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Zitiervorschlag

Rezension

Maria Montessori: Praxishandbuch der Montessori-Methode. Herausgegeben, eingeleitet und textkritisch bearbeitet von Harald Ludwig. Mit einem Geleitwort von Carolina Montessori. Freiburg, Basel, Wien: Herder 2010, 200 Seiten, EUR 38,00 - direkt bestellen durch Anklicken

 

Dieses Buch schließt wieder eine Lücke in der Reihe der Montessori-Bücher, die im Verlag Herder erschienen sind. 1914 wurde das erste Praxishandbuch der Montessori-Methode in englischer Sprache veröffentlicht. Montessori hat darin betont, dass es die einzige authentische und von ihr autorisierte Publikation zur Montessori-Methode sei. Das hier vorliegende Handbuch stützt sich auf die von Montessori zuletzt bearbeitete und erweiterte spanische Ausgabe von 1939. Durch die Kriegsumstände blieb es jedoch weithin unbekannt.

Jede/r Leser/in, der eine Montessori-Ausbildung absolviert hat, wird sich an sein "eigenes" Handbuch erinnern, das sie/er während ihrer/seiner Ausbildung erstellen musste. Was sie/er mühsam und meist unvollständig zusammentragen musste, liegt nun vor: ein Praxishandbuch, in dem Maria Montessori praktische Anleitung zur Umsetzung ihrer Pädagogik gibt. Für alle - Eltern, Erzieher/innen, Lehrer/innen, Interessierte, Wissenschaftler/innen, Studierende... - ein Fundus, ein Nachschlage- und Erklärungswerk, gut lesbar und verständlich, praxistauglich und hilfreich für die Umsetzung der Montessori-Pädagogik und den Einsatz der hier entwickelten Materialien.

Montessori schafft Klarheit über Begrifflichkeiten wie z.B. Schule, Umgebung, Raum, Konzept, Ordnung, Grenzen, Freiheit, Organisation, Fehlerkontrolle, produktives Arbeiten, Stille oder den neuen pädagogischen Geist: "Ein solcher Geist unterscheidet sich grundlegend von dem der alten Lehrerinnen, die sich selbst für den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Kinder und den Quellpunkt ihrer Erziehung hielten" (S. 30).

Montessori stellt alle Materialien und Übungen vor, lückenlos. Oft werden diese heute etwas belächelt, wären aber im Erziehungsalltag nötiger denn je. Die Verantwortung für die eigene Person, die Umgebung, die Gemeinschaft sind pädagogische Ansatzpunkte, die ihren Stellenwert in Kitas und Schulen besonders im Rahmen der Werteerziehung wieder neu erobern müssten.

Montessori verdeutlicht klar und anschaulich, wie z.B. die Übungen und Arbeiten zum praktischen Leben unverzichtbare Grundlage für die Förderung der intellektuellen Entwicklung sind. Sie beschreibt eine zukunftsorientierte Pädagogik, nichts lässt sie aus. Ihre Methode entspricht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den in den Bildungsplänen angestrebten Zielen.

So liefert die vorliegende Publikation ein "Gesamtwerk" zur Umsetzung der Ideen und der Erziehungsphilosophie von Maria Montessori. Wer sich intensiv mit der Montessori-Pädagogik beschäftigen will, wird neugierig gemacht, bekommt "Hunger auf mehr". Wer noch mehr lesen will, der erhält eine umfassende Literaturauswahl.

Zum Schluss noch eine Leseprobe: "Die Erwachsenen bedachten nicht, dass es nicht möglich sei, ein Wesen dazu zu führen, seine natürliche Bestimmung zu erfüllen. Sie hatten nicht darüber nachgedacht, dass die einzige Möglichkeit darin besteht, den Kindern die Mittel zu geben, und dass man sie, wenn man möchte, dass die Persönlichkeiten und Charaktere sich enthüllen und entfalten, dann sich selbst überlassen muss, ihnen die Freiheit zu lassen und die Möglichkeit geben muss, allein dorthin zu kommen, wo die Natur sie hinführt!" (S. 194).

Ingeborg Becker-Textor