Schachteln, in hohen Regalen verstaut und ordnungsgemäß beschriftet. So kann auch die neue Praktikantin sofort finden, was sie braucht. Und die Kinder? Gar zu schnell bringen sie Durcheinander in die heile Ordnung. Wie sollen da Impulse durch verschiedene Materialien kommen - es ist doch alles in Kartons versteckt?" (Becker-Textor 1988).

Das Beispiel Bastelkammer mag Ihnen zeigen, dass freies Spiel kaum möglich ist, wenn alles unter Verschluss und für Kinder nicht selbständig zugänglich ist.

"Freispiel - was ist das? Wir Erwachsenen haben - hoffentlich - immer wieder einmal Zeit für Dinge, die wir gerne tun: Zeitung lesen, mit anderen erzählen, Musik hören, mit Freunden Karten spielen, den eigenen Gedanken nachgehen, spazieren gehen, fernsehen, einen Sprachkurs besuchen, ein gutes Essen kochen, am Strand liegen oder im Garten ein Buch lesen, Musik machen, mit den eigenen Kindern spielen, den Nachbarn helfen, malen, tanzen, wandern ... Sie können hier alles einsetzen, was Ihnen Freude macht oder wozu Sie sich aus Interesse oder aus freien Stücken verpflichtet haben. Mit diesen Tätigkeiten gestalten Sie Ihre 'freie Zeit' so, wie es Ihnen entspricht. In dieser Zeit können Sie einem Teil Ihrer Bedürfnisse nachgehen und einfach leben. Sie brauchen nichts zu leisten, was andere von Ihnen fordern. Sie können tätig oder müßig sein. Sie suchen sich die Menschen, mit denen Sie in dieser Zeit zusammen sein wollen, oder Sie wollen alleine für sich sein. Sie können Ihre Gefühle mehr zulassen als in der Arbeit oder im Pflichtenkreis der Familie. In diesem entspannten Zeitraum, in dem Sie einfach Sie selbst sein können, können Sie erfahren:

  • Freude am eigenen Tun,
  • Interesse an neuen Dingen,
  • wie Sie Vertrauen zu anderen Menschen finden,
  • Anerkennung,
  • Freude an der eigenen Bewegung,
  • Sie lernen die Sprache, das Tanzen oder das Kochen.
  • Sie gehen mit anderen Menschen auf Erlebnistour. Sie lernen zu spüren, wann Sie mit anderen Menschen in Ihrer freien Zeit zusammen sein wollen, und wann Sie diese Zeit für sich alleine brauchen,
  • was wir in unserer Freizeit nötig haben, um uns zu erholen und Kraft zu schöpfen, um unser Selbstwertgefühl zu stärken, oder uns auch einfach los zu lassen, damit wir nachher auch den Anforderungen des Alltags gewachsen sind und damit wir leben können.

Dasselbe brauchen unsere Kinder - je jünger, umso mehr! Die Kinder bauen sich erst in ihrer Persönlichkeit auf. Sie müssen sich selbst und die Welt erfahren und kennen lernen. Die Kinder sind von sich aus lernbereit und offen. Sie brauchen Möglichkeiten und Anregungen, um eigene Aktivitäten entwickeln zu können" (Lorentz 1990).

Was hier zunächst für den Erwachsenen beschrieben wurde, entspricht dem Freispiel unserer Kinder. Spiel braucht Freiheit, damit sich das Kind entfalten kann. Es braucht aber auch Erzieher, die sein Spiel beobachten und lenken, aber nur eingreifen, wenn unbedingt erforderlich.

Was heißt das für Sie als Eltern für die Auswahl des richtigen Kindergartens? Bei einem Besuch im Kindergarten können Sie die Freispielzeit erleben. Sitzen alle Kinder brav an den Tischen und warten bis sie ein Spiel bekommen, fragen sie immer die Erzieher, ob sie etwas bestimmtes nehmen oder spielen dürfen, dann können Sie davon ausgehen, dass es sich dabei nicht um ein wirklich freies Spiel handelt. Im Spiel nämlich erfasst das Kind spielend die Welt. Für Kinder sind dabei alle Gegenstände Spielmaterial und können in der kindlichen Phantasie auch lebendig werden.

Die Erwachsenen dürfen die Vielfalt des kindlichen Spiels nicht einschränken, da sie dann in seine Entwicklung eingreifen und verhindern, dass das Kind wichtige elementare Erfahrungen macht. Im Spiel wird gelernt, und das verleitet Erwachsene oft, das Spiel für ihre Interessen, z.B. für die gezielte kognitive Förderung, zu vereinnahmen. Kinder verändern dann ihr Spielverhalten, verlieren die Lust; Konzentration und Ausdauer lassen nach. Kinder wissen selbst, wie das Spiel richtig zu gestalten ist. Sie brauchen nicht die Eingriffe der Erwachsenen. Kinder wählen im Freispiel aus, worauf sie Lust haben - nicht was die Erzieher gerne hätten, das sie spielen sollen, Kinder wollen und sollen diese Aktivitätszeit selbst bestimmen. Erzieher können zu Spielpartnern werden, aber nicht zu Führern.

Wie lange dauert das Freispiel im Kindergarten? So lange, wie die Kinder konzentriert spielen. Das kann eine Stunde sein, aber auch zwei oder länger. Häufig ist die Frühstückspause in das Freispiel integriert. Man spricht dann vom sogenannten gleitenden Frühstück. Der Esstisch ist gerichtet; die Kinder können ihr Frühstück nach Wunsch einnehmen. Diese Lösung ist insbesondere dann gut, wenn manche Kinder sehr früh und andere sehr spät kommen. Auffallend ist jedoch, dass sich viele Kinder gleichzeitig um den Frühstückstisch gesellen. Ein Kind macht den Anfang, und im Nu sind alle Plätze besetzt. Diese Tatsache führte dazu, dass viele Kindergärten wieder vom gleitenden Frühstück abgerückt sind bzw. je nach Situation die am besten geeignete Form anbieten.

Die Freispielzeit ist auch eine "Kreativzeit für Kinder" - eben dadurch, dass sie ganz eigenständig ihre Aktivitäten auswählen. Erzieher dürfen aber während dieser Zeit, in der sie quasi nicht gebraucht werden, nicht Büroarbeiten erledigen oder für den Basar basteln. Die Kinder brauchen sie als stille Beobachter oder Mitspieler (nicht als Lehrer). Die Erzieher werden dann die Umgebung ihrer Kinder noch besser vorbereiten können. Die Kinder entwickeln ihr eigenes Tempo, und es wird keine untätigen Kinder gehen.

Erzieher können aus der Situation in der ersten Spielzeit (Freispiel) auch Konsequenzen für die zweite Spielzeit ziehen. Diese schließt sich an die Frühstückspause an. Leider dominieren hier noch immer Begriffe wie Förderangebote, Unterrichts- oder didaktische Einheiten, gezielte Beschäftigungen, Lerneinheiten, Vorschulprogramme, Arbeitsblätter. Viele Eltern setzen alles daran, dass ihr Kind diese Lernstunden nicht versäumt: "Wenn mein Kind das Freispiel nicht mitmacht, ist das nicht so schlimm, aber wann genau arbeiten Sie mit Mappen?"

"Die gesamte Vorschulbewegung machte deutlich, wie wenig Erzieher, Lehrer und Eltern wirklich vom kindlichen Lernverhalten, der Aufnahmefähigkeit der Kinder, ihren Lernbedürfnissen und Interessenlagen wussten. Man meinte, durch abstrakte Trainingsmaßnahmen einen Intelligenzzuwachs zu erreichen, besser auf die Schule vorbereiten, die Kinder ganz einfach klüger machen zu können. Heute versucht man hingegen, die zweite Spielzeit kindgemäß zu gestalten und Wege zur Kreativitätsförderung zu beschreiten.

Wer entscheidet über Themeninhalte, die den Kindern angeboten werden sollen? Wer steuert das Geschehen? Wissen die Erzieher wirklich, was Kinder interessiert, oder lassen sie sich ganz einfach davon leiten, was sie glauben, dass Kinder wissen müssen - was diese unbedingt für ihre weitere Entwicklung und das künftige Leben brauchen? Können Erwachsene auf die Stimmung und die Aussagen der Kinder hinhören - vor allem auf die Nebensätze und Randbemerkungen? Können sie auch verstehen, aufnehmen und verwerten, was sie gehört haben?" (Becker-Textor 1991).

Jetzt fragen Sie natürlich: Was soll denn in der zweiten Spielzeit geschehen bzw. was geschieht real in den Kindergärten? Das ist recht unterschiedlich. Das Spektrum reicht von "Überstülpen" eines Angebotes bis hin zu differenzierten, mit den Kindern erarbeiteten und vorbereiteten Angeboten. Leitlinien sind dabei Ziele wie

  • Aufmerksamkeit und Konzentration,
  • Freude an neuen und alten Inhalten, am Lernen, Entdecken, Experimentieren,
  • selbständiges Denken, Erkennen von Zusammenhängen,
  • Arbeitshaltung, planende Vorausschau, zielgerichtetes Handeln,
  • Freude an eigener Leistung und am Erfolg,
  • Kooperation mit anderen, Einordnung, Rücksichtnahme,
  • partnerschaftliches Zusammenwirken, Hilfsbereitschaft,
  • Sozialverhalten,
  • Ausdauer,
  • Selbstvertrauen, Selbstsicherheit, Selbständigkeit, Durchsetzungsvermögen,
  • Wissenserweiterung,
  • Weitblick,
  • Auffassen und Wiedergeben,
  • sprachliche Ausdrucksfähigkeit,
  • Erfassen von Zusammenhängen und Beziehungen,
  • folgerichtiges Denken,
  • Bilden von Begriffen,
  • Information,
  • Entdeckungen,
  • Weitergehen von Erkenntnissen
  • usw.

Ein konkretes Beispiel soll Ihnen nun deutlich machen, wie sich lernen vollzieht und wie eine "gezielte Beschäftigung" gestaltet werden kann. Ein Beispiel für Erzieherinnen:

"Versuchen Sie das Blätterspiel an einem Herbsttag. Bevor Sie in den Kindergarten gehen, sammeln Sie im Garten bunte Herbstblätter. Es stehen hierzu ja eine Vielzahl von Büschen und Bäumen zur Verfügung. Sie wollen über die Verschiedenartigkeit der Herbstblätter sprechen, aber sagen Sie es auf keinen Fall den Kindern! Vielmehr geben Sie jedem Kind vor dem Hinausgehen in den Garten ein Blatt mit dem Auftrag, den Baum oder Strauch zu suchen, an dem derartige Blätter wachsen. Die zweite Aufgabe ist, ein exakt gleiches Blatt zu finden. Das wird schon schwieriger. Denn worauf soll man achten?

  • Die Größe?
  • Den gleichen Blattrand?
  • Die gleiche Farbe?

Die Kinder stürzen los zur Bewältigung ihrer beiden Aufträge. 'Hier ist mein Baum, mein Baum', werden Sie die Stimmen aus allen Ecken des Gartens hören. Sie werden die Richtigkeit des Fundes bestätigen und damit die Kinder zur Lösung der zweiten Aufgabe motivieren. Schwierig? Kritischer Blick eines Kindes. Dann: 'Ich hab's! Ach so ein Mist, das Blatt ist größer, aber es hat die gleichen Zacken am Rand und die Farbe...' Wann Sie die Aufgabe abbrechen, das müssen Sie entscheiden. Was haben die Kinder bei diesem Blätterspiel erfahren?

Es geht zurück in den Gruppenraum oder zu einem Gesprächskreis im Garten. Die Kinder berichten:

  • 'Also, dass die Blätter so verschieden sind, das hätte ich nicht gedacht'.
  • 'Vom gleichen Baum. Trotzdem sind meine zwei Blätter ganz anders'.
  • 'Aber im Frühjahr, da hatten alle die gleiche Farbe. Da passe ich aber mal auf!'
  • 'Und alle Blätter von dem Baum haben die gleichen Zacken, aber keins ist wie das andere'.
  • 'Überhaupt sind alle Blätter, die es auf der Welt gibt, verschieden'.

In welcher Beschäftigung hätten Sie diese Inhalte besser vermitteln können? Wie könnte man Kinder besser zum eigenen Tun anregen? Hier kann ein Leitsatz aus der Montessori Pädagogik für uns richtungweisend sein: 'Hilf mir, es selbst zu tun!'

Und die Kinder, die so mit Blättern gespielt und gearbeitet haben, werden keine Lust haben, Arbeitsblätter auszufüllen und gleiche Blätter anzukreuzen. Gleiche Blätter, gibt es die überhaupt?" (Becker-Textor 1988).

Vielleicht schließt sich, je nach zur Verfügung stehender Zeit, an die zweite Spielzeit noch ein freies Spiel an, oder die Kinder werden abgeholt. Auch jetzt brauchen Sie als Vater/ Mutter etwas Zeit. Vielleicht will Ihnen Ihr Kind gleich den Baum oder Busch zeigen und all sein Wissen mitteilen. Zuhören und etwas Zeit haben, sind in dieser Situation unverzichtbar. Wenn Sie nicht zuhören, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn Ihr Kind hei nächster Gelegenheit nichts mehr erzählt, Sie interessieren sich ja nicht!

