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Zitiervorschlag

Interkulturelle Öffnung der Elementarerziehung

Marion Hafenrichter, Bettina Vogt und Stephan Rietmann

 

1. Wozu Interkulturelle Öffnung?

Im Zuge einer sich zunehmend globalisierenden Welt, die sich mit multikulturellen Aspekten auseinandersetzen muss und in der Bildungsbenachteiligungen von Menschen mit Migrationshintergrund faktisch vorhanden sind, ist Interkulturelle Öffnung zu einem notwendigen und profilbildenden Faktor zeitgemäßer Bildungseinrichtungen geworden.

In Deutschland gehört bereits jetzt jedes dritte Kind unter fünf Jahren zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund (Statistisches Bundesamt 2006). Die Notwendigkeit interkultureller Ausrichtung in der Kindertagesbetreuung lässt sich demnach unschwer erkennen, insbesondere wenn diese sich zum Ziel gesetzt hat, individuelle, ganzheitliche und bedarfsorientierte Angebote zu schaffen. Für die seit 2006 in Nordrhein-Westfalen existierenden Familienzentren1 ist Interkulturelle Öffnung ein wesentliches Kriterium zur Erlangung des Gütesiegels (MGFFI NRW 2007). Diese bezieht sich zugunsten gesteigerter Partizipationsmöglichkeiten aller Familien unabhängig ihrer ethnischen Herkunft und kulturellen Orientierung auf sämtliche strukturellen, konzeptionellen, personellen und individuellen Veränderungsprozesse. Familienzentren bieten damit ein umfassendes und niedrigschwelliges Unterstützungsnetzwerk für den spezifischen Bedarf zugewanderter Familien.

2. Interkulturelle Öffnung im Familienzentrum

Unser Konzept "FaMigra" ist ein Projekt zur Interkulturellen Öffnung des Familienzentrums St. Remigius Borken, welches wir im Folgenden beschreiben. Das Familienzentrum wird in einem 24-monatigen Prozess durch den örtlichen Fachdienst für Integration und Migration der Caritas Borken mit dem Leitziel begleitet, Kinder mit Migrationshintergrund bereits in der Elementarerziehung optimal zu fördern sowie durch eine integrationssensible und gelingende Elternarbeit zu einer umfassenden Chancengleichheit beizutragen. Ein Spezifikum des Projektes ist die Verzahnung der seit 2006 in NRW laufenden Initiative, Kindertagesstätten zu Familienzentren zu entwickeln mit dem Organisationsentwicklungsprozess der Interkulturellen Öffnung.

Das Land NRW strebt an, dass Familienzentren (www.familienzentrum.nrw.de) die Funktionen der Betreuung, Bildung und Beratung zu einer integrativen Dienstleistung für Kinder und Familien entwickeln. Dabei sollen Familienzentren zu Knotenpunkten sozialräumlicher Gestaltungsprozesse werden. Bis zum Jahr 2011 wird angestrebt, ein Drittel der bestehenden Kindertageseinrichtungen nach diesem Modell zu entwickeln. Die anerkannten Familienzentren werden mit einem konzeptgebundenen Gütesiegel zertifiziert und erhalten pro Jahr 12.000,- EUR an zusätzlichen Mitteln.

2.1 Informationen zum Projekt in Borken

Bevor wir den Kontext und die Realisation des Projekts "FaMigra" detaillierter erläutern, stellen wir zunächst relevante Informationen zum Projekt und für das Verständnis wichtige strukturelle Merkmale vor.

Projektteam

Das Projektteam besteht aus zwei hauptamtlichen Mitarbeitenden des Fachdienstes für Integration und Migration des Caritasverbandes für das Dekanat Borken e.V. sowie einer freien Mitarbeiterin. Alle Teammitglieder verfügen über eine akademische pädagogische Ausbildung und über mehrere Jahre Berufserfahrung. Die unterschiedlichen beruflichen Schwerpunkte innerhalb des Teams umfassen sowohl migrationsspezifisches als auch elementarpädagogisches Fachwissen und Praxiskenntnis, die durch fortwährende Aus- und Weiterbildung kontinuierlich weiter qualifiziert werden. Die Bündelung des Handlungswissens aus der Integrations- und Migrationsarbeit mit Kompetenzen der Elementarpädagogik ist spezifische Ressource des Projektes.

