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Zitiervorschlag

Unterricht, Lernumgebungen und Lernstile

Heidi Ingemann Jensen

 

Einleitung

Die Planung des Unterrichtes ist ein wesentlicher Bestandteil der täglichen Arbeit von Lehrkräften. Bei der Unterrichtsplanung berücksichtigen Lehrkräfte schon vorab viele Aspekte, die den Verlauf einer Unterrichtseinheit beeinflussen können. Einige Aspekte wie die Vorlieben und Lernstile von Lehrkräften fließen dabei in die Planung – bewusst oder unbewusst mit ein. Vor diesem Hintergrund kann die Reflexion dieser Faktoren helfen, den Unterricht so zu gestalten, dass Lehrkräfte darauf achten die unterschiedlichen Bedürfnisse und Vorlieben der Schüler/innen zu berücksichtigen.

Besonderes durch die Reflexion von unterschiedlichen Lernstilen der Schüler/innen kann eine Sensibilisierung für die Unterrichtsplanung stattfinden, die die Didaktik von Lernszenarien und Lernumgebungen positiv beeinflussen.

Lernen wie man lernt

Dr. Rita Dunn und Dr. Kenneth Dunn sind Begründer des "Dunn and Dunn Learning Styles" Modells (vgl. Dunn, Dunn & Price 1981; Dunn 1984). Die Theorie konzentriert sich auf fünf Schlüsseldimensionen, die den Lernprozess beeinflussen können. Anhand dieses Modells sollen Lernstile vorgestellt werden, die in der Unterrichtsplanung eingesetzt werden können.

Individuelle Lehr- und Lernmethoden berücksichtigen, dass Lernpräferenzen und Lernstile von Person zu Person variieren können und sich im Laufe der Zeit sowie durch die Vielfalt der Lernumgebung in einem gewissen Maß verändern können. Für die Unterrichtsplanung bedeutet dies zusammenfassend:

" Teachers should learn to recognize, acknowledge and respect the learning style aspects of students' innate tendencies. Learning style is the way in which each individual learner begins to concentrate on, process, absorb and retain new and difficult information." (Henry 1998, S. 5)

Laut Dunn and Dunn (1990) scheitern Schüler/innen nicht am Lehrplan, sondern an den Unterrichtsansätzen, da diese nicht mit ihrem Lernstil übereinstimmen. Daher sollten Lehrkräfte wissen, wie ihre Schüler/innen lernen, bevor sie den Unterricht gestalten. Dies kostet unter anderem viel Zeit, Mühe und Geduld sich mit der Vielfalt der Lernstile auseinanderzusetzen, jedoch können Lehrkräfte so die unterschiedlichen Lernstärken ihrer Schüler/innen erkennen und fördern.

Reflexionsfragen für Lehrkräfte

  • Haben Sie als Lehrkraft darüber nachgedacht, warum Sie den Unterricht so organisieren wie Sie es tun?
  • Haben Sie darüber nachgedacht, ob Ihr Unterrichtsstil etwas mit Ihrem eigenen Lernstil zu tun hat?
  • Unterrichten Sie so, wie Sie es vorziehen würden, selbst unterrichtet zu werden?

Lernpräferenzen und Lernstile

Lernpräferenzen oder Vorlieben sind besonders wichtig, wenn wir neues und schwieriges Material lernen. Insbesondere in diesen Situationen ist es wichtig, dass die Lernumgebung so gestaltet ist, dass sie unsere besonderen Lernweisen berücksichtigt. In diesem Fall wird das Lernen einfacher. Besonderes Schüler/innen, die Schwierigkeiten mit dem Unterricht oder der Schule haben können davon profitieren, wenn Lernstile und Vorlieben in die Unterrichtsplanung integrieret werden. Dunn und Dunn (1990) haben hierzu seit mehreren Jahren kontinuierlich ein Motivationsmodell für das Lernen entwickelt, das unsere Lernweise und Lernstile abbilden kann.

