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Zitiervorschlag

Frauen in der Geschichte des Kindergartens: Ella Schwarz

Manfred Berger

Ella Schwarz wurde am 21. Februar 1869 in Reichenbach im Voigtland geboren. Sie erhielt, wie sie selbst vermerkte, eine "streng, pietistisch gebundene Erziehung".

Nach dem Besuch des Städtischen Lyzeums in Küstrin unterstützte sie ihre Mutter im Haushalt. Doch mit dieser Situation war Ella Schwarz äußerst unzufrieden. Nach Auseinandersetzungen mit den Eltern ging sie nach Berlin. Dort absolvierte sie die Ausbildung zur Kindergärtnerin am bekannten "Pestalozzi-Fröbel-Haus", gegründet von Fröbels Großnichte Henriette Schrader-Breymann. Hildegard von Gierke, langjährige Leiterin der Berliner Ausbildungsstätte, vermerkte in ihrer unveröffentlichten "Geschichte des Pestalozzi-Fröbel-Hauses":

"Ella Schwarz ... war 1896/97 Schülerin und nahm dann an dem Fortbildungskurs (Vorläufer der Jugendleiterinnenausbildung; M.B.) teil. Sie erzählt: 'Der Spielsaal - für heutige Begriffe eng und klein und doch erfüllt von so viel Freude und Glück, wenn Frau Richter das Morgengebet sprach oder in der Woche vor Weihnachten jeden Tag nach dem feierlichen Weihnachtslied die Geschichte vom Christkind ein Stückchen weitererzählte. - Wie still war es in ihm, wenn die ganze Gesellschaft glücklich auf den Liegestühlen zur Mittagsruhe gekommen war - das schwerste Stück der Disziplin ... Und hinter dem Spielhof der kleine echte Berliner Garten, mit winzigen Beetchen in der Mitte, angelegt nach Fröbels Plan mit dem allgemeinen Beet außen herum ...
Als Krone des ganzen leuchten die Stunden bei Frau Schrader, die noch im Winter 1896 etwa 8-10 von den älteren Schülerinnen in ihre Wohnung kommen ließ, um in ihrer vornehmen, geistvollen und offenen und manchmal etwas kritischen Art uns zu lehren. Kein eigentliches Pensum wurde eingehalten, ein Zeitereignis, ein Gedicht, das wir wählen durften, war oft der Ausgangspunkt, und mit warmem, klugen Wort führte Frau Schrader uns zu Fröbel oder in die Erziehungspraxis ... Hier fühlte man, daß die Erziehung nicht nur Volkssache sondern Weltangelegenheit ist und eine Ahnung stieg auf, daß die Mütterlichkeit der Frau bestimmt sei, das Leben anders, gerechter und schöner zu gestalten'" (Gierke 1960, S. 35 f).

Nach ihrer Ausbildung in Berlin übersiedelte Ella Schwarz nach Frankfurt/Main. Dort übernahm sie 1898 die Leitung des "Fröbelseminars". Bis 1932 leitete sie die Frankfurter Ausbildungsstätte, die sowohl die Ausbildung für Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen wie auch die der Kinderpflegerinnen und die Weiterbildung zur Jugendleiterin umfasste. Ella Schwarz selbst unterrichtete vor allem Erziehungslehre, wobei ihr die Vermittlung der Pädagogik Henriette Schrader-Breymanns in Theorie und Praxis besonders am Herzen lag:

"Selbstverständlich arbeitete ich im Sinne Henriette Schraders, deren Grundsatz war, den Kindergärten Familiengepräge zu geben und das Kind unmerklich in das wirkliche Leben einzuführen. Wir trugen selbstgepackte Päckchen mit den Kindern zur Post, gingen an den Main, um das Leben auf den Brücken zu beobachten, besuchten den Bienenzüchter in der Feldstraße, sahen dem Sailer zu, brachten die versagende Uhr mit den Kindern zum Uhrmacher, säten Hanf und Roggen in unserem Garten und klärten und vertieften die im wirklichen Leben gewonnenen Erfahrungen im Kindergarten durch Bauen, Zeichnen und Modellieren und im gemeinsamen Gespräch.
Schülerinnen und Kinder wuchsen durch diesen Dreischritt Fröbels, von Leben, Tun und Denken ohne Mühe in den Geist der Stadt hinein" (Schwarz 1952, S. 42).

