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Zitiervorschlag

Aus: Adolf Diesterweg: Friedrich Fröbel, in: Jahrbuch für Lehrer und Schulfreunde, hrsg. von A. Diesterweg 1 (1850), S. 127-133

Fröbels Idee vom Kindergarten

Adolf Diesterweg

 

...Was will F. Fröbel? von welchen Ansichten geht er aus? welches ist die "Idee" seines Lebens? Davon soll hier - in gedrängter Kürze - geredet werden.

Daß die ersten sechs Lebensjahre des Menschen die wichtigste Zeit des ganzen Lebens seien, weil in ihr der Grund zu dem ferneren Dasein und Streben gelegt, und daß diese Periode in den meisten Fällen entweder gar nicht oder verkehrt benutzt werde, ist Fröbel's Voraussetzung, wie sie es auch bei Pestalozzi war...

Fröbel betrachtet es als durchaus ungenügend, was bisher in den Kinderbewahranstalten geschah; dieselben haben, wie bekannt, vorzugsweise, wie auch der Name andeutet, den Zweck des Bewahrens vor Schaden, des Verhütens, wirken daher mehr negativ als positiv. Fröbel will Letzteres, er will bilden, er will die Kindesnatur nach ihren Forderungen und Strebungen entwickeln. Keineswegs will er damit das vegetative oder naturwüchsige Leben der Kinder hemmen und deshalb auch nicht die Kinder von der Mutter trennen; dieselben sollen nur täglich auf Stunden (2-4) in den "Kindergarten" geführt, und darin soll die Aufgabe des Hauses unterstützt werden. Das Kind wird mit dem Triebe nach Thätigkeit geboren; es will seine Glieder gebrauchen und seine Sinne üben. Das ist der erste Gesichtspunkt des Kindergartens. ... Durch alle Thätigkeiten der Kinder soll ihr Thätigkeitstrieb in den Beschäftigungstrieb verwandelt, dazu gesteigert werden.

Der Mensch entwickelt sich aus sich heraus nur durch Arbeit und Thätigkeit überhaupt. Dem Instinkt zum Thun in dem Kinde kommt der Reiz dazu von Seiten des Erziehers entgegen. Die erste, fundamentale Aufgabe des Kindergartens ist daher die Glieder- und Sinnesübung der Kinder. Das Leben des Kindes ist Spiel. ... Die Entwicklung und Bildung des Kindes geschieht daher durch das Spielen. Es ist daher die Aufgabe des Kindererziehers, für zweckmäßige, anziehende, der Natur der Kinder entsprechende, entwickelnde und bildende Spiele zu sorgen. Der rechte Kindergarten ist daher ein Spielgarten, eine Spielschule. Doch will Fröbel diesen Namen nicht, indem ihm der Ausdruck "Schule" zu stark das positiv Gegebene und nicht genug das, in dem Kindergarten als "Garten" wirkende Element der freien Entwicklung bezeichne usw. In dem Kindergarten sei auch der persönliche Verkehr, besonders der Kinder unter sich, die Hauptsache, welchen aber der Begriff Schule ausschließe. In dem Kindergarten sei endlich das Kind als Person und Sonderwesen und die Entwicklung desselben zur Vollkommenheit, während in der Schule eigentlich die Kenntnis und Aneignung eines Gegenstandes die Hauptsache sei. ...

Das beste Spielzeug eines Kindes ist ein anderes Kind. Das Kind lebt in dem Kindergarten in Gemeinschaft; nur das Leben in der Gemeinschaft bildet für das gemeinsame Leben. In den Spielen kann und soll das Kind das ganze künftige Leben instinktiv, ohne klares Bewußtsein, voraus leben. ... Sein Spiel ist ein Vorspiel des menschlichen Lebens. Die Erkenntnis ist also nicht das Erste, sondern das Thun. Nicht das Wort, sondern die Anschauung. ... Ein Kindergarten gewährt - im Gegensatz zu einer bloßen Bewahranstalt - die beste Vorbereitung für den Schulunterricht. Der Kindergarten steht zwischen Familie und Schule, wie die Schule zwischen Familie und Leben.