Hinweise für die Planung des Unterrichts nach Dunn und Dunn

Dunn und Dunn (1990) gehen in ihrer Theorie davon aus, dass Schüler/innen grundsätzlich unterschiedlich lernen. Einige lernen gern allein, während andere lieber in der Gruppe arbeiten, andere wiederum lernen lieber zusammen mit einer Lehrkraft.

Dunn und Dunn (1990)  entwickelten Lernstile, die sich durch folgende fünf Schlüsseldimensionen unterscheiden:

1) Umwelt (Environment),

2) emotionale Unterstützung (emotional support),

3) soziologischer Zusammenhang (sociological composition),

4) physiologische (physiological),

5) psychologische Elemente (psychological elements).

Lernstile Dimensionen Dunn und Dunn

Dimension

Elemente

Zentrale Fragen

Umwelt

Akustik, Licht, Temperatur,

Aspekte der gestalteten Umwelt

Bevorzugen Schüler/innen eine laute, geschäftige, gut beleuchtete, warme Umgebung oder eine ruhige, gedämpfte, kühlere Umgebung?

Soll die Lernumgebung formell gestaltet sein z.B. durch Schreibtische und Stühle oder informell mit z.B. Kissen ausgestattet sein?

Emotion

Unterstützung durch Motivation

Persistenz

Übernahme individueller Verantwortung

Brauchen Schüler/innen viel emotionale Unterstützung?

Können Schüler/innen über längere Zeit eine Aufgabe selbstständig bearbeiten?

Können Schüler/innen individuell Verantwortung übernehmen?

Brauchen sie viel oder weniger Struktur im Lernprozess?

Soziologisch

Individuelles Lernen/Paarweises Lernen/ In einem Team lernen

Mit Erwachsenen Lernen

Unterschiedliche Methoden beim Lernen

Lernen Schüler/innen am besten allein oder mit anderen?

Wie viel Anleitung von Erwachsenen wollen oder brauchen sie?

Methodenmix

Physiologisch

Wahrnehmung

Zeit

Mobilität

Hat der/die Schüler/in ein auditive, visueller, taktilen oder kinästhetischer Lernstil?

Wann ist ein optimaler Zeitpunkt zum Lernen?

Benötigen Schüler/innen Bewegungsfreiheit während des Lernens?

Psychologisch

Global

Analytisch

Impulsiv

Reflektiert

Wie erfassen Schüler/innen ein Problem global oder analytisch in Teilaspekten?

Reagieren Schüler/innen impulsiv auf Probleme oder machen sie eine Pause, um nachzudenken?

Abb.1 vgl. Table 1 Dunn and Dunn’s Learning Style Dimensions, „School-Based Learning Styles“ http://wps.prenhall.com/wps/media/objects/863/884633/Volume_medialib/dunn.pdf (Abrufdatum: 17.03.2020). Abbildung in eigener Übersetzung.

Der auditive Lernstil

Schüler/innen die auditiv lernen, lernen am besten indem sie zuhören. Beispielsweise bei Vorträgen, Präsentationen und Aufzeichnungen. Schüler/innen mit diesem Lernstil haben oft Probleme, sich beim Zuhören Notizen zu machen und verlieren daher schneller die Konzentration.

Lerntechniken für den auditiven Lernstil

Klänge, Reime und Musik können Schüler/innen mit diesem Lernstil helfen. Erinnerungstechniken können beim Lernen verwendet werden. Beispielsweise können mit Reimen Grammatikübungen gelernt werden. Musik hören beim Lernen kann weiterhin die Konzentration steigern (vgl. Neuerburg, 2006; Schupmann, 2015).

Der visuelle Lernstil

Schüler/innen mit einem visuellen Lernstil bevorzugen zum Beispiel Bilder, Diagramme, Fotos, Farben oder Karten, um Informationen zu organisieren und diese mit anderen zu kommunizieren. Sie können Objekte, Pläne und Ergebnisse leicht in ihrem Kopf visualisieren und besitzen meist einen guten Orientierungssinn.