Vielleicht brauchen Sie für Ihr Kind einen Ganztagsplatz mit Betreuung über Mittag. Das heißt, dass Ihr Kind das Mittagessen im Kindergarten einnehmen wird. Es sollte Ihnen wichtig sein, dass dies in einer guten, harmonischen, familiären Atmosphäre geschieht. Fragen Sie im Kindergarten nach, wie sich die Mittagsbetreuung gestaltet. Schön wäre es, wenn Sie einen Kindergarten finden, der nicht ausschließlich Ganztagskinder aufnimmt (das ist in den Ballungsräumen der Großstädte leider häufig der Fall), denn dann ist die Mittagsgruppe etwas kleiner.

Kinder können die Mahlzeit gemeinsam mit der Erzieherin an einem gemütlich gedeckten Tisch einnehmen. Alle essen zusammen, es werden Tischsitten eingeübt, und es entwickeln sich allerlei Tischgespräche. Ebenso wie die Kinder beim Tischdecken beteiligt waren, helfen sie auch beim Abräumen und beim Abwasch.

Die anschließende Ruhepause kann sich ganz unterschiedlich gestalten. Einige Kinder bevorzugen ein Schläfchen in der Kuschelecke, andere ziehen sich mit einem Bilderbuch zurück, und wieder andere genießen es, endlich die Chance zu haben, einmal ganz allein auf dem Bauteppich spielen zu können. Auch die Erzieherin, die im Gruppenraum dabei ist, beschäftigt sich für sich. Sie ist da; die Kinder wissen, dass auch sie "Pause" hat und "stören" nur in dringenden Fällen.

Eine solche familienähnliche Atmosphäre lässt den Kindergarten gerade für Ganztagskinder zu einem Lebensraum werden, in dem sie viele Erfahrungen machen können, die sie durch ihre ganztägige Abwesenheit von daheim nicht in diesem Maße in der Familie machen können. Dem Kindergarten gelingt es so, ein Stück familienergänzend zu arbeiten.

Wie sich der Nachmittag im Kindergarten gestaltet, ist abhängig davon, ob es sich um einen Ganztagskindergarten handelt oder um einen Kindergarten, in dem nur eine gewisse Zahl Ganztagskinder sind, ob am Nachmittag neue Kinder dazukommen oder ob es sich um eine neue Nachmittagsgruppe handelt. Bei letzterer wird der Nachmittag dem Vormittag vergleichbar gestaltet. Da bei Ganztagskindergärten die Gruppen am Nachmittag meist kleiner sind, nützen viele Kindergärten diese Zeit für

  • Exkursionen,
  • Wanderungen,
  • Einzelförderangebote,
  • Aktivitäten im Garten (z.B. Gießen der Gemüse- und Blumenbeete, Gartenpflege, Zusammenrechen des Laubs, Anlegen eines Komposthaufens),
  • zu einer praktisch ausgerichteten Umwelterziehung oder auch
  • zu Besuchen in anderen Einrichtungen wie z.B. im Altenheim.

Je nach Angebot bzw. Aktivität kommen Vormittagskinder am Nachmittag wieder oder auch nicht. Sind jedoch viele Ganztagskinder in der Gruppe, die den Kindergarten von morgens bis abends besuchen, müssen Angebote an ihren Interessen, an ihrer Aufnahmefähigkeit und an wünschenswerten Erlebnis- und Erfahrungsräumen ausgerichtet werden. Erwarten Sie keinen genau festgelegten Wochenplan; er würde einengen und eine Arbeit nach dem Situationsansatz nur begrenzt möglich machen.

Beschäftigungsangebote im Kindergarten

Eltern: Was sind denn die gängigen Beschäftigungen bzw. Inhalte der Angebote im Kindergarten? Vieles machen wir doch auch daheim mit unserem Kind und das braucht dann im Kindergarten nicht wiederholt werden. Gibt die Themenauswahl auch Aufschluss über die Qualität des Kindergartens? Ich kenne eine Mutter, die bekommt vom Kindergarten immer ein genaues Programm mit allen Themen, Angeboten und Aktionen. Sie kann auswählen, was sie für ihr Kind wichtig erachtet. Sie bringt ihr Kind nur an bestimmten Tagen in den Kindergarten.

Erzieherin: Wenn doch Eltern den Kindergarten endlich als ein ganzheitliches Angebot sehen könnten und nicht nur als Vermittlungsort für Wissen und Methoden, die aus ihrer Erwachsenenansicht subjektiv bedeutsam sind! Wenn Kinder nur zu bestimmten Angeboten kommen, dann wird der Kindergarten zu einem "Ort des Konsums". Aber nicht einzelne Beschäftigungen sind wichtig, sondern das gemeinsame Leben, Spielen und Lernen in der Gruppe, das gemeinsame Erleben, Planen und Handeln, die Gruppenprozesse, die ablaufen, die Entwicklungsschritte, die jedes einzelne Kind macht, die Freundschaften und Partnerschaften, die entstehen werden, die gemeinsamen Aktivitäten, Unternehmungen, Absprachen, Verträge, Kompromisse usw.

Das Kind erlebt die Gruppe und muss sich mit ihr auseinandersetzen. Das ist gerade für die Einzelkinder besonders wichtig und oft anfangs sehr schwierig. Teilen will gelernt sein oder auch das Zurückstecken und -stehen. Das heißt für das Kind Geduld lernen und üben. Wenn ich dann heim Abholen die Eltern höre, "Na, was habt ihr denn heute gelernt", dann überkommen mich Wut und Ohnmacht. Könnten sie nicht fragen "Wie ist es dir heute gegangen?", oder "Hast du heute was Schönes erlebt? Du siehst so glücklich aus!"

Vielleicht sind wir Erzieherinnen aber auch selbst ein bisschen schuld. Warum nur fällt es uns so schwer, den Eltern über die kleinen Erfolge und Entwicklungsschritte ihrer Kinder zu berichten?

Autorin: Leider gibt es noch immer viele Kindergärten, die ein detailliertes Programm an die Türe hängen und Eltern aber ansonsten nicht hineinlassen, die Themen festlegen und sich dann selbst unter Druck setzen, die entsprechenden Angebote auch wirklich durchzuführen. Richtiger und wichtiger wäre es, die Eltern über die Methoden der Kindergartenarbeit zu informieren und ihnen die Themenauswahl zu begründen. Auch die Bedeutung der Wiederholung von Angeboten - unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten - muss andiskutiert werden.

Es ist für Sie als Vater/ Mutter auch bedeutsam zu wissen, dass es etwas anderes ist, ob das Kind eine Aktivität im Kindergarten oder in der Familie erlebt oder gar später in der Grundschule. Ziele, Rahmenbedingungen sind ebenso verschieden wie die Motivation, die Lernbereitschaft oder gar die Didaktik. In Kindergartengesetzen und Verordnungen sind nur sogenannte Rahmenpläne enthalten. Dies bedeutet, dass auch Ihr Kindergarten nur einen "Rahmen" als offizielle Vorgabe hat. Die Inhalte wählt die Einrichtung selbst aus. Dies ist ein Grund, warum in allen Kindergärten zwar gespielt, musiziert, geturnt, gemalt, gebastelt, gesungen wird, religiöse Erziehung und Förderung der Kreativität u.ä. stattfindet; die genauen Themen für konkrete Angebote aber von jedem Kindergarten individuell ausgewählt werden. Im Idealfall geschieht dies gemeinsam mit den Kindern oder auch den Eltern.

Ein Beispiel für einen solchen Rahmenplan findet sich z.B. in der 4. Durchführungsverordnung zum Bayrischen Kindergartengesetz (wird 2005 abgelöst durch einen Bildungs- und Erziehungsplan).

Das Kind nimmt Dinge mit all seinen Sinnen wahr: Es begnügt sich nicht allein mit dem Sehen. Es will Gegenstände anfassen, wissen wie deren Geschmack ist oder ob sie auch Geräusche erzeugen können. Über das (Be-) Greifen mit all seinen Sinnen lernt das Kind. Ein kleines Kind steckt alles in den Mund, ein älteres Kind begnügt sich mit dem Anfassen und Betrachten. Dabei baut es auf Erfahrungen auf. Es hat z.B. einen Apfel schon oft in der Hand gehabt, hineingebissen, ihn gegessen. Wenn es nun die Geschichte vom riesengroßen Apfel hört, so helfen ihm seine Erinnerungen und seine Vorstellungskraft. Es sieht, riecht, fühlt den Apfel quasi. Ihr Kind im Kindergarten muss diese Erfahrungen an den ganz konkreten Dingen machen. Noch so schöne Bilderbücher können diese nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Deshalb sind die Beschäftigungen im Kindergarten vielfältig, spannend und interessant.

Zum Plätzchenbacken wird nicht der Fertigteig verwendet. Vielmehr werden alle Zutaten gemeinsam eingekauft und dann probiert: das Mehl, der Zucker, die Butter. Die Kinder können die Eier selbst aufschlagen, die Zitrone auspressen usw. Das alles dauert seine Zeit. Am Ende steht das fertige Gebäck als Ergebnis. Bei Beschäftigungen im Kindergarten ist jedoch das allerwichtigste der Prozess, der Weg zum Ergebnis. Also können und dürfen Sie als Vater/ Mutter Ihren Kindergarten niemals nach den Ergebnissen beurteilen, die Ihr Kind Ihnen zeigt oder mit nach Hause bringt. Der größte Lernerfolg für Ihr Kind an diesem Vormittag war vielleicht das selbständige Aufschlagen des Eies, die Überwindung der Angst beim Zerbrechen der Schale

Kindergartenfähigkeit - Gruppenfähigkeit

Eltern: Gibt es so etwas wie eigentlich eine "Kindergartenfähigkeit"? Ab dem vollendeten dritten Lebensjahr können Kinder in den Kindergarten aufgenommen werden, heißt es überall. Freunde von uns mussten aber ihr Kind wieder abmelden, weil es noch nicht "kindergartenreif" sei. Wie stellt man das fest? Wenn ich als Mutter wieder erwerbstätig werden möchte, dann bin ich doch darauf angewiesen, dass mein Kind spätestens mit drei Jahren in den Kindergarten kommt.

Erzieherin: Ich wollte, ich könnte Eltern klar machen, dass für viele Kinder der Eintritt in den Kindergarten direkt nach dem dritten Geburtstag noch viel zu früh ist. Da sucht sich eine Mutter einen Arbeitsplatz, meldet ihr Kind an und steht dann genau am dritten Geburtstag vor der Tür. Ob das Kind es auch verkraftet, wird oft nicht gefragt. Eine Eingewöhnungsphase wird für überflüssig gehalten. Viele Kinder - insbesondere erstgeborene - sind mit drei Jahren von der großen Gruppe im Kindergarten überfordert. Vor allem wenn Kinder gleich den ganzen Tag bleiben sollen. Sinnvoll wäre eine Steigerung, erst ein bis zwei Stunden und dann immer länger. Aber leider haben die Eltern viel zu wenig Geduld. Sie meinen, wir Erzieher müssten das schon schaffen.

Autorin: Es ist schwierig, die Kindergartenfähigkeit zu bestimmen. Deshalb ist das in vielen Kindergartengesetzen festgelegte untere Aufnahmealter von drei Jahren auch "relativ" zu sehen. Es sagt eigentlich nur aus: keine Aufnahme von jüngeren Kindern. Sie werden nun zu Recht sagen, warum es dann bei den neuen Kinderhaus-Modellen möglich sei, z.B. bei den altersübergreifenden Gruppen. Das Aufnahmealter hat auch etwas mit den Rahmenbedingungen zu tun, die ein Kind in einer Einrichtung vorfindet. Je kleiner und familienähnlicher eine Gruppe ist, desto eher kann das Kind die Gruppe verkraften bzw. desto jünger kann es aufgenommen werden. Viele Eltern lassen sich täuschen und meinen, ihr Kind sei "reif für den Kindergarten", wenn es auf andere Kinder zugeht und nach Spielkameraden sucht. Der Mensch ist ein soziales Wesen und es ist daher ganz normal, dass kleine Kinder auf andere Kinder zugehen. Kinder suchen und verlangen nach Spielpartnern. Sie wollen "erfahren", wie es ist, mit anderen in Kontakt zu kommen. Sie berühren sich, nehmen einander Dinge weg, gehen aufeinander zu, finden sich in einem Spiel zusammen, schlagen sich, trösten sich gegenseitig, streicheln sich, beißen sich. Sie begeben sich in Konflikte und üben sich im Lösen der Konflikte, versöhnen sich wieder miteinander. Sie beobachten, wie Erwachsene auf ihr Verhalten reagieren. Oft genügt ein Blick, und sie lassen vom Spielkameraden ab.

