Zitiervorschlag

Resilienz praktisch

Barbara Perras

 

Was ist Resilienz?

"- Resilienz ist die Fähigkeit, Ihren Kummer zu kanalisieren, statt zu explodieren.
- Resilienz ist die Fähigkeit, negative Gefühle in positive Emotionen umzugestalten.
- Resilienz ist die Fähigkeit, sich zu wehren.
- Resilienz ist die Fähigkeit, Schwierigkeiten zu meistern.
- Resilienz ist die Fähigkeit, Rückschläge auszuhalten.
- Resilienz ist die Fähigkeit, die Wunden der eigenen Seele zu heilen.
- Resilienz ist der Wille zu überleben.
- Resilienz ist die Disziplin, Herausforderungen anzunehmen.
- Resilienz führt schließlich dazu, dass Sie am Morgen im Spiegel Ihr fröhliches und kein verbittertes, trauriges oder zorniges Ich sehen" (Doubek 2003, S. 18).

Eigenschaften, die stark machen

Beziehungsfähigkeit
Eigenantrieb
Glaube
Hoffnung
Selbständigkeit
Fantasie
Kreativität
Unabhängigkeit
Distanz
Humor
Kraft
Entschlossenheit
Verantwortungsbewusstsein
Aufrichtigkeit
Mut
Einsicht
Reflexion

(vgl. Doubek 2003)

Wie können wir diese Eigenschaften im Kindergartenalltag fördern?

Der Übergang von der Familie in den Kindergarten ist geglückt, wenn es dem Kind gelingt, zu seiner neuen Bezugsperson, der Erzieherin (oder anderen Mitarbeiterinnen), eine stabile Beziehung aufzubauen und ihr Vertrauen zu schenken. Die Art und Weise, wie dieser - in der Regel erste - Übergang erlebt wird, bilden die Basis für weitere Übergänge. Resiliente Kinder bewahren sich ein gesundes Bedürfnis nach Zuneigung, Bestätigung und positiven Gefühlen und verstehen es, dieses Bedürfnis zu befriedigen (vgl. Doubek 2003, S. 70).

In seltenen Fällen sucht das Kind eine enge Bindung zu einem Geschwister, welches auch die Gruppe besucht, oder einem Freund, welcher idealer weise älter sein sollte. Problemkinder schließen sich oft Gleichaltrigen an, über deren Modellfunktion ihnen ebenfalls engerer Kontakt zu Erwachsenen gelingt. Dadurch erreichen auch sie die Bestätigung, liebenswert und liebesfähig zu sein. Wenn Kinder sich öffnen und es riskieren, sich auf andere Beziehungen einzulassen, schaffen sie sich damit die Möglichkeit, ihr Selbstbild positiv zu korrigieren (Doubek 2003, S. 67). Nur aus der Gleichaltrigengruppe Anerkennung zu finden entspricht nicht diesem Entwicklungszeitraum; Empathie unter altershomogenen Kindern ist im Kindergartenalter kaum möglich.

Die Befriedigung von Körperkontakt und des Wunsches nach einer stabilen "Freundschaft" kann ein Kind aus einem ungünstigen Umfeld auch durch ein Haustier bekommen. Ein Tier vermittelt das Gefühl, dass es für das Kind da ist und zuhört, aber auch, dass es das Kind braucht und dass das Kind Verantwortung für das Tier trägt. "Tiere können eine große und heilsame Rolle bei seelischen Belastungen und Problemen spielen" (Doubek 2003, S. 69).

Egal ob Erwachsener, Kind oder Tier, im Laufe der Zeit ist es wichtig, dass das Kind erfährt, dass es sich selbst jemand gesucht hat, d.h. dass es die Lösung seiner Probleme selbst gemeistert hat und nicht passiv auf Hilfe gewartet hat. Eine Beziehung einzugehen und Hilfe zuzulassen ist die Eigentätigkeit eines Kindes. Auf solche Erfahrungen kann es später zurückgreifen. Resiliente Kinder werben aktiv um Bindungen; sie suchen sich sorgfältig aus, wen sie an sich heranlassen, und falls sie in gestörten Familienbeziehungen leben, versuchen sie, diese durch gesunde Bindungen zu ersetzen. Eine Erzieherin mit "Helfersyndrom" - ohne gesundes Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen - kann in diesem Fall eher schaden als helfen, sie wird kein ideales Vorbild sein können. Die Abwechslung zwischen Nähe und Distanz muss sie sachlich und pädagogisch betrachten können, ohne jedoch das Gefühl einer unechten Nähe zu vermitteln. Distanz bildet eine ausgezeichnete Basis für ein selbst bestimmtes Verhältnis und schützt vor wiederholten Enttäuschungen.

Auch Humor bedingt eine gewisse Distanz zu dem, was wir erleben. "Wenn wir etwas zum Lachen finden, ist es kleiner als wir selbst, schwächer als wir selbst und bedeutungsloser als wir selbst. Und genau das ist die Basis, auf der Humor zu einer resilienten Eigenschaft wird. Er lässt uns die Dinge nicht nur mit Distanz, sondern auch noch aus einer überlegenen Perspektive betrachten" (Doubek 2003, S. 115). Resiliente Kinder begegnen ihrem Kummer mit einem Lachen und mildern so ihren Schmerz. Humor verhindert, dass sie in ihrer Betrachtungsweise verharren und erstarren und ermöglicht ihnen, eine so weit entfernte Perspektive einzunehmen, dass die Ereignisse viel kleiner erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind.

Resiliente Kinder behaupten selbständig und eigen angetrieben ihre eigenen Rechte und setzen sie durch. Damit meistern sie Schritt für Schritt Situationen und ihre Umwelt. Sie folgen ihrer kindlichen Neugierde. Neue und schwierige Herausforderungen anzunehmen gibt ihnen zunehmend mehr Selbstbewusstsein und Stabilität. Leider führt die eigene Messlatte nicht selten zu Perfektionismus (Doubek 2003 , S. 80).

