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Zitiervorschlag

Flexible Angebotsformen der Kindertagesbetreuung

Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter

 

(beschlossen auf der 104. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 23. bis 25. April 2008 in Chorin)

1. Anlass und Zielsetzung des Papiers

In einer Zeit, die durch eine Pluralisierung der Lebenslagen, durch Veränderungsprozesse auf dem Arbeitsmarkt sowie durch erhöhte Mobilitäts- und Flexibilitätsanforderungen an die Beschäftigten geprägt ist, stehen die Kindertageseinrichtungen vor vielfältigen neuen Anforderungen, die Innovationsbereitschaft und eine verstärkte Orientierung an den Bedarfslagen der Familien erfordern.

Zeitlich und organisatorisch flexiblere Betreuungsangebote mit dem Ziel, Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern, stellen neben dem Bildungsauftrag ein zentrales Thema in der aktuellen Debatte über Kindertageseinrichtungen dar.

Bei der Gestaltung der Angebote müssen die Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Flexibilität und Zumutbarkeit für Kinder unterschiedlichen Alters und die Sicherung des Kindeswohls im Zentrum der Betrachtung stehen.

Differenzierte Angebotsformen müssen sich dabei an den Bedarfslagen der Familien orientieren und sollen ebenso dem Auftrag der Kindertagesbetreuung bezüglich der Trias von Erziehung, Bildung und Betreuung, den individuellen Bedürfnislagen der Kinder, der Stabilität von Bindungsmöglichkeiten zu Erwachsenen und Kindern sowie den Anforderungen einer partnerschaftlichen Kooperation mit den Eltern gerecht werden.

Mit diesem Positionspapier und der Darstellung flexibler Angebotsformen der Kindertagesbetreuung soll den Verwaltungseinheiten in den Ämtern auf unterschiedlichen Handlungsebenen, den Trägern von Einrichtungen und Diensten sowie den anderen Fachkräften in der Praxis eine Arbeitshilfe angeboten werden, die den fachlichen Konsens der Bundesebene abbildet und Entscheidungen an der Basis unterstützt.

Auf politischer Ebene und im Diskurs mit der Wirtschaft sind die Erfordernisse klar umrissen und zielen zum einen auf die Unterstützung der Familie und zum anderen auf eine möglichst schnelle Wiederaufnahme der Berufstätigkeit vor allem von Frauen, da dem Fachkräftebedarf entsprochen werden soll.

Fachexperten der Jugendhilfe fordern, mehr die Sichtweise auf das Kind im Kontext seiner Familie und die erforderlichen Entwicklungsbedingungen zu lenken. Nicht alles was "machbar" ist, ist auch gut für die Familie und das Kind.

Je jünger das Kind ist, umso mehr spielen stabile Rahmenbedingungen, beständige Bezugspersonen und Verlässlichkeit im Lebensrhythmus für ein harmonisches Aufwachsen von Kindern eine wesentliche Rolle.

Insofern richtet sich das Positionspapier gegen eine "bedingungslose" Flexibilisierung der Angebotsformen und unbegrenzte Öffnungszeiten für die Angebote einer Fremdbetreuung. Die Ermöglichung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann nicht nur in Verantwortung der Jugendhilfe liegen.

Jugendhilfe ist in erster Linie verpflichtet, Kinder in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und kann mit ihrer fachlichen Profession eine entsprechende Lobbyarbeit bei der Schaffung von familienfreundlicheren Arbeitszeiten in der Diskussion mit der Wirtschaft unterstützen.

Die geforderte Flexibilisierung bezieht sich auf die Erweiterung der Öffnungszeiten und die Differenzierung der individuellen Betreuungszeiten sowie auf die Vernetzung unterschiedlicher Angebotsformen.

2. Rechtliche Grundlagen und Einordnung

Tageseinrichtungen für Kinder sollen im Auftrag der Eltern die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII) und haben gleichzeitig auch den Auftrag, den Eltern dabei zu helfen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können (§ 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII). Der § 22a Abs. 3 SGB VIII schreibt vor, dass sich das Förderungsangebot in Kindertagesstätten pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien orientieren soll.

Zwischen dem Anspruch einer fachlich vertretbaren und dem Kindeswohl förderlichen Betreuung des Kindes und der Erwartung, dass die Personensorgeberechtigten Beruf und Familie miteinander vereinbaren können, besteht in der praktischen Umsetzung oft ein Spannungsverhältnis. Der Auftrag von Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege, das Kind in seiner Entwicklung zu fördern und die Erziehung und Bildung in der Familie zu unterstützen, kann jedoch nicht gegen den Auftrag, Eltern bei der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu unterstützen, abgewogen werden. Vielmehr ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der bei allen Maßnahmen von öffentlichen und privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge vorrangig zu berücksichtigen ist (vgl. Art. 3 Abs. 1 UN-KRK).

