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Zitiervorschlag

Väter im Elterngespräch

Michael Schnabel

 

Wenn Fragen und Probleme von Elterngesprächen erörtert werden, dann sind selbstverständlich auch die Väter einbezogen. Trotz alledem müssen Schwierigkeiten und Vorbehalte angegangen werden, die sich bei der Gewinnung von Vätern für Elterngespräche und bei der Durchführung der Gespräche ergeben. Denn Väter kommen sehr selten zu den Elterngesprächen. Von den protokollierten Elterngesprächen, die im Rahmen eines Projektes ausgewertet worden sind, wurden nur 6% zwischen einer Erzieherin und einem Vater und 8% mit beiden Eltern geführt. Mit Abstand die meisten Gespräche (86%) fanden zwischen einer Mutter und einer pädagogischen Fachkraft bzw. mehreren Fachkräften statt (1).

Väter und die Kindererziehung

Eine unverzichtbare Vorbedingung der Teilnahme von Vätern an Elterngesprächen ist ihr Interesse an der Entwicklung und Förderung ihrer Kinder und die Motivation, bei der Erziehung ihrer Kinder aktiv zu werden. Neuere wissenschaftliche Forschungen machen deutlich, im Rollenverständnis und im Verhalten von Vätern vollzieht sich ein so grundlegender Wandel, dass er als revolutionär bezeichnet werden kann. Auch wenn sich diese Revolution eher stillschweigend hinter den eigenen Wänden vollzieht (2).

Wenn Väter sich immer mehr bei den Aufgaben der Familie einbringen, so müssen auch zwangsläufig das Interesse und das Engagement an der Kindererziehung wachsen. Wissenschaftliche Forschungen belegen dies: Die Untersuchung "Die Rolle des Vaters in der Familie" konnte bestätigen, dass junge Männer ein neues Verständnis der Vaterrolle haben: Nur ein Drittel sieht sich als "Ernährer", die Mehrheit als "Erzieher" (3). Also die herkömmlichen Vorstellungen über Väter, die nur für materielle Belange in der Familie verantwortlich sind, werden zurückgestellt zugunsten des Interesses an der Förderung und Entwicklung ihrer Kinder.

Wenn zunehmend mehr Väter im Haushalt zulangen und die Beschäftigung mit ihren Kindern als Lebensbereicherung erfahren, dann sollten solche Vorleistungen für die Teilnahme an Elterngesprächen in Kindertageseinrichtungen geradezu zwingend sein. Und warum bleiben dennoch Väter weitgehend bei den Elterngesprächen in Kindertageseinrichtungen weg?

Ein Hindernis könnten die vielfachen Verpflichtungen durch den Beruf sein, sodass es für Väter viel schwieriger ist, einen passenden Termin für ein Elterngespräch zu finden. Folglich müssen sich die Gesprächsleiter/innen vergewissern, ob der vereinbarte Termin auch die Teilnahme des Vaters ermöglicht.

Es gibt noch mehr Hemmnisse: Die meisten Väterforscher verweisen darauf: Mythen und Märchen vom abwesenden und inkompetenten Vater halten sich hartnäckig. Dem Engagement von Vätern in der Erziehung ihrer Kinder stellen sich Barrieren und Missverständnisse entgegen: Hier einige Beispiele. "Aus der Fthenakis-Studie lässt sich einiges ablesen: Wie ausgeprägt das Engagement der Väter auf dem Spielplatz und am Wickeltisch tatsächlich ist, hängt weniger davon ab, was sie sich zutrauen, als vom Vertrauen, das ihnen die Mütter entgegenbringen. Die besten Chancen, Verantwortung zu übernehmen, haben Väter, deren Frauen ihren Beruf lieben" (4).

Renate Schmidt wird deutlicher: "Um ihre Väterrolle zu erweitern und entwickeln zu können, brauchen Väter auch die Unterstützung der Mütter. 55 Prozent der Frauen halten Männer nicht geeignet, Kinder zu erziehen - fälschlicherweise. Hier beginnt in der Familien- und Erziehungsarbeit der gleiche Teufelskreis wie bei der Hausarbeit. Frau kann und weiß alles besser, gutmütiger Partner fühlt sich demotiviert - ihm wird verwehrt, eigene Fehler und eigene Erfahrungen zu machen - und zieht sich daraufhin zurück" (5).