Das Team hat in der ersten Projektphase der Interkulturellen Sensibilisierung hauptsächlich eine wissensvermittelnde und organisatorische Funktion, während es in der zweiten Phase vor allen Dingen organisationsberatende und -begleitende Aufgaben übernimmt, um das Familienzentrum in seinem interkulturellen Öffnungsprozess zu unterstützen.

Leitungsrunde

Im Abstand von etwa drei Monaten treffen sich das Projektteam und die Leitungen des Familienzentrums, um den Projektverlauf abzustimmen. Sie sind für das Projektteam eine wichtige Informationsquelle hinsichtlich der Resonanz auf Durchführungsmodalitäten der Angebote für Erzieherinnen. Zudem gewährleistet dies die Anpassung und Modifizierung geplanter Projektschritte, wenn dazu Bedarf gesehen wird. Diese Gestaltungsmöglichkeiten sind zudem ein Metamodell für Integration und den Umgang mit Verschiedenheit; die Akzeptanz des Projektes steigt bei allen Beteiligten mit den Möglichkeiten zur Partizipation.

Externe Begleitung

Die externe Projektbegleitung erfolgt durch das "Institut für Soziale Innovation" in Solingen. Zu den Leistungen gehören u.a. die Supervision des Projektteams, der Leiterinnenrunden sowie die Begleitung einzelner Veranstaltungen zu Projektmeilensteinen.

Projektförderung

Gefördert werden die im Projekt "FaMigra " entstehenden Sachkosten durch Mittel des Innovationsförderprogramms des Caritasverbandes für die Diözese Münster. Mit den dortigen Fachstellen erfolgt ein intensiver und regelmäßiger fachlicher Austausch. Dies ist in beide Richtungen nützlich, auch unter dem Gesichtspunkt, dass Erkenntnisse von transferierbarem Wert auch weiteren Verbänden und Diensten in der Diözese Münster zugänglich gemacht werden können.

Projektkontext

In der rund 40.000 Einwohner großen Kreisstadt Borken im Westmünsterland stellt das Familienzentrum St. Remigius mit seinem Verbund aus sieben Einrichtungen der katholischen Propsteigemeinde ein Drittel der örtlichen Kindertageseinrichtungen. Bei insgesamt rückläufigen Geburtenzahlen im Kreis Borken steigt die Zahl von Kindern mit familiärer Migrationsgeschichte stetig an. Ihr Anteil beläuft sich derzeit im Familienzentrum St. Remigius auf etwa 20%, wobei die jeweilige Verteilung in den einzelnen Einrichtungen zwischen 2% und über 50% von Kindern mit Migrationshintergrund variiert. Die Hauptherkunftsländer der Familien sind: Türkei, GUS-Staaten, Polen, Kosovo, Sri Lanka und Syrien. Die Familien zeichnen sich durch eine heterogene Struktur bezüglich sozioökonomischem Status und Aufenthaltssicherheit aus.

Projektrealisation

Zu Projektbeginn diente eine Bedarfserhebung mit Interessenanalyse in den sieben Einrichtungen des Familienzentrums dazu, ein passgenaues und zielgruppenspezifisches Angebot entwickeln zu können. Die Förderung interkultureller Kompetenz der Mitarbeitenden sowie interkulturelle Elternarbeit ergeben sich daraus als die vorrangigen Handlungsschwerpunkte. Sie sind gleichzeitig grundlegend für den weiteren interkulturellen Öffnungsprozess des Familienzentrums, der in der zweiten Projekthälfte angestrebt wird. Aus unserer Sicht erscheint es empfehlenswert, der Phase aktivierender Elternarbeit eine Phase interkultureller Sensibilisierung der Mitarbeitenden voranzustellen, um interkulturelle Kompetenz zunächst auf der Basis persönlichen Erlebens zu erweitern. Dieser Prozess wird im Folgenden detailliert dargestellt.