3. Gesellschaftliche Erwartungen, familiäre Ansprüche und familien- und kindbezogene Bedarfssituationen

3.1. Gesellschaftlicher Bedarf

Der "gesellschaftliche Bedarf" der Kindertagesbetreuung orientiert sich an dem vom Gesetzgeber formulierten Förderauftrag nach Erziehung, Bildung und Betreuung und dem Auftrag, die Angebote an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien auszurichten. Dabei soll den Erwartungen nach Kontinuität und Verbindlichkeit im frühkindlichen Erziehungs- und Bildungsprozess entsprochen werden.

Zusätzliche Bedarfe entstehen aus den heutigen individuellen Anforderungen der Eltern, die sich aus ihrer Lebenssituation, insbesondere ihrer Erwerbstätigkeit ergeben. Für viele Eltern bedeutet eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch eine bessere Flexibilität der Angebotsstrukturen in den Kindertageseinrichtungen.

Durch die immer stärkere Ausdifferenzierung der Arbeitszeiten ergeben sich Nachfragen nach Betreuungsplätzen, die häufig über den bisherigen Belegungsmöglichkeiten und Öffnungszeiten liegen. Eltern mit flexiblen Arbeitszeiten wünschen sich flexible Betreuung und keine starren Angebotsstrukturen.

Vor allem in Verbindung mit dem quantitativen Ausbau des Betreuungsangebotes für die unter dreijährigen Kinder wird von der Politik, der Wirtschaft und von Eltern auf die Notwendigkeit von mehr flexiblen Betreuungsformen verwiesen. Inzwischen beklagen viele berufstätige Eltern unflexible Betreuungs- und Öffnungszeiten insbesondere bei Kinderkrippen. Auch Unternehmen und Betriebe äußern vermehrt den Bedarf nach flexibler Kinderbetreuung. Um den Beschäftigten eine bessere Vereinbarkeit ihres Berufs- und Privatlebens zu bieten, kooperieren immer mehr Betriebe mit Trägern der Kindertagesbetreuung. Dabei dienen den Unternehmen eigene flexible Kinderbetreuungsangebote auch zum Erhalt oder der Gewinnung von qualifiziertem Personal.

3.2 Familiäre Bedarfssituation und Erwartungen

Auch wenn sicherlich viele Ansprüche und Erwartungen von Familien an die Angebotsstruktur der Kita-Betreuung von den o.g. betrieblichen Anforderungen vorbestimmt und geprägt sind, so gibt es darüber hinaus auch andere Gründe für den Wunsch von Eltern nach flexiblen Betreuungsangeboten für ihre Kinder.

Bei den individuellen Lebensentwürfen spielt der Faktor Zeit eine große Rolle, sowohl quantitativ als auch qualitativ. Gerade was die Öffnungszeiten von Einrichtungen betrifft, kann es hier zu Konflikten kommen. So werden Schließzeiten im Laufe eines Jahres oft als zu lange betrachtet, wird eine ganzjährige Öffnungszeit gefordert, um eventuell Urlaub auch außerhalb der Hauptsaison planen zu können.

Unterschiedliche Geschwisterkonstellationen führen zu ganz individuellen Wünschen in Bezug auf Ferienregelungen, wie auch die häufig anzutreffende Situation, dass Elternteile nach Trennung oder Scheidung in neuen Familienzusammenhängen leben und diese im Umgang mit dem Kind mit berücksichtigt werden müssen.

Auch bei den täglichen Öffnungszeiten besteht von Elternseite zuweilen die Erwartung, neben beruflicher Tätigkeit Freizeitaktivitäten nachgehen zu können, ohne die Betreuung der Kinder zusätzlich organisieren zu müssen. Als Gründe für Betreuungsbedarf werden häufig ebenfalls Arzttermine, Behördengänge oder einfach auch nur stressfreies Einkaufen genannt.

Außerdem ergeben sich aus besonderen Belastungssituationen von Familien u.U. besondere Bedarfssituationen. Bedingt durch Krankheit, Suchtproblematik oder andere Beeinträchtigungen von Familien z. B. durch Armut werden an Kindertageseinrichtungen sehr unterschiedliche, zum Teil flexible und individuelle Anforderungen gestellt.

