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Zitiervorschlag

Männliche und weibliche Rollen im Kinder- und Jugendbuch

Margarete Blank-Mathieu

 

Jungen und Mädchen erhalten auf vielerlei Art und Weise Informationen, wie sie sich als Junge oder Mädchen zu verhalten haben. Die unterschiedlichen Lesegewohnheiten von Jungen und Mädchen, die sich schon sehr früh ausprägen, spielen für die Entstehung eines Rollenbildes und einer eigenen Geschlechtsidentität eine wesentliche Rolle. Wenn wir möchten, dass sie mehr lesen und dabei auch unterschiedliche Rollenvorstellungen erfahren, müssen wir für den Kindergarten und die Schulbibliothek mehr als die üblichen Bücher, zu denen Jungen und Mädchen spontan greifen, zur Verfügung haben.

Zunächst gilt es, zu überlegen, welche Ziele für ein Rollenverständnis von Mann und Frau wir selbst haben und was wir als unterstützenswert und wichtig finden.

1. Jungen und Mädchen benötigen heute flexible Rollenvorstellungen

Eine eindeutig weibliche oder männliche Rolle gibt es heute nicht mehr. Je mehr sich Frauen außer Haus bewegen und ursprünglich männliche Domänen erobern, desto mehr müssen auch Männer umdenken und sich neu orientieren. Ein demokratischer Umgangsstil wird dabei immer wichtiger, und die Rolle von Mann oder Frau weicht den Erfordernissen des Alltags.

Dass die Gesellschaft immer noch feste Vorstellungen vom Mann- und Frausein hat, behindert diese Entwicklung. So gibt es gegen Frauen in Führungspositionen noch häufig Bedenken, ob sie diese auch richtig auszufüllen in der Lage sind. Männer in ursprünglich weiblichen Berufen, z.B. als Erzieher, werden gerne als Leiter von Einrichtungen gesehen.

Welche Bedürfnisse ein Junge oder Mädchen hat und wie das Kind selbst sein möchte, wird schon früh durch gesellschaftliche Vorstellungen geprägt und oft zum Schaden des Kindes umformuliert. So wird kleinen Jungen noch immer vermittelt, dass sie stark und mutig sind, auch, wenn sie lieber schwach und vorsichtig sein möchten. Mädchen erfahren, dass ihre Aufmüpfigkeit nicht gerne gesehen wird und sie doch lieber lieblich und angepasst sein sollten. Dies geschieht aber nicht offen und wird pädagogisch auch inzwischen von den meisten Eltern abgelehnt.

Eine Sozialisationsinstanz, die zu einer Verfestigung der überkommenen Rollenvorstellungen beiträgt sind die Medien - egal, ob es sich um Reklame im Fernsehen, um die Darstellung von Männern und Frauen in Zeitschriften, um Erzählungen und Geschichten in den Schulbüchern handelt oder um Geschichten, die von Kindern auf Kassette oder CD gehört werden. Welche Rollen darin von Frauen und Männern, Jungen und Mädchen übernommen werden, prägt auch das eigene Rollenbild.

2. Die Entwicklung der Geschlechtsidentität in bezug auf Rollenbilder im Kinder- und Jugendbuch

Die Entwicklung der Geschlechtsidentität geht parallel zur Sprach- und Denkentwicklung einher. Zunächst haben Kinder keine bestimmte Vorstellung davon, wie Männer und Frauen sind. Sie erleben nebenbei männliches und weibliches Verhalten und speichern es in ihrem Unterbewusstsein ab. Sobald sie in der Lage sind zu sprechen, erzählen sie, was sie erfahren haben. Marianne Grabrucker berichtet von ihrer zweijährigen Tochter, dass diese einmal spontan äußerte: Frauen nackig, Männer reden. Sie hatte anscheinend Reklamebilder von Frauen gesehen und Bilder aus der Tagesschau verinnerlicht.

Kinder brauchen feste Bezugsbilder, stereotype Vorstellungen

Für ihre Entwicklung benötigen Kinder zunächst Stereotypen, an die sie weitere Informationen anknüpfen können. Dies klingt zunächst kontraproduktiv, wenn man es in bezug auf die Geschlechterfrage sieht. Aber wie Kinder lernen, dass ein Vogel fliegen kann und einen Schnabel zum Picken hat, lernt es auch, wie Frauen und Männer sind. So entstehen Kinderbilder, die Männer mit Muskeln versehen, sie groß und wichtig zeichnen (Zigarre, Waffe etc.), und Frauen mit Kleidern und viel schmückendem Beiwerk. Dies brauchen Kinder in einer bestimmten Entwicklungsphase.