"Über mathematische Inhalte und Gesetzmäßigkeiten können Kinder die Erfahrung von Beständigkeit, Verlässlichkeit und Wiederholbarkeit machen. Diese Erfahrung von Stabilität ist gerade für sozial benachteiligte Kinder wichtig für die eigene psychische Stabilisierung" (Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung 2003, S. 168).

Erfahrungen mit Mathematik und Naturwissenschaft, wie im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan (BEP) empfohlen, können neue und große Sicherheiten vermitteln (Perras-Emmer o.J.a); aber neben dem Perfektionismus bergen die positiven Erlebnisse die Gefahr, arbeits- oder leistungssüchtig zu werden. Maria Montessori schreibt, dass große Konzentration dem Kind ermöglicht, sich zu "normalisieren" - jedoch nur, wenn das Kind sich von sich selbst weg intensiv mit einer Sache einlassen kann und die gewonnenen Erkenntnisse wieder auf sich zurück bezieht, um sie in alle Wesensbereiche zu integrieren. Sie meint, dass positive Konzentrationserlebnisse nicht nur Einfluss auf die Leistungsmotivation, sondern auch auf das Selbstbild des Kindes und dessen Sozialverhalten nehmen. Aufgaben, denen sich das Kind gewachsen fühlt, können Angst- und Ohnmachtgefühle erheblich lindern.

Glaube und Hoffnung schützen resiliente Kinder davor, Situationen passiv zu ertragen; sie werden vielmehr im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst aktiv, um ihre Lage zu verbessern.

Resiliente Kinder sind unabhängig von äußeren Bewertungen. Sie verlassen sich auf ihr gutes Gefühl, wenn "der Weg das Ziel" ist. Sie erleben ihre Lebendigkeit im Sein anstatt Starrheit im Besitz und in der Form des Habens. Der Erzieher unterstützt diese Unabhängigkeit und Selbständigkeit, indem er Materialien anbietet, welche

Gleichzeitig lobt er nicht Selbstverständlichkeiten im sozialen Handeln des Kindes und verlässt sich auf die Eigenorganisation der Gruppe. Das Kind möchte als soziales Wesen zur Gruppe gehören und die Verantwortung dafür selbst übernehmen. Resiliente Kinder begegnen Problemen entschlossen und verantwortungsbewusst; sie verfügen über ein Kraftpotenzial, das durch die gestellten Aufgaben wächst, so wie Muskeln wachsen, wenn sie regelmäßig trainiert werden (vgl. Doubek 2003, S. 87). "In jedem Menschen ist ein bestimmtes Maß an innerer Kraft angelegt. Wie und ob diese Stärke genutzt wird, ob sie brach liegt oder als Basis für Entwicklungen dient, hängt vom jeweiligen Lebensweg und den damit verbundenen Aufgaben ab. Mit den gestellten Anforderungen ist auch verknüpft, wo die Schwerpunkte des jeweiligen Kraftreservoirs liegen. Auf dieser Basis reift zunächst unbewusst und mit steigendem Alter immer bewusster eine Entschlossenheit, die gestellten Lebensaufgaben anzugehen und zu meistern" (a.a.O., S. 88).

Diese Aussage bedeutet nicht, dass grobem Störverhalten des Kindes keine Grenzen gesetzt werden. Regeln und Grenzen sind bekannte Abmachungen und keine willkürlichen Strafen. Sie setzen das Kind nicht herab und verletzen nicht. Gleichzeitig sollte bei allen Konsequenzen das Kind niemals aus der Gruppe ausgeschlossen werden.

Resiliente Kinder versuchen nicht, Verletzungen und unglückliche Emotionen zu verdrängen oder die Vergangenheit zu idealisieren. Mutig und aufrichtig stellen sie sich ihren traurigen, wütenden und ängstlichen Emotionen und verdrängen diese nicht ins Unterbewusstsein, wo sie in der Regel keine Ruhe geben. Sie trauen sich selbst zu, ihre wahren Gefühle auszuhalten und ihre wirklichen Bedürfnisse zu begreifen. Sie erkennen Schutzbehauptungen und Selbstbetrug und durchschauen, warum sie diese erzählen und aufbauen. Sie geben falsche Hoffnungen auf, lernen zu trauern, zu vergeben und damit schließlich zu heilen, und akzeptieren sich so, wie sie sind (Doubek 2003, S. 95).

Resiliente Kinder entziehen sich durch ihre Kreativität oft der unerträglichen Realität und vermeiden für eine Weile Gefühle von Einsamkeit, Angst, Wut, Ohnmacht, Verwirrung und Verzweiflung:

Die Kinder haben für die Dauer ihres Spiels die Macht über das, was geschieht. Sie können gefahrlos ausprobieren, wie sie ihre Welt so gestalten können, dass sie ihnen weniger Kummer und Schmerzen bringt. Sie verschaffen sich Unabhängigkeit und vermindern Hilflosigkeit, mit der sie alltäglichen Gegebenheiten ausgeliefert sind.

Förderbereiche im Kindergarten

Selbstwertgefühl

Ein gutes Selbstwertgefühl ist die beste Voraussetzung, um das Leben zu meistern. Ein Kind, das seinen eigenen Wert kennt und davon überzeugt ist, wertvoll zu sein, ist weniger auf äußere Anerkennung angewiesen. Es traut sich zu, Konflikte zu bewältigen, seine Meinung frei zu äußern und "Nein" zu sagen, wenn es "Nein" meint. Deshalb muss es die Erfahrung machen, dass es geliebt wird, einfach nur, weil es da ist, und nicht um seiner Leistungen und Fähigkeiten wegen. Es kennt seine Stärken und Schwächen und lernt damit umzugehen. Abwertende Kritik wird vermieden. Ein Kind, das sich angenommen fühlt, kann auch andere annehmen. Und geliebte Kinder werden liebende Kinder.

Eigenwillen und Eigensinn

Diese Eigenschaften haben in unserem Sprachgebrauch eher einen negativen Beigeschmack. Sie klingen wie trotzig, dickköpfig, widerspenstig, störrisch, stur und bockig. Beide entwickeln sich in der so genannten "Trotzphase" eines Kindes, wenn das Kind sein eigenes Ich entdeckt.