Kinder brauchen die so ganz verschiedenen sozialen Kontakte ebenso wie sie auch nach Rückzugsmöglichkeiten suchen oder ganz einfach ihre Ruhe haben wollen. Wie anstrengend eine Gruppe für das Kind ist, wird von den meisten Erwachsenen unterschätzt. So beschwerte sich eine Mutter, dass ihr Kind nach vier Wochen Kindergartenbesuch noch immer keine Freunde hätte und nicht richtig zum sinnvollen Spiel angeleitet würde, sondern statt dessen teilnahmslos im Eingangsbereich oder am Bauteppich warten würde. Das Kind ist drei Jahre alt und kam während des Kindergartenjahres in den Kindergarten. Dies bedeutete die Eingliederung in eine bereits zusammengewachsene Gruppe. Das Kind wurde zwar freundlich aufgenommen, hatte es jedoch viel schwerer als jene Kinder, die mit Beginn des Kindergartenjahres gemeinsam neu in die Gruppe gekommen waren. Die Mutter konnte und wollte nicht begreifen, dass es eine Zeit braucht, his sich ein Kind in einer Gruppe geborgen fühlt, gelernt hat, sich einzuordnen, seinen Platz innerhalb der Gruppe gefunden hat und gleichzeitig seinen persönlichen Beitrag zum Gruppenleben beisteuern kann.

"Mit der Zeit entwickelt sich ein Gruppengefühl bei den Kindern: Die anderen sind nicht mehr 'die anderen', sondern eben 'meine Gruppe'. 'Meine Gruppe freut sich, wenn ich komme, und ist traurig, wenn ich krank bin!' Bevor Kinder sich so in ihrer Gruppe angenommen wissen, vergeht allerdings einige Zeit... Allerdings gibt es in einer Kindergartengruppe nicht nur Freundschaften: Genauso entwickeln sich Abhängigkeiten und sogar Ablehnungen zwischen einzelnen Kindern" (Haug-Schnabel/ Schmid 1988).

Sehr stille, sehr junge Kinder und Kinder, die vor dem Kindergarten kaum Kontakte mit Gleichaltrigen hatten, "verschwinden" leicht in der Großgruppe von 25 Kindern. Stille Kinder stören nicht und werden so als besonders angenehm empfunden. Sie bekommen Integrationshilfen oft zu spät, ziehen sich zurück und werden dann nicht selten als noch nicht kindergarten- oder gruppenfähig bezeichnet. Das stimmt jedoch nur zum Teil. Würden die Erzieherinnen ihnen nämlich besondere Aufmerksamkeit widmen bzw. auch die Einführung gemeinsam mit Vater/ Mutter sinnvoll gestalten, dann könnte den Kindern der Übergang erleichtert werden. Hier wäre es sehr wichtig, dass die Eingewöhnungsgruppe wesentlich kleiner wäre, so dass die Erzieherin mehr Zeit für die einzelne Familie hätte und Eltern und Kindern die Ablösung voneinander erleichtert werden könnte, ohne dass unnötige Ängste oder Eifersüchte entstehen. Gerade für Mütter, die die ersten drei Lebensjahre des Kindes sehr intensiv mit ihm verbracht haben, vollzieht sich die stundenweise Trennung von ihren Kindern nicht ganz unproblematisch. Das kann auch dazu führen, dass Väter/ Mütter ihr Kind gewissermaßen klein halten bzw. sich an das Kind klammern. Dies erleichtert aber nicht den Loslösungsprozess. Vielmehr wird die enge Bindung an die Mutter als mangelnde Kindergartenfähigkeit definiert.

Ob Ihr Kind wirklich "reif" für den Kindergarten ist, können Sie selbst bei Ihren Hospitationen im künftigen Kindergarten feststellen. Bei jedem Besuch entfernt sich das Kind ein Stück mehr, schaut aber immer wieder, ob Sie noch da sind, und erhält so Sicherheit. Und es wird der Tag kommen, an dem Ihr Kind Ihnen sagt: "Du kannst ruhig heimgehen. Aber hol mich wieder ab." Oder Sie sagen dem Kind, dass Sie eben einkaufen würden und dann wiederkämen.

An der Spieldauer eines Kindes bzw. an seinem Konzentrationsvermögen die Kindergartenfähigkeit festzumachen wäre falsch. Jüngere Kinder wechseln oft schon nach wenigen Minuten ihr Spiel und wenden sich neuen Aktivitäten zu. Erst mit der Zeit nehmen Ausdauer, Konzentration und Durchhaltevermögen bei Beschäftigungen zu.

Überforderung oder Unterforderung des Kindes führt oft auch zu falschen Schlüssen. Dem können Sie durch genaue Beobachtung entgegenwirken: Das überforderte Kind weicht oft nicht von der Seite der Erwachsenen, aus Angst, daß es die gestellte Aufgabe nicht alleine bewältigen kann. Das unterforderte Kind wirkt oft unruhig, unkonzentriert oder gar gelangweilt. So muss für jedes Kind individuell entschieden werden, wann es "reif" für den Kindergarten ist - mit drei, dreieinhalb oder sogar erst mit vier Jahren.

"Wenn Väter/ Mütter zuviel fragen:

Das Kind nicht in Frieden zu lassen, das ist das größte Verbrechen der gegenwärtigen Erziehung gegen das Kind. Dahingegen wird eine im äußeren sowie im inneren Sinne schöne Welt zu schaffen - in der das Kind wachsen kann; es sich darin frei bewegen zu lassen, bis es an die unerschütterliche Grenze des Rechts anderer stößt - das Ziel der zukünftigen Erziehung sein. Erst dann werden die Erwachsenen wirklich einen tiefen Einblick in die Kindesseele, dieses noch fast immer verschlossene Reich, erlangen können. Denn es ist ein natürlicher Selbsterhaltungsinstinkt, der das Kind veranlasst, sein Inneres vor dem Erzieher zu verschließen, der unzarte Fragen stellt, z.B. woran das Kind denke, eine Frage, die es fast immer mit einer schwarzen oder einer weißen Unwahrheit beantwortet: vor einem Erzieher, der seine Gedanken und Neigungen zurechtweist oder betastet, der rücksichtslos die feinsten Gefühle des Kindes verrät oder lächerlich macht, der vor Fremden seine Fehler verweist oder seine Eigenschaften belobt, ja, das in einer offenen Stunde gemachte vertrauliche Geständnis eines Kindes in einer anderen zu Vorwüften ausnützt!" (aus: Ellen Key "Das Jahrhundert des Kindes", Beltz Verlag, Weinheim und Basel 1991).

Trennungsangst

Eltern: Das Stichwort Trennungsangst beschäftigt uns sehr. Können wir in irgendeiner Weise verhindern, dass unser Kind Trennungsängste erleben muss?

Erzieherin: Trennungsangst. Eigentlich wird viel zu viel darüber geredet. Viele Eltern beschwören sie regelrecht herauf. Was uns als Erzieher aber noch viel mehr beschäftigt, das ist die sogenannte zweite "Trennungsangst", die mehr bei den Müttern zu finden ist. Immer wieder haben wir Kinder, die sich nach kürzester Zeit problemlos eingelebt haben und die Mütter nicht mehr "brauchen". Viele Mütter fühlen sich dann ausgegrenzt und entwickeln regelrecht Eifersucht auf den Kindergarten. Eine Mutter sagte neulich: "Was haben Sie mit meinem Kind gemacht? Erst wollte er nicht in den Kindergarten, und jetzt bin ich überflüssig. Ich muss mir laufend anhören, dass er lieber in den Kindergarten geht. Erzählen tut er auch nichts, was haben Sie nur mit meinem Kind gemacht?"

Autorin: Es ist für Mütter/ Väter schon eine ganz wesentliche Entscheidung, wenn sie ihr Kind "fremden Erzieherinnen" anvertrauen - Personen, die zwar Professionelle in Sachen Erziehung sind, aber die sie kaum kennen. Ob sie richtig mit dem Kind umgehen? Oft sind Trennungsängste auch gepaart mit Schuldgefühlen. "Wäre ich als Mutter nicht besser daheim geblieben anstatt in den Beruf zurückzugehen, dann könnte mein Kind daheim sein ."In solchen Situationen sind Trennungsängste oft hausgemacht. Es ist sicher schwer, wenn eine Mutter nach drei bis vier Jahren erleben muss, wie schnell das Kind sich von ihr löst. Für Sie als Mutter/ Vater bringt der Schritt in den Kindergarten aber auch neue Freiräume. Diese gilt es für Sie nun auszuschöpfen, denn auch Ihr Kind erlebt im Kindergarten eine schöne und aktive Zeit. Sie sollten sich beide über Ihre neuen Aktivitäten austauschen, sich gegenseitig über Ihre Erlebnisse informieren.

Aber auch Kinder haben Ängste. Sie können die Dauer ihres Aufenthaltes im Kindergarten nicht einschätzen, haben Angst, dass sie nicht abgeholt werden. Vieles resultiert aus Ängsten aus der frühen Kindheit. Kinder müssen erst Sicherheit gewinnen. Sie müssen immer wieder die Verlässlichkeit ihrer Bezugspersonen erfahren. Wichtig für Kinder ist, dass sie stets von der gleichen Person abgeholt werden. So können sie kontinuierlich berichten und Vater/ Mutter an ihrem Alltag teilhaben lassen.

Zu große Gruppen

Eltern: Bei 25 Kindern in der Gruppe, wird da unser Kind nicht vernachlässigt? Kann die Erzieherin ausreichend auf das Kind eingehen? Was ist, wenn unser Kind Kummer hat und Trost braucht? Auf keinen Fall wollen wir, dass unser Kind vernachlässigt wird!

Erzieherin: Immer wieder glauben Väter/ Mütter, dass wir nur für ihr Kind da seien. Sie wollen einfach nicht begreifen, dass in einer Kindergartengruppe 25 Kinder sind. Natürlich ist jeder von uns bemüht, alle Kinder gleich zu behandeln. Aber es gibt auch Kinder, die zeitweise eine besondere Zuwendung brauchen. Je nachdem, was Eltern wahrnehmen, machen sie uns schnell Vorwürfe. Dabei haben sie meist keine rechte Ahnung, wie es bei uns wirklich zugeht, dass wir uns eben nicht gleichzeitig jedem Kind in der gleichen Intensität widmen können.

Autorin: Für viele Kinder ist der Eintritt in den Kindergarten nicht unproblematisch. Zum ersten Mal müssen sie einen Erwachsenen, nämlich die Erzieherin, mit 20 bis 25 weiteren Kindern teilen. Dies macht vielen Kindern große Schwierigkeiten, da sie sich vor allem in Geduld üben oder gar warten müssen, bis die Reihe an ihnen ist. Bisher standen sie im häuslichen Bereich im Mittelpunkt, oft als einziges Kind, beschützt und betreut von mehreren Erwachsenen.

Die Erzieherin aber hat die Verantwortung für die ganze Gruppe und wendet sich jedem Kind "gleichermaßen" zu - ausgerichtet an den Bedürfnissen des Kindes. Zur Sozialerziehung in der Gruppe gehören allerdings auch das Warten- oder eventuell einmal zurück stehen können. Neben den Bedürfnissen des einzelnen müssen auch die Bedürfnisse der Gruppe berücksichtigt werden. So kommt scheinbar einmal das eine und dann wieder das andere Kind zu kurz oder wird bevorzugt. Was Eltern oft nicht sehen, sind die Reaktionen der Freunde auf das einzelne Kind. Ein Eingreifen oder auch eine Zuwendung durch die Erzieherin werden dadurch in vielen Situationen überflüssig.

Da ist die dreijährige Sybille, die etwas nicht finden kann und weint. Susanne, schon drei Jahre im Kindergarten, läuft zu ihr, hört sich ihr Problem an und hilft ihr. Hilfe oder Eingreifen der Erzieherin sind gar nicht mehr erforderlich. Oder ein anderes Beispiel: Peter ist sehr unselbständig; wenn ihm etwas auf Anhieb nicht gelingt, dann schreit er. Seine Mutter macht der Erzieherin regelmäßig Vorwürfe, dass sie sich nicht genug um Peter kümmern würde. Peters Freund Sebastian nimmt sich in rührender Weise des Freundes an und unterstützt ihn in vielen Alltagssituationen. Es muss demnach nicht immer die Erzieherin der Helfer sein.

Um die Arbeit der Erzieherin verstehen zu lernen, möchte ich Ihnen wirklich empfehlen, einmal einen Tag - oder auch öfters - im Kindergarten zuzubringen. Dabei dürfen Sie sich allerdings nicht auf Ihr Kind allein konzentrieren. Dann erleben Sie, was sich an einem Vormittag so alles ereignet und wie die Erzieherin damit umgeht. Ihre Sichtweise wird sich verändern, Sie werden erkennen, dass Ihr Kind von der Erzieherin ebenso angenommen wird und ihre Aufmerksamkeit bekommt, wie andere Kinder auch. In Minuten lässt sich die Zuwendung oder Aufmerksamkeit jedoch nicht messen.

Der Kindergarten als Lebensraum für Kinder

Eltern: Bei uns wird gerade ein neuer Kindergarten geplant. Sollen wir noch ein Jahr warten, bis er fertig ist? Der Kindergarten ist dann ganz modern, viel schöner und vielleicht auch besser.

