Zitiervorschlag

Aus: Bildung, Erziehung, Betreuung von Kindern in Bayern 2000, Jg. 5, Heft 2

Umweltbildung in Tageseinrichtungen für Kinder

Almut Reidelhuber


Umweltbildung ist ein bedeutender Bildungsauftrag für jede Institution: Krippe, Kindergarten oder Hort. Für den Kindergarten sind die Ziele und Inhalte in den Empfehlungen zur Umsetzung der Verordnung über die Rahmenpläne für anerkannte Kindergärten (4. DVBayKiG) benannt (Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit 1997). Unabhängig von diesen Ausführungen gelten für alle drei Institutionen bestimmte Überlegungen, die abhängig vom Alter unterschiedlich gewichtet werden: In den Krippen können die Kinder bei weitem nicht so aktiv teilhaben wie ältere Kinder im Kindergarten oder sogar Schulkinder im Hort. In den Krippen steht die Wahrnehmungsförderung aller Sinne im Vordergrund, im Hort stellen sich die Erzieherinnen auf den zunehmenden Wissensdurst der Kinder ein. Doch bei aller Unterschiedlichkeit sind die folgenden Ausführungen als grundlegende Kernaussagen zur Umweltbildung in Tageseinrichtungen für Kinder zu verstehen.

Umweltbildung steht auf zwei Beinen: Die Betriebsführung und die Pädagogik

Umweltbildung als Schwerpunkt in Kindertagesstätten kann von der umweltfreundlichen Betriebsführung ihren Ausgang nehmen oder von der Pädagogik. Beide Teilbereiche sind in der Praxis häufig miteinander verknüpft: In die Veränderung der Betriebsführung können je nach Situation Kinder eingebunden werden und damit ist die Pädagogik gefragt. Setzt die Umweltbildung bei der Pädagogik an (z. B. in Form von Projekten), so entwickelt sich daraus häufig eine Veränderung der Betriebsführung.

Ein Beispiel:

In diesem Beispiel sind die umweltfreundliche Betriebsführung und die Pädagogik miteinander verzahnt. Das gilt jedoch nicht für jedes Vorhaben. Nicht immer kann die Überprüfung und dann geplante Veränderung der Betriebsführung mit den Kindern erfolgen, jedoch nach Möglichkeit immer unter Einbindung der Elternvertreter und selbstverständlich des Trägers. Pädagogisches Handeln dagegen geschieht immer mit aktiver Beteiligung der Kinder sowie nach Möglichkeit mit deren Familien und kann bis in die Verantwortlichkeiten des Trägers reichen.

Die Veränderung der Betriebsführung kann sich durchaus nach einer systematischen Überprüfung des "Haushalts Kindertagesstätte" entwickeln. Eltern(vertreter) und Teammitglieder können sich zusammentun und die Bereiche ihrer Einrichtung nach umweltfreundlichen Kriterien durchforsten: Büro, Sanitäranlagen, Spiel- und Werkmaterialien, Küchenbetrieb und Ernährung, Energie, Abfall, Wasser, Außenanlagen sowie das Gebäude und seine Ausstattung (vgl. dazu den Fragebogen in: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit [Hrsg.] München 1997).

Umweltbildung beinhaltet immer auch Werteerziehung

Spätestens seit dem Buch von Klaus Meyer-Abich "Wege zum Frieden mit der Natur" (1984) diskutieren Umweltpädagogen den Begriff "Umwelt" kritisch. Viele befürworten den Begriff "Mitwelt", da der gängige Begriff Umwelt ein Bild des Menschen implentiert, das ihn als den Mittelpunkt der Welt ausweist, dem die Ressourcen der Erde voll zur freien Verfügung stehen. Aber tatsächlich ginge es darum, dass sich jeder Mensch in die Natur oder anders ausgedrückt: in die Schöpfung Gottes eingebunden fühlt. Die Menschen sollen sich als Lebewesen verstehen, die vom Wohlergehen ihrer Mitgeschöpfe abhängig sind und ihnen gegenüber fürsorglich und pflegerisch handeln. Darüber hinaus habe jedes Geschöpf - auch ohne dass es den Menschen von Nutzen ist - ein Recht auf sein Dasein.