Eigenwillen darf nicht mit Ungehorsam verwechselt werden: Er bedeutet die gesunde Fähigkeit eines Menschen, seinem Leben einen eigenen Sinn, ein Lebensmuster, eine Identität zu geben, um sie nicht in Äußerlichkeiten suchen zu müssen. Es ist normal, dass Kinder zunächst einmal von sich selbst ausgehen und alles auf sich bezogen sehen. Welchen Maßstab sollten sie sonst ansetzen? Andere Standpunkte werden dann in Relation gesetzt und mit den eigenen verglichen. Kinder, deren Eigensinn verloren ging oder die ihn aufgeben mussten, müssen sich an Ersatzlösungen krampfhaft festhalten und werden fremde Meinungen kaum akzeptieren können, während eigensinnige Kinder eher Empathie entwickeln.

"Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" heißt es in der Bibel, nicht: Liebe Dich wie Deinen Nächsten oder liebe Deinen Nächsten mehr als Dich selbst. Der Bezug zum Eigenen ist auch hier festgelegt. Eigenwillen des Kindes wird dann gefährlich, wenn der Erwachsene sich selbst dabei aufgibt, wenn er nicht Nein sagen kann, wenn er Nein meint.

Gefühlsbewusstsein

"Der Begriff 'Gefühlsbewusstsein' musste erfunden werden, um in einem Wort das auszudrücken, was für jeden Menschen so wichtig ist: Sich seiner Gefühle bewusst zu sein" (Hillenberg/ Fries 1998).

Kinder brauchen Gelegenheit, ihre Gefühle erleben, ausdrücken und ausleben zu können. Erwachsene sollen (und können) nicht abschätzen, wie schlimm eine Situation für das Kind ist. Sie dürfen nicht bewerten oder ablenken, sondern müssen akzeptieren und begleiten. Ein Kind darf den Glauben an die Berechtigung seiner Gefühle nie verlieren. Erwachsene können ein Klima von Gefühlsoffenheit schaffen, in dem gute und schlechte Gefühle zugelassen werden, und offen und ehrlich zu ihren eigenen Gefühlen stehen.

"Die Fähigkeit, sich seiner eigenen Gefühle bewusst zu sein und die der anderen zu respektieren, ist ein wirksames Mittel gegen Sucht und Drogen," aber auch gegen Gewalt (Hillenberg/ Fries 1998, S. 87).

Eigenaktivität und Selbsttätigkeit

Diese können sich nur entwickeln, wenn Langeweile zugelassen wird. Aus einem leeren Moment kann wieder etwas Neues und Sinnvolles entstehen. Antriebskraft von innen macht unabhängiger von außen. Kinder spielen um des Spielens willen. Im freien, vom Kind selbst ausgehenden Spiel bringt sich das Kind ganz ein und schöpft aus seinem inneren Reichtum. Selbsttätigkeit ist die intensivste Form, sich Erfahrungen anzueignen, weil sie alle Sinne anspricht. Kinder müssen Wirklichkeit spüren, Ereignisse nachvollziehen, Zusammenhänge selbst entdecken können, um so die Welt für sich selbst aufbauen und verstehen zu können. Erwachsene nehmen Eigenaktivität ernst, wenn sie

Gesprächsbereitschaft

Dies bedeutet, miteinander zu reden und zuzuhören. Gesprächsbereitschaft kann Missverständnisse beseitigen, bevor Probleme daraus werden. Zuzuhören hat vor allem mit der eigenen Persönlichkeit und der inneren Haltung zu tun, weniger mit einer erlernbaren Technik. Es bedeutet da zu sein, sich auf den anderen einzustellen, ihn ernst zu nehmen und die Dinge mit seinen Augen zu sehen - kurz: ihn zu respektieren und ihn so zu nehmen, wie er ist.

"Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war ganz und gar einmalig. Momo konnte zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte, nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit ganzer Aufmerksamkeit und voller Anteilnahme." "Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden" (Michael Ende, zitiert nach Hillenberg/ Fries 1998, S. 110).

Kinder werden gesprächsbereit, wenn

Selbständigkeit

Dieser Begriff kommt von selber stehen können. So wie Eltern und andere Erwachsene sich zurückhalten können, einzugreifen, wenn das Kind stehen und laufen lernt, können sie sich später im Hintergrund halten, wenn es um andere Fähigkeiten des Kindes geht.

In den ersten Lebensjahren macht ein Kind unzählige selbständige und eigenverantwortliche Entwicklungsschritte wie lächeln, krabbeln oder sitzen, ohne dass ihm diese von außen beigebracht werden mussten. Das Kind folgt einem inneren Bauplan (Maria Montessori). Der Erzieher muss diesen Bauplan kennen, um ein Kind optimal begleiten zu können. Er muss so viel Freiraum wie möglich gewähren und so viele Grenzen wie nötig setzen, damit das Kind sich innerhalb unserer sozialen Gemeinschaften selbständig entwickeln kann. Eltern und Erzieher können die Entwicklung auf keiner Ebene beschleunigen. "Was auch immer man als Erwachsener tut, man kann Lernerfolge der Kinder nicht erzwingen" (Spiegel/ Selter 2004, S. 27). Aber der Erzieher kann auf jedes "ich selber" des Kindes hören, nie etwas für das Kind tun, was es selbst tun kann und tun will, und ihm Vertrauen schenken.

Selbstvertrauen und Eigenverantwortung

"Selber schaffen schafft Selbstvertrauen" (Hillenberg/ Fries 1998, S. 96). Selbstvertrauen entwickelt sich aus Selbsttätigkeit, Eigenaktivität und Selbständigkeit. Kinder fassen Mut, wenn wir ihnen helfen, ihre Stärken zu erkennen. Sie werden entmutigt, wenn sie ständig an ihre Schwächen erinnert werden. Leider arbeiten wir immer noch zu sehr Defizit orientiert. Wir suchen das, was fehlt, statt zu sehen, was bereits vorhanden ist. Jeder Fehler bedeutet eine Lernchance. "Wir können nicht lernen, wenn wir keine Fehler machen dürfen. Die Angst vor Fehlern hindert uns daran, Neuland zu betreten" (Spiegel/ Selter 2004, S. 37). Wenn Fehler zu machen erlaubt und erwünscht ist, übertragen wir einen Teil der Verantwortung für das Lernen dem Kind selbst.

