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Zitiervorschlag

Aus: Vereinbarkeit von Beruf und Familie - Deutschland im internationalen Vergleich. Die Studie ist ein Projektergebnis des Projektes »fast 4ward, gefördert vom Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen. © »fast 4ward, 2004

Kinderbetreuung in sieben europäischen Ländern

Sabine Müller

 

In Belgien ist die flächendeckende Kinderbetreuung eine der wesentlichen Bedingungen für die Teilnahme der Frauen am Arbeitsmarkt. Für Kinder zwischen 0 und 3 Jahren verfügt Belgien über ein Netz, das zahlreiche Formen annimmt: Kinderhorte, betreute oder unabhängige Kindergärten, Schulaufsichten, Kinderspielplätze. Einige dieser Dienstleistungen sind insgesamt oder teilweise durch die Gemeinschaften und die Regionen bezuschusst. Familientagespflege wird von christlichen oder politischen Organisationen oder von den Kommunen angeboten. Tagesmütter, opvanggezin auf Flämisch, gardienne encadré oder indépendante auf Französisch, können auch selbständig arbeiten und eine Zulassung der staatlichen Behörden, flämisch oder französisch, beantragen, die die unabhängigen Tagesmütter begutachten und überwachen. Allen Tagesmütter stehen verschiedene Formen der Ausbildung in speziellen, landesweiten Ausbildungszentren offen. In Flandern ist die Ausbildung eng an die Universität von Gent angegliedert. Die Ausbildungszentren arbeiten Unterrichtsmaterialien aus und führen Bewertungen, Beurteilungen und Forschungsvorhaben durch. In Belgien gehen fast alle Kinder ab dem Alter von zweieinhalb Jahren in die Vorschule, école maternelle, die kostenlos ist. Die Kinder werden dort von 8.30 bis 15.30 Uhr betreut und in zahlreichen Schulen werden sie gleichfalls vor und nach diesem Zeitplan beaufsichtigt, sowie mit Mittagessen versorgt. Während der Schulferien sichern diverse Initiativen (Kinderspielplätze, Praktika, Stadtviertelaufsichten) die Betreuung der Kinder. Die allgemeine Schulpflicht beginnt mit 6 Jahren. Kinderbetreuung ist möglich von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr - mit gemeinsamen Mahlzeiten, sowie in den Sommerferien ganztägige Freizeitangebote.

In Dänemark werden 90 Prozent der 3-5 jährigen Kinder in einer Tagesstätte betreut. Die öffentlich geförderten Kindertagesstätten umfassen insbesondere Kinderkrippen (Kleinkinder bis zu 2 Jahren), Kindergärten (3-6jährige), Horte (6-10jährige) sowie Freizeitregelungen in Verbindung mit den Volksschulen. Außerdem gibt es eine kommunale Tagespflege, wo die Kinder privat betreut werden; die Zuzahlung der Eltern beträgt höchstens 30 Prozent der Betriebsausgaben. Aus finanziellen oder sozialen Gründen kann entweder ganz oder teilweise auf eine Zuzahlung verzichtet werden.

Ein rechtlicher Anspruch auf einen Kindergartenplatz besteht in Deutschland für Kinder ab drei Jahren. Oftmals können Kinder den Kindergarten aber nur am Vormittag (bis 12 Uhr) besuchen, da es für die Übermittag-/Nachmittagsbetreuung keine Plätze gibt. Für Kinder, die in die Schule kommen, gibt es oftmals keine weiterführende Betreuungsmöglichkeit. Betreuungsangebote am Nachmittag werden sehr gering angeboten. Die Betreuung ihrer Kinder durch Dritte ist für Mütter in Deutschland ein großes Problem. Einen Krippenplatz für Kinder zwischen 0 und 3 Jahren gibt es in Westdeutschland nur für jedes fünfundzwanzigste Kind. Entsprechend hoch ist die Unzufriedenheit der Eltern. Viele weichen daher auf Tagesmütter aus, die oft ohne entsprechende Ausbildung und Infrastruktur arbeiten und hohe Kosten mit sich bringen. Die Umfrage "Perspektive-Deutschland" von 2002 zeigt, dass viele Mütter bei besseren Betreuungsmöglichkeiten stärker am Erwerbsleben teilhaben wollen. Besonders betroffen sind Mütter in Westdeutschland.