2.2 Förderung Interkulturelle Kompetenz: Die erste Projektphase

Interkulturelle Kompetenz ist eine der wesentlichen Voraussetzungen, um im Familienzentrum mit Kindern und Eltern verschiedener kultureller Herkunft gelingend zusammenarbeiten zu können. Sie bezeichnet die "Fähigkeit, das eigene personale wie kollektive Orientierungssystem zu reflektieren und das eigene Regelsystem als eine Möglichkeit unter anderen wahrzunehmen" (Handschuck/ Schröer 2000).

Für die interkulturelle Kompetenzerweiterung sind die Auseinandersetzung mit der eigenen interkulturellen Orientierung, der Erwerb migrationsrelevanten Hintergrundwissens und die Verankerung des Praxistransfers maßgeblich (vgl. Kircher o. J.). In diesem Sinne findet die Umsetzung der Inhalte auf Projektebene in Form von interkulturellen Trainings und Workshops statt. Wir beginnen mit der Darstellung der Inhalte des interkulturellen Trainings.

Interkulturelles Training

Das interkulturelle Training richtet sich sowohl an Leitungen als auch an Erzieherinnen des Familienzentrums und findet aus organisatorischen und gruppendynamischen Gründen einmal monatlich mit einer festen Gruppe von 15 Teilnehmenden statt. Zentrale Bestandteile des sechsteiligen Trainings zur Erweiterung der interkulturellen Kompetenz bilden Übungen zur Selbsterfahrung sowie Diskussion, die um gezielte Theorieinhalte erweitert werden. Die modulare Konzeption des Trainings hat folgende für die Praxis der Elementarerziehung bedeutende Themenschwerpunkte:

  1. "Das bin ich" - meine und andere Kulturen
  2. "Ich, Wir und Ihr" - individualistische und kollektivistische Orientierungen
  3. "... und du glaubst zu wissen wer ich bin?!" - Vorurteile, Fremdwahrnehmung, Selbstwahrnehmung
  4. "Ich versteh' mehr als nur Bahnhof" - interkulturelle Kommunikation
  5. "Werte, Normen, Regeln"
  6. "Oben und unten - wer hat hier eigentlich das Sagen?!"

Am Beispiel des Moduls "Werte, Normen, Regeln" möchten wir an dieser Stelle einen kurzen inhaltlichen Einblick in das Interkulturelle Training geben und damit einen Einblick in die konkrete Arbeit vermitteln.

Das Modul "Werte, Normen, Regeln"

Unterschiedliche Werte und die daraus resultierenden Verhaltenserwartungen können den interkulturellen Arbeitsalltag erschweren. Im hier beschriebenen Modul reflektieren die Teilnehmenden ihr eigenes Wertesystem und erfahren spielerisch, wie im demokratischen Miteinander Regeln gefunden werden können, um Gleichberechtigung zu fördern.

Im Rahmen der Übung "Wertehierarchie" bringen die Teilnehmenden 13 Werte wie beispielsweise "Respekt vor dem Alter", "Selbstvertrauen", "Religion" zunächst nach persönlicher Wichtigkeit in eine Rangfolge. Im Anschluss sollen in Dreiergruppen gemeinsame Wertehierarchien entwickelt werden. Die Teilnehmenden machen die Erfahrung, dass es bereits in relativ homogenen Gruppen schwierig sein kann, sich auf eine gemeinsame Wertigkeit zu einigen und dass es sich als hilfreich erweisen kann, Werte näher zu erläutern, um die subjektiven Bilder von Werten auszutauschen.

Anhand des Wertequadrats nach Helwig und Schulz v. Thun erkennen die Teilnehmenden, dass jeder Wert einen Gegenwert hat, ohne den er sich zu einem Extrem entwickeln würde. Die Gruppe reflektiert, dass jeder Wert, auch wenn er subjektiv befremdlich erscheint, etwas Positives in sich trägt und zur Balance beitragen kann. In der interkulturellen Begegnung würde "Kontaktfreude" ohne den positiven Gegenwert "Distanzwahrung" zum Extrem "Distanzlosigkeit" verkommen. Im umgekehrten Fall verkäme der Wert "Distanzwahrung" ohne Gegenwert zum Extrem "Verschlossenheit". Es gilt demnach, sowohl Wert als auch Gegenwert in einer dynamischen Balance zu halten und Werte differenziert zu betrachten.