Januar 1959 wurde das Seminar für Kindergärtnerinnen und Jugendleiterinnen in "Ella-Schwarz-Schule" umbenannt.

Eine ihrer bekanntesten Schülerinnen war die später bekannt gewordene Kinderbuchautorin Sophie Reinheimer, die von Ella Schwarz als Lehrerin begeistert war (vgl. Berger 1998, S. 2 ff.). Neben ihrer Tätigkeit als Schulleiterin engagierte sich Ella Schwarz noch im "Deutschen Fröbel-Verband", dem sie von 1907 bis 1931 im Vorstand angehörte. Anschließend wurde sie in den Ehrenvorstand, bis zur Auflösung des Vereins am 1. Dezember 1939, gewählt. Ferner war sie über viele Jahre hinweg ständige Mitarbeiterin der damals renommierten Fachzeitschrift "Kindergarten".

Ella Schwarz setzte sich in ihren Publikationen insbesondere mit der "Ausbildung der Erzieherinnen" auseinander. Dabei war ihr eine wichtige Frage: "Welche persönlichen Eigenschaften müssen die besitzen, die den Beruf als Kindergärtnerin ... ergreifen wollen?". Diesbezüglich formulierte sie im Jahre 1917:

"Vor allem eine feste Gesundheit; denn die täglich achtstündige Arbeit mit den Kindern, zu der noch die Vorbereitung auf sie, sowie häusliche Besuche bei den Zöglingen und so und so viele Wege zu anderen Wohlfahrtseinrichtungen im Interesse des materiellen Wohls der Kinder kommen, erfordern einen gestählten Körper und namentlich starke Nerven.
Als zweites ist gute intellektuelle Begabung zu fordern. Die Zeiten sind glücklich vorüber, in denen man gleichwie zu Luthers Zeit sagte: 'Wer zu allem anderen zu dumm ist, der kann noch Kindsmagd werden.' Und auch der Standpunkt ist überwunden, daß Besucherinnen des Oberlyzeums, deren Fähigkeiten zum Lehrerinnenberuf nicht ausreichen, immerhin noch gute Kindergärtnerinnen abgeben können. Die mannigfachen Beziehungen, die die pädagogische und sozialpraktische Arbeit an den Kindern mit sich bringt, fordern Intelligenz, Umsicht, Anpassungsfähigkeit, Besonnenheit und Sicherheit.
Der Kindergarten ist nicht nur tatsächlich ein Haushalt mit seinen vielseitigen Anforderungen, sondern soll auch in diesem Sinne als Erziehungsstätte dienen. Darum muß die Leiterin den vielen praktischen Arbeiten in Haushalt, Küche, Hof und Garten gewachsen sein; das läßt sich nur bei starker, praktischer Veranlagung erzielen.
Die große Anzahl technischer Arbeiten, die zur Beschäftigung der Kleinen erforderlich sind, machen ausgiebige technische Veranlagung und seinen Geschmack notwendig.
Luther hat einmal gesagt: 'Einen Schulmeister, der nicht singen kann, sehe ich nicht an.' Dieses Wort gilt heute in ebenso starkem Maße für die Jugenderzieherin. Auf dem Spielplatz, beim Volkstanz, bei eintöniger Arbeit, beim Wandern, bei Festen und Hauskonzerten muß gesungen oder musiziert werden. Musikalisch muß die angehende Kindergärtnerin unbedingt sein.
Was aber am meisten not tut, das ist ein Herz voll Liebe für die Armen und Schwachen; denn mit denen hat es die Kindergärtnerin ... zu tun. Solche Liebe muß es sein, die stark macht in der Geduld und hoffnungsvoll trotz der Enttäuschungen, freudig im Entsagen, fähig zur Einfühlung in andere und allezeit bereit zum Helfen. Oder, wie die Christliche Konferenz es ausdrückt: 'Es genügt nicht nur ein religiöses Wissen und eine äußerliche Zustimmung zu dem Inhalt desselben, sondern aufrichtige Frömmigkeit ist das notwendige Erfordernis.'" (Schwarz 1917, S. 199 f).