Konfliktfähigkeit

Dies bedeutet streiten zu können, Konflikte auszutragen statt zu verdrängen. Soziale Gemeinschaft erfordert Auseinandersetzung - mit mir selbst und mit den Bedürfnissen, Gefühlen und Interessen anderer. Konflikte sind nicht Negatives, denn Menschen, die sich streiten, sind sich niemals gleichgültig.

Können Kinder ihre Streitigkeiten alleine austragen, entwickeln sie gleichwertigere und gerechtere Beziehungen untereinander. Hat ein Kind gelernt, eigenverantwortlich Konflikte zu lösen, wird es unabhängiger von Erwachsenen und von Scheinlösungen. Erzieher müssen mehr Energie dafür einsetzen, Streit auszuhalten statt zu vermeiden, auf Distanz gehen und erkennen, dass Einmischung die Glut schürt und die Fronten verhärtet.

Fantasie und Kreativität

Gemeint sind hier Vorstellung(skraft), die Fähigkeit, sich in Gedanken etwas auszumalen, zu erfinden, und die Fähigkeit, Neues zu entwickeln, schöpferisch tätig zu sein. Fantasie kann auch das Gedankengebäude meinen, das erfunden ist. "Kreativität zeigt sich nicht im 'schönen' Endprodukt, sondern im Tun, im Handeln, im Erlebnis" (Hillenberg/ Fries 1998, S. 97).

Je mehr und je vielfältiger die Sinneserfahrungen in der Kindheit sind, umso beweglicher ist die Fantasie. Viele lebendige innere Bilder können entstehen, die uns auch dann (innere) Beweglichkeit und Freiheit vermitteln, wenn die äußere Beweglichkeit vorübergehend eingeschränkt ist, z.B. im Schulunterricht, im Wartezimmer usw. Das bedeutet vor allem, dass Sitzen nicht durch Sitzen gelernt wird, sondern durch einen im Spiel trainierten Körper mit Gelenkigkeit und kraftvollen Muskeln und einer lebhaften Fantasie aufgrund intensiver Erfahrung aller Sinne. Äußere Wahrnehmungsimpulse sind Anlässe für die Erschaffung eigener Wirklichkeiten und inneres Erleben: Kreieren heißt erschaffen. Mit jedem neuen Impuls können wir unsere Ein-Sicht frei wählen; damit öffnen wir große Spielräume für Kreativität. Sinneserfahrung darf nicht auf das Kinderzimmer beschränkt sein: Kochen, Gartenarbeit, Beeren und Pilze suchen, Einkäufe auf dem Markt oder beim Gärtner gehören auch dazu.

Leider wird Kreativität in vielen Rahmenplänen nur im Bereich der Feinmotorik bzw. des Bastelns erwähnt. Hier arbeiten die Kinder meist mit Schablonen und können ihr Werk kaum von dem anderer Kinder unterscheiden. Sie lernen so, dass Uni-Form Sicherheit bietet: nur nicht auffallen = zur Gruppe gehören. Ihre eigene Wahrnehmung wird zugunsten anderer Maßstäbe zurückgestellt; viele zweifeln dann die eigene Wahrnehmung an und wollen nicht mehr frei malen. Selbstbewusste Kinder erkennen ihr "Schablonen-Ding" nicht mehr und bemühen sich, es individuell zu markieren.

Erlebnisfähigkeit - Gleichgewicht und Wandel

Kinder brauchen eine eigene aktive Spiel- und Erlebniswelt mit eigenen Geheimnissen und Freiräumen, um die Welt mit allen Sinnen erleben und genießen zu können. Gemeinsame Erlebnisse sind verbindend, wenn sie allen Spaß machen und keiner mitmachen muss. Sie brauchen aber auch Erwachsene, die sich über alltägliche Dinge freuen, sich von echten Erlebnissen mitreißen lassen, eigene Hobbys und Interessen pflegen und das Leben mit allen Sinnen genießen. Kinder orientieren sich an ihren Vorbildern!

Erlebnissituationen sollten zunächst einen hohen Anteil an Bekanntheitsmomenten haben, damit sich neue Elemente leichter einführen lassen. Zu wenige neue Impulse können zur Stagnation führen, zu viele zu einem Abbruch der gemeinsamen Tätigkeit.

Regeln bieten Stabilität, Orientierung und Sicherheit - Zufall vermittelt Lust und Anreiz, aber auch Labilität. Ziel ist es, ein Gleichgewicht zu finden zwischen Stabilität und Labilität, zwischen dem Individuum und der Gruppe (Perras-Emmer o.J.b).

Freispiel

"Denn, um es endlich einmal heraus zusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt" (Friedrich Schiller, zitiert nach Schiffer 1997, S. 13).

Freispiel bedeutet, dass die eigene Motivation im Spiel umgesetzt wird. Dass das Kind die Fähigkeiten, die in ihm schlummern, ausprobiert, ohne fremden Interessen oder Weisungen zu folgen. Es findet und verwirklich sich selbst im Spiel. Freies Spiel ist spontan, zweckfrei, konkret in der Handlung, subjektiv und zeitlos.

Unser traditionelles Raumteilverfahren (nach Schnaus-Schoerl) im Kindergarten verfolgt bereits die Fremdbestimmung der Kinder, sich in entsprechend große Kleingruppen aufzuteilen: Vier Kinder dürfen in die Bauecke, drei in die Puppenecke usw.

Kinderzeichnung

"Das Absterben der Kinderzeichnung ist vielleicht einer der frühsten Beweise für eine allgemeine Selbstentfremdung, das heißt Degenerationserscheinung im Leben des modernen Menschen" (Hans Meyers, zitiert nach Schiffer 1997, S. 31).