Zielsetzung des Projektes ist es, wie eingangs beschrieben, Kinder mit Migrationshintergrund bereits in der Elementarerziehung optimal zu fördern und mit einer integrationssensiblen Elternarbeit Chancengleichheit zu fördern. Damit sollen die Chancen des Anfangs genutzt werden. Die Evaluation der einzelnen Module sowie eine umfangreiche Abschlussreflexion zeigen, dass die Trainingsziele in projektrelevanten Bereichen erreicht werden konnten. Nach dem Training lösen sich die Teilnehmenden vielfach von einer ethnozentristischen Perspektive und nähern sich stattdessen mit Neugierde und Offenheit dem Gegenüber in seiner Individualität. Unsicherheiten könnten weitestgehend zugunsten eines kreativen und individuellen Umgangs mit kultureller Diversität und Benachteiligung abgebaut werden. Wir lassen die Teilnehmenden an dieser Stelle selbst mit ihren Einschätzungen und Erfahrungen zu Wort kommen:

"Mir ist aufgefallen, was ich persönlich für eine Rolle in der Gesellschaft einnehme, wie ich auf meine Wortwahl und Körperhaltung achten muss, und mir sind einige wichtige Ergebnisse in den Sinn gekommen , die ich mit in Elterngespräche nehmen kann."

"Durch Rollenspiele wurde gut geklärt, wie man sich fühlt, wenn man eine andere Sprache spricht bzw. einer anderen Kultur angehört."

"Unsicherheiten in bestimmten Situationen werden bestimmt weiterhin auftreten."

"Mir ist jetzt bewusst geworden, dass man jeden einzeln betrachten muss und nicht unter dem Begriff 'die Muslime'."

"Ich gehe jetzt selbstbewusster, offener und unerwarteter auf andere Kulturen zu."

Ausführliche Dokumentationen der einzelnen Module und Literaturempfehlungen ermöglichen den Teilnehmerinnen den Transfer der Trainingsinhalte ins Familienzentrum.

Die Projektkonzeption sieht eine Wiederholung des Trainings für weitere Mitarbeitende des Familienzentrums vor, da die Effekte praktischer Übungen und persönlichen Erlebens von unverzichtbarem Wert sind.

Workshops

Während das Interkulturelle Training in einer konstanten Gruppe von Teilnehmenden dazu einlädt, die eigene interkulturelle Kompetenz zu erweitern, vermitteln drei Projekt-Workshops migrationsspezifische Hintergrundinformation, bieten Raum für Austausch sowie Diskussion und stehen allen Mitarbeitenden der Einrichtungen offen. Der Projektverlauf sieht ein zwei- bis dreimaliges Angebot der Workshopserie vor und bietet möglichst vielen Erzieherinnen die Gelegenheit zur Teilnahme, ohne dass Personalengpässe in den Einrichtungen entstehen und Schließungstage in Anspruch genommen werden müssen. Workshops konzipieren wir zu folgenden Themen:

  • "Migrationsgeschichte und Migrationsformen in Deutschland. Aufenthaltstitel und ihre Folgen für Rechtssicherheit und Soziale Ansprüche"
  • "Spätaussiedler in Borken. Geschichte und Lebenssituation"
  • "Muslime in Borken und Umgebung"

Bei der Konzeption und Realisierung der Workshops werden gezielt regionale Strukturen berücksichtigt und miteinbezogen, indem ehrenamtlich engagierte Zugewanderte als Referenten fungieren und ein Workshop in einer Moschee vor Ort stattfand. Die Reaktionen auf den Besuch der Moschee werden auch von Seiten der Kinder im Familienzentrum als wertschätzendes Interesse an ihrer Religion empfunden und geben unter anderem Anlass für den weiteren Ausbau interreligiöser Familienarbeit.

Die Erweiterung der subjektiven interkulturellen Kompetenz durch Interkulturelle Trainings und Workshops ist notwendige Voraussetzung für die interkulturelle Öffnung auf organisationaler Ebene, die immer prozesshaft ist. Daher dauert idealerweise die Erweiterung der interkulturellen Kompetenz kontinuierlich fort und stellt damit ein entscheidendes Merkmal im Rahmen der Personal- und Organisationsentwicklung des Familienzentrums dar.