Erzieherin: Wenn Eltern nur nicht so viel Wert auf Äußerlichkeiten legen würden. Als ob die Qualität des Kindergartens von der Schönheit abhängen würde! Ich habe früher in einem ganz neuen Kindergarten gearbeitet, jetzt arbeite ich in einem alten Gebäude. Aber hier fühle ich mich wohler. Unsere Räume und unsere Einrichtung sind vielleicht nicht ganz optimal, aber dafür stimmt die Atmosphäre und vor allem das Arbeitsklima im Team, mit dem Träger, mit den Eltern. Unsere Kinder fühlen sich wohl. Wir sprechen von unserem Kindergarten!

Autorin: Der Kindergarten ist ein wichtiger Lebensraum für Kinder. Natürlich haben Sie recht, wenn Sie auch Wert auf ansprechende Räume oder eine schön gestaltete Außenspielfläche legen. Aber den guten Kindergarten macht das nicht aus.

Ein Garten, in dem Kinder spielen, den Rasen betreten, Beete anlegen, auf Bäume klettern, am Brunnen selbst Wasser pumpen, Insekten und Fische am kleinen Teich beobachten, ihr Vesper im Schatten des alten Kastanienbaumes einnehmen können, das bedeutet Lebensqualität und Lebensraum für Kinder. Der Spielplatz mit einigen Spielgeräten und wenig Aktionsmöglichkeiten für Kinder mag zwar durch Ordnung und Übersicht bestechen, sein pädagogischer Wert ist allerdings gering.

Werfen Sie einen Blick in die Räume des Kindergartens. Sie sind aus der Sicht des Erwachsenen wunderschön möbliert, übersichtlich, voller Spiel material, klar strukturiert, sauber und ordentlich. Auch das macht nicht die Qualität aus, sondern es sind vielmehr die Aktionsmöglichkeiten die Freiheit, mit der Kinder ihren Raum mitgestalten dürfen, die Verantwortung, die ihnen für das Leben in ihren Räumen übertragen wird. Nur dann können Kinder Gespür für Wohnkultur entwickeln und Räume wirklich mit Leben erfüllen. Aber auch Sie als Eltern sollen sich wohlfühlen und gerne dort verweilen. Kindergärten sind heute Aktionszentren, Begegnungsstätten für Familien. Insbesondere wenn junge Familien in anonymen Hochhäusern leben oder neu in gewachsenen Gemeinden zugezogen sind, dann ist der Kindergarten der Ort der Begegnung, Kontakte...

Der Kindergarten und seine Außenkontakte

Eltern: Mit welchen Institutionen arbeitet der Kindergarten denn zusammen? Mit der Schule wird er doch hoffentlich kooperieren, denn er soll ja auf sie vorbereiten. Der Kindergarten in unserer Nachbarschaft macht ständig Ausflüge, geht sogar in ein Altersheim und regelmäßig in eine Behinderteneinrichtung. Ob wir das wollen? Wir sind uns da nicht so ganz im klaren. Werden wir vorher gefragt?

Erzieherin: Ein Kindergarten braucht Außenkontakte. Die Kinder sollen das ganze Umfeld des Kindergartens bzw. der Gemeinde kennen lernen, deshalb muss der Kindergarten sich zum Gemeinwesen hin öffnen. Unsere Kinder besuchen einmal im Jahr den Bürgermeister. Sie dürfen dann im großen Sitzungssaal im Rathaus alle ihre Wünsche vorbringen. Durch diese Besuche haben wir viel mehr Verständnis für die Kindergartenarbeit erreicht. Eine Gruppe aus dem Kindergarten für geistig behinderte Kinder besucht uns regelmäßig, und wir besuchen die Gruppe in ihren Räumen. Unsere Kinder freuen sich immer sehr und überlegen sich selbst Aktivitäten, die wir dann gemeinsam durchführen. Dabei stehen Turnen, Malen und Kasperltheater an erster Stelle. Was für ein Glück, dass unsere beiden Einrichtungen so nahe beieinander liegen. Für unsere Kinder ist damit das Zusammenleben mit behinderten Kindern zu einer Selbstverständlichkeit geworden.

Autorin: Hier werden zwei Kooperationsfelder angesprochen. Zum einen ist es die Kooperation mit Einrichtungen für Kinder und zum anderen diejenige mit Einrichtungen im Gemeinwesen, die nicht unbedingt für Kinder gedacht sind. In jedem Fall kommt es zu wichtigen Begegnungen und Erfahrungen im sozialen Umgang mit Menschen - das Ergebnis ist eine lebendige Sozialerziehung, durch die ein harmonisches Miteinander verschiedenster Menschen und Generationen möglich wird. Einige konkrete Beispiele machen Ihnen exemplarisch deutlich, wie wichtig diese Kooperationsfelder und Begegnungen sind.

Die Kooperation mit der Grundschule:

Kinder sollen und wollen die Schule kennen lernen. Im Idealfall können die großen Kindergartenkinder im letzten Kindergartenjahr mehrmals in kleinen Gruppen am Unterricht in der Schule teilnehmen. Es muss nicht unbedingt in einer ersten Klasse sein. Wichtiger ist, dass sie sich an der Unterrichtsstunde aktiv beteiligen können, z.B. bei Zeichnen, Sport, Musik, aber auch Heimat- und Sachkunde. Vielleicht hat eine Klasse auch ein Puppenspiel eingeübt und wünscht sich ein Publikum. Die Schulkinder zeigen den Kindern ihre Schule, ihr Klassenzimmer, ihre Hefte und Bücher oder lesen den Kleinen etwas vor. Gut vorbereitet und organisiert sind solche Begegnungen ein Gewinn für Schul- und Kindergartenkinder. Dass sich darüber hinaus Lehrer und Erzieher austauschen, ist selbstverständlich, ebenso wie Lehrer durch Teilnahme am Kindergartenalltag die Arbeitsmethoden des Kindergartens kennen lernen und auch manche Elemente und Ideen für ihren Unterricht aufgreifen können.

Besuch im Altersheim:

In der Nähe des Kindergartens ist ein Altersheim. Beim Altennachmittag in der Pfarrgemeinde ist es zur ersten Begegnung der Kinder mit Bewohnern gekommen. Gemeinsam wurde gespielt - keine Aufführungen der Kindergartenkinder - und Kaffee getrunken. Es ergaben sich Einzeleinladungen in den Kindergarten. So konnten eine "Erzähloma" gewonnen werden, ein "Bastelopa" und ein Organist. Alle wohnten im Altersheim. Bald wurden Besuche im Altersheim verabredet. Die Kinder konnten dort noch andere Bewohner kennen lernen, so z.B. die 90jährige Musiklehrerin. Die Kinder brachten zum nächsten Besuch Orffinstrumente mit, und die alte Dame kramte nach vielen, vielen Jahren erstmals ihre Flöte wieder heraus. Die Kinder waren glücklich. Alle 14 Tage wurde von nun an gemeinsam musiziert.

Sie fragen sich vielleicht, warum solche Besuche mit der Kindergartengruppe unternommen werden sollen. Kinder erfahren nur noch selten den Umgang mit alten Menschen und müssen so auf viele wertvolle Erfahrungen verzichten. Im vorstehenden Beispiel kam es für zwei Generationen zu einer Bereicherung ihres Alltags. Schade, dass solche Aktivitäten noch nicht selbstverständlich in den Kindergärten sind.

Der Kindergarten als Ort der Beratung

Eltern: Kann uns die Erzieherin im Kindergarten auch beraten, wenn wir Fragen haben? Es ist ja unser erstes Kind, und wir wissen nicht recht, wie wir uns in manchen Situationen verhalten sollen.

Erzieherin: Wir freuen uns, wenn Eltern zu uns Vertrauen gefunden haben und uns um Rat fragen. Nur, wir können es nicht leisten, für alle Fragen da zu sein. Oft kommen Mütter mit Erziehungsfragen, aber auch mit Eheproblemen. Wir sind dann gerne Vermittler zu anderen Stellen. So haben wir z.B. in unserem Kindergarten einen Beratungsführer erstellt. In ihm haben wir alle für den Kindergarten bzw. die Eltern eventuell relevanten Beratungsstellen und Institutionen aufgenommen und deren Arbeit kurz beschrieben. Außerdem finden sich darin alle notwendigen Adressen und Telefonnummern. Dieser Führer liegt im Kindergarten auf und kann von allen Eltern eingesehen oder mitgenommen werden. Väter/ Mütter können sich so selbst informieren.

Autorin: Leider gibt es noch immer viel zu viele Erzieher, die glauben, dass sie für alle Fragen und Probleme, die ihre Kinder oder Familien betreffen, zuständig sind. Erzieher und Eltern sind Partner, aber Erzieher sind keine Lebensberater oder gar Familientherapeuten. Sie dürfen Erzieher, die Sie an bestimmte Beratungsstellen oder Fachleute verweisen, nicht für inkompetent halten. Ihre Aufgabe ist die Arbeit mit den Kindern und damit verbunden die Elternarbeit. Arbeit mit Eltern heißt dabei aber nicht, alles selbst leisten zu müssen, sondern vielmehr auch Wege aufzuzeigen, die Hilfe bringen können. Es wäre auch nicht gut, wenn die Erzieherin z.B. zu sehr in Familienprobleme involviert und gar Partei für Vater oder Mutter ergreifen würde. Sie ist Anwalt des Kindes und gemeinsam mit den Eltern für die Erziehung verantwortlich, denn nur so kann sie eine familienergänzende Erziehung realisieren. Vielleicht kann es Erziehern gelingen, Sie als Eltern auch zu überzeugen, dass Sie Lernende sind, dass Beratung oft überflüssig wird, wenn Sie Ihre Kinder beobachten und auf deren stumme Hilferufe hören und reagieren. Lassen Sie sich leiten von der Aussage Friedrich Rückerts:

"Von Deinen Kindern lernst Du mehr als sie von Dir. Sie lernen eine Welt von Dir, die nicht mehr ist, Du lernst von ihnen eine, die nun wird und gilt."

Wenn das Kind Schwierigkeiten macht

Eltern: Bis jetzt war unser Kind brav und recht folgsam. Im Kindergarten wird es ja auch viele negative Beispiele erleben und möglicherweise Schimpfwörter lernen. Können wir von der Erzieherin verlangen, dass sie dies verhindert? Ist es möglich, dass unser Kind sich im Kindergarten anders verhalten wird als daheim? Bedeutet das dann, dass der Kindergarten nicht richtig erzieht?

Erzieherin: Für viele Eltern ist es oft unfassbar, dass ihr Kind im Kindergarten ein anderes Verhalten zeigt als in der Familie. Oft beschuldigen sie uns als Erzieher, dass es einzig und allein an uns läge, dass Kinder im Kindergarten nicht so brav seien wie daheim. Ebenso gibt es aber das umgekehrte Beispiel, dass Kinder, die im häuslichen Bereich sehr schwierig sind, im Kindergarten glückliche und zufriedene Kinder sind, die weder auffallen noch stören.

Autorin: Im häuslichen Bereich lebt das Kind vielleicht als Einzelkind mit Vater/ Mutter. Es gibt bestimmte Regeln - oft nur an den Wünschen und Vorstellungen der Erwachsenen ausgerichtet. Das Kind wehrt sich durch auffälliges Verhalten oder passt sich an, ordnet sich unter. Im Kindergarten hat es eine große Zahl von Spielkameraden. Endlich sind die Erwachsenen in der Minderheit. Eine Kindergruppe kann anstrengend werden. Sie "probiert" nicht selten den Erzieher aus oder fordert ihn heraus, verlangt aber auch Konsequenz und Gradlinigkeit in der Erziehung, will sich auf die Erziehung verlassen. Die Aussage eines fünfjährigen Kindes gegenüber seiner Mutter "Sag endlich, wie du's willst, nicht 'mal so oder so, ich weiß sonst nicht, was ich wirklich soll!" gibt zu denken.

Sie befürchten nun, Ihr Kind könnte Schwierigkeiten machen. Daheim ist es brav, Sie sind sehr streng. In der Kindergruppe probiert das Kind aus, beobachtet die Erzieherin, ob sie eingreift oder unsicher wird. Ein Kind leidet unter der falsch verstandenen freiheitlichen Erziehung durch Vater/ Mutter und wird von den Eltern im Kindergarten als erziehungsschwierig dargestellt. Im Kindergarten erlebt es aber eine sichere, liebevolle, konsequente Erzieherin, die im positiven Sinn Autorität, aber gleichzeitig auch Freundin und Verbündete für das Kind ist. Hier fühlt sich das Kind sicher und wohl - und ist keinesfalls schwierig. Ungläubigkeit auf beiden Seiten - was das Verhalten des Kindes in Kindergarten und Familie betrifft - hilft hier nicht weiter, wohl aber Gespräche zwischen Erzieherin und Vater/ Mutter, aber auch Gespräche mit dem Kind. Kinder sagen oft ganz deutlich, was sie wollen und brauchen. Nur leider haben wir Erwachsene dafür kaum ein Ohr.