Während der Nazi-Diktatur verhielt sich Ella Schwarz verhältnismäßig zurückhaltend. Trotzdem kam sie anscheinend nicht umhin, in ihren seinerzeit wenigen Veröffentlichungen Zugeständnisse an die braune Ideologie zu formulieren. Anlässlich der "Hundertjahrfeier des deutschen Kindergartens" konstatierte sie:

"Als nach der Machtübernahme dank der kraftvollen Führung durch Adolf Hitler die Arbeitslosigkeit schwand und sich die wirtschaftliche Notlage besserte, als es seiner Erziehung gelang, das Bewusstsein der Volksverbundenheit in weiteste Kreise zu tragen, als er die Frauen in größerem Maße für ihre Pflicht der Erziehung erweckte und im Reichsmütterdienst eine Organisation für diese Aufgabe zustande kam, wurde die Zeit reif, die Fröbel vor hundert Jahren ersehnt hatte. Die Ganzheits-Psychologie Fröbels feierte die Auferstehung. Seine Naturverbundenheit wurde bewußter. Die Gesetzmäßigkeit seiner Gaben und Beschäftigungen fand wieder mehr Beachtung. Seine Lehre von der Unterordnung der Zöglinge und des Erziehers unter ein drittes Höheres führte zu weiserer Zucht und gleichzeitig zu größerer Freiheit. Seine Heimatliebe und der Gedanke der Blutsverbundenheit, seine Erkenntnis, daß die uralte germanische Erziehungsweise 'das Kind des Freien mit dem Kind des Knechtes in der Aache des häuslichen Herdes aufwachsen zu lassen', wie schon Tacitus es schildert, zu Recht bestehe. Seine Auffassung, daß das Kind unmerklich an der Hand der Mutter in das Leben der Erwachsenen hineinwachse, wo seine 'Menschenerziehung' und seine 'Mutter- und Koselieder' es so eindringlich lehren, betonen das alte Ideal des festen Zusammenhangs zwischen Mutter und Kind und geben dem Kindergarten das höchste Ziel" (Schwarz 1940, S. 31).

Und an anderer Stelle ist über einen "Schulungskurs für Leiterinnen von Landkindergärten im Fröbelseminar, Gießen" nachzulesen: "Fräulein Schwarz aus Frankfurt gab uns in ihren Ausführungen einen Vergleich der Grundgedanken Friedrich Fröbel mit den pädagogischen Auffassungen unserer Zeit. Sie zeigte uns, wie Gedanken Fröbels wiederkehren in der Weltanschauung unseres Führers Adolf Hitler und der Pädagogik Prof. Kriecks (der NS-Pädagogik Theoretiker schlechthin; B.:). 'Volkserziehung ist die vornehmste Aufgabe des Staates' (Adolf Hitler), 'Der Nationalreichtum der Deutschen ist die Volkserziehung' (Fr. Fröbel)" (Kindergarten 1936, S. 42).

Nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur zog sich Ella Schwarz aus dem aktiven Berufsleben zurück. Sie starb am 13. Mai 1962 im 94. Lebensjahr in Berlin-Lankwitz.

Literatur

Berger, M.: Sophie Reinheimer, in: Baumgärtner, A. C./Pleticha, H. (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lexikon, Meitingen 1995 (5. Erg.-Lfg.)

Gierke, H.: Aus der Geschichte des Pestalozzi-Fröbel-Hauses, Berlin 1960 (unveröffentl. Manuskript)

Kindergarten 1936, 76, Heft 1

Schwarz, E.: Die Erziehung der Kleinkinder, in: Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht Berlin (Hrg.): Kleinkinderfürsorge. Einführung in ihr Wesen und ihre aufgaben, Berlin 1917

dies.: 100 Jahre Kindergarten, in: Wächtler, F. (Hrsg.): Festschrift zur Hundertjahrfeier des deutschen Kindergartens, München 1940

dies.: Die Verwirklichung Fröbelscher Erziehungsgedanken in Frankfurt am Main, in: Pestalozzi-Fröbel-Verband (Hrsg.): Festschrift zum Fröbel-Gedenkjahr 1952, Heidelberg 1952