2.3 Interkulturelle Öffnung: Die zweite Projektphase

Der Transfer der erworbenen Kompetenzen und Wissensinhalte aus Interkulturellem Training und Workshops in die Praxis stellt ein wesentliches Element der zweiten Projekthälfte von "FaMigra" dar und leitet damit den Prozess der Interkulturellen Öffnung des Familienzentrums ein.

Interkulturelle Öffnung meint "(...) die handelnde Umsetzung der strategischen Ausrichtung. Sie hat Auswirkungen auf die Strukturen, die Prozesse und Ergebnisse sozialen Handelns. Interkulturelle Öffnung führt zur Veränderung von Aufbau- und Ablauforganisation, um beispielsweise Zugangsbarrieren für Minderheiten abzubauen" (Handschuck/ Schröer 2002 nach Prengel 1995).

Für die zweite Projektphase von "FaMigra" bedeutet dies, die in der ersten Phase erweiterten interkulturellen Handlungskompetenzen in die Praxis des Familienzentrums zu integrieren sowie die gesamte Organisation auf ihre interkulturelle Ausrichtung hin zu überprüfen und umfassend weiterzuentwickeln, um schrittweise Chancengleichheit und Partizipationsmöglichkeiten für Familien mit Migrationshintergrund auszubauen.

In Form einer Zukunftskonferenz werden Handlungsstrategien zur Umsetzung der interkulturellen Öffnung für die zweite Projektphase entwickelt, um im Sinne des Auftrags von Familienzentren integrierte Angebote für die gesamte Familie bereitzustellen. Exemplarisch sind dies:

  • Entwicklung eines neuen Selbstverständnisses als interkulturell geöffnetes Familienzentrum: Interkulturelle Arbeit mit Familien gelingt unter den gegebenen Voraussetzungen, wenn sich die Mitarbeitenden als Moderatoren von Vielfalt verstehen. Sie versuchen, Interessen und unterschiedliche Bedürfnisse der Familien zu bündeln, wirken als Vermittler und Organisatoren.
  • Funktion als Multiplikatoren im interkulturellen Öffnungsprozess: Die Mitarbeitenden des Familienzentrums nehmen eine Multiplikatorenrolle ein, vertreten die Interessen zugewanderter Familien und schaffen ein integrationsförderndes Klima. Innerhalb des Familienzentrums gelingt dies durch eine verstärkte Aktivierung zugewanderter Eltern, beispielsweise durch die gezielte Ermutigung dieser zur Mitarbeit im Elternrat. Außerhalb des Familienzentrums realisiert sich dies in Form der Mitarbeit und Interessenvertretung in unterschiedlichen Gremien.
  • Austausch von Ideen zur praktischen Umsetzung der interkulturellen Ausrichtung: Der Verbund des Familienzentrums schafft Synergien, welche sich auch positiv für die praktische Umsetzung der interkulturellen Ausrichtung nutzen lassen. So können beispielsweise über eine Ideenbörse und einen regelmäßigen Austausch "best practice" Beispiele aus den einzelnen Einrichtungen diskutiert und in Folge dessen beständig weiterentwickelt werden.
  • Hierzu zählen u.a. der Aufbau einer interkulturellen Bibliothek, initiierte Patenschaften, Deutschkurse für alle Eltern, Großeltern und Interessierten sowie konsequente Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit in der Pädagogik, in Elternbriefen, Aushängen, Flyern und sämtlichen Gesprächen.

3. Relevante Ressourcen für das Projekt

Als unterstützende Ressource erweist sich die interdisziplinäre Zusammensetzung des Projektteams, welches - bestehend aus Migrations- und Elementarpädagogikexperten - ein Modell für die Interkulturelle Öffnung des Familienzentrums bildet. Hierdurch kann eine adäquate Umsetzung der Projektinhalte gewährleistet werden, welche den Bedarf der beteiligten Akteure berücksichtigt. Des Weiteren bietet sich damit die Möglichkeit, das vorhandene Fachwissen in Form von interkulturellen Fallbesprechungen und Elternveranstaltungen gewinnbringend einzusetzen. Das Projektteam erweitert die eigenen Kompetenzen durch gezielte Personalentwicklung und schafft dadurch einen Zuwachs an Erfahrung und Wissen, welcher wiederum für das Projekt nutzbar gemacht werden kann und Nachhaltigkeit sichert. Dabei wird das verantwortliche Projektteam für die Teilnehmenden auch zu einem Modell für Offenheit und Lernkultur.