Ob bewusst oder unbewusst - Gedanken dieser und ähnlicher Art fließen in die Umweltbildung ein. Jede Erzieherin, die Umweltbildung in ihre Arbeit integriert, vermittelt ein Bild des Menschen. Ist es das Bild eines Menschen, der die Natur nach Gutdünken benutzen und ausbeuten kann? Oder steht dahinter der fürsorglich und verantwortungsvoll handelnde Mensch? Diese Fragen richten sich auch auf die ausgewählten Medien. Es kann daher sehr aufschlussreich sein, Materialien zur Umweltbildung - Bilderbücher, Theaterstücke, Erzählungen, z. T. auch Spiele - unter dem Aspekt wahrzunehmen: Welche Botschaft vermittelt dieses Medium? Kann ich sie mit meiner eigenen Überzeugung in Einklang bringen? (Vgl. dazu die Kriterien zur Auswahl von Bilderbüchern in Reidelhuber 2000).

Umweltbildung ist niemals wertfrei zu sehen, vielmehr steht sie ganz bewusst für eine Werteerziehung. Umweltbildung ist daher in ethisches Empfinden eingebunden und eng mit Religionspädagogik verknüpft.

Umweltbildung baut auf Naturerlebnissen auf, kann jedoch auf die Wissensvermittlung nicht verzichten

Umweltbildung mit dem Schwerpunkt Naturnähe ist in den meisten Tageseinrichtungen fest verankert. Ausgesprochen erfreulich ist der Trend, die Außenflächen umzugestalten. Viele Erzieherinnen entwickeln ein großes Engagement, den Garten naturnah, sinnenfroh und - wenn es möglich ist - mit Schonräumen für Kleintiere und Pflanzen umzugestalten. Sie bieten den Kindern damit Möglichkeiten, Natur zumindest in ihrem überschaubaren Garten in vielen, kleinen alltäglichen Situationen wahrnehmen zu können. Die Spiel- und Entdeckerfreuden der Kinder wecken in ihnen eine positive Grundstimmung und sind daher eine nicht hoch genug einzuschätzende Bereicherung. Das gilt auch für viele andere Aktionen, wie z. B. die mehr und mehr beliebten Waldwochen oder ganz einfach der gute Brauch von wöchentlich stattfindenden Ausflügen in naturnahe Umgebungen, egal bei welchem Wetter.

Lustvoll erlebte Aufenthalte im Freien und spannende Beobachtungen über das Leben von Pflanzen und Tieren sind und bleiben die unabdingbare Basis der Umweltbildung. Umweltbildung ist aber auch auf neues Wissen angewiesen. Das gilt für Erwachsene und Kinder gleichermaßen. Dafür sprechen mehrere Gründe:

Umweltbildung ist auf Vernetzungspartner angewiesen

Aus dem bisher Gesagten geht bereits hervor, dass Erzieherinnen verlässliche (und seriöse) Partner brauchen. Bei komplexen Vorgängen können sie sich nicht unbedingt nur auf eine Person verlassen, sondern müssen sich bei anderen Experten rückversichern. Wo können die Erzieherinnen Partner finden?

Als erstes bieten sich womöglich Väter und Mütter an, die in einer bestimmten Sparte tätig sind. Weitere Partner in Sachen Umwelt finden Erzieherinnen in unterschiedlichen Personengruppen, Vereinen, Verbänden, Selbsthilfegruppen oder anderen Organisationen. Dazu zählen:

Energie- bzw. Abfallberater der Kommune, Umweltbildungsstätten, Natur- und Umweltschutzverbände, Verbraucherschutzverbände, Umweltbeauftragte der Kirchen, einschlägige Behörden oder Ministerien, Krankenkassen, spezialisierte Ärzte, Institute für Umweltforschung, ausgewählte Museen und andere Besichtigungsstätten und nicht zuletzt Fortbildungsreferenten sowie Fachliteratur.

Erzieherinnen oder Elternvertreter erkunden vor Ort, was sie wo finden können und wer als Ansprechpartner benannt werden könnte. Eine kleine Auswahl am Beispiel der Stadt München und ihres Umlandes zeigt, wie reichhaltig die Informationsquellen sein können:

Vernetzungspartner finden Erzieher und Erzieherinnen auch in ihrer Lokalen Agenda 21, die sich bereits in vielen Gemeinden etabliert hat. Von ihrem Selbstverständnis her ist diese Gruppe besonders offen für Beiträge aus Kindertagesstätten, und umgekehrt können Erzieherinnen oder Eltern dort Kontakte knüpfen.