Zu bemerken ist, dass Alleinerziehende besonders oft unter dem Druck stehen, Erwerbstätigkeiten auch am Abend oder in der Nacht annehmen zu müssen.

3.3 Kindliche Bedürfnisse, Bedarfe aus kindlicher Perspektive

Im Sinne der Förderung der Entwicklung und des Kindeswohls zu handeln bedeutet für alle, die Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern tragen - in erster Linie für Eltern, aber auch für alle anderen an der Betreuung und Förderung von Kindern Beteiligten, das Kind mit seinen individuellen Bedürfnissen und Besonderheiten wahrzunehmen, anzuerkennen und wertzuschätzen.

In der Entwicklung von Kindern sind neben primären Bedürfnissen wie Nahrung, Trinken, Bewegung, Schlaf und Zuwendung eine Vielzahl von sekundären Bedürfnissen kennzeichnend. Dazu gehören Verlässlichkeit in den Strukturen und Beziehungspersonen, die Möglichkeit, Freundschaften zu entwickeln, Erfahrungsräume zu entdecken und zu erkunden sowie Mitsprache auszuüben.

Daraus leitet sich für flexible Betreuungsangebote die Forderung ab, Lebensräume so zu gestalten, dass sie jedem Kind das bieten, worauf es ein Recht hat und die seinen Entwicklungsanforderungen entsprechen.

4. Gestaltung von Angeboten

Um gesellschaftliche, familiäre und kindbezogene Ansprüche in Einklang zu bringen, muss Kindertagesbetreuung flexibel und nutzerfreundlich gestaltet werden. Dafür gibt es kein Patentrezept. Die Lösungen richten sich insbesondere nach den landesgesetzlichen Regelungen und Rahmenbedingungen, den regionalen und örtlichen Gegebenheiten, der Größe und konzeptionellen Ausrichtung der Einrichtung und vielem anderen mehr. Qualifizierte Flexibilisierung heißt, Angebote zu gestalten, die sowohl die Rechte und Bedürfnisse von Kindern als auch die Alltagsrealitäten und Erwartungen von Eltern angemessen berücksichtigen. Ausgehend von der Kindertageseinrichtung, hier zu verstehen als anspruchsvolle und in der Regel auf einem Bildungsprogramm beruhende Kindertagesbetreuung in Kitas, lassen sich zwei Entwicklungsrichtungen zusammenfassen:

a) Flexibilisierung innerhalb der Kindertageseinrichtung und
b) Flexibilisierung mit Angebotsformen außerhalb der Kindertageseinrichtung.

Die Grenzen zwischen den beiden Entwicklungsrichtungen sind fließend und sie können einander in ihrer Angebotsstruktur ergänzen. Um eine Flexibilisierung zu erreichen, ist die Koordination und Verzahnung der unterschiedlichen Angebote der Kindertagesbetreuung erforderlich.

4.1. Flexibilisierung innerhalb der Kindertageseinrichtung

Im Rahmen der landesgesetzlichen Regelungen haben Kindertageseinrichtungen bereits mit der Flexibilisierung der Angebote begonnen. Dies spiegelt sich in der Gestaltung der Öffnungszeiten, der Gruppenstruktur, der Arbeitsorganisation, im Betreuungsumfang sowie im Leistungsspektrum wider.

Gegenwärtig zeigen sich in der Praxis länderspezifisch unterschiedlich vor allem folgende Flexibilisierungstendenzen:

1. Öffnungszeit

  • Bedarfsabhängige Öffnungszeiten
  • Öffnungszeiten zu Tagesrandzeiten, d.h. Früh- und Spätbetreuung
  • Öffnungszeiten während der Ferien
  • Nacht- und Wochenendbetreuung

2. Betreuungsumfang/ Arbeitsorganisation

  • Wahlmöglichkeiten z.B. zwischen Halbtags-, Teilzeit-, Ganztags- und erweiterter Ganztagsbetreuung
  • Kurzzeitbetreuung
  • Betreuung nur zu bestimmten Bestandteilen der Tagesstruktur (Mittagessen, Förderprogramm, Hausaufgaben)
  • Platz-Sharing
  • Gestaffelte Bring- und Abholzeiten
  • Möglichkeit der Betreuung nur an bestimmten Tagen
  • Stundenweise Betreuung

Die Gewährleistung hoher Flexibilität unter Beibehaltung einer hohen pädagogischen Qualität erfordert "intelligente" Konzepte. Voraussetzung ist die Offenheit der Einrichtung für solche Herausforderungen und die Bereitschaft zur Veränderung der Organisationsstruktur. Einrichtungen müssen sich dem Sozialraum und insbesondere der Nachbarschaft öffnen und Kindertagesbetreuung als Bestandteil eines Netzwerkes gestalten. Kooperative Verbindungen der Kindertageseinrichtungen zum Beispiel mit der Kindertagespflege eröffnen neue Möglichkeiten der Flexibilisierung. Die pädagogischen Fachkräfte müssen dafür über entsprechende Qualifikationen verfügen.