Für das Projekt ist ferner relevant, dass das Projektteam Teil eines Fachbereiches von Beratungsdiensten ist, dessen Teams sich selbst interkulturell geöffnet haben und den Prozess, den die Familienzentren durchlaufen, auch aus der Rolle von Teilnehmenden kennen. Zudem können die Ressourcen der anderen Beratungsdienste - Allgemeine Sozialberatung, Schuldnerberatung, Ambulante Erziehungshilfen und Psychologische Beratungsstelle - fachlich genutzt werden.

Die Organisationsstruktur des Familienzentrums als Verbund schafft vielfältige Synergien. Durch die Möglichkeit des Austauschs und des Zusammenwirkens der sieben Einrichtungen multiplizieren sich die Ideen zur Umsetzung interkultureller Öffnung. Ferner können die Planung und Realisation dieser Ideen gemeinsam bewältigt werden, was zu einer Entlastung im beruflichen Alltag führt. Die Einrichtungen des Familienzentrums weisen neben Gemeinsamkeiten auch Unterschiede auf, so dass sich das Thema der Integration und des Umgangs mit Verschiedenheit immer wieder stellt und aus der Metaperspektive genutzt wird.

Im Zwischenfazit überwiegt der Eindruck, dass die Struktur und die Kooperationen, in welche das Projekt "FaMigra" eingebunden ist, bedeutsame Ressourcen darstellen und wesentlich zum Gelingen des Projektes beitragen.

4. Zwischenfazit und Vorschläge zum Transfer

Unser Beitrag stellt ein Zwischenfazit in einem noch laufenden Projekt dar. Daher sehen wir unsere Ergebnisse unter dem Vorbehalt des Vorläufigen. Allerdings haben sich erste interessante Zwischenergebnisse ergeben, die wir Kindertageseinrichtungen und Familienzentren berichten möchten, denen an interkultureller Arbeit in der Elementarerziehung liegt.

Nach Abschluss der ersten Projektphase können Faktoren identifiziert werden, die uns von Bedeutung erscheinen. Wir sehen bei der Umsetzung bedeutsam, die oft knappen Zeit- und Personalressourcen der Einrichtungen zu beachten. Projekte sind in der Regel Zusatzaufgaben, die in den laufenden Betrieb integriert werden müssen und Ressourcen binden. Bei der Vielzahl an Aufgaben, die es in einem Familienzentrum zu bewältigen gilt, kann interkulturelle Öffnung nur ein Teil der pädagogischen Arbeit sein und dennoch deutlich zur Profilbildung beitragen. Es erweist sich als sinnvoll und notwendig, den regelmäßigen Austausch untereinander zu ermöglichen und diesen effizient zu gestalten. Hierbei ist notwendig, für unterschiedliche Projektbereiche Ansprechpartner oder Hauptverantwortliche zu benennen und gleichzeitig eine zentrale Koordinationsstelle einzurichten. Eine externe Projektbegleitung, intensive Beratung und stringentes Projektmanagement durch einen erfahrenen Fachdienst erscheinen uns essentiell.

Ferner können wir konstatieren, dass für das Projekt ein hohes Maß an Praxisorientierung und Anschlussfähigkeit an den Alltag in den Einrichtungen notwendig ist, um die Angebote und die Begleitung adressatenorientiert zu gestalten und an bestehende Rahmenbedingungen anzupassen. Hier hat die von uns vorgeschaltete Interessen- und Kontextanalyse gezeigt, dass dialogische Projektentwicklung sich in inhaltlich-konzeptionell hoher Qualität auszahlt und zudem eine ausgeprägte Akzeptanz bei den Beteiligten fördert. Dies ist bedeutsam, weil Projekte neben Erfolgen und Hochphasen auch Phasen haben können, in denen es nur mühsam vorangeht. Respekt, offene Kommunikation und integratives Handeln sind daher nicht nur intellektuell zu vermittelnde Projektthemen, sondern sollten modellhaft gelebt werden, wenn das Projekt erfolgreich und glaubwürdig sein will. Hier kommt dem Modell der Fachkräfte des Projektteams eine anspruchsvolle Rolle für den Projekterfolg zu.

