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Zitiervorschlag

Frauen in der Geschichte des Kindergartens: Eleonore Heerwart

Manfred Berger

Über Eleonore Heerwarts Wirken für Friedrich Fröbel und seine Idee des Kindergartens vermerkte treffsicher Anja Dams:

"Eleonore Heerwart war neben Bertha von Marenholtz-Bülow eine der einflußreichsten Persönlichkeiten der Fröbelbewegung nach dem Tode Friedrich Fröbels 1852. Besonderen Einfluß übte Heerwart auf die Kindergartenbewegung in Großbritannien aus ... Durch zahlreiche Vorträge und Ausstellungen steigerte sie dort wie auch in Irland den Bekanntheitsgrad der Fröbelschen Beschäftigungen. Erst durch ihren Einsatz wurde eine einheitliche Kindergärtnerinnen-Ausbildung in solider und fundierter Weise etabliert ... Mit dem Allgemeinen internationalen Kindergärtnerinnen-Verein (AKV), den Heerwart 1892 gründete, schuf sie ein weltumspannendes Netzwerk des Kindergartens. Durch die von ihr herausgegebenen AKV-Berichte hat sie einen relativ schnellen Gedanken- und Nachrichtenaustausch über weite Distanzen hinweg ermöglicht" (Dams 1999, S. 171).

Nach 22 Jahren Auslandstätigkeit kehrte Eleonore Heerwart 1883 nach Deutschland zurück. Zuerst wohnte sie in Blankenburg, wo sie die Errichtung eines Fröbel-Hauses, das neben dem Fröbel-Museum noch einen Kindergarten und ein Erholungsheim für Kindergärtnerinnen enthalten sollte, anregte:

"Dort wo Fröbel 66 Jahre früher den ersten Kindergarten geschaffen hatte, wollte sie zu seinem Gedächtnis einen Musterkindergarten entstehen lassen. Ein besonderes 'Fröbel-Haus' sollte die Andenken an den edlen Menschenfreund bewahren. Ihre Bemühungen hatten aber zunächst nicht den gewünschten Erfolg. Der meist armen Bevölkerung fehlte das Verständnis, den Gemeindebehörden die Mittel zu einer wesentlichen Unterstützung des Unternehmens" (Volkert 1932, o. S.).

Enttäuscht zog sich Eleonore Heerwart 1885 nach Eisenach zurück. Dort gründete sie das Fröbel-Museum, welches nach dem Tode Louise Fröbels (1900) einen Teil des Fröbelnachlasses vererbt bekam. Daneben unterrichtete sie noch ab 1907 Kindergartenpädagogik am Kindergärtnerinnenseminar des Eisenacher Diakonissen-Muterhauses. Was ihre Leistungen für die Fröbel- und Kindergartenbewegung in Deutschland betrifft, konstatierte der bedeutende Fröbelforscher Helmut Heiland:

"Die Zeit von 1883 bis 1906 stellt den Höhepunkt des Schaffens Eleonore Heerwarts dar ... In dieser Zeit rettet sie auch das Oberweißbacher Geburtshaus Fröbels vor dem Abriß und regt die Einrichtung eines Fröbel-Gedenkzimmers im Pfarrhaus an. Sie gibt 'Blätter aus Blankenburg' in den 80er Jahren heraus, um für Fröbels Kindergarten zu werben. In dieser Zeit erscheinen die wichtigsten Schriften Heerwarts - neben den Arbeiten zu Beschäftigungen wie Flechten oder Papierschneiden vor allem 'Froebel's Theory an Practice' (1897), 'Einführung in die Theorie und Praxis des Kindergartens' (1901), 'Die Mutter als Kindergärtnerin' (1904) und 'Anwendung der vier Grundsätze Friedrich Fröbels' (1906)" (Heiland 1992, S. 149).

Eine besondere Hervorhebung verdient ihre Autobiografie: "Fünfzig Jahre im Dienste Fröbels" (1906). Dieses zwei Bände umfassende Werk gibt "einen unschätzbaren Einblick in 50 Jahre Geschichte der deutschen und englischen Fröbelbewegung" (Heiland 1992, S. 150). Bescheiden vermerkte Eleonore Heerwart im Vorwort zum Ersten Band:

"Das Interesse meiner pädagogischen Freunde knüpft sich nicht an meine Person, sondern an Fröbel, dessen Erziehungsweise ich mich seit 1853 unausgesetzt gewidmet habe und daher mein Leben wie ein Faden durchzieht. In derselben Zeit entwickelten sich die in seinem Sinne errichteten Anstalten, namentlich die Kindergärten und Bildungsanstalten für Kindergärtnerinnen, sodaß ich das Wachstum von kleinen Anfängen bis zur jetzigen Verbreitung mit erlebt habe" (Heerwart 1906, S. V).