Abgesehen davon sollen Eltern bei der Gestaltung der Kindertagesbetreuung ein Mitspracherecht haben und dieses auch nutzen, um die familiären Bedürfnisse zu verdeutlichen. Wichtige Bedingungen für mehr Betreuungsflexibilität sind die Anpassung des Finanzierungssystem der Kindertagesbetreuung und eine Flexibilität und Angemessenheit bei der Definition von Standards. Gruppenbezogene Finanzierungen gelten ebenso wie enge Vorgaben zu Gruppenstrukturen und zu einer gruppenbezogenen Personalausstattung eher als hinderlich. Flexibilisierungsaspekte wie kind- und buchungszeitbezogene Finanzierungen, tage- oder stundenweise Betreuung, einschließlich im Umfang begrenztes Platz-Sharing sowie die Aufhebung verbindlicher Gruppenstandards werden inzwischen von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft gefordert, bedürfen aber einer differenzierten fachlichen Prüfung.

4.2. Flexibilisierung außerhalb der "traditionellen" Kindertagesbetreuung

Vor dem Hintergrund der geforderten Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben sich Betreuungsangebote für Kinder von Eltern mit atypischen Arbeitszeiten, z. B. am späten Nachmittag, abends, nachts, am Wochenende und an Feiertagen entwickelt. Der Bedarf an entsprechenden Betreuungsangeboten besteht für ein großes Altersspektrum; es reicht von Säuglingen (nach der Babypause der Mutter) und Kleinkindern bis zu Schulkindern. Zusätzlich kann ein Bedarf an außergewöhnlicher Betreuung in Bezug auf Kinder mit besonderen Bedürfnissen bestehen.

Auch flexible Angebote außerhalb der regelhaften Kindertagesbetreuung - nachfolgend "andere Angebote" genannt - müssen qualifizierte Angebote sein. Diese Angebote sollen ebenfalls als Lebensraum gestaltet werden, in dem Kinder:

  • ihre eigene Identität entwickeln und ausprägen, Raum für eigene Erfahrungen, Platz für Abenteuer/ Geheimnisse haben und wo sie eigene Lern- und Bildungswege gehen,
  • genügend Freiräume (innen und außen) antreffen, um vielfältigen Bewegungsaktivitäten nachzugehen (laufen, toben, springen, rollen, hüpfen) und so ganzheitliche Körpererfahrungen machen,
  • verlässliche und vertrauensvolle Bindungen eingehen (je jünger die Kinder, um so wichtiger sind diese für ihre Entwicklung),
  • Beziehungen mit anderen Menschen (Kindern, Erwachsenen) eingehen und so kontinuierlich soziale Kompetenzen entwickeln,
  • in strukturierten Zeitabläufen leben, die ihren individuellen Rhythmus (zeitliche Verweildauer außerhalb der Familie, Wechsel von Anspannung/ Bewegung und Entspannung/ Ruhe) berücksichtigen,
  • Unterschiede (kulturelle, geschlechtliche oder besondere Entwicklungen) als Chancen erleben und als Potentiale und Ressourcen nutzen,
  • ausreichend Zeit haben, in der sie mit Ausdauer und eigenem Zeitempfinden ihre "Weltentdeckungen" machen,
  • ein aktives Mitspracherecht ausüben,
  • erfahren, dass der Intensität von Spiel- und Lernprozessen mehr Bedeutung beigemessen wird als fertigen "ästhetischen" Ergebnissen.

Insofern ist die systematische Ermittlung der Bedürfnislagen von Kindern und Eltern eine grundlegende Voraussetzung für die Gestaltung flexibler Angebote außerhalb der "traditionellen" Kindertagesbetreuung.

Für die sonstigen Angebote der Kindertagesbetreuung mangelt es im Gegensatz zu den typischen Angeboten aufgrund der strukturellen Unterschiedlichkeit prinzipiell an qualitativen Standards. Da die Angebote grundsätzlich durch Unregelmäßigkeit und Kurzfristigkeit der Betreuung gekennzeichnet sind, ist strukturelle, organisatorische und inhaltliche Verbindlichkeit umso wichtiger. Das heißt insbesondere, es sind klare Verpflichtungen und Verfahrensregelungen zwischen den Trägern der Angebote und den Eltern als Nutzer der Angebote zu vereinbaren und zu verwirklichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die vorübergehende Betreuung in einem solchen Angebot für ein Kind in der Regel eine Ausnahmesituation darstellt.