Kinder brauchen Vorbilder:

"Der Erzieher will das Kind mit einem Schlage fertig und vollkommen haben; er zwingt ihm eine Ordnung, eine Selbstbeherrschung, eine Pflichttreue, eine Ehrlichkeit auf, die die Erwachsenen sich dann mit staunenswerter Geschwindigkeit abgewöhnen! Wenn es sich um die Fehler der Kinder handelt, siebt man im Hause wie in der Schule Mücken, während man täglich die Kinder die Kamele der Erwachsenen schlucken lässt! Neun Mal von zehn vor den Fehlern der Kinder ein Auge zuzudrücken, sich vor unmittelbaren Eingriffen, die meistens Fehlgriffe sind, zu hüten, aber anstatt dessen seine ganze Wachsamkeit auf die Bildung der Umgebung richten, in der das Kind heranwächst, und auf die Erziehung, die man sich selbst angedeihen lässt - das ist die Kunst der natürlichen Erziehung. Aber Erzieher, die tagaus, tagein ziel bewusst die Umgebung und sich selbst erziehen, sind noch eine seltene Erscheinung. Die meisten Menschen leben sowohl von den Zinsen als von dem Kapital der Erziehung, die sie vielleicht einmal zu Musterkindern gemacht und ihnen die Lust zur Selbsterziehung genommen hat! Aber nur dadurch, dass man sich selbst in einem unablässigen Wachstum erhält, in unablässiger Wechselwirkung mit dem Besten in der eigenen Zeit, wird man nach und nach eine halbwegs gute Gesellschaft für seine Kinder!" (aus: Ellen Key: "Das Jahrhundert des Kindes", Beltz Verlag, Weinheim, Basel 1991).

Grundbedürfnisse der Kinder

Eltern: Es wird soviel über Grundbedürfnisse von Kindern gesprochen, aber keiner kann uns genau erklären, was darunter zu verstehen ist. Wir als Eltern wollen doch Rücksicht nehmen auf die Bedürfnisse der Kinder und erwarten das gleiche vom Kindergarten. Andererseits sind wir unsicher, denn wenn immer auf die Bedürfnisse der Kinder eingegangen wird, führt dies nicht zur Verweichlichung und Verwöhnung?

Erzieherin: Viele Eltern sehen nicht, was Kinder brauchen. Sie stellen ihre Bedürfnisse weit über die der Kinder, verlangen von Kindern, dass sie sich unterordnen und als "kleine und unfähige Menschen" ihre Bedürfnisse zurückstehen. Leider sind Eltern zu diesem Thema kaum ansprechbar. Dabei wäre es so wichtig, dass wir uns miteinander austauschen würden, denn schließlich sind wir als Partner in der Erziehung für das Wohl der Kinder verantwortlich.

Autorin: "Von frühester Kindheit an wachsen wir in dem Gefühl auf, dass das Große mehr Bedeutung hat als das Kleine. 'Ich bin groß', freut sich das Kind, wenn man es auf einen Tisch stellt. 'Ich bin größer als du', stellt es stolz fest, wenn es neben einem Gleichaltrigen steht und seine Größe an ihm misst. Achtung und Bewunderung erweckt nur das, was groß ist und mehr Platz einnimmt. Klein - das bedeutet alltäglich und wenig interessant. 'Kleine Leute, kleine Bedürfnisse, kleine Freuden und kleine Traurigkeiten'" (Korczak 1970).

Mit der Abwertung des Klein-Seins beginnt das Leid des Kindes. Es wird nicht ernstgenommen, gilt als noch nicht ausgereift, als minderwertiger Mensch. Seine Grundbedürfnisse werden zwar wahrgenommen, aber nicht ernsthaft beachtet. Die Erwachsenen erkennen nur schwer - und das gilt gleichermaßen für Eltern und Berufserzieher -‚ dass es sich dabei um "Mangelerscheinungen" handelt, die das Kind nicht selbst ausgleichen kann. Es braucht dazu enge Bezugspersonen, die es lieb haben, sensibel sind und wahrnehmen, was dem Kind "fehlt". Wir als Erwachsene neigen dazu, Erziehung quantitativ zu messen, z.B. an der Zeit, die wir mit dem Kind verbringen. Doch Quantität alleine reicht nicht aus. Ausschlaggebend ist in erster Linie die Qualität.

Die Entwicklung des Kindes wird begleitet, angeregt und gesteuert durch Erziehung, Dialog, Vorbild, Modellverhalten in seiner Umgebung, die Sicherstellung der Befriedigung seiner Grundbedürfnisse. Das heißt aber auch, dass das Kind das Recht hat, so zu sein, wie es ist. Es verlangt von uns, dass wir zu ihm heruntersteigen, uns auf eine Ebene mit ihm begeben und dann versuchen, aus der Kinderperspektive das Leben zu beobachten und daran teilzuhaben. Wir sind nicht größer, nicht klüger, nicht besser als Kinder. Kinder leben sehr viel freier, differenzierter und gefühlvoller als Erwachsene und sind deshalb auch viel leichter verletzbar. Solche frühkindlichen Verletzungen - insbesondere im emotionalen Bereich - hinterlassen Wunden, die oft ein ganzes Leben lang existieren, gut oder weniger gut verheilen, als Narben zurückbleiben.

Ein ganzer Katalog von Grundbedürfnissen lässt sich aufzählen (und wir wissen, dass chronische Mängel bei ihrer Befriedigung die kindliche Entwicklung schädigen können):

  • Geborgenheit,
  • Beachtung,
  • geeignete Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten,
  • konfliktarmes familiäres Gemeinschaftsleben,
  • Konsequenz in der Regelsetzung,
  • emotionale Zuwendung,
  • Vertrauen,
  • Autonomie und Freiheit,
  • Verlässlichkeit und Kontinuität,
  • Räume zum Selbständigwerden,
  • Anerkennung,
  • soziales Teilen,
  • Solidarität,
  • konstruktive Auseinandersetzung und Kritik,
  • Dialogfähigkeit und -bereitschaft,
  • Erfahrungsmöglichkeiten,
  • Lernanreize,
  • Zärtlichkeit,
  • Liebe und Zuneigung.

Kinder brauchen feste, stabile, sichere und vertrauensvolle Beziehungen, in denen sie Orientierung und Antwort auf ihre Fragen und Bedürfnisse finden. Sie sind als Eltern ebenso gefordert wie die Erzieherinnen im Kindergarten. "Eine überwiegend freundliche Welt entsteht für das Kind, wenn es sich geliebt und geborgen fühlen kann, wenn es in einer spannungsfreien, heiteren Atmosphäre lebt, wenn seine Bedürfnisse entsprechend befriedigt werden und es keinen Situationen ausgesetzt ist, in denen es sich verlassen, hilflos oder überfordert fühlen muss" (Schenk-Danzinger 1974).

Sie stehen damit in einer großen Verantwortung, denn Sie begleiten das Kind auf dem Weg zu seiner Selbstfindung, Sie fördern oder behindern diesen Prozess. Dem Kind ist es ganz wichtig, dass es beachtet wird, dass es Interesse findet, dass es wertgeschätzt und geliebt wird. Schon in frühester Kindheit erlebt das Kind Befriedigung und Glück, wenn es von ihm nahestehenden oder ihm wichtigen Personen Rückmeldung, Akzeptanz, Wärme, Zärtlichkeit, Zuneigung, Respekt und Anerkennung erfährt. Aber nur wenige Kinder wachsen in einer solchen offenen, positiven und akzeptierenden Atmosphäre auf. Vielmehr lernen und erfahren schon kleine Kinder, dass ein bestimmtes angepasstes, "ordentliches" Verhalten mit Zuwendung und Aufmerksamkeit belohnt wird. Wir Erwachsenen sind aufgefordert, die Grundbedürfnisse unserer Kinder zu sichern. Wir sollen also das in unseren Möglichkeiten und unserem Ermessen liegende dazu beitragen, dass die Kinder alles für eine gesunde Entwicklung Notwendige erhalten. Dabei geht es in erster Linie um die emotionalen und sozialen Bedürfnisse. Materielle Güter können dazu nur wenig oder kaum etwas beitragen.

In ihrem Buch "Spannungsfeld Kind - Gesellschaft - Welt" führt Maria Montessori dazu aus:

"Das Kleinkind weiß, was das Beste für es ist. Lasst uns selbstverständlich darüber wachen, dass es keinen Schaden erleidet. Aber statt es unsere Wege zu lehren, lasst uns ihm Freiheit gehen, sein eigenes kleines Lehen nach seiner eigenen Weise zu leben. Dann werden wir, wenn wir gut beobachten, vielleicht etwas über die Wiege der Kindheit lernen."

Schlusswort

Viele Gedanken, Fragen, Zweifel und Hoffnungen beschäftigen uns, wenn wir über die Wahl des Kindergartens und den Kindergartenbesuch unseres Kindes nachdenken. Wir wählen den Kindergarten nicht für uns, sondern für das Kind aus. Das Kind muss sich dort wohl fühlen und die Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung und kindgemäße Entfaltung finden. Leider werden die Interessen des Kindes jedoch hinten angestellt. Die Erwachsenenwelt siegt, die Forderungen des Arbeitsmarktes werden wichtiger genommen als die Bedürfnisse von Kindern und Familien.

Wie verletzlich Kinder sind und wie unverantwortlich Erwachsene häufig mit Kindern umgehen, wird in einer Aussage der Reformpädagogin Ellen Key in ihrem Buch "Das Jahrhundert des Kindes" deutlich:

"Ein Kind erziehen - das bedeutet, seine Seele in seinen Händen tragen, seinen Fuß auf einen schmalen Pfad setzen. Das bedeutet, sich niemals der Gefahr aussetzen, im Blick des Kindes der Kälte zu begegnen, die uns ohne Worte sagt, dass das Kind uns unzureichend und unberechenbar findet; das bedeutet, demutsvoll einzusehen, wie der Möglichkeiten, dem Kind zu schaden, unzählige sind, ihm zu nützen, wenige. Wie selten erinnert sich der Erzieher, dass das Kind schon im Alter von vier, fünf Jahren die Erwachsenen erforscht und durchschaut, mit einem wunderbaren Scharfsinn seine bewussten Wertungen anstellt, mit behender Sensitivität auf jeden Eindruck reagiert. Das leiseste Misstrauen, die geringste Unzartheit, die kleinste Ungerechtigkeit, der flüchtigste Spott können lebenslängliche Brandwunden in der feinbesaiteten Seele des Kindes zurücklassen, während andererseits die unerwartete Freundlichkeit, das edle Entgegenkommen, der gerechte Zorn sich ebenso tief in die Sinne einprägen, die man weich wie Wachs nennt, aber behandelt, als wären sie aus Ochsenleder!"

Sicher sind viele Fragen noch offen geblieben, würden Sie zu manchen Einzelheiten noch mehr wissen wollen. Jeder Kindergarten ist anders, jede Mutter, jeder Vater, jedes Kind. Versuchen Sie, sich klar darüber zu werden, was Sie für Ihr Kind und für sich selbst im Kindergarten finden wollen. Gehen Sie offen auf den Kindergarten zu. Treten Sie ein in den Dialog mit den Erzieherinnen. Dann wird die Kindergartenzeit für Ihr Kind und für Sie selbst eine schöne Zeit werden

Anhang

Im Anhang habe ich Ihnen eine Auswahl von Texten zum Nachdenken zusammengestellt. Sie handeln alle vom Kindergarten und beschreiben die Bedeutung der frühkindlichen Erziehung. Sie umreißen die Vorstellungen von einem guten Kindergarten aus der Sicht und Wunschvorstellung der Jahre 1957, 1970 und 1990. Es handelt sich um Auszüge aus offiziellen Gutachten oder Berichten auf Bundesebene. Die Aussagen sind heute in vielen Punkten noch so aktuell wie zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung. Was nachdenklich macht, traurig stimmt und nicht gerade für eine besondere Lobby für Kinder spricht, ist die Tatsache, dass viele der Zielvorstellungen und pädagogischen Wünsche noch immer nicht umgesetzt bzw. erreicht wurden. Vielmehr ist vielerorts eine eher rückläufige Tendenz zu beobachten. Trotzdem hoffe ich, dass Sie den richtigen Kindergarten für Ihr Kind finden und die Chance nützen, als Eltern dort aktiv zu werden. Sie leisten damit einen unverzichtbaren Beitrag zur Lebensraumgestaltung für Kinder.

"Es gibt weder große Entwicklungen noch wahren Fortschritt auf dieser Erde, solange noch ein unglückliches Kind auf ihr lebt" (Albert Einstein).

Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen: Gutachten zur Erziehung im frühen Kindesalter (1957):

"Der Strukturwandel unseres Lebens hat die Umwelt schon der kleinen Kinder tief verändert. Der Fortschritt der Wissenschaft, insbesondere in der Medizin und der Psychologie, das Ansteigen des durchschnittlichen Lebensstandards, soziale Einrichtungen, in denen die öffentliche Mitverantwortung für die schwachen Glieder der Gesellschaft wirksam geworden ist, haben ihre Lebensbedingungen entschieden gebessert. Der Rückgang der Kindersterblichkeit ist ein Zeugnis dafür. Auf der anderen Seite ist mit steigender Zivilisation unser Leben immer komplizierter geworden. Das kleine Kind wird in eine Umwelt hineingeboren, die sich von seinen elementaren Bedürfnissen zum Teil weit entfernt hat. Trotz der äußeren Fortschritte ist der behütete Raum, in dem das Kind körperlich und seelisch gesund heranwachsen kann, in vieler Hinsicht eng und ungesichert geworden. Das tritt am sichtbarsten da hervor, wo die Mutter berufstätig ist und damit kaum mehr ausreichend für Kinder und Haushalt sorgen kann. Nach neueren Erhebungen ist etwa jedes vierte bis fünfte Kind tagsüber ohne Mutter. Das trifft nicht nur Schulkinder, sondern gerade auch die jüngeren Kinder. Viele junge Frauen halten in den ersten Ehejahren, auch wenn sie Kinder haben, an der Ausübung eines Berufes fest. Ehen werden heute oft geschlossen, bevor die wirtschaftliche Grundlage gesichert ist. Ohne die Mitarbeit der Frau können die notwendigen oder für notwendig gehaltenen Anschaffungen nicht gemacht werden. Hinzu kommt, dass die jungen Frauen durch Ausbildung und bisherige Arbeit viel stärker als früher in der Berufswelt beheimatet sind. Das macht es ihnen schwer, die mit ihrer Mutterschaft gegebenen Aufgaben zu erkennen und zu bejahen.

Das Auseinanderklaffen von moderner Arbeitswelt und häuslichem Kreise bedroht das Familienleben auch dort, wo die Mutter nicht berufstätig ist. Manche Frauen fühlen sich durch ihre Verpflichtungen im Haushalt nicht ausgefüllt und verlangen nach aktiver Mitarbeit in einem erweiterten Lebensbereich. Arbeitsumwelt und Arbeitsverrichtungen des Mannes bleiben der Frau vielfach so fremd, dass die Grundlage für die Gemeinschaft der Ehegatten nur noch schmal ist. Unvermeidlich wird dadurch auch für das Kind das Bild des Vaters einseitig. Auch eine längere Freizeit kann das nicht ohne weiteres ausgleichen. Die Hast des modernen Lebens und das verführende Angebot an Zerstreuung lässt den Menschen, auch wo er über seine Zeit verfügt, nicht zu Ruhe und Besinnung kommen.

In der Umgebung des kleinen Kindes finden sich immer mehr technische Apparate und Einrichtungen; es lebt in einer seinem Verständnis schwer zugänglichen Umwelt. In ihr steht es den Erwachsenen vielfach im Wege und spürt das. Die Straße, die ihm früher Raum für seine Spiele, Umgang mit Altersgenossen, Stoff für seine Schaulust und Neugierde bot, ist dem kleinen Kind für sein Eigenleben fast völlig versperrt. Es wird heute auf der Straße zum 'Verkehrsteilnehmer', ist dort gefährdet und wird oft ungern gesehen. Mangel an Wohnraum, an ungefährlichen Spielplätzen und geeignetem Spielmaterial beengen weiterhin seinen Bewegungsdrang und seine Unternehmungslust.

In den ersten Lebensjahren eines Menschen bilden sich Grundformen seines Verhaltens heraus. Ein Kind, das in diesen Jahren nicht zu seinem Recht kommt, ist in seiner ganzen weiteren Entwicklung gefährdet. Diese Gefahr besteht heute für eine sehr große Zahl von Kindern.

Säugling und Kleinkind gedeihen nur in einer Atmosphäre der Geborgenheit, in der sie sich vertrauensvoll der Umwelt öffnen können. Sie bedürfen der sicheren Beziehung zur Mutter und der Einbettung in das Familienleben. Die sich allmählich entfaltende Gemeinschaftsfähigkeit hat hier ihre Wurzeln. Die Berufsarbeit der Mutter und die vielfache Begrenzung des Familienlebens gefährden dieses Fundament der Erziehung.

Erfahrungen der frühen Kindheit haben einen wesentlichen Einfluss auf die Richtung, in der Strebungen und Interessen eines Menschen sich entwickeln, und auf das Maß, in dem er sich durch die Augenblicksbedürfnisse bestimmen lässt oder seine Wünsche selber lenkt und gestaltet. Schon das kleine Kind braucht freies Feld für seinen Tätigkeitsdrang und besinnlichen Umgang mit Erwachsenen, die es kennen und lieben. Wo ihm beides gegeben wird, lernt es die Freude am eigenen Tätigsein kennen und wird empfänglich für Anregungen des Gemüts und der Phantasie. Wo es aber in die Unruhe des modernen Lebens hineingezogen wird, wenig Raum und Gelegenheit für seine eigenen Spiele hat und miterlebt, wie Radio oder Motorrad die Freizeit der Familie beherrschen, da gerät es in Gefahr, nur nach leicht erreichbaren Augenblicksgenüssen zu suchen, darin gierig und anspruchsvoll oder mutlos und passiv zu werden und nicht zu erfahren, dass es sich selber um etwas bemühen und sich mit den eigenen Wünschen seiner Umwelt einordnen kann und muss.

Das Kind gewinnt und ordnet seine Vorstellungen von den Dingen seiner Umgebung, wo es anschauend-tätig mit ihnen umgeht. Die aufnehmenden Sinne, die greifenden Hände, der ganze Körper in seiner Bewegung sind miteinander am Werk, wenn es in hingebungsvollem Nachahmen und eigenem Probieren erlebt, was man mit den Dingen tun und dabei erfahren kann. Daraus erwachsen allmählich die Vorstellungen, was und wie diese Dinge sind. Das Kind braucht dafür Umgang mit einfachen, überschaubaren Dingen, Teilnahme an Vorgängen, die es Schritt für Schritt verfolgen kann und die seinem Verständnis zugänglich sind; in der technisierten Welt werden sie ihm immer weniger geboten. Wenn es nachahmend beim Fegen und Aufräumen der Zimmer 'hilft', gewinnt es Vorstellungen von einfachen Zusammenhängen, die ihm der surrende Staubsauger nicht vermitteln kann. Elektrische Geräte sind für das Kind undurchschaubar. Wenn es den Lichtschalter bedienen lernt, steht die Wirkung in keinem Verhältnis zur aufgewandten Mühe; so bilden sich leicht falsche Vorstellungen vom eigenen Können.

Beobachtungen und Umgang mit der lebendigen Natur sind für das Stadtkind nur in engen Grenzen möglich. Auch hier droht ein Verlust an wichtigen Erfahrungen, die das Gemüt des Kindes bereichern.

Wenn der Vorstellungsschatz des Kindes verarmt, verliert seine Sprache ihre Ausdruckskraft. Aber auch das Umgekehrte trifft zu: Wird seine Sprache nicht gepflegt, so bleiben seine Vorstellungen vage und inhaltsarm. Das geistige Leben des Kindes erwacht in seinem Kontakt zu seinen Mitmenschen, vor allem zur Mutter. Indem es hörend und selber sprechend Verständigung erlebt, kann es in 4 ein Verständnis für seine Umwelt hineinwachsen. Wo die Mutter ihm erzählt und mit ihm singt, gewinnt es Anteil an menschlichen Erfahrungen, die in Geschichten und Liedern ihren Ausdruck gefunden haben. Aber die Mütter, die sich so ihren Kindern zuwenden können und die Muße dafür haben, sind seltener geworden. Die Sprache unserer Zeit ist reich an technischen Bezeichnungen - das Kind nimmt sie vielfach schon früh auf - aber sie hat den Bezug zu altem Sprachgut und dessen Ausdruckskraft weithin verloren. So findet das kleine Kind oft nur eine dürftige geistig-seelische Nahrung; sein Vermögen in einer ihm gemäßen Ausdrucksweise zu erfassen und zu sagen, was es erlebt, kann verkümmern.

Die Kinder unserer Zeit wachsen hinein in eine technisierte Welt. In ihr hat sich dem Menschen eine Fülle neuer Möglichkeiten erschlossen, das Leben weiter und reicher zu gestalten. Aber sie birgt auch die Gefahr in sich, dass die Technik den Menschen beherrscht und bedroht. Sie gewährt schon dem Kind in mancher Hinsicht Schutz und Hilfe, die den Kindern früherer Zeiten nicht geboten wurden. Sie erschwert es ihm aber auch, schon in seinen ersten Lebensjahren mit ihr vertraut zu werden und rechtzeitig die Kräfte zu entwickeln, die ihm einmal dazu helfen sollen, in dieser Welt menschlich zu leben.

Die alte Aufgabe des Kindergartens, mit den Eltern zusammenzuarbeiten, um die Familienerziehung zu ergänzen und zu bereichern, erhält nach diesen Überlegungen heute ein verstärktes Gewicht. Es geht nicht darum, der Schulbildung vorzugreifen, sondern darum, die frühe Bildung des kleinen Kindes zu schützen und zu fördern. Der Kindergarten bleibt ein freies Angebot an die Familie. Da nahezu alle Kinder von den geschilderten Umweltveränderungen mehr oder weniger betroffen sind, sollte dieses Angebot so großzügig sein, dass jedes Kind jedenfalls für einige Vormittagsstunden im Kindergarten sein könnte.

Unbeschadet der sozialen Betreuungspflicht, die der Kindergarten in vielen Fällen hat und behalten wird, muss seine Aufgabe im wesentlichen pädagogisch bestimmt sein. Der Kindergarten wird die Schwerpunkte in seiner Arbeit so wählen müssen, dass er dem Kind vor allem da hilft, wo es durch die heutigen Umweltverhältnisse benachteiligt ist.

Das Zusammenleben mit anderen Kindern, das zugleich bereichert und begrenzt, hilft dem Kind in der Entwicklung zur Gemeinschaftsfähigkeit. In einer gut geführten Kindergruppe, in der sich das Kind geborgen fühlt, erlebt es beides: dass seine Ansprüche angenommen oder dass sie zurückgestellt werden; so lernt es, sich aufzuschließen und sich zu bescheiden. Dazu ist nötig, dass die Kinder in der Regel in kleinen Gruppen von nicht mehr als 15 Kindern leben. Doch sollte die Trennung der Gruppen nicht übertrieben werden. Bei günstigen Raumverhältnissen sind offene Türen und ein Austausch unter den Gruppen möglich. Je fester ein Kind in seiner Gruppe wurzelt und Kontakt mit der es betreuenden Kindergärtnerin hat, desto sicherer bewegt es sich auch außerhalb der Gruppe in der größeren Gemeinschaft. Vor allem das Einzelkind braucht das Zusammenleben mit gleichaltrigen Gefährten. Sie bewahren es vor der Versuchung, nur sich selber wichtig zu nehmen und es den Erwachsenen gleichtun zu wollen. In der Gemeinschaft Gleichaltriger wird das Kind ermutigt, zu sein, was es ist - nämlich ein Kind.

Die meist aus kleinen Familien stammenden Kinder brauchen auch die Erfahrung des Zusammenlebens mit älteren Kindern. Kindergarten und Hort sollten möglichst unter einem Dach vereint werden. Die bauliche Anlage sollte ermöglichen, dass das Kind sie durchschauen und sich in ihr geborgen fühlen kann. Die Arbeitsplätze der im Kindergarten tätigen Erwachsenen müssen dem Kinde zugänglich sein; die Erwachsenen sollen von dorther Spiel und Tun der Kinder zwanglos übersehen können. Dasselbe gilt für den Spielplatz und den für Stadtkinder unentbehrlichen kleinen Garten. In einer Garten und Freiland einbeziehenden zentralen Anlage lernt das Kind am zuverlässigsten, sich sicher, ungezwungen und ohne Angst zurechtzufinden.

Das Kind soll mit einfachem Material frei spielen und seinen Kräften gemäß etwas gestalten können. Große Tafeln und bunte Kreide, Papier und Farbstifte, Sandplätze und Baukästen gehören in den Kindergarten, nicht aber mechanisches Spielzeug, das nicht in produktiven Spielen verwendet werden kann. Das Kind soll miterleben und mitbeteiligt sein, wenn der Tisch gedeckt, das Zimmer aufgeräumt wird. Ruhige Stunden, in denen die Kindergärtnerin erzählt, gemeinsames Singen und kindgemäße Feiern helfen zu Sammlung und Besinnung.

Eine besonders wichtige Aufgabe hat der Kindergarten gegenüber den der Schule entgegenreifenden fünf- bis sechsjährigen Kindern. Vielenorts werden diese Kinder für das letzte Jahr ihrer Kindergartenzeit in sogenannten eigenen 'Vermittlungsgruppen' zusammengefasst, die jedoch im Verband des allgemeinen Kindergartens bleiben. Auch sie sollen nicht der Schule vorgreifen, sondern den besonderen Erfordernissen dieser Altersstufe gerecht werden. Die wachsende Freude an Leistung und Aufgaben muss durch geeignete Arbeiten im Garten, in der Küche und den Wohnräumen, durch Werken und Basteln aufgefangen und genutzt werden. Spiel und schaffendes Tun können so in natürlicher Weise verbunden werden. Neue Aufgaben ergeben sich für die Gemeinschaftsbildung. Erst in diesem Alter fangen die Kinder an, gemeinsam und nicht nur nebeneinander zu spielen. Dabei ergeben sich auch Konfliktstoffe, die leicht zum Zank führen. Die Kinder müssen erst lernen, das eigene Verhalten dem anzupassen, was alle miteinander tun wollen. Die voll schulfähigen Kinder treten im Zusammenleben solcher Gruppen am Ende des Jahres deutlich hervor. Sie betätigen sich ausdauernd und zielbewusst, werden selbständiger und hängen nicht mehr in der Art des Kleinkindes am Erwachsenen. Die Vermittlungsgruppe kann so dazu beitragen, die Schule vor 'schulunreifen' Kindern und diese vor verfrühter Belastung mit den Anforderungen der Schule zu bewahren.

