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Zitiervorschlag

Online-Selbstlernmodule für die Aus- und Weiterbildung: Elternzusammenarbeit im Kontext von Vielfalt und Migration; Literacy; Mehrsprachigkeit; Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung

Evamaria Zettl

 

Das Wichtigste in Kürze: Inhalte, Autor*innen und Zielgruppe der Selbstlernmodule

Unter https://www.kita.nrw.de/selbstlernmodule finden sich kostenlose Online-Lernmodule mit kurzen Lehrvideos, Grundlagentexten und Diskussionsfragen zu folgenden Themen:

  • Zusammenarbeit mit Eltern im Kontext von Differenz und Vielfalt,
  • Literacy unter Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit und Vielfalt,
  • Mehrsprachigkeit in der Kita oder in einem pädagogischen Angebot,
  • Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung.

Die kostenlosen Selbstlernmodule greifen häufige Fragen frühpädagogischer Fachkräfte zu Elternarbeit im Kontext von - besonders migrationsbedingter - Vielfalt, Mehrsprachigkeit, Literalität, Diversität und vorurteilsbewusstem pädagogischem Handeln auf. Sie bestehen aus Kurzvideos mit Expert*inneninterviews und Reflexionsfragen, sind flexibel einsetzbar und praxisnah. Die einzelnen Bausteine können unabhängig voneinander oder als Ganzes verwendet werden sowie in Einzel- und Gruppenarbeit bearbeitet werden. Sie eignen sich zum Selbststudium oder zum Einsatz z.B. in der Aus- und Weiterbildung, im Präsenzunterricht oder im Distance Learning. Zielgruppen sind (angehende) frühpädagogische Fachkräfte in Kitas, in der Tagespflege und Krippen und u.a. in Brückenangeboten. Die Selbstlernmodule sind auch für pädagogische Fachpersonen hilfreich, die mit altersgemischten Kindergruppen, in Spielgruppen, in der Sprachförderung, der Logopädie, der Sozialen Arbeit oder in Grundschulen arbeiten.

Das Angebot wurde erstellt von einem interdisziplinären Team unter der Leitung von Prof Dr. Timm Albers, Universität Paderborn, und Prof. Dr. Birgit Leyendecker, Ruhr-Universität Bochum, sowie eingeladenen Expertinnen (Förderung: Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen). Ausgangspunkt war die Evaluation von Brückenangeboten für neu zugewanderte Familien bzw. Familien mit Fluchterfahrung in Nordrhein-Westfalen. In Interviews äußerten Fachkräfte Unterstützungsbedarf bei wahrgenommenen Herausforderungen; aufgrund ihrer Anregungen und Fragen wurde das Material entwickelt. Im Folgenden werden die einzelnen Themenblöcke kurz dargestellt:

Zusammenarbeit mit Eltern im Kontext von Differenz und Vielfalt

Dieser Abschnitt bezieht sich vor allem auf migrationsgesellschaftliche Vielfalt. Dr. Berrin Özlem Otyakmaz, Entwicklungspsychologin, betont, dass es wichtig sei, die Heterogenität neu zugewanderter Familien wahrzunehmen. Weltwissen, Fluchterfahrungen und aktuelle Lebenssituation, z.B. Aufenthaltsstatus, seien zu berücksichtigen. Wenn Elternverhalten irritierend wirkt, wird empfohlen, zunächst eigene Elternbilder, Erwartungen und Emotionen, ggfs. im Team, zu reflektieren und anschließend pragmatisch Zwischenlösungen auszuhandeln. Eine wertschätzende und partizipative Elternarbeit wird empfohlen, wobei - wie die Expertin realistisch anmerkt - die Beschränkungen innerhalb einer Institution berücksichtigt werden müssen. Ergänzend sei angemerkt, dass oft im Kita-Alltag die Zeit für diese Reflexion fehlen dürfte und erst Reflexionsräume geschaffen werden müssten.

Literacy unter Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit und Vielfalt

Das Themenfeld Literacy - von anderen Autor*innen auch Literalität oder konzeptionelle Schriftlichkeit genannt - wird von Maike Hoeft und Livia Daveri vorgestellt. Fundiert wird aufgezeigt, wie wichtig es ist, dass bereits im Kindergarten durch den Einbezug schriftsprachlicher Aktivitäten wie Erzählen oder dialogischem Bilderbuchlesen eine Brücke zum Schriftspracherwerb in der Schule geschlagen wird. Die angebotenen Bilderbücher sollten Stereotype vermeiden, die Vielfalt in der Kindergruppe widerspiegeln und Texte in Familiensprachen der Kinder einbeziehen.

Mehrsprachigkeit in der Kita oder in einem pädagogischen Angebot

Prof. Dr. Argyro Panagiotopoulou geht auf häufige Fragen pädagogischer Fachkräfte zu Mehrsprachigkeit ein und erläutert, was ein kompetent mehrsprachiges Kind ist und wie Sprachen im Kita-Alltag gefördert werden können. Sie erläutert das Konzept „Translanguaging“, das besagt, dass Menschen bereits ab dem Kita-Alter sprachenübergreifend handeln können und dieses situative Mischen von Sprachen kein Problem darstellt, sondern ein Zeichen von Kompetenz ist, je nach Adressat*in in einer anderen Sprache kommunizieren zu können. Mehrsprachige Erzieherinnen, so ein Wunsch von Panagiotopoulou, sollen auch ihr ganzes Sprachenrepertoire in der Kita anwenden.

Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung

Prof. Dr. Timm Albers und Caroline Ali-Tani erläutern zunächst den Begriff Inklusion im Sinn einer Ermöglichung von Partizipation und Verhinderung von Exklusion. Dies soll kein (unerreichbares) Ziel sein, sondern ein Weg mit vielen kleinen Schritten. Zunächst sollen mögliche Inklusionshindernisse im Kita-Alltag, etwa Sprachbarrieren, überhaupt erkannt werden. Auch Stereotypisierungen sollen hinterfragt werden. Wenn etwa eine Girlande aus Flaggen verschiedener Länder in der Kita hängt, werden Familien dann auf ihre (vermeintliche) Nationalität reduziert? Als Beispiel guter Praxis wird ein textloses Buch gezeigt mit Bildern verschiedener Familienkonstellationen und Bildern aus dem Kita-Alltag, das Kommunikation ermöglichen soll. Wichtig erscheint: Bei Vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung soll nicht nur die Haltung der Fachpersonen, sondern auch das Konzept und der Kita-Träger in den Blick genommen werden.

Fazit und Empfehlung

Das Lernangebot berücksichtigt neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, greift allgemein verständlich häufige Fragen aus der Praxis auf und eignet sich hervorragend zum Einsatz in der Aus- und Weiterbildung (die Autorin dieses Beitrags verwendet einige Videos im Digital Learning des Bachelorstudiengangs Primarstufe). Ursprünglich aus Rückmeldungen in der Arbeit mit neu zugewanderten Familien entstanden, bietet das Selbstlernangebot darüber hinaus wichtige Anregungen für die Arbeit in jeder (früh-)pädagogischen Einrichtung. Sinnvoll ist es, wenn möglich, Diskussionen im Anschluss an die Videos zu ermöglichen, um Haltungen tatsächlich vertieft reflektieren zu können und evtl. eigene Praxisbeispiele in Bezug zu den Inputs in den Videos diskutieren zu können.

Autorin

Dr. Evamaria Zettl (Link: Stand 9.12.2020)

Pädagogische Hochschule Thurgau