Bei der qualitativen Bewertung von anderen Angeboten sind verschiedene Aspekte zu betrachten. Dazu gehört die Prüfung, ob ein solches Angebot rechtsanspruchserfüllend ist und wie es finanziert werden kann. Die Rechtsanspruchsprüfung erfolgt im Abgleich mit dem jeweiligen Kita-Gesetz und liegt in der Verantwortung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Andere Angebote werden nicht immer im engeren Sinne als rechtsanspruchserfüllende Kindertagesbetreuungsangebote anzusehen sein, sie können aber bestehende Bedarfe befriedigen und damit rechtlich wie tatsächlich anspruchserfüllend wirken.

Die zentrale Rolle für die Finanzierung der Kindertagesbetreuung kommt ebenfalls dem für die Gewährung der Ansprüche leistungsverantwortlichen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu. Er erhält in der Regel zur teilweisen Refinanzierung einen Zuschuss des Landes. Werden für andere Angebote der Kindertagesbetreuung im Unterschied zur Regelkindertageseinrichtung keine speziellen Finanzierungsverpflichtungen benannt, gelten die allgemeinen Regelungen der §§ 74 und 77 SGB VIII zur Finanzierung von Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe, die an der grundsätzlichen Zuständigkeit des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe anknüpfen.

Die Prüfung der Rechtsanspruchserfüllung und die Finanzierungsentscheidungen liegen in der Regel nicht in der Zuständigkeit des Landesjugendamtes, genauso wenig wie die Einschätzung, ob ein anderes Angebot bedarfsgerecht ist oder nicht.

Die Jugendhilfeplanung, konkret die Bedarfsplanung im Bereich der Kindertagesbetreuung gemeinsam mit den örtlichen Kommunen ist ein wesentliches Steuerungsinstrument bei der Etablierung anderer Angebote.

5. Exkurs zu Angebotsformen

• Kindertageseinrichtungen mit Spät- bzw. Wochenendbetreuung

Um einem Bedarf an Betreuung in den frühen Morgen- beziehungsweise den späten Abendstunden nachzukommen, bieten Kindertageseinrichtungen verlängerte Öffnungszeiten an. Hier ist es möglich, dass Kinder (z.B. bis 20:00 Uhr) am Abend betreut werden und eine entsprechende Essensversorgung gesichert ist.

Teilweise bieten Kindertageseinrichtungen diese späte Betreuung nur an einzelnen Wochentagen an. Auch eine Betreuung am Wochenende ist möglich.

Vielfach zeigt sich, dass diese Angebote, außer wenn sie in der Nähe von in Schicht oder früh und spät arbeitenden Betrieben bzw. Unternehmen liegen, nicht sehr umfangreich genutzt werden. Die Erfahrung zeigt, dass sich Eltern bemühen, für ihre Kinder eine Betreuung möglichst in der Familie oder Nachbarschaft zu organisieren. Für den Träger sind diese Angebote, wenn im Rahmen der Regelbetreuung nur eine geringe Nutzung vorliegt, eher eine Kostenbelastung.

Da, wo sich Spätbetreuung in der Einrichtung nicht rentiert, haben sich in Einzelfällen auch Betreuungskonstrukte bewährt, die privatrechtlich außerhalb der Trägerzuständigkeit geregelt sind. So gibt es Beispiele, bei denen Erzieherinnen aus der Einrichtung die Kinder abends nach Hause bringen und die Einschlafphase begleiten, bis die Eltern von ihrer Arbeit nach Hause kommen.

• Kindertageseinrichtungen mit Nachtbetreuung

Zum Teil kombinieren Anbieter ihr Angebot mit einer Betreuung für die Kinder über Nacht. Dem gemäß stehen für die Übernachtung der Kinder eigene Räumlichkeiten zur Verfügung. Dieses Angebot ist insbesondere für Eltern attraktiv, die entweder regelmäßig oder auch in unregelmäßigen Abständen z. B. wegen Schichtarbeit eine Nachtbetreuung für ihre Kinder benötigen.

