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Zitiervorschlag

Bildung

Heidi Ingemann Jensen

 

Einleitung

Unter dem Begriff Bildung wird in der sozialanalytischen Gegenwartsdiagnose nach Lars Geer Hammershøj ein Prozess der Selbstbildung verstanden. Selbstbildung beschreibt im Kontext des Wertepluralismus der Spätmoderne (Braumann 2007) sowohl eine kulturelle Befreiung als auch eine radikale „Individualisierung und Kulturalisierung“ (S. 91). Bildung als Selbstbildung nach Hammershøj (2003) umfasst, „Prämissen des Individuums“ und „persönlichkeitsbildende Erfahrungen“, die als eigenständige Erfahrung „zur Selbstbildung beitragen“ (S. 91).

"Mensch zu werden bedeutet, die Art und Weise zu ändern, wie man mit sich selbst und anderen Menschen in der Welt umgeht. Dies äußert sich darin, dass man seine Einstellungen und Werte oder seine Denkweise ändert. Menschen können nicht gebildet werden, ohne etwas zu wissen und etwas zu können, aber bei Bildung geht es nicht darum, ein bestimmtes Wissen zu erwerben oder bestimmte Kompetenzen zu entwickeln“ (Hammershøj 2019, eigene Übersetzung).

Bildung als Aspekt der Selbstbildung war schon bei Wilhelm von Humboldt (1794/95) ein zentrales Thema. Ein „sich hinein bilden der Subjektivität“ (vgl. von Humboldt 1987) und wie er es in „Bruchstück über die Theorie der Bildung des Menschen“ beschrieb „die letzte Aufgabe unseres Daseins“ (vgl. von Humboldt 1903). Auch im humboldtschen – humanistischen Bildungsverständnis wird die Selbstbildung kulturell vorangetrieben, durch die Kultur wird der Mensch „menschlich“ und geht seiner „inneren Verbesserung“ (vgl. von Humboldt 1960) nach. Das Ziel der Bildung ist in diesem Kontext, wie Steenblock (2019) schreibt der „Aufstieg des Individuums zu seiner Idealität“ (S. 131).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Bildung persönlichkeitsbildende Aspekte beinhaltet und im Kontext der Gesellschaft kulturell geprägt ist. Damit bedingen sich Individualisierung und Kulturalisierung in vielerlei Hinsicht (vgl. Braumann 2009, S. 92).

Bildung in Kindertagesstätten

Der Zweck von u. a. Kitas ist es, dem Kind die besten Voraussetzungen zu bieten, um lebensfähig zu werden. Da der Mensch ein soziales und kulturelles Wesen ist, wird das Kind durch andere Menschen geformt. Das Kind muss seine eigene Welt überwinden und lernen, sich mit der größeren Welt auseinanderzusetzen. In seiner Entwicklung lernt das Kind mit sozialen Situationen und Beziehungen umzugehen. Weiterhin beinhaltet Bildung den Erwerb sozialer Kompetenzen, jedoch muss der Mensch auch dazu befähigt werden diese anzuwenden.

„Bildung findet daher in der sogenannten lebendigen Kommunikation statt, in der Menschen nicht nur Informationen austauschen, sondern aufrichtig aufeinander hören und bereit sind, ihre Wahrnehmung oder Haltung zu ändern“ (Hammershøj 2019, eigene Übersetzung).  

Bildung in der Frühpädagogik und in Disziplinen wie der Entwicklungspsychologie oder Neurologie beziehen sich weiter auf vielfältige Entwicklungsprozesse, die für verschiedene Lernvorgänge eine Rolle spielen. Die Wechselwirkung zwischen Individuum und Umwelt spielt auch in den modernen entwicklungspsychologischen Theorien (vgl. Bronfenbrenner 1979) eine zentrale Rolle. Im Gegensatz zu sozialanalytischen Studien wird hier das Individuum auf Grundlage seiner genetischen und neutralen Aspekte untersucht, die im Kontext der Umwelteinflüsse wiederum durch physische, soziale sowie kulturelle Aspekte bestimmt werden.