Lerntechniken für den visuellen Lernstil

Sie können sich gut mithilfe von Karten zurechtfinden oder mit Mind-Maps Informationen organisieren. Bilder und Farben anstatt Text ist für diesen Lernstil besonders gut. Außerdem können Symbole, ein Layout oder Assoziationen wie „visuelle Wörter“ in Argumenten verwendet werden, um den Lernstoff zu gliedern. Schüler/innen können sowohl visuell als auch textvisuell sein.

Der taktile und kinästhetische Lernstil

Schüler/innen mit einem taktilen Lernstil integrieren ihre Hände und Füße beim Lernen. Durch das Berühren, Spielen und Ausprobieren von physischen Objekten lernen sie, die Eigenschaften dieser Dinge kennen. Schüler/innen mit einem kinästhetischen Lernstil lernen weiter durch Bewegungen, indem sie zum Beispiel herumlaufen, währenddessen Sie lesen oder mit anderen sprechen.

Kinästhetische Schüler/innen verwenden normalerweise größere Handgesten und haben eine deutliche Körpersprache, um zu kommunizieren. In einem Vortrag zu sitzen und einem langen Input zuzuhören, ist eine Herausforderung, Schüler/innen müssen aufstehen und sich bewegen, während sie zuhören.

Lerntechniken für den taktilen/ kinästhetischen Lernstil

Schüler/innen mit diesem Lernstil brauchen Lernaktivitäten die Berührung, Aktionen und Bewegung enthalten, wie Rollenspiele oder eine Fallarbeit. Es ist wichtig möglichst viele physische Objekte beim Lernen zu verwenden. Als Beispiel, um Notenwerte zu lernen, könnte man mit Legosteinen ¼ Noten, ½ Noten und ganze Noten bauen.

Kinästhetische Schüler/innen reagieren meist empfindlicher auf die physische Welt, um sie herum. Schüler/innen mögen es "sich die Hände schmutzig zu machen" oder zum Beispiel Modelle zu bauen. Die Schüler/innen mit einem taktilen Lernstil brauchen außerdem die Möglichkeit etwas in den Händen zu erkunden.

Der verbale Lernstil

Schüler/innen mit diesem Lernstil sprechen gerne und stellen oft Fragen, auch wenn sie die Antwort schon kennen. Im Unterricht können Schüler/innen mit diesem Lernstil beispielsweise Selbstgespräche führen oder anderen zuflüstern.

Der verbale Stil umfasst sowohl das geschriebene als auch das gesprochene Wort. Schüler/innen fällt es leicht sich schriftlich und mündlich auszudrücken. Dabei kennen sie die Bedeutung vieler Wörter und bemühen sich regelmäßig, die Bedeutung neuer Wörter zu lernen.

Lerntechniken für den verbalen Lernstil

Verbale Schüler/innen brauchen Aktivitäten die das Lesen, Schreiben, Sprechen fördern und diese bestenfalls integrieren.

Wenn Lehrkräfte einen Inhalt vorlesen, muss dies dramatisch und abwechslungsreich erfolgen. Anstatt eine monotone Stimme zu verwenden, sollte der Text in eine lebendige und energiegeladene Sprache umgewandelt werden. Der verbale Lernstile Typ profitiert von der Arbeit mit anderen und der Verwendung von Rollenspielen, um neues Wissen zu erwerben und zu integrieren.

Der logische-mathematische Lernstil

Schüler/innen mit einem logisch-mathematischen Lernstil zeigen häufig eine Vorliebe für Mathematik, arbeiten gerne mit Zahlen und bevorzugen komplexe Berechnungen. Weiterhin können Schüler/innen leicht Muster sowie Zusammenhänge zwischen scheinbar bedeutungslosen Inhalten erkennen. Dies wird genutzt zum Klassifizieren und Gruppieren von Informationen, um neues Wissen zu erlernen oder zu verstehen. Schüler/innen arbeiten in der Regel systematisch an Problemen und nutzen häufig logische Beispiele oder Statistiken.

Lerntechniken für den logischen Lernstil

Schüler/innen mit einem logischen Lernstil brauchen häufig eine Eselbrücke, um Inhalte zu verstehen. Das Erforschen und Notieren der Verbindungen zwischen verschiedenen Sachverhalten ist Teil des Lernprozesses.