Der Vorteil für die Kinder besteht darin, dass sie nicht zwei verschiedene Institutionen besuchen müssen. Sie sind in der eigenen Kita mit ihren Räumen und dem Personal vertraut, in der sie gegebenenfalls auch übernachten. Zum Teil wird auch für Kinder aus benachbarten Einrichtungen Übernachtung in einer dafür eingerichteten "Übernachtungskita" angeboten, weil sich wegen mangelnder Auslastung nicht für jede Einrichtung ein solches Angebot lohnt. In diesen Fällen muss abgesichert sein, dass die zu betreuenden Kinder diese Einrichtung mit ihren Erzieherinnen kennen und sich auch dort eingewöhnt haben.

Weitere Anforderungen an diese Betreuung ergeben sich aus den notwendigen Entwicklungsbedingungen der Kinder. So sollte der Träger sicherstellen, dass die Kinder die Einrichtung nicht durchgehend besuchen, sondern gemäß den zeitlich verschobenen notwendigen Betreuungszeiten und am Schlaf- und Wachrhythmus der Kinder orientiert. Eine Betreuung der Kinder in der Familie soll gewährleistet sein.

In der Praxis ist bei dieser Betreuungsform darauf zu achten, dass Raum zum Schlafen der Kinder vorhanden ist, in dem auch das Ausschlafen gewährleistet werden kann und dass die Kinder in der Schlafenszeit in der Regel weder abgeholt noch gebracht werden. Empfehlenswert ist, dass die Abendmahlzeit oder das Frühstück gemeinsam mit den Eltern eingenommen wird. Insbesondere bei jüngeren Kindern sollte ermöglicht werden, dass das gleiche Personal, das die Kinder zu Bett bringt, sie auch morgens beim Aufstehen begleitet.

• Kindertageseinrichtung mit Platzsharing

Platzsharing wird im Folgenden verstanden als eine Möglichkeit, zeitversetzt - beispielsweise tageweise - Plätze zu teilen. Dies hat bei festgelegten Gruppengrößen zur Folge, dass die Gruppengröße erhöht wird. Um jedoch auch bei erhöhter Kinderzahl den Aufgaben der Kindertagesstätte gerecht zu werden, bedarf es einer Beschränkung der so genannten Sharingplätze.

Gewährleistet werden muss, um dem Alter und Entwicklungsstand der einzelnen Kinder gerecht zu werden, eine besondere Förderung benachteiligter Kinder, eine Mitwirkungsmöglichkeit der Kinder an der Gestaltung des Alltags, eine gute Zusammenarbeit mit den Eltern sowie das Schaffen verlässlicher Strukturen für Bildungs- und Entwicklungsprozesse jedes einzelnen Kindes.

Da ein Mehraufwand entsteht, ist der Personalbedarf entsprechend der Zahl der Sharingplätze und der damit erhöhten Kinderzahl anzupassen.

• Kindertageseinrichtungen in Kombination mit Kindertagespflege

Vielfach wird die notwendige Flexibilität in der Betreuung einzelner Kinder durch eine Kombination von Kindertageseinrichtung mit Kindertagespflege erreicht. Voraussetzung ist die Erlaubnis durch den örtlichen Träger der Jugendhilfe.

Eine Variante ist z.B., dass die entsprechenden Kinder durch eine Tagespflegeperson in der Kindertageseinrichtung betreut werden, wenn Landesrecht dies zulässt. Dies findet zum Teil außerhalb der Öffnungszeit der Kindertageseinrichtung oder parallel dazu in eigens dafür vorgesehenen Räumen statt.

Kinder können außerhalb der Öffnungszeit der Kindertageseinrichtung bei Tagespflegepersonen betreut werden. Sie können von diesen aber auch im Haushalt der Eltern, gegebenenfalls bis in die Nachtstunden oder über Nacht betreut werden. Auf diese Art und Weise sind vielfältige flexible und individuelle Lösungen möglich.

• Kindertagespflege

Kindertagespflege ist als Angebotsform selbst geeignet, flexibel auf spezielle zeitliche und natürlich auch individuelle Betreuungsbedürfnisse einzugehen. Auf die Kindertagespflege wird an dieser Stelle nicht intensiver eingegangen, da das Thema angesichts der gegenwärtigen Gesetzeslage und angestrebten fach- und finanzpolitischen Veränderungen intensiv in anderen Arbeitspapieren erörtert wird.

• Vermittlungsdienste - Betreuungsstuben und Babysitting-Angebote

Über bestimmte Vermittlungszentralen werden spezifische Betreuungsarrangements eingerichtet, die nur kurzzeitige Betreuung einzelner Kinder anbieten. In Kombination mit Babysitting-Diensten können einzelne Betreuungsbedarfe abgedeckt werden.