Umweltbildung ist ein Grundpfeiler der Agenda 21

Mit der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (Rio de Janeiro 1992) bekam die Umweltbildung einen neuen Impuls. Forderungen zum Umweltschutz werden seitdem mit Fragen zur sozialen und zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung verknüpft. Die drei gleichwertigen Bereiche Ökonomie, Soziales und Ökologie werden dem gemeinsamen Leitziel "Nachhaltigkeit" (sustainable development) unterstellt. Die Umsetzung des Leitziels wird als ein gesamtgesellschaftlicher Lernprozess gesehen, in den alle Bevölkerungsgruppen eingebunden werden sollen. Der Bildung kommt hierbei ein besonderer Stellenwert zu. In den Bildungsprozess sind - laut dem Abschlussdokument der Vereinten Nationen, der Agenda 21 - Kinder und Jugendliche ebenso aktiv einzubeziehen wie Erwachsene. Zur Umweltbildung aufgerufen sind in diesem Sinne alle Bildungsinstitutionen: Kindertagesstätten, Schulen, Einrichtungen der Jugendarbeit und der Erwachsenenbildung. Die Kommunen als die bürgernächste politische Ebene sollen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Agenda 21 zur Seite stehen und ihnen die Öffentlichkeitsarbeit erleichtern.

Tageseinrichtungen für Kinder zeichnen sich dadurch aus, dass sie die drei gleichgewichtigen Bereiche Soziales, Ökonomie, Ökologie ohne weiteres abdecken können:

Erzieherinnen und Elternvertreter können daher zur Forderung der Nachhaltigkeit wesentliches beitragen - am besten mit Unterstützung einer lokalen Agenda 21. Mit den älteren Kindern können sie den Blick bereits auf globale Zusammenhänge richten. Es darum, zu erkennen, dass und wie unser Lebensstil Auswirkungen auf die weltweiten Lebensbedingungen hat. Die Kinder dürfen sich jedoch nicht einer besorgniserregenden Entwicklung hilflos ausgeliefert fühlen. Vielmehr sollen sie erleben, dass sie auf ihr unmittelbares Lebensumfeld Einfluss nehmen können (wie Spielplatzgestaltung, öffentlicher Nahverkehr, Lärmschutzzonen). Der Schlüsselbegriff dazu lautet "Partizipation" (Bartscher 1998). Kinder und Jugendliche sollen ihre Interessen über kindgerechte Gremien in kommunale Entscheidungsprozesse einbringen und somit an der Gestaltung ihrer Lebensumwelt teilhaben. Es gibt bereits in mehreren Gemeinden Deutschlands (z. B. München) Kinderbeauftragte oder "Kinderparlamente", die die Interessen und Meinungen der Kinder aufgreifen und weiterverfolgen. Erzieherinnen können ältere Kinder ermuntern und unterstützen, an dieser Entwicklung aktiv teilzunehmen.

Umweltbildung bezieht sich auf die aktuelle Situation und auf die Zukunft der Kinder

In der Regel entwickeln sich Projekte zur Umweltbildung aus einer aktuellen Situation heraus. Einige Beispiele:

Aus jedem dieser oder ähnlicher Anlässe kann sich ein Projekt entwickeln, das eine Veränderung zugunsten eines gesunden und umweltfreundlichen Lebensstils zum Ziel hat (Reidelhuber 2000). Die Kinder erleben dabei Erwachsene, die sich für eine Verbesserung ihrer aktuellen Lebensbedingungen stark machen, und die sich gleichzeitig für den Erhalt einer gesunden Umwelt einsetzen. Insofern richtet sich Umweltbildung immer auch auf die Zukunft der Kinder. Kinder erkennen das durchaus - auch ohne große Worte - und können daraus Hoffnung für eine lebenswerte Zukunft schöpfen.

Erzieherinnen, die die Umweltbildung ernst nehmen, wissen: Umweltfreundlichkeit hat sehr viel mit Kinderfreundlichkeit zu tun!

Literatur

Bartscher, Matthias: Partizipation von Kindern in der Kommunalpolitik. Freiburg: Lambertus 1998

Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit (Hrsg.): Empfehlungen zur Umsetzung der Verordnung über die Rahmenpläne für anerkannte Kindergärten. München 1997

Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit (Hrsg.): Umwelterziehung im Kindergarten. Gemeinsam geht es am besten. München 1997

Meyer-Abich, Klaus Michael: Wege zum Frieden mit der Natur. Praktische Naturphilosophie für die Umweltpolitik. München, Wien: Hanser 1984

Reidelhuber, Almut: Umweltbildung. Ein Projektbuch für die sozialpädagogische Praxis mit Kindern von 3 - 10 Jahren. Freiburg: Lambertus 2000



In: Klax International GmbH: Das Kita-Handbuch.

https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/bildungsbereiche-erziehungsfelder/naturwissenschaftliche-und-technische-bildung-umweltbildung/149/