Schüler/innen mit diesem Lernstil ist es möglich, den eigenen Körper von rationalem Denken zu isolieren.

Lerntheken und Lernstile

Eine Möglichkeit, um einen differenzierten Unterricht zu gewährleisten, der die unterschiedlichen Lernstile berücksichtigt, sind Lerntheken. Bei der Gestaltung von Lerntheken sollten unterschiedliche Materialien bereitgestellt werden, die die unterschiedlichen Lernstile berücksichtigen.

Die Lerntheke erlaubt es, Aufgaben mit verschiedenen Schwierigkeitsniveaus für die Schüler/innen bereitzustellen. Schüler/innen, die noch mehr Übung auf dem Basislevel benötigen, können hier weitere Aufgaben lösen, während stärkere Schüler/innen schon zur nächsten Stufe springen können. Das höchste Niveau kann Aufgaben enthalten, die besonders viel Eigenleistung erfordern. So kann vermieden werden, dass es den leistungsstärkeren Schüler/innen langweilig wird oder schwächere Schüler/innen nicht mehr folgen können. Die Förderung von Eigenverantwortung bei der Erreichung von Lernzielen durch Lerninhalte ist ein zentrales Merkmal von Lerntheken. Nach ihrem eigenen Kenntnisstand suchen Schüler/innen Aufgaben aus und bearbeiten diese. Die Auswahl und die Reihenfolge legen sie selbstständig fest.

Eine gute Vorbereitung der Lerntheken ist eine wesentliche Voraussetzung für die zunehmend eigenständigere Planung von Lernwegen. Lehrkräfte sollten Lerntheken daher sehr gründlich vorbereiten. Wichtig dabei ist, dass alle Materialien, die zur Erreichung der fachlichen Ziele notwendig sind, für die Schüler/innen bereitstehen. Die Materialien sollten gut ausgewählt und (vor)strukturiert angeboten werden, denn nur so ist es den Schüler/innen möglich, eigenverantwortlich an ihren Zielen zu arbeiten. Die Zielerreichung kann durch notwendige didaktische Materialien sicherstellt werden. 

Die Lehrkraft wird damit zum Lernbegleiter und ist in den Lerntheken- bzw. Lernatelierzeiten stets präsent, beantwortet Rückfragen, gibt Feedback, steht den Schülern beratend zur Seite, stellt ergänzende oder vertiefende Übungsangebote und steht zur Reflexion der Lernleistung zur Verfügung.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Lerntheken der selbstständigen Arbeit an Lernzielen dienen. Je nach Alter und Erfahrung in der Arbeit mit individualisierten Lernwegen strukturieren die Lernbegleiter den Weg für ihre Schüler/innen zunächst noch stärker vor. Doch gerade dann ist es wichtig, dass der vorgezeichnete Weg mit den Schüler/innen verständlich besprochen und reflektiert wird, um die Basis für eine zunehmend eigenständige Planung von Lernwegen zu legen. In der Reflexion sollte auch mit den Schüler/innen besprochen werden, mit welchen Lernstilen sie am besten lernen und wie Schüler/innen dieses Wissen integrieren können in andere Zusammenhänge.

Literatur

Dunn, R. S., Dunn, K. J., & Price, G. E. (1981). Learning style inventory. Lawrence, KS: Price Systems.

Dunn, R. (1984). Learning style: State of the science. Theory into practice, 23(1), S. 10-19.

Dunn, R. (1990). Understanding the Dunn and Dunn learning styles model and the need for individual diagnosis and prescription. Reading, Writing, and Learning Disabilities, 6(3), S. 223-247.

Neuerburg, C. (2006). Lerntypen und ihre Bedeutung für die Praxis der Personalentwicklung. München: diplom.de.

Schupmann, D. (2015). Lernen fremder Sprachen: Lernstile und Konsequenzen für den Fremdsprachenunterricht. Hamburg: Diplomica Verlag.

Tenedero, H. S. (1998). Breaking the IQ Myth: Learning Styles, Multiple Intelligences, and Emotional Learning in the Classroom Environment. Manila, Philippines: Henyo Publications.