Dieses Angebot ist eher in größeren Städten attraktiv. Es ist für eine regelmäßige Betreuung weniger geeignet, kann aber einzelne sporadische Betreuungsbedarfe abfangen, die in der Regel durch Eltern selbst organisiert werden.

6. Anforderungen an flexible Angebotsformen und Erlaubnisvorbehalt für flexible Angebotsformen gem. § 45 SGB VIII

Bei der Gestaltung von flexiblen Angebotsformen in der Kinderbetreuung sollten folgende Kriterien berücksichtigt werden:

  • Die Angebotsstrukturen der Kinderbetreuung entsprechen in der Regel den nachgefragten "Bedarfen" von Eltern/ Familien und berücksichtigen Entwicklungsbesonderheiten des Kindes.
  • Es gibt ein organisatorisch, konzeptionell und zeitlich differenziertes und aufeinander bezogenes Angebot von Kinderbetreuung und anderen Diensten. Eine Vernetzung zwischen den Angebotsformen ist bei Bedarf gewollt und kann in Zuständigkeit der verantwortlichen Behörden und Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen vermittelt werden.
  • Die Finanzierung der angebotenen Leistung ist gewährleistet und basiert auf einem individuellen Betreuungsvertrag, der auch die Vernetzung von unterschiedlichen Angebotsstrukturen zulässt.
  • Das Förderangebot für das Kind hat eine differenzierte pädagogische Planung, den Einsatz hinreichender fachlicher und personeller Ressourcen und eine besonders enge partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Eltern und dem Team zur Grundlage.

Ob ein Angebot unter den Erlaubnisvorbehalt des § 45 SGB VIII fällt, unterliegt der Prüfung durch die zuständige Erlaubnisbehörde, in der Regel dem Landesjugendamt.

Im Vorfeld ist eine konzeptionelle Planung und Beratung der anderen Angebote auch vor dem Hintergrund der vorhandenen "Regelangebote" im Bereich des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe und der jeweiligen Gemeinde oder Stadt unbedingt zu empfehlen. Im Rahmen der Neuerteilung einer Betriebserlaubnis oder Änderung einer bestehenden Betriebserlaubnis steht die Beratung im Vordergrund.

Das Landesjugendamt wird in der Regel früh in den Planungsprozess einbezogen, begleitet die Antragstellung, informiert über Förderungsmöglichkeiten und weist ggf. auf Alternativen hin.

Die Betriebserlaubniserteilung für Kindertageseinrichtungen durch das LJA kann kein Steuerungsinstrument bei der Etablierung anderer Angebote sein.

Um zu entscheiden, ob es einer Betriebserlaubnis bedarf, müssen die gesetzlichen Grundlagen betrachtet werden.

• Bestimmungen der Erlaubniserteilung nach § 45 SGB VIII

Der Träger einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten, bedarf für den Betrieb der Einrichtung einer Erlaubnis.

Den normativen Kern des Einrichtungsbegriffes bilden nicht die äußeren räumlichen, personellen und organisatorischen Gegebenheiten, sondern der besondere Status der betreuten bzw. untergebrachten Personen. Durch die räumliche Trennung der Kinder von ihren Eltern und die Einbindung des einzelnen Kindes in die Einrichtung sind die Eltern in der Wahrnehmung ihrer Erziehungsverantwortung gehindert und darauf angewiesen, dass dieses Defizit je nach Einrichtungscharakter durch Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung in der Einrichtung ausgefüllt wird und die Kinder darüber hinaus vor Gefahren für ihre Entwicklung bewahrt werden.

In der Regel ist eine Betriebserlaubnis erforderlich, wenn folgende Merkmale erfüllt sind (diese müssen weder vollständig noch ausschließlich vorliegen):

  • Kontinuierliche und verbindliche Fremdbetreuung bestimmter Kinder und Bereithaltung von Plätzen für diese Kinder (verlässliche Betreuungsform);
  • Konkrete Übertragung der Aufsichts- und Erziehungsverantwortung an Fremdpersonal;
  • Gruppenbildung, festgelegte Öffnungszeiten;
  • Zuordnung von Betreuungskräften;
  • Verpflichtung des Trägers den Eltern gegenüber, dass die Kinder zu bestimmten Zeiten in einer bestimmten Einrichtung verweilen (d.h. Eltern können sich darauf verlassen; dies ist anders bei Freizeitclubangeboten...);
  • Erhebung einer Betreuungsgebühr.