Beim Kind steht noch der Prozess, die Gestaltung des Bildes im Vordergrund, nicht das Endprodukt. Die Gestaltung des eigenen Ausdruckes hat etwas Eigensinniges, das kein anderer beurteilen kann und darf. Durch Beurteilung, Belehrung, Selektion und Vergleich werden Kinder beschämt und entmutigt, so dass sie jede Freude daran verlieren, sich künstlerisch auszudrücken. Sie schämen sich ihrer Empfindungen und ihrer Fantasie. Durch die schöpferische Pflege der Entfaltung des Malens erlebt sich das Kind als (eigensinnig) akzeptiert und kann dadurch auch den Eigensinn anderer leichter akzeptieren. Bilder stellen etwas sehr Eigenes dar.

Leider wird der Rahmen meist so eng vorgegeben, dass kein Freiraum mehr für eigenes Gestalten bleibt. "Als Ergebnis hängen dann 25 einander sehr ähnliche Bilder an der Wand. Diese lassen sich zwar wie Diktate und Mathematikarbeiten leichter vergleichen und zensieren, die lustvolle Erfahrung am Eigensinn, die lustvoll erlebte Unterscheidbarkeit findet nicht statt. Die Kinder sagen dann nicht mehr: "Guck mal, das ist mein Bild!", sondern "Mein Bild ist besser".

Ein aus freier Gestaltung heraus unterscheidbares Bild meint also zweierlei:

Psychomotorische Förderschwerpunkte

Bewegung

Bewegung als "Tor zum Lernen" hat grundlegende Bedeutung. Mit ihr werden Sinneswahrnehmungen ermöglicht, überprüft und verglichen. Über Bewegung erlebt das Kind Selbstwirksamkeit als Baustein der Persönlichkeitsentwicklung. Entwicklung ohne Bewegung ist nicht möglich.

"Anfang der sechziger Jahre setzte ein Forschungsteam der University of California in Berkeley unter der Leitung von Mark Rosenzweig und Marion Diamond einige sehr junge, genetisch identische Versuchsmäuse aus ihren komfortablen Käfigen in wesentlich größere bequeme Käfige um. Andere gleichaltrige Mäuse ließen sie in ihren kleineren Käfigen. Alle paar Tage gaben sie ein neues kleines Trainingsgerät für Mäuse in die größeren Käfige - Laufräder, Tunnels, Rampen zum Klettern und dergleichen. Beide Mäusegruppen hatten ein großartiges Leben - mit einer Menge Futter, Wasser und sauberen Käfigen. Aber die Gruppe mit der 'bereicherten Umgebung', die täglich eine Menge neuer Geräte zum Ausprobieren und Spielen bekam, experimentierte ständig und war dauernd in Aktion.

Nach einigen Wochen, als die Mäuse den Zeitpunkt ihrer Pubertät erreicht hatten, wurden die Gehirne aller Mäuse in beiden Käfigen gemessen, gewogen und miteinander verglichen. Ihrer Voraussage entsprechend fanden Rosenzweig und Diamond heraus, dass die Gehirne der Mäuse, die ständig neu stimuliert worden waren, schwerer waren und mehr Vernetzungen und höhere Konzentrationen an Neurotransmittern zur Stimulierung beziehungsweise Hemmung der zerebralen Aktivität entwickelt hatten. Die Tiere hatten sich die ganze Zeit mit ihren Trainingsgeräten beschäftigt und ständig neue Verwendungsmethoden erfunden. Diese geistige Aktivität stimulierte das Wachstum neuer Gehirnzellen und veranlasste die Mäuse zudem zu vermehrter körperlicher Aktivität, die ebenfalls das Wachstum des Gehirns fördert.

Weiterhin bestätigten das Forscherteam der University of California und später eine Forschergruppe der University of Illinois, dass die Gehirne geistig aktiver Mäuse nicht nur ein dichteres Netz von Neuronen entwickelten, sondern auch weniger Zeit zur Lösung von Problemen - beispielsweise zum Finden des Weges durch ein Labyrinth - benötigten. Es handelte sich hierbei natürlich nur um Mäuse, aber es ist erstaunlich, wie wenig sich die menschliche DNS von der einer Maus unterscheidet" (Bradgon/ Gamon 2002, S. 7f.).

"Die oben beschriebenen Versuchsmäuse in der 'bereicherten Umgebung' hatten 4000 neue Neuronen im Hippocampus entwickelt, im Verhältnis zu 2400 neu herausgebildeten Neuronen in der Kontrollgruppe von Tieren ohne Trainingsgeräte. Dies fügt sich gut in die aktuelle Forschung, die ergeben hat, dass ein junges Gehirn auf eine umfangreiche 'Datenbank' von Neuronen zurückgreifen kann, um das Bedürfnis nach dem Erwerb neuer Fertigkeiten zu erfüllen" (Bradgon/ Gamon 2002, S. 9).

Wahrnehmen

Dies bedeutet Informationsgewinnung und -verarbeitung von Reizen aus der Umwelt und dem Körperinneren, die auf unsere Sinnesorgane einwirken:

Auslösen von Empfindungen > Bewertung derselben > Wahrnehmung

Die Entwicklung der Empfindungen erfolgt von den körpernahen Sinnen zu den körperfernen Sinnen, weil erstere für das Überleben des Kindes wichtiger sind. Reize können zu schwach sein, um eine Empfindung hervorzurufen, d.h., Reize müssen eine bestimmte Stärke aufweisen, damit Wahrnehmung stattfinden kann.

"Wichtig ist hier zu erwähnen, dass unser Nervensystem nur auf Veränderungen reagiert. Ein ständig gleich bleibender Reiz ist bald keiner mehr, es fehlt die neuronale Wechselwirkung und damit bald die Wahrnehmung. Wir spüren die Geschwindigkeit beim Autofahren nur beim Anfahren und Bremsen, nicht aber bei gleichmäßiger Fahrt" (Zinke-Wolter 1994, S. 204).