Der Schulkindergarten, in dem schulpflichtige aber noch nicht schulreife Kinder Muße und Gelegenheit erhalten, die ihnen noch fehlende Reife zu gewinnen, gehört nicht in den Bereich des Kindergartens, sondern sollte der Grundschule, möglichst auch räumlich, angegliedert werden..." (aus: Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen: Gutachten zur Erziehung im frühen Kindesalter, 10.7.1957. In: Empfehlungen und Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen 1953-1965. Klett, Stuttgart 1966, S. 47-55).

Deutscher Bildungsrat: Strukturplan für das Bildungswesen (verabschiedet 1970):

"Lernen im Kindergarten

Die pädagogischen Leitgedanken für den Kindergarten haben sich gewandelt. Aus der 'Aufbewahrungsidee' wurde die Idee einer behüteten Kinderheimat neben der Familie und schließlich einer Stätte für Reifen und Lernen in einem von Erwachsenen pädagogisch geleiteten Zusammenleben mit Gleichaltrigen im Auftrag der Eltern. Neu ist, dass sich heute, aufgrund einer neuen Einschätzung der Lernfähigkeit des Kindes, der pädagogische Ansatz der Förderung schwerpunkthaft vom Reifevorgang auf das Lernen verlagert hat. So bekommen Lernaktivitäten ein größeres Gewicht, die auch den Kindern mehr Freude machen. Aus einem Raum der Behütung soll eine bewusst gestaltete, Kinder vorsichtig lenkende, anregende und befriedigende Lebensumwelt für Lernerfahrungen werden. Diese Umwelt unterscheidet sich von einer ebenso anregenden Familienatmosphäre dadurch, dass sie die Reihe mehr zufälliger und ungeplanter Erfahrungen in der Familie - ausgehend von den individuellen Lerninteressen und dem individuellen Lernstil des Kindes - planmäßig gliedert. Grundlage dafür bleibt die Vielfalt möglicher Sozialbeziehungen und abwechslungsreicher Rollenspiele zwischen den pädagogischen Leitern und den Kindern und der Kinder untereinander. Das mag in guten Kindergärten immer schon der Fall gewesen sein; das Neue, das empfohlen wird, ist die stärkere Durchgliederung der Lernprozesse zur Förderung der Fähigkeiten des Erlernens, des Gefühlslebens und zu zwischenmenschlichen Bindungen, der Selbständigkeit und der Freude an eigenem Tun. Dazu müssen Programme für die Tätigkeiten der Kinder vorbereitet werden, die sie allseitig fördern und ihnen Freude machen. Das haben im Ansatz schon Fröbel und Maria Montessori getan. Aber aufgrund neuer Erkenntnisse ist die Entwicklung nun weiterzuführen. Aller Aufwand, der hier erforderlich ist, verspricht Erfolge, die jene Belastungen vermindern werden, die heute zur Rehabilitation von gescheiterten Kindern und Jugendlichen notwendig sind.

Die neuen Curricula für den Elementarbereich sind in der Idee ihrer Planung und in ihrer pädagogischen Richtung sehr viel klarer geworden. Ihre Realisierung in Form von gestuften Tätigkeitsprogrammen für die Praxis steht aber noch bevor und gehört zu den pädagogischen Forschungsaufträgen, die Priorität erhalten sollten. Heute werden hauptsächlich Vorschläge diskutiert, das Lesenlernen vorzuverlegen. Viel wichtiger ist es aber, die Denk- und Erkenntnisfähigkeiten insgesamt zu fördern, indem durch anregende Situationen und Erfahrungen die Neugierde des Kindes in Wissbegierde verwandelt wird, die zu erfolgreichen Verhaltens- und Leistungsformen befähigt und deren Betätigung und Erfüllung Kinder glücklich macht. Aber selbst diese breitere Förderungstendenz ist zum Scheitern verurteilt, wenn nicht gleichzeitig im Kindergarten ebenso intensiv das Gefühlsleben und die Kunst des Zusammenlebens gefördert würden. Die mehr zufälligen Gelegenheiten hierzu, wie sie sich im Umgang der Kinder miteinander von selbst ergeben, sollten durch eine Sozialerziehung ergänzt werden, die die Kinder zur Erkenntnis der Notwendigkeit von Selbstkontrolle und Umgangsregeln bewusst hinführt. Gleichzeitig müssen beide Formen des Lernens in der Weise miteinander verbunden werden, dass eine Wechselbeziehung zwischen ihnen im Spiel der Kinder miteinander und in der gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem Lernmaterial entsteht. Dadurch wird der Gefahr der Vereinseitigung der kindlichen Entwicklung vorgebeugt.

Bei all dem geht es nicht darum, schulisches Lernen vorwegzunehmen, sondern darum, die allgemeinen Voraussetzungen für schulisches Lernen zu schaffen. Nicht das Erlernen besonderer Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Zählen ist wichtig, sondern das Erlernen allgemeiner Verfahrensweisen des Erkennens wie Beobachten, Vergleichen, Messen, kurz, wie man überhaupt vorgehen kann, um Aufgaben zu lösen und Ziele zu erreichen.

Die pädagogischen Leitgedanken und Verfahren

Zu den traditionellen Leitgedanken des Kindergartens gehört es, der Eigenart des Kindes einen besonderen Freiheitsraum zu schaffen und Gelegenheit zu kindgemäß-spielerischer Betätigung in einer Gemeinschaft zu geben. Bei der vermuteten Eigenart der Kindheit ansetzend, soll dem Kind die Umwelt über die eigene Familie hinaus nähergebracht werden, wobei vor allem das Zusammenleben mit anderen Kindern und mit Erwachsenen, repräsentiert durch die Erzieher, eine wichtige Rolle spielt. Durch den Umgang mit Spielmaterial, das nicht allen Kindern zu Hause zur Verfügung steht, soll das Kind seine Umwelt besser begreifen lernen und sich nach seinem Rhythmus entwickeln.

Die Bedürfnisse des Kindes

In den Lernprozessen des Elementarbereichs müssen alle Grundbedürfnisse des Kindes Berücksichtigung finden, also neben den intellektuellen die emotionalen, sozialen und physischen Bedürfnisse. Physische Bedürfnisse schließen Ernährung, frische Luft, körperliche Betätigung, Ruhen und Schlaf ein. Das emotionale Bedürfnis, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zu entwickeln, wird erfüllt, wenn das Kind Anerkennung genießt und das Gefühl hat, verstanden und geliebt zu werden. Der Erzieher muss soviel von Gruppendynamik und Sozialpsychologie verstehen, dass er eine Lern- und Spielatmosphäre zu entwickeln imstande ist, die es den Kindern erlaubt, sich mit anderen Kindern zu identifizieren und ihnen zu vertrauen, sich in die Gruppe einzufügen und darin eine Rolle zu spielen.

Die Bedeutung dieser Vorgänge wird bei uns noch häufig verkannt. Die Verfechter des frühen Lernens betonen teilweise allzu einseitig das intellektuelle Training des kleinen Kindes und dabei insbesondere das Lesenlernen. Die Gegner des frühen Lernens gehen demgegenüber von vorgegebenen Bedürfnissen des Kindes aus, von denen sie annehmen, dass sie für die Erziehungsangebote bestimmend sein müssten.

Die Erkenntnis der neueren Forschung, dass Anlage und Umwelt, organische Entwicklung, geistige Entwicklung und Umwelteinflüsse, Individualität und soziale Umgebung wechselseitig aufeinander einwirken, berücksichtigt sowohl die Bedürfnisse des Kindes als auch seine Entwicklungsmöglichkeiten aufgrund einer vorsichtig lenkenden Einwirkung, die die Unterstützung und Steigerung der geistigen und körperlichen Fähigkeiten zum Ziel hat. Ausgehend von der wechselseitigen Beeinflussung der Bedürfnislage des Kindes und der Beschaffenheit der ein Kind ansprechenden Anregungsumwelt muss die Kindergartenpädagogik neu durchdacht werden.

Kindergarten und Elternhaus

Der Kindergarten nimmt Kinder frühestens vom 3. Geburtstag an auf. Diese gegenwärtig fast überall gültige Regelung sollte beibehalten werden. Vom Eintritt des Kindes in den Kindergarten an ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Elternhaus notwendig. Die Eltern sollten regelmäßig über die Entwicklung ihrer Kinder unterrichtet und mit informierendem Material versehen werden, damit sie die Arbeit des Kindergartens verstehen und unterstützen können. Auftretende Schwierigkeiten sollten in gemeinsamen Besprechungen mit den Eltern beraten und weitere Formen der aktiven Mitarbeit der Eltern in den Kindergärten entwickelt werden" (aus: Deutscher Bildungsrat: Empfehlungen der Bi1dungskommission. "Strukturplan für das Bildungswesen", Klett, Stuttgart 1972/1973).

Der Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit: Achter Jugendbericht: Tageseinrichtungen für Kinder (1990):

"Weniger Kinder in den Familien, mehr Anforderungen an die Institutionen für Kinder

Tageseinrichtungen für Kinder werden gegenwärtig unter anderen Vorzeichen diskutiert als zur Zeit des 5. Jugendberichts. Nicht nur der bildungspolitisch aufgewertete Kindergarten, auch Angebote für Kinder unter drei Jahren und für Kinder im Schulalter werden zunehmend in ihrer bildungs- und sozialpolitischen Bedeutung für Kinder und Familien wahrgenommen und als Teil der regionalen sozialen Infrastruktur gefordert. Wie die Funktion von Kindertageseinrichtungen heute thematisiert wird, lässt sich in folgende Argumentationsstränge bündeln:

Kinder brauchen familienübergreifende Erfahrungswelten:

Die Bedeutung von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen nimmt zu angesichts zurückgehender Kinderzahlen in Familie und Nachbarschaft und angesichts der Entwertung des öffentlichen Raums als Spielraum für Kinder. Dauerhafte Spielgruppen, die für die Sozialisation von Kindern grundlegende Bedeutung haben, entstehen nicht mehr so ohne weiteres im familiären Kreis, weil nicht nur in der Familie, sondern häufig auch in der Nachbarschaft die Spielpartner fehlen. Kinder sind heute weitgehend aus dem öffentlichen Raum verschwunden. Straßen und Plätze in der Nachbarschaft sind nicht mehr die Orte, wo sich auch jüngere Kinder zum Spielen einfinden können, weil dies aufgrund der dominierenden, in der Rolle des Straßenverkehrs zu gefährlich geworden ist und weil kaum noch lebendige Orte und Streifräume für Kinder übrig geblieben sind. Jüngere Kinder sind weitgehend von den Möglichkeiten ihrer Eltern (insbesondere Mütter) abhängig, die ihnen familienübergreifende Kontakte verschaffen und ihren Tagesverlauf sowie ihre Spiel- und Betreuungsarrangements organisieren müssen. Unter diesen Bedingungen sind Kinder auf Orte wie Tageseinrichtungen angewiesen, um in kontinuierlichen Gruppen elementare Sozialerfahrungen machen zu können. Tageseinrichtungen für Kinder bekommen zunehmend die Funktion, die Orte zu werden, wo Kinder andere Kinder treffen und wo solchen Erfahrungen Raum gegeben werden muss, die sich früheren Generationen außerhalb der Aufsicht von Erwachsenen in der Geschwistergruppe, Nachbarschaft, auf der Straße erschlossen.

Kinderbetreuung als Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf:

Die traditionellen Muster des Zusammenlebens mit Kindern verlieren an Verbindlichkeit. Die heutige Müttergeneration, die selbst bereits von den Auswirkungen der Bildungsexpansion der 70er Jahre profitierte, will zunehmend Beruf und Familie verbinden. Die Lebensentwürfe und -verläufe von Frauen sind im Umbruch und machen vielfältigere den jeweiligen Lebensformen entsprechende Arrangements der Kinderbetreuung erforderlich. Das Leben mit Kindern bedeutet für viele Frauen, die konfligierenden Ansprüche aus widersprüchlichen Segmenten des Alltags auszubalancieren, was angesichts der nicht aufeinander abgestimmten Zeitorganisation von Arbeitswelt auf der einen und Bildungs- und Betreuungseinrichtungen auf der anderen Seite äußerst schwierig ist und häufig nur durch die Schaffung zusätzlicher Betreuungsnetze gelingt. Im Spannungsfeld zwischen Familienleben, Erziehung und Erwerbstätigkeit sind insbesondere Alleinerziehende, deren Zahl zunimmt, auf angemessene Unterstützungsleistungen angewiesen. Für die meisten Frauen ist eine zuverlässige zeitweise Kinderbetreuung der entscheidende Punkt, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Gute und leicht erreichbare Einrichtungen für Kinder sind ein wichtiger Beitrag dazu, die vielfältigeren Lebensformen von Kindern und Müttern zu stützen und zu entlasten.