In diesem Kontext bedeutet der Begriff Bildung nach Gerhard Steiner (2006) den absichtsvollen sowie beiläufigen Erwerb von Kenntnissen, die auf geistige, körperliche, soziale und emotionale Fertig- und Fähigkeiten enthalten.

In diesem Zusammenhang könnte man auch davon sprechen, dass Bildung stufenweise erfolgt. In den ersten Phasen öffnet sich das Kind der Welt. Dies passiert zum Beispiel, wenn das Kind lernt, ein Nein zu formulieren: "Nein, ich habe keine Lust dazu". Es kann auch sein, dass es sich beim Spielen dazu entscheidet, dass es nicht teilnehmen will und dabei lernt, ja und nein zu sagen. In den nächsten Phasen öffnet sich die Welt für das Kind. Dies passiert, wenn das Kind auf unterschiedliche Welten stößt, die anders sind als es selbst und mit denen es sich wohlfühlen kann. Einerseits kann das Kind beunruhigt darüber sein, dass die Welt anders ist als angenommen. Andererseits kann es aufgeregt sein zu erfahren, was ihm die Welt alles bietet. Durch die wechselseitige Wirkung von Individuum und Umwelt entsteht eine Selbstbildung durch die persönlich-relevante Erfahrungen neuronale, emotionale sowie soziale Aspekte der Entwicklung in der kulturellen Umwelt umfassen. Diese Erfahrung eröffnet dem Kind für die Möglichkeit, mit sich selbst und mit anderen in Beziehung zu treten.

In Kitas erfolgt die Bildung durch die pädagogischen Fachkräfte, die gestaltete Umwelt und durch die Zusammenarbeit mit den Familien. Das Kind lernt, durch die soziale Gemeinschaft mit anderen in Beziehung zu treten.

Die Beziehung zwischen Erzieher/innen und der Familie ist wichtig, in Bezug auf die Bildung des Kindes insbesondere, weil Erwachsene Vorbilder für den Umgang in der Gemeinschaft sind. "Es geht darum, vorbildlich zu sein, indem man nachahmende Beziehungsweisen vorstellt, zu deren Nachahmung die Kinder inspiriert werden" (Hammershøj 2019, eigene Übersetzung).

Bildung in einer Welt mit den Robotern

„Bildung ist unser menschlicher Vorteil. Es ist die Formation, die uns von Tieren und Maschinen trennt, und deshalb müssen wir auch unseren Vorteil im Wettlauf mit den Robotern finden und ausbauen (...). Die Bildung ist für uns die Voraussetzung, um in Zusammenarbeit mit Robotern den Vorsprung zu halten und Maschinen“ (Hammershøj 2017, S. 23, eigene Übersetzung).

Im Anschluss lässt sich nun die Frage stellen welche Bedeutung digitale Medien im Kontext der Bildung/Selbstbildung spielen. Als fester Bestandteil unserer Alltagswelt sind digitale Medien auch ein fester Bestandteil unserer Bildung geworden. Bildung in einer digitalisierten Welt geht es darum, klarer zu machen, was in einer Zukunft, in der die Technologie immer mehr Einfluss auf das Alltagsleben nimmt, gelernt werden muss. Es geht darum, dass der Mensch lernt, die Potenziale der Technologie zu nutzen, während er sich darüber im Klaren ist, dass Menschen die Technologie kontrollieren und nicht umgekehrt.

„Die Bildung verändert sich historisch, weil sich die Gesellschaft, die Sie bilden, verändert. Um zeitgemäß zu sein, muss jedes Konzept der Bildung auf einer Analyse der gegenwärtigen Bedingungen der Bildung beruhen“ (Hammershøj 2017, S. 24, eigene Übersetzung).

Abschließend lässt sich in diesem Zusammenhang feststellen, dass der Umgang mit digitalen Medien, als ein wichtiger emanzipatorischer Bestandteil von Bildung verstanden werden kann. Digitale Medien sind nicht nur Teil unserer Gesellschaft und Kultur, sondern auch ein Teil der Selbstbildung, durch beispielweise digital gesteuerte gestalterische Prozesse oder Innovationsprozesse.

Der Kreative Mensch

Bildung wird in einer digitalisierten Welt wichtig, da die Grenzen zwischen Menschen und Technologie immer fließender werden. Das bedeutet, dass es wichtig wird, an der Bildung festzuhalten und sich darauf zu beziehen, was es bedeutet, heute Mensch zu sein – in einer digitalisierten Welt.