Die Vermittlung interkultureller Kompetenz in Form eines interkulturellen Trainings zeigt sich nur dann als umfassend wirkungsvoll, wenn die Auseinandersetzung mit den Trainingsinhalten auf Basis von Erfahrungslernen geschieht. Daher bevorzugen wir Möglichkeiten selbsterfahrungsorientierten, analogen Lernens.

Abschließend können wir als wichtigste Stütze im Zuge der Interkulturellen Öffnung des Familienzentrums St. Remigius in Borken benennen, dass "Interkulturelle Orientierung (...) von ´oben´ gewollt und von ´unten´ getragen werden" muss (Deutscher Caritasverband 2006, S. 18), damit das zukunftsweisende Konzept der Interkulturellen Öffnung von Familienzentren einen unverzichtbaren Beitrag zur Schaffung von Chancengleichheit und Integration von Kindern und Familien mit Zuwanderungsgeschichte leisten kann.

5. Anmerkung

1Seit Beginn des Landesprojektes Familienzentrum haben sich bis Sommer 2008 NRW-weit rund 1.000 Kindertageseinrichtungen zum Familienzentrum entwickelt. Sie stellen Knotenpunkte in einem Netzwerk Familien unterstützender Dienste dar. Ziel ist es, wohnortnahe, frühzeitige und umfassende Beratungs- und Hilfsangebote für Familien sicherzustellen.

6. Literatur zum Weiterlesen

Arbeitskreis "Interkulturelles Lernen" DWW (2001): Trainings- und Methodenhandbuch. Bausteine zur interkulturellen Öffnung. Stuttgart.

Deutscher Caritasverband (2006): Vielfalt bewegt Menschen. Interkulturelle Öffnung der Dienste und Einrichtungen der verbandlichen Caritas. Eine Handreichung. Freiburg.

Handschuck, Sabine/Klawe, Willy (2004): Interkulturelle Verständigung in der sozialen Arbeit. Ein Erfahrungs-, Lern- und Übungsprogramm zum Erwerb interkultureller Kompetenz. Weinheim.

Handschuck, Sabine/Schröer, Hubertus (2002): Interkulturelle Orientierung und Öffnung von Organisationen. In: neue praxis, 5/2002, S. 511-521.

Handschuck, Sabine/Schröer, Hubertus (2000): Interkulturelle Öffnung sozialer Dienste. Ein Strategievorschlag. In iza, 3 + 4/2000.

Kircher, Steffen (o.J.): Vermittlung von interkultureller Kompetenz durch Interkulturelle Trainings am Beispiel des Projektes InkuTra - Interkulturelle Trainings, der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Nürnberg. http://www.awo-nuernberg.de/startseite/unsere-angebote/migration-und- integration/inkutra/service/lesenswertes/lesenswertes-1/ (02.04.2008)

Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MGFFI NRW) (2007): Das Gütesiegel Familienzentrum NRW. Zertifizierung der Piloteinrichtungen. Düsseldorf.

Statistisches Bundesamt (2006): Leben in Deutschland. Haushalte, Familien und Gesundheit - Ergebnisse des Mikrozensus 2005. Wiesbaden.

Autor/innen und Kontakt

Marion Hafenrichter: Diplom-Sozialpädagogin (FH) und Mitarbeiterin des Fachdienstes für Integration und Migration des Caritasverbandes für das Dekanat Borken e.V., Turmstraße 14, 46325 Borken.

Bettina Vogt: Erzieherin und angehende Diplom-Pädagogin. Freie Mitarbeiterin im Rahmen des Projektes "FaMigra".

Dr. Stephan Rietmann: Diplom-Psychologe und Leiter der Psychologischen Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern des Caritasverbandes für das Dekanat Borken.