Entwicklung der räumlichen Wahrnehmung: Das Kind glaubt, dass die Dinge tatsächlich so groß bzw. klein sind, wie sie aussehen. Später entdeckt es die tatsächliche Größe der Dinge, wenn es zu ihnen hingehen kann. Mit vier Jahren ist das Tiefen- und Entfernungssehen dem des Erwachsenen bereits sehr ähnlich.

Die optische und akustische Wahrnehmung: Diese verläuft bis zum Schulalter ganzheitlich. Erst später können bekannte Dinge in Details zerlegt werden.

Die Entwicklung der zeitlichen Wahrnehmung: Im Alter von drei Jahren kennt das Kind Vergangenheit, mit fünf Jahren Wochentage und Jahreszeiten, mit sieben Jahren Monate und Uhrzeit.

Erleben mit allen Sinnen

Kinder erfahren über die Sinne die Welt und entwickeln dabei ihre Bilder von der Welt. Bei Fertigprodukten wie z.B. Kuchen aus der Kühltruhe erhalten Kinder keine "Nahrung" für ihre Sinne - wie beim Teigkneten, Ausrollen, dem Backduft Riechen und dem Warten, bis der Kuchen endlich kalt ist (vgl. Zimmer 2001, S. 38). Ihre Bedürfnisse in allen Sinnesbereichen werden gestillt durch Überbetonung in einem Bereich wie z.B. durch starkes Süßen oder Salzen oder auch durch übermäßiges Essen, was zu Übergewicht oder Essstörungen führen kann.

Dass sich Kinder mit allen Sinnen in die Welt einlassen, ist für Erwachsene oft schwer verständlich. Das Matschen in einer Pfütze ist nicht nur ein sinnliches Vergnügen, sondern auch mit elementaren Fragen verbunden: "Was ist unter dem Wasser? Sinkt der Fuß immer tiefer und tiefer in die matschige Schlammschicht oder kommt er irgendwann auf festen Grund? Wenn man die Pfütze mit Erde auffüllt, verschwindet dann das Wasser oder vertreibt man es? Wie tief kann man in die Pfütze hineinwaten, ohne dass Wasser in die Stiefel hineinläuft - und was passiert, wenn das Wasser 'überläuft'? Ist die Pfütze jetzt im Stiefel? Wie viel Wasser bleibt drin, wie viel draußen?

Solche Fragen entstehen beim Spiel; sie lassen sich nur beantworten, wenn man ausprobiert und experimentiert. Erwachsene würden hierbei nur stören, denn ihnen wäre der Sinn des Spiels mit Wasser, Erde und Schlamm nicht einsichtig. Sie interessieren weniger die hier gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse, ihre Sinne sind vielmehr auf die Wahrnehmung der Hygiene, der Sauberkeit, der möglichen Gefahren durch Bakterien, Kälte und Nässe ausgerichtet. Sinnliche Wahrnehmung ist also durchaus subjektiv, und oft nimmt jeder an einer Begebenheit Beteiligte die Situation aus einer anderen Perspektive, mit einer unterschiedlichen Bewertung wahr" (Zimmer 2001, S. 39).

Wahrnehmungserlebnisse mit den körpernahen Sinnen wie Tasten, Propriozeption (Druck und Zug auf Muskeln, Sehnen und Gelenke), Gleichgewicht, Schmecken und Riechen bleiben nachhaltig im Unterbewusstsein hängen. Hier nehmen sie Einfluss auf spätere Erfahrungen und helfen dem Kind, sein Wissensnetz zu knüpfen.

Am literarischen Huckleberry Finn wird aufgezeigt, dass ein Erleben der Welt mit allen Sinnen "- die Erfahrung der eigenen 'Kompetenz' - eine fehlende Geborgenheit zum Teil ersetzen kann. Nicht vollständig natürlich, aber Zutrauen in die Welt kann auch auf diese Weise erworben werden" (Schiffer 1997, S. 18f.).

Natur

Wald, Wiesen, Brachland, Hügel, Bäume, Felsen, Steine, Wasser in Pfützen, Bächen oder Teichen, Pflanzen und Tiere sind der ideale Spielort der Kinder. Hier können sie sich mit den Gesetzmäßigkeiten der Natur auseinander setzen, sich anpassen, anstrengen, verausgaben. Das Kind kann auf die Welt einwirken, und die Welt wirkt auf das Kind ein, indem sie zum Tun anregt.

Freunde - andere Kinder

Kinder brauchen Kinder, um soziales Verhalten, wie nachgeben und sich behaupten, sich streiten und versöhnen, sich durchsetzen und unterordnen, zu lernen. Die Kinder setzen sich mit ihren Spielpartnern auseinander, übernehmen Rollen, handeln Spielregeln aus und verhalten sich danach. Bewegungsangebote und -spiele eigenen sich in Kindergartenalter besonders gut, um diese Ziele zu verwirklichen.

Entscheidungsspielräume

Es ist wichtig, Kindern zuzutrauen, dass sie ein Problem selbst meistern und Lösungen selbständig finden können. Was für Erwachsene auf den ersten Blick banal und im Kindergartenalltag sehr zeitaufwändig erscheint, ist der erste große Schritt zur späteren Konfliktbewältigung. Die Lernerfahrungen aus der Kindheit spielen eine entscheidende Rolle bei der Art und Weise, wie das Kind später mit Problemen umgeht und wie es die Schwierigkeiten überwindet.

Erzieherverhalten

Annahme und "sich erfüllende Prophezeiung"

Es ist eines jener einfachen, aber wunderschönen Paradoxe im Leben: Wenn ein Mensch fühlt, dass ihn ein anderer wirklich annimmt, wie er ist, dann ist er frei geworden, sich von dort aufzumachen und mit der Überlegung zu beginnen,

Häufige Misserfolge bergen die Gefahr, dass eine negative Vorstellung von der eigenen Person aufgebaut wird. Dies geschieht beim Kind zum Teil unbewusst. Wird es von Spielkameraden und Erwachsenen als langsam, ungeschickt usw. eingestuft, so erlebt es sich selbst als Versager. Es kann mit Resignation und Rückzug reagieren, aber auch mit Aggression. Dadurch versucht es, seine Unterlegenheit durch körperliche Angriffe auf andere zu kompensieren (vgl. Zimmer, S. 16f.).