In der Regel ist keine Betriebserlaubnis erforderlich, wenn folgende Merkmale erfüllt sind (diese müssen weder vollständig noch ausschließlich vorliegen):

  • Einrichtungen, die einer ihrem Nutzungszweck näherstehenden Aufsicht nach anderen Vorschriften unterliegen;
  • Einrichtungen der Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen (Kinder können Clubangebote wahrnehmen in eigener Entscheidung...); hierzu zählen auch Jugendbildungsstätten, Schullandheime und Jugendherbergen;
  • Einrichtungen außerhalb des Bereiches Jugendhilfe, sofern für sie eine entsprechende Aufsicht besteht (Kliniken...);
  • Einrichtungen im Rahmen des Hotel- und Gaststättengewerbes (Hauptzweck ist nicht überwiegend die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen);
  • (freiwilliger) Angebotscharakter, Rahmenöffnungszeit der Angebote, Verbindlichkeitsgrad der Betreuung geringer als in der erlaubnispflichtigen Einrichtung;
  • kurzzeitige Betreuung.

7. Ausblick

Flexible Angebote der Kindertagesbetreuung sollen zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie führen, das Kindeswohl im Focus haben und gleichzeitig die Chancengleichheit für die Entwicklung des Kindes im Rahmen der Bildung und Erziehung gewährleisten.

Die gesetzlich mögliche und derzeit notwendige Flexibilisierung der Kindertagesbetreuungsangebote und insbesondere der Öffnungszeiten in Kindertageseinrichtungen erfordert deshalb die Auseinandersetzung aller Verantwortungsträger mit dem Thema. Flexibilisierung hat auch Grenzen.

So sind Erwartungen und Ansprüche der Personensorgeberechtigten an die Flexibilisierung der Öffnungszeiten vor allem von den Anforderungen, die sich aus der Erwerbstätigkeit ergeben, geprägt, stimmen nicht immer mit den eigenen individuellen Lebensentwürfen überein und entsprechen auch nicht immer zwangsläufig den Bedürfnissen und altersgerechten Entwicklungsbedingungen von Kindern unterschiedlicher Altersstrukturen.

Träger von Kindertageseinrichtungen und pädagogische Fachkräfte haben vor allem die ganzheitliche Erziehung, Bildung und Betreuung zu realisieren, bei gleichzeitiger Sicherung der physischen und psychischen Gesundheit der Kinder. Hier stehen die Pädagogen vor der Herausforderung, insbesondere Konzepte für unterschiedliche Altersgruppen und familiäre Bedingungen zu entwickeln.

Unternehmen und Betriebe sind interessiert an einer berechenbaren Beschäftigung ihrer qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie können dazu beitragen, dass ihren Beschäftigten die unzumutbare Alternative 'Kinder oder Karriere' erspart bleibt. Eine Bereitstellung guter Rahmenbedingungen für die Kindertagesbetreuung zahlt sich aus, da bei den Mitarbeitern die Gewährleistung einer verlässlichen Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung ihrer Kinder die Motivation im Arbeitsprozess erhöht.

Es muss dazu nicht immer die Betriebs-Kita bereitgestellt werden. Auch Modelle der Elternzeit und Babypause für Mütter und Väter, Telearbeit, Gleitzeitarbeit u.a.m. sind Möglichkeiten, die von Arbeitgebern angeboten werden können, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern.

"Wenn Frauen weiter im Beruf bleiben, sind Kinder kein Karrierehindernis. Dazu müssen sich aber - für Väter und Mütter - Beruf und Familie besser vereinbaren lassen. Das erfordert Arbeitgeber, die nicht nur von ihren Mitarbeitern Flexibilität fordern, sondern selbst auch bereit sind, sich flexibel zu zeigen bei Arbeitsorganisation und Arbeitszeitgestaltung" (Bundespräsident Horst Köhler im September 2007 in Hannover).

In diesem Zusammenhang sollte sich die öffentliche Jugendhilfe als ein stützendes und beratendes System für Familien und Kinder und auch für Unternehmen verstehen. Die Jugendhilfe kann mit der Wirtschaft, den Betrieben und Unternehmen sowie den Agenturen für Arbeit, der Fachpolitik und den Institutionen machbare Lösungen und Netzwerke für Familie initiieren. Dabei stehen nicht nur "Versorgungsaspekte" und die Platzbereitstellung im Vordergrund.

Flexible Öffnungszeiten in Kindertageseinrichtungen sind für Familien auch Bedingung dafür, dass Personensorgeberechtigte in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen können, mit der Gewissheit, sich eines qualitativ guten und verlässlichen Angebotes der Kindertagesförderung zu bedienen.