Getrennte Welten von Kindern und Erwachsenen:

Gesellschaftliche Differenzierungsprozesse wirken massiv auf die Lebensbedingungen von Kindern ein: Kinder sind aus Öffentlichkeit und Produktionsbereich ausgegrenzt, Arbeit und Lernen finden in getrennten Bereichen statt, kindbezogene Einrichtungen und Professionen haben zugenommen, die Institutionen prägen abgegrenzte Lebensphasen und befördern so die Entmischung von Altersgruppen. Diese Entwicklungen werden gegenwärtig in ihrer Ambivalenz diskutiert. Auf der einen Seite signalisiert die gewachsene Bedeutung spezieller Veranstaltungen für Kinder mehr Aufmerksamkeit und Entgegenkommen für spezifisch kindliche Lebensbedürfnisse, auf der anderen Seite ist diese Entwicklung als Teil eines weitgreifenden Ausgrenzungsprozesses von Kindern und der den Kindern zugewiesenen Lebenswelten (Familie, Einrichtungen für Kinder) zu werten. Es wird inzwischen die Frage gestellt, welche Auswirkungen diese Ausgliederungstendenzen auf das Selbstverständnis der Heranwachsenden und auf das Zusammenleben der Menschen haben werden (Bronfenbrenner 1983, Coleman 1986, Liegle 1988).

Die Einbindung in altersübergreifende Lebenszusammenhänge dürfte gerade in einer Gesellschaft, die angesichts von Umweltproblemen und Veränderungen des Altersaufbaus auf Solidarität und soziale Verantwortung der nachwachsenden Generation angewiesen ist, eine für die Sozialisation wichtige Voraussetzung sein.

Im Kindergarten hat in den 70er Jahren ein erheblicher Ausbau des Platzangebots stattgefunden, der zusammen mit den Auswirkungen des Geburtenrückgangs dazu führte, dass sich die von der amtlichen Statistik errechnete Versorgungsquote (bezogen auf die Altersgruppe der Drei- bis unter Sechsjährigen) von 31,8% im Jahr 1965 auf immerhin 78,9% im Jahre 1986 erhöhte. Von den Fünfjährigen besuchten nach Zahlen des Mikrozensus 1985 83%, von den Vierjährigen 72% und 40% der Dreijährigen einen Kindergarten. Trotz des vergleichsweise hohen Platzangebots werden gegenwärtig in vielen Regionen Versorgungsengpässe reklamiert... Zwei verschiedene Faktoren führen zu der verstärkten Nachfrage: Zum einen steigt die Zahl der Kinder dieser Altersstufe seit 1982 wieder an und immer mehr Familien wollen den Kindergarten möglichst schon für die Dreijährigen. Zum anderen passen viele Kindergärten mit ihrer Zeitstruktur (die meisten Kindergärten öffnen vor- und nachmittags mit unterbrochener Mittagszeit, ein Teil der Einrichtungen bietet nur Halbtagsplätze an) nicht mehr zu den vielfältiger gewordenen Bedürfnissen von Kindern und Familie. So ist z.B. das Angebot an Plätzen, die eine Mittagsversorgung einschließen, viel zu gering: Nach Erhebungen der Bund-Länder-Kommission war der Anteil der Ganztagsplätze in Kindergärten 1984 ca. 12%. Bezogen auf die Altersstufe der Drei- bis unter Sechsjährigen stehen nur etwa 9% der Kinder solche Plätze zur Verfügung. Dabei verdeckt dieser Durchschnittswert, dass Ganztagsplätze nur in wenigen Regionen, vorwiegend in Großstädten, angeboten werden. Außerhalb von Großstädten lassen sich Ganztagskinderplätze, wenn überhaupt, vorwiegend in zentralisierten und damit weit entfernten Tagesstätten finden (Projektgruppe Ganztagseinrichtung 1984).

Insgesamt sind die Chancen, einen Kindergartenplatz in Anspruch zu nehmen, äußerst ungleich verteilt. Zwischen den Bundesländern variiert die Versorgung nach der Jugendhilfestatistik 1986 zwischen 54% und 100%, unterschiedliche gewachsene Traditionen, unterschiedliche bildungs- und sozialpolitische Schwerpunktsetzungen, das Vorhandensein von Kindergartengesetzen wie auch die unterschiedlichen finanziellen Ressourcen der Bundesländer wirken sich hier aus.

Kindergarten als Nachbarschaftszentrum:

In der Praxis signalisieren derzeit Konflikte und Spannungen zwischen Familienwünschen und institutionellen Angeboten, dass sich Familienleben und Institutionenlogik auseinander bewegen. Während das Familienleben zunehmend vielfältigere Formen aufweist, orientieren sich die Institutionen mit ihrem Angebot an einem ideologisierten Bild von 'Normalfamilie'. Wenn z.B. die kirchlichen Träger, die etwa zwei Drittel aller Kindergartenplätze anbieten, nur ein sehr geringes Angebot an Ganztagsplätzen, an Hort- und Krippenplätzen haben, spiegelt sich hier das Festhalten an einer Familiennorm. Je mehr institutionelle Vorgaben an realen Familiensituationen vorbeigehen, um so weniger lässt sich das auf Dauer mit kurzschlüssigen Defizitmodellen von Familien verdecken. Der Widerspruch zwischen der sozialpädagogisch gewollten Öffnung und Orientierung an Lebenssituationen von Kindern und Familien und den abschottenden ausgrenzenden Wirkungen von institutionellen Regelungen macht sowohl den damit professionell befassten Erzieherinnen wie auch den davon in ihrem Alltag belasteten Eltern zu schaffen, wie gegenwärtige Auseinandersetzungen um die Flexibilisierung des Kindergartenangebots zeigen.

Allerdings setzen die Konflikte auch Entwicklungen und neue Bewertungen in Gang: Die Öffnungszeiten von Kindergärten und die Problematik von zentral angesiedelten Tagesstätten mit längeren Betreuungszeiten sind in den letzten Jahren Gegenstand von praxisnaher Forschung (Projektgruppe Ganztagseinrichtungen 1984) und von Initiativen auf Bundesebene geworden (Spitzenverbände 1987). Familienfreundliche und regional angemessene Lösungen werden inzwischen an verschiedenen Orten erprobt und von Jugendhilfegremien angeregt. Insgesamt geht die Entwicklung weg von der zentral gelegenen spezialisierten Einrichtung hin zu wohnungsnahen Einrichtungen, die offen sind für möglichst alle Kinder des Einzugsbereichs. Mit dieser Perspektive kommt auf die Kindergärten (als Einrichtungsform, die am flächendeckendsten verbreitet ist) ein breiteres Aufgabenspektrum als bisher zu.

Eine Barriere ist die förderungsrechtlich fixierte Struktur von Kindertageseinrichtungen, die zwischen Altersphasen starre Grenzen setzt und zwischen Bildungsangeboten und Nothilfemaßnahmen trennt. Dies führt zu willkürlichen Segmentierungen im Leben der Kinder und belastet Familien mit mehreren Kindern durch die alters-bezogenen unterschiedlichen Betreuungsorte. Die Verbindung bisher getrennter Einrichtungstypen zu umfassenden wohnungsnahen Angeboten würde vielen Familien den Zugang erleichtern. Die Bedeutung von Gruppen mit erweiterter Altersspanne sollte angesichts zurückgehender Kinderzahlen in den Familien auch aus pädagogischen Gründen neu bedacht werden, denn das Zusammenleben von Kindern verschiedenen Alters ermöglicht vielfältigere soziale Erfahrungen und erleichtert die Integration von Kindern unterschiedlicher Entwicklungsvoraussetzungen. Eine je nach Bedarf flexiblere Aufnahmepraxis in Kindergärten wird angesichts der demographischen Entwicklung notwendig werden. Man kann sich ausrechnen, dass Institutionen bisherigen Zuschnitts, die die Kinder nach Alter, Betreuungszeit, Fähigkeiten, Behinderungen sortieren, auf Dauer außerhalb der Ballungsräume nicht wohnungsnah zu erhalten sind. Um auch in Zukunft Einrichtungen für Kinder als Bestandteil der regionalen Infrastruktur zu sichern, müssen schon jetzt Wege für eine breitere Nutzung vorhandener Einrichtungen gesucht werden. Kindergärten als Nachbarschaftszentren mit breit gestreuten Angeboten und Unterstützungsleistungen sind ein richtungsweisendes Konzept dafür, Verbindungen zwischen professionellen sozialen Dienstleistungen und nachbarschaftlichen Hilfeleistungen anzubahnen wie auch der Tendenz von Institutionen zu erfahrungseinschränkender 'Anstaltsförmigkeit' entgegenzuwirken.

Voraussetzungen für eine bedarfsangemessene Weiterentwicklung des institutionellen Angebots sind Anpassungen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie eine Lockerung der Verwendungsspielräume bei der Bezuschussung. Es geht sowohl um die Ausweitung der Platzkapazität wie auch um die Schaffung von Rahmenbedingungen, die vor Ort flexible Gestaltungsmöglichkeiten gestatten. Die Nachrangigkeit von Jugendhilfe macht es allerdings schwer, auf der politischen Ebene Zukunftsinvestitionen für Kinder in der Konkurrenz mit Gegenwartsansprüchen durchzusetzen. Die Finanzierungsmodi für Jugendhilfeleistungen haben den Nachteil, dass die Infrastrukturausstattung für Kinder von der regionalen wirtschaftlichen Situation und von politischen Verteilungskämpfen in Land und Kommune abhängig ist. Bei der ungesicherten öffentlichen Finanzierung werden immer wieder Kontroversen um die Einschätzung des Bedarfs ausgelöst. Gerade in belasteten Regionen sind auch die Spielräume zur Gestaltung der Lebenswelt von Kindern eng geworden.

Integration behinderter Kinder:

Der Vorstellung eines für alle Kinder des Wohngebiets offenen Kindergartens, der die Teilhabe der Kinder am Leben ihrer Gemeinde sichert, nähert man sich im Elementarbereich mit der Integration behinderter Kinder in ersten Schritten. Nirgendwo im bundesdeutschen Bildungswesen haben sich Formen der gemeinsamen Erziehung von behinderten und nichtbehinderten Kindern in solchem Umfang in der Praxis verbreiten können wie im Kindergarten. Die Entwicklung integrativer Erziehung geht vor allem auf Initiativen der betroffenen Eltern zurück und wurde von den pädagogischen Fachkräften in Kindergärten aufgegriffen und breit diskutiert, zumal der Kindergarten von seinem Konzept her einer solchen Initiative nahe stand. Prinzipien wie das soziale Lernen im Zusammenleben von ganz unterschiedlichen Kindern in einer Gruppe, die individuelle Förderung, wenig normierte Leistungs- und Verhaltenserwartungen und Kooperation mit Eltern eignen sich auch als Arbeitsprinzipien für die Integration behinderter Kinder.

Die gemeinsamen Betreuungsformen haben im Kindergarten in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Die Zahl der Einrichtungen mit integrativen Gruppen hat sich von 1980 bis 1987 von 60 auf über 150 nahezu verdreifacht. Die Zahl der Plätze für behinderte Kinder ist in diesen Gruppen auf ca. 1300 angestiegen. Dennoch steht bisher nur wenigen Kindern ein qualifiziertes integratives Betreuungsangebot zur Verfügung. Die Situation in verschiedenen Bundesländern stellt die Familien derzeit vor unterschiedliche Ausgangssituationen. Gemessen an der Gesamtbevölkerung haben Bremen und Hessen das relativ umfangreichste integrative Platzangebot. In Hessen. Bremen, Berlin (West) (geplant in Hamburg) sind auf Landesebene gesetzliche Regelungen und Richtlinien erlassen worden, die integrative Betreuungsformen im Elementarbereich organisatorisch und finanziell absichern.

Mittelfristiges Ziel ist eine Verbreiterung des Angebots im Sinne eines dezentralen und flexiblen Versorgungsnetzes, in dem sowohl die Einzelintegration im Nachbarschaftskindergarten als auch die Betreuung in integrativen Gruppen je nach regionalen Bedingungen ihren Platz haben bzw. sich ergänzen können. Übergreifendes Ziel ist dabei die wohnungsnahe gutausgestattete Einrichtung, die allen Kindern des Einzugsgebiets offen steht. Dabei ist zu beachten, dass die wohnungsnahe Betreuung behinderter Kinder für die Familien trotz des Gewinns an Normalität, an Kontakten und Lernmöglichkeiten auch ein Mehr an Belastung im Zusammenleben mit dem behinderten Kind bedeuten kann. Die Jugendhilfe ist hier gefordert, durch familienunterstützende Maßnahmen die Integrationsbemühungen zu flankieren. Der Ausbau von vielfältigen Wegen in Richtung des Ziels einer wohnungsnahen Betreuung ist allerdings nur durch eine weitere Verbesserung der administrativen Rahmenbedingungen möglich, wobei die Koordination von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und der Jugendhilfe besondere Dringlichkeit hat."

Anmerkung

Gekürzte und überarbeitete Internetversion des Buches