Kreativität ist hier ein besonders wichtiger Bestandteil. "Die Fähigkeit, kreativ zu denken, wie Sie Probleme lösen, und die Fähigkeit, Ideen in die Welt zu tragen und damit Innovationen zu schaffen, wird in einer digitalen Zukunft von entscheidender Bedeutung" (Hammershøj 2017, S. 25, eigene Übersetzung).

Bei Kreativität geht es darum, das gewöhnliche Denken zu übertreffen und in der Lage zu sein, den kreativen Würfel zu verwirklichen und dadurch eine Idee, eine Erfindung in etwas zu übersetzen, das vielleicht produziert werden kann.

„Das kindliche Spiel ist für die Entwicklung der Kreativität von zentraler Bedeutung. Hier kombinieren wir zunächst verschiedene Domänen. Wir müssen aufpassen, dass wir den Kindern nicht die freie Fantasie nehmen. Denn es stärkt die Kreativität und damit den Bildungsprozess“ (Hammershøj 2019, S. 25, eigene Übersetzung).

Literatur

Bronfenbrenner, U. (1979). The ecology of human development. Cambridge: Harvard University Press.

Hammershøj, L. G. (2019): Lærerens rolle i elevens dannelse. https://emu.dk/grundskole/paedagogik-og-didaktik/dannelse-i-skolen/lars-geer-hammershoj-laererens-rolle-i-elevens (Zugriff: 29.01.2020).  

Hammershøj, L. G. (2017): DANNELSE I EN ROBOTTID.

https://dpu.au.dk/fileadmin/edu/Asterisk/84/Asterisk84-s23-25.pdf (Zugriff: 29.01.2020).

Hammershøj, Lars Geer (2003): Selvdannelse og socialitet. Kopenhagen: Danmarks Pædagogiske Universitets Forlag.

Steiner, G. (2006). Lernen und Wissenserwerb. Pädagogische Psychologie. Lehrbuch. Weinheim: Beltz, 163-202.

Steenblock, V. (2019). Kulturphilosophie: der Mensch im Spiegel seiner Deutungsweisen (Vol. 1). Freiburg im Breisgau: Verlag Herder GmbH.

Von Humboldt, W. (1960). Theorie der Bildung des Menschen. Werke in fünf Bänden, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 235.

Von Humboldt, W. (1987). Ansichten der Natur (Vol. 5). Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Von Humboldt, W. (1903). Theorie der Bildung des Menschen. Bruchstück (1793). Gesammelte Schriften, Bd. I, hg. V.d. Preußischen Akademie der Wissenschaft, Berlin, S. 282-287.

Autorin

Heidi Ingemann Jensen aus Dänemark.

Ausgebildete Pädagogin mit Management-Diplom. Arbeitet seit 13 Jahren als Kitaleitung in Dänemark. In der KLAX- GmbH ist sie angestellt, als pädagogische Bereichsleiterin und verantwortlich für das internationale Konzept.

Heidi Jensen beschäftigt sich leidenschaftlich mit Bildungsbereichen, in denen Lernumgebungen geschaffen werden, die Kinder fit für die Zukunft fit machen. Sie ist überzeugt, dass die Förderung von Kompetenzen des 21. Jahrhunderts nicht erst in der Schule beginnt. Kinder sollten mit Fehlermutigkeit und einer Maker-Mentalität frühzeitig motiviert werden. Digitale Medien kreativ nutzen zu können, sieht Heidi Jensen als Teil der Kompetenzen des 21. Jahrhunderts an. Weiterhin hat Sie bei mehreren großen Konferenzen und Workshops zu diesem Thema präsentiert sowie mehrere Artikel dazu veröffentlicht.

Heidi Jensen betrachtet Spiel, Bildung und Playfull Learning als Grundvoraussetzung für sowohl die kleinen Kinder in Kitas als auch für die Schüler/Innen in der Schule. Die Entwicklung der Lernumgebungen erfolgt durch pädagogische und didaktische Überlegungen, bei denen der spielerische Motivationsansatz einbezogen werden sollte.