So sind Bilderbücher mit festen Rolleneinteilungen, wie sie das Kind kennt, gut, um ihm Sicherheit zu geben. Männer und Frauen sind unterschiedlich, benehmen sich unterschiedlich, sprechen in einer anderen Tonlage und sind in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich stark vertreten. Das soll auch in Bilderbüchern vorkommen. Was das bedeutet, will ich hier einmal aufzeigen: Männer und Maschinen; Frauen und Haus, Familie, Einkaufen.

Kinder brauchen Gegenbilder, an die sie neue Informationen anknüpfen und die erste Reflexionen möglich machen

Inzwischen erfahren Kinder oft, dass in ihrer Familie eine andere Rollenvorstellung vorherrscht. Vielleicht ist der Vater zu Hause und die Mutter geht arbeiten. Die sportliche Mutter, die meist Hosen trägt und sich nur wenig oder gar nicht schminkt, wird ebenso als Frau erlebt als die Verkäuferin in einem Kosmetikladen, die mit schicken Kleidern versehen und zurechtgemacht ist.

Ab dem fünften Lebensjahr ist das Kind in der Lage, zu vergleichen und zu entscheiden, welche Rolle ihm am besten liegt. Jetzt werden auch Rollen nachgespielt, während früher die großen Kinder die Rollen verteilten.

Unterschiedliche Männer- und Frauenrollen im Bilderbuch

Ältere Kinder benötigen viele Ausprägungen von Frauen- und Männerrollen, um sich eigene Rollenvorstellungen zu machen und eine eigene Geschlechtsidentität zu erlangen. Vor allem Jungen haben Probleme, viele Männer in ihrem Alltag zu erleben. Für sie ist es besonders wichtig, wenigstens in den Medien verschiedenen Ausprägungen von männlichem Verhalten zu begegnen.

Jugendliche haben bestimmte Vorstellungen entwickelt, was zu ihnen passt und welches Rollenbild ihnen nicht entspricht. Sie trainieren ihr eigenes Verhalten in der Peer-Group und versuchen, dort Anerkennung zu finden. Jugendliche brauchen aber auch Bücher, die ihnen Möglichkeiten des Umgangs mit dem anderen Geschlecht aufzeigen.

Auf der Suche nach dem Mann oder der Frau in sich benötigen Jugendliche nach wie vor Erwachsene, die ihnen ein realistisches Rollenbild vorleben, das sie übernehmen möchten. So brauchen sie auch Bücher, in denen Männer und Frauen aus unterschiedlichen Zeiten und Kulturen vorkommen. Vergleiche, wie damals und heute Männer und Frauen gelebt haben und leben oder wie in unterschiedlichen Kulturen das Männer- und Frauenbild bestimmte Rollen vorgibt, hilft Jugendlichen, sich in ihrer Kultur und ihrer Zeit zurechtzufinden und die Rollen, die es bei Männern und Frauen erlebt, zu reflektieren. Eigene Zukunftsentwürfe können daran festgemacht werden.

Zusammenfassend kann man folgende Bücher empfehlen:

  1. Bücher, die die eigene Umgebung widerspiegeln, um zu erleben, dass es normal ist, wie sich Männer und Frauen im eigenen Umfeld verhalten, um Sicherheit zu gewinnen.
  2. Bücher, die Gegenentwürfe bringen, um daran die bekannten Vorstellungen zu messen und sich eine eigene Vorstellung machen zu können.
  3. Bücher, die Entwürfe des gelungenen Umgangs zwischen Männern und Frauen, Jungen und Mädchen zeigen.
  4. Bücher, die Variationen der Männer- und Frauenrolle zeigen (andere Zeiten, andere Kulturen).
  5. Vorbilder zur Identitätsfindung. Hier werden vor allem Biografien und Autobiografien empfohlen, die Menschen mit einem sicheren Lebensentwurf zeigen, den sie auch durch schwierige Bedingungen beibehalten.