Erzieher sind oft unzufrieden mit "unvollkommenen Menschen" - Eltern wollen nur das Beste für ihr Kind. Kinder sind sensibel und nehmen die Enttäuschungen von Erwachsenen wahr, bevor diesen ihre Gefühle selbst bewusst werden.

Echtheit und Klarheit

Der kritische Erzieher bildet sich eine eigene Meinung, welche mit seinem Inneren im Einklang ist und ihm äußere Unabhängigkeit bewahrt. Lebendigkeit und der Zugang zu den eigenen Gefühlen müssen in allen Lernzielbereichen Anwendung finden. Die Persönlichkeit des Erziehers, seine Wertvorstellungen und seine Haltung als unabhängiges Selbst ist beständig und nicht aufteilbar nach Lernzielbereichen. Echtheit bildet die Basis für offene Kommunikation und Kreativität und ermöglicht dem Erzieher, Ich-Botschaften mit folgender Wirkung zu senden:

Klarheit über das, was der Erzieher fühlt, was er davon bewusst erlebt und davon nach außen mitteilt, ist die Basis für echtes, persönlichem Empfinden entsprechendes Verhalten. Damit ermöglicht er den Kindern und sich selbst für beide Seiten wichtige Reaktionen:

  1. Das Kind weiß, was der Erzieher meint, und woran es ist.
  2. Der Erzieher kann wirklich intensiv zuhören, weil er sich seinerseits nicht möglichst positiv darstellen muss.
  3. Das Kind fühlt sich verstanden, weil es aufgrund des entgegenbrachten Interesses positive Wertschätzung erlebt.
  4. Die positiven Gesprächsmerkmale verstärken sich gegenseitig.

(vgl. Perras-Emmer o.J.c).

Beobachten

Die Beobachtung des Kindes zeigt dem Erzieher, was das Kind braucht, wo es gerade in seiner Entwicklung steht. Sie ist die Hauptaufgabe des Pädagogen. Nach seiner Auswertung der Beobachtung und dem entsprechenden Angebot muss die Beobachtung jedoch wieder von vorne beginnen: Habe ich "richtig interpretiert" und entsprechende Methoden daraufhin angewendet? Gibt es Alternativen? Mit wem kann ich meine Beobachtungen "teilen und auswerten"? Was könnte der nächste Schritt sein? Eine Beobachtung bringt Fakten, erst die Fragen dazu bringen den Erzieher dem Kind näher!

Durch Nicht-Einmischung in seine Betätigung können Erwachsene die Annahme des Kindes zeigen. Ein Beispiel: Ein Kind baut eine Sandburg. Eltern und Erzieher, die das Kind dabei alleine lassen, sich selbst mit etwas beschäftigen und dem Kind erlauben, "Fehler" zu machen und eine eigene, einzigartige Konstruktion einer Burg zu schaffen, übermitteln dem Kind eine wortlose Botschaft der Annahme. Das Kind fühlt: "Was ich tue und wie ich es tue, ist gut!" Einmischen, Stören, Belehren, Kontrollieren aber auch Mitmachen vermitteln dem Kind Nicht-Annahme, ohne dass dieses Verhalten Erziehern häufig bewusst ist. Sie wollen, dass Kinder lernen, auf ihre Leistungen stolz sein, und dass das Kind sie braucht. "Nichts tun und Hände weg" fällt Erwachsenen nicht immer leicht (vgl. Gordon 1989).

Hören mit vier Ohren

Die vier Seiten einer Nachricht (vgl. Schulz von Thun 1981):

  1. Konkurrenz und Selbstoffenbarung: ich teile etwas von mir mit.
  2. Solidarität und Beziehung: wie stehe ich zu dir?
  3. Sachinhalt: möglichst objektive Informationen.
  4. Appell: ich erwarte von dir...!

Ein einfacher Satz kann vier ganz verschiedene Aussagen enthalten und auch auf vier verschiedene Arten interpretiert werden. Meint der Absender z.B. eine Aussage sachlich und der Empfänger auch, dann gelingt die Verständigung. Diese ist also nur dann optimal möglich, wenn Sender und Empfänger auf der gleichen Wellenlänge kommunizieren: Die Kommunikationsebenen müssen übereinstimmen.

Schwerpunkte aus der Suchtprävention

Kinder wollen

Kinder brauchen

(vgl. http://www.das-wohlfuehlhaus.de).

Evolution - die Ontogenese ist die Wiederholung der Phylogenese

Das menschliche Gehirn trägt in seiner Struktur die evolutionäre Entwicklung aller Gehirne in sich. "Im Kern, so scheint es, ist das menschliche Gehirn dem Gehirn heutiger Reptilien sehr ähnlich. Die Entwicklung des fötalen menschlichen Gehirns vollzieht sämtliche Stufen der Evolution en miniature, und die primitiveren Schichten werden von immer neuen Schichten überlagert" (Ratey 2003, S. 16).

Die Wiederholung aller bedeutenden Entwicklungsstufen ist die Basis der menschlichen Entwicklung. Kein Schritt kann ungestraft vernachlässigt oder ausgelassen werden. Je identischer die einzelnen Stufen verlaufen, umso widerstandsfähiger werden die Kinder.

Der Mensch entwickelt sich aus einer Eizelle, lebt neun Monate im Wasser. Seine Geburt stellt die Eroberung des Landes und die Auseinandersetzung mit der Schwerkraft dar. Aus dem Vierfüßergang richtet sich das Kind in die Zweifüßigkeit auf. Was für die körperliche Entwicklung gilt ist gleichermaßen für die geistige und sprachliche Entwicklung notwendig.

Unser Gehirn reift gemäß der Evolution: Die neueren Gehirnschichten wie das Großhirn mit seinen beiden Hemisphären, den vier Cortex-Lappen und den Assoziationsfeldern entwickeln sich zuletzt. Die letzte Gehirnumstrukturierung erfolgt mit etwa 11 Jahren zu Beginn der Pubertät. In diesem Alter trennen sich die Bereiche für Sprache in Muttersprache und Fremdsprache, was beweist, dass die neuesten Errungenschaften der Menschheit wie Zweitsprache auch zuletzt Veränderungen im Gehirn herbeiführen (vgl. Perras, o.J.a, b).