Eleonore erblickte am 24. Februar 1835 in Eisenach als jüngstes von sechs Kindern des Hofadvokaten Wilhelm Günter Heerwart und dessen Ehefrau Eleonore Sophie Christiane Heerwart, geb. Köching, das Licht der Welt. Sie war vier Jahre alt, als der Vater starb. Daraufhin übersiedelte die Mutter mit den Kindern ins heimatliche Mechterstädt. Um der jüngsten Tochter eine gute Bildung zu ermöglichen, kehrte die Familie 1843 wieder nach Eisenach zurück. Dort absolvierte Eleonore Heerwart die Höhere Töchterschule. Nach dem Tod der Mutter (1852) ging sie im Mai 1853 nach Keilhau, um sich zur Kindergärtnerin ausbilden zu lassen. Louise Fröbel, die zweite Frau Friedrich Fröbels, und Wilhelm Middendorff zeichneten für die Ausbildung verantwortlich. Anschließend betätigte sie sich als Hauslehrerin und Erzieherin, zunächst auf dem Gut Storkau und dann auf dem Rittergut Billberge. Maßgebend war sie beteiligt an der Gründung der Zeitschrift "Kindergarten" (1860) und dem sich 1862 konstituierenden "Deutschen Fröbel-Verein".

1861 verließ Eleonore Heerwart Deutschland und wirkte zuerst in Manchester, dann in Dublin (1862) und schließlich in London (1874). Bemerkenswert sind ihre vielen Publikationen in englischer Sprache. Anja Dams konnte für ihre Untersuchung "Eleonore Heerwart. Studien zur Bibliographie und Nachlasssituation einer bedeutenden Fröbelforscherin" (1998) allein 52 englischsprachige Primärtitel eruieren. Am erfolgreichsten dürfte wohl das 1877 erschienene Buch "Music for the Kindergarden" gewesen sein, das immerhin 29 Auflagen erlebte.

In ihrer letzten Publikation hatte Eleonore Heerwart Friedrich Fröbels wichtigste pädagogische Aussagen in vier Grundsätzen zusammengefasst:

"1. Die Stellung des Kindes.
Betrachte dein Kind und deinen Zögling seinem inneren Wesen nach und zugleich in seiner Verwandtschaft mit Gott, mit der Natur und mit dem Menschen bestrebe dich, demgemäß zu bilden und zu erziehen.

2. Das Wesen des Kindes.
In dem Kinde schlummern die Keime, die in der Menschheit, d.h. in der Familie und dem Volk, zu dem das Kind gehört, liegen. Die Eigentümlichkeiten eines Ganzen sprechen sich in seinen Teilen mit Bestimmtheit aus, weshalb sie beachtet und zur ersten Erziehung benutzt werden müssen.

3. Die Mittel und Methoden der Erziehung.
Die Entwicklung des Kindes geht von inneren Trieben aus und begegnet den von Außen kommenden Reizen. Beide Richtungen scheinen entgegengesetzt, sind sich aber in ihrem Ursprung gleich, denn sie gehen von einem lebendigen Quell des Lebens aus und erzeugen ein gemeinschaftliches Resultat: nämlich den erzogenen Menschen. Die inneren Triebe und die äußeren Reize sind daher die zur Erziehung nötigen Faktoren; damit die Erzieher... das Resultat erreichen, müssen sie die richtigen Mittel und die rechte Methode dazu verwenden. Fröbel zeigt sie, indem er sie dem Wesen des Kindes anpasst, d.h. seinen Schaffens-, Tätigkeits- und Spieltrieb befriedigt. Er entlehnt sie aus der Natur, der Umgebung, aus der Welt, in welcher sich das Kind befindet.

4. Das Ziel der Erziehung
Durch das Zusammenwirken dieser entgegengesetztgleichen Bedingungen (Faktoren) und durch die Ausgleichung (Vermittlung) derselben im Leben und durch das Leben, wird das Kind, der Mensch, wahrhaft zum Menschen gemacht. Die scheinbaren Gegensätze zwischen Kind und Welt müssen durch den Erzieher vermittelt werden. Der erzogene Mensch, der mit Gott, Natur und Menschheit in Einigung lebt, muß zum harmonisch bewussten Menschen gebildet werden" (Heerwart o.J., S. 4 f).

Eleonore Heerwart starb am 19. Dezember 1911 in Eisenach, der ihr ganzes Leben nur einer Idee galt: "Die Erziehungsgedanken Friedrich Fröbels in der Welt lebendig zu machen" (Pappenheim 1912, S. 1).

Literatur

Berger, M.: Frauen in der Geschichte des Kindergartens. Ein Handbuch, Frankfurt 1995

Dams, A.: Eleonore Heerwart. Studien zur Bibliographie und Nachlaßsituation einer bedeutenden Fröbelforscherin, Essen/Duisburg 1998

dies.: Leben, Werk und Nachlaß Eleonore Heerwarts - ein Werkstattbericht, in: Heiland, H./Neumann, K./Gebel, M. (Hrg.): Friedrich Fröbel. Aspekte international vergleichender Historiographie, Weinheim 1999

Heiland, H.: Fröbelbewegung und Fröbelforschung. Bedeutende Persönlichkeiten der Fröbelbewegung im 19. und 20. Jahrhundert, Hildesheim 1992

Heerwart, E.: Fünfzig Jahre im Dienste Fröbels. Erinnerungen. I. Band. Bis zum Jahre 1895, Eisenach 1906

dies.: Die vier Grundsätze Friedrich Fröbel's, mit Anwendung auf die Erziehung in der Familie, im Kindergarten, in der Bewahranstalt und in der Schule, sowie im täglichen Leben. Eisenach o.J.

Pappenheim, G.: Eleonore Heerwart, in: Kindergarten 1912/H. 1

Volkert, Dr.: Eleonore Heerwart. 1895-1909. Nachfolgerin Friedrich Fröbels, in: Eisenacher Zeitung (Beilage für die Frau und das Heim) vom 21.4.1932