In Frankreich werden Kleinkinder im Alter zwischen zweieinhalb Monaten und drei Jahren in so genannten crèches (entspricht den deutschen Kinderkrippen) und in den haltes-garderie (Horte zur Kurzzeitbetreuung) betreut. Dabei liegt das pädagogische Augenmerk auf der Frühförderung für die Kleinsten. Zusätzlich gibt es verschiedene Tagesmütter-Modelle. Wenn französische Eltern eine Tagesmutter (Assistante maternelle) anstellen, dann bezahlen sie nur ein Viertel der daraus entstehenden Kosten - die Sozialversicherung übernimmt der Staat und zusätzlich sind die Kosten steuerlich absetzbar. Fast 100 Prozent der Kinder zwischen drei und sechs Jahren und fast 35 Prozent der Kinder im Alter von zwei Jahren besuchen die école maternelle, bevor mit sechs Jahren die eigentliche Schulpflicht beginnt. Der Unterricht beginnt um 8 Uhr (um 9 Uhr in der école maternelle) - die Mittagspause liegt zwischen 12 und 14 Uhr und endet normalerweise um 16.30 Uhr. Wobei der jeweilige Bürgermeister die Schulöffnungszeiten nach verkehrstechnischen Erfordernissen beeinflussen kann. In den Schulen gibt es vor und nach der Schulzeit flankierende Betreuungsangebote. Außerdem nehmen die Kinder ihr Mittagessen in den schuleigenen Kantinen ein.

Mehr als die Hälfte der niederländischen Kinder werden außerhäuslich betreut. Die Angebote variieren. Es gibt Krippen für 2-3jährige (peuterspeelzaal), Kindertagesstätten für 0-4-jährige (kinderdagverblijf), Kinderhorte für Schulkinder ab 4 Jahren (buitenschoolse opvang), Betreuung in der Schule selbst oder Tageseltern. 61 Prozent der Niederländer/innen nehmen Kinderbetreuung für Kinder bis 12 Monate in Anspruch, für 2-3-jährige Kindern liegt dieser Prozentsatz sogar bei 81 Prozent. In Amsterdam wird ein Modellversuch mit einer "Communityschool" durchgeführt. Diese ist von 7.30h bis 23.00h geöffnet. Kinder gehen hier nicht nur zur Schule, sie werden danach (bzw. auch davor) betreut und können hier auch Sport betreiben oder Musik machen. In Groningen werden verschiedene "vensterscholen" gegründet, die Schule mit Kinderbetreuung verbinden. Auch in Städten wie Dordrecht wird mit solchen Konzepten experimentiert.

Norwegen: Kindertagesstätten obliegen der Verantwortung der Kommunen. Diese bieten sowohl öffentliche als auch private Einrichtungen an. Um die Anzahl der Kindertagesstättenplätze aufzustocken, sollen Kommunen in Zukunft gesetzlich verpflichtet werden allen Eltern, die einen Betreuungsplatz wünschen diesen tatsächlich zur Verfügung zu stellen. Dazu wird der staatlich finanzielle Beitrag erhöht (Kostenverteilung von 50, 30 und 20 Prozent zwischen Staat, Kommune und Eltern).

In Schweden sind die Gemeinden für die öffentliche Kinderbetreuung zuständig. Seit den frühen 70er Jahren, als die Frauen in großer Zahl auf den Arbeitsmarkt drängten, erfolgte eine rasche Expansion dieser Einrichtungen. Alle erwerbstätigen Eltern, die eine Kinderbetreuung benötigen, haben einen gesetzlichen Anspruch auf Vorschultagesstätten für Kinder im Alter von 1-6 Jahren und auf Freizeitzentren für Kinder im Alter von 7-12 Jahren. 76 Prozent der Vorschulkinder und 73 Prozent der Kinder bis 12 Jahre nehmen diese Einrichtungen in Anspruch. Die Öffnungszeiten richten sich nach den Arbeitszeiten der Eltern (vgl. Tatsachen über Schweden: Kinderbetreuung in Schweden, Herausgegeben vom Schwedisches Institut, Mai 2002, http://www.sweden.se). Die Tagesstätten werden entweder von der Gemeinde oder als Kooperative von Eltern oder Angestellten oder auch privat betrieben. Die Gebühren für die Kinderbetreuung betragen 1-3 Prozent des Einkommens der Eltern bis zu einem festgelegten Höchstbetrag. Für eine Familie mit einem Vorschulkind beträgt die Gebühr beispielsweise 3 Prozent des Einkommens der Eltern, jedoch höchstens 1.140 SEK im Monat. Für ein Kind im Freizeitheim macht die Gebühr 2 Prozent des Einkommens aus, jedoch höchstens 760 SEK. Die Einführung der Maximalbeiträge bleibt den Gemeinden überlassen. Gemeinden, die diese Maximalabgabe einführen, erhalten vom Staat eine Entschädigung.