Das Wissen um unsere Entwicklungsgeschichte ermöglicht Erziehern, das Verhalten von Kindern besser zu verstehen, Beobachtungen entsprechend zu interpretieren und die Bedürfnisse von Kindern leichter zu erkennen.

Erkenntnisse aus der Gehirnforschung

Neben der Entwicklungsgeschichte mit dem Verlauf der Gehirnreifung müssen auch die Ergebnisse aus der Hirnforschung in die pädagogische Arbeit mit einfließen. Besonders bedeutsam für die Widerstandsfähigkeit ist die Vernetzung beider Gehirnhälften. Die räumliche Wahrnehmung in der rechten Hirnhälfte entwickelt sich vor der Sprache in der linken Gehirnhälfte. Ausgeprägtes soziales und bildliches Sprachverhalten (wird meist Frauen zugesprochen) findet sich zudem auf der rechten Gehirnseite, weshalb sich Frauen leichter von einem Schlaganfall mit Sprachstörungen erholen. Dieses kreative soziale Sprachzentrum führt meist zu einer reduzierten Raumlagewahrnehmung.

Die allgemeinen Anlagen für die Trennung sind in den menschlichen Genen festgelegt: Die Männer brauchten auf der Jagd eine bessere Raum-Orientierung - sprachliche Anweisungen waren knapp und konkret. Die Mütter gaben Wissen weiter und waren auf vielseitigere Sprache angewiesen. Je besser nun Kinder beide Hälften zusammenarbeiten lassen können, umso vielfältiger ist ihr Verhaltensrepertoire. Raumerfahrungen müssen in Worte gefasst werden, dadurch können sie mit bereits bekannten Mustern abgeglichen werden. "Die Aufgabe der linken Hemisphäre besteht darin, neu eingehende Informationen und bereits vorhandene Daten gegenüberzustellen" (Bradgon/ Gamon 2002, S. 7). "Versagt" die linke Seite, so kommt die rechte Seite besser mit total neuen Situationen zurecht.

Durch Übungen, mit welchen die Kinder ihre Körpermittellinie kreuzen, werden beide Gehirnseiten gleichzeitig stimuliert. Geschichten, welche den Kindern ermöglichen, zwischen der Wirklichkeit und der Fantasiewelt beliebig hin und her zu wechseln, fördern die Verbindung zwischen den logischen und den kreativen Teilen des Gehirns.

"Ein Ausflug in den Intermediärraum bedeutet jedoch nicht nur bloße Erholung. Es geschieht noch viel mehr, was sich am ehesten mit einem Vergleich beschreiben läßt: In den großen und kleinen Grenzzonen der Natur, wie zwischen Wald und Wiese, Feldrand und Flußlauf, zeigt sich die reichhaltigste Artenvielfalt. Diese nimmt noch zu, wenn die Grenzen wie zwischen Festland und Meer durch Ebbe und Flut periodische Veränderungen erfahren. Ein Pendeln im Sinne eines Grenzverkehrs zwischen dem Raum der äußeren Realbelastungen und dem Intermediärraum führt zu einer dauerhaften innerseelischen 'Artenvielfalt', einer Bereicherung, die sich auch außerhalb des Intermediärraumes zeigt. Wesentlich ist dabei nicht allein die Dauer des Aufenthaltes im Intermediärraum, sondern insbesondere auch die Häufigkeit des Pendelns, das heißt die Häufigkeit der Aufenthalte im Grenzbereich" (Schiffer 1997, S. 38).

Autorin

Barbara Perras, Erzieherin, Motopädagogin, Leiterin des Evang. Kindergarten Loderhof in Sulzbach-Rosenberg

Literatur

Bradgon, Allen D./Gamon, David: Linkshirn Genie. Landsberg, München 2002

Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung. Weinheim 2003

Doubek, Katja: Was uns nicht umbringt, macht uns stark. Reinbek bei Hamburg 2003

Gordon, Thomas: Familienkonferenz. München, 23. Auflage 1989

Hillenberg, Lucie/Fries, Brigitte: Starke Kinder - zu stark für Drogen. München 1998

Perras, Barbara: Mathematisches Können im Kindergarten. o.J.a, http://www.kindergartenpaedagogik.de/1109.html

Perras, Barbara: Ganzheitliche graphomotorische Förderung im Kindergarten, o.J.b, http://www.kindergartenpaedagogik.de/1027.html

Perras-Emmer, Barbara: Ein Recht auf Individualität und Integration für alle - Dreijährige im Kindergarten, o.J.a, http://www.kindergartenpaedagogik.de/477.html

Perras-Emmer, Barbara: Umgang mit Gleichgewicht und Angst im Erzieheralltag. o.J.b, http://www.kindergartenpaedagogik.de/424.html

Perras-Emmer, Barbara: Lernziel Authentizität - anstelle von Selbstoffenbarungsangst, Selbstdarstellung und Selbstverbergung, o.J.c, http://www.kindergartenpaedagogik.de/184.html

Ratey, John J.: Das menschliche Gehirn. München 2003

Schiffer, Eckhard: Warum Huckleberry Finn nicht süchtig wurde. Weinheim, 6. Auflage 1997

Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander reden, Bd. 1. Reinbek bei Hamburg 1981

Spiegel, Hartmut/Selter, Christoph: Kinder & Mathematik. Seelze-Velber, 2. Auflage 2004

Zimmer, Renate: Was Kinder stark macht. Freiburg im Breisgau 2001

Zinke-Wolter, Petra: Spüren - Bewegen - Lernen. Dortmund, 3. Auflage 1994 



In: Klax International GmbH: Das Kita-Handbuch.

https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/bildungsbereiche-erziehungsfelder/soziale-und-emotionale-erziehung-persoenlichkeitsbildung/1123/