Die Beiträge machen deutlich: Den Wünschen und Erwartungen der Väter, in die Erziehung gleichberechtigt eingebunden zu werden, stemmen sich organisatorische Probleme und vielfache Vorurteile entgegen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Entscheidungen und Handeln bei einem Teil der pädagogischen Fachkräfte ebenfalls durch die aufgezeigten Fehleinschätzungen getragen werden. Beispielweise antworten in einer "väterfreundlichen Kindertagesstätte" von neun Pädagoginnen auf die Frage, ob beim Anmeldegespräch Wert darauf gelegt wird, dass auch Väter zu diesem Termin erscheinen können, drei mit "Nein" (6). Also: Wenn Väter verstärkt an Elterngesprächen teilnehmen sollten, so müssen mit großer Entschiedenheit die Vorurteile gegenüber Väter abgebaut werden!

Die unzureichenden Ansichten und falschen Meinungen über die Beteiligung der Väter an der Erziehung ihrer Kinder sind auch deshalb so fatal, weil alle wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen konnten: Väter haben entscheidenden Anteil bei der Förderung ihrer Kinder - schon von klein auf: Nachweislich stimulieren Väter ihre Kinder im differenzierten Sprachgebrauch und unterstützen sie bei der Affektkontrolle. Den Vätern kommt eine wichtige Funktion bei der Ausbildung des Selbstwertgefühls ihrer Kinder zu.

Die bisherigen Überlegungen lassen deutlich werden: Wenn Erzieher/innen Väter für Elterngespräche gewinnen wollen, so müssen sie gegen die falschen Vorstellungen und Mythen ankämpfen, die noch über die Erziehungsbeteiligung von Vätern herumgeistern. Weiterhin sind Termine für Elterngespräche mit viel Umsicht zu planen und Einladungen mit Konsequenz und Nachdruck vorzunehmen. So berichten beispielsweise Erzieherinnen: Manchmal wollen Mütter ihre Männer schonen, sich mit der Erziehung ihrer Kinder zu befassen. Daher ist es sinnvoll, den Vater direkt anzusprechen, um ihn für das Elterngespräch zu gewinnen.

Reden Väter anders als Mütter?

Wird es reichen, die Irrtümer über Väter in Erziehungsfragen auszuräumen? Werden sich Väter zum Elterngespräch drängen, wenn ihnen mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung entgegengebracht wird? Wahrscheinlich ist damit schon ein guter Anfang gemacht. Aber es gibt noch weitere Hindernisse: So zum Beispiel das unterschiedliche Verhalten in der Kommunikation von Müttern und Vätern.

Einige Bestseller versuchen zu belegen: Männer und Frauen sprechen ganz unterschiedliche Sprachen. Ein gegenseitiges Verstehen sei vertane Liebesmüh (7). Wenn auch nicht alle Forscher diesen Thesen beipflichten, so resümiert die Sprachwissenschaftlerin K. Timm: "Auch andere Sprachwissenschaftler stimmen darin überein, dass es tatsächlich nachweisbare Unterschiede in der Sprache der Geschlechter gibt:

  • Einwürfe wie "mhm" und "ja" bedeuten für Frauen "Ich höre dir zu, mach weiter", während Männer darunter "Ich bin einverstanden" verstehen.
  • Männer stellen Fragen, um Informationen zu bekommen, Frauen, um Gespräche in Gang zu halten.
  • Sprecherinnen beziehen sich explizit auf den Vorredner und signalisieren so Anerkennung und Solidarität. Männer ignorieren vorangegangene Beiträge häufiger.
  • Während Frauen offene Aggression und Konfrontation eher vermeiden, sehen Männer darin ein Instrument, die Konversation voranzutreiben.
  • Männer wechseln Themen abrupt; Frauen entwickeln sie während des Sprechens und verändern sie nur graduell,
  • Frauen diskutieren eher miteinander, um Erfahrungen auszutauschen und seelische Unterstützung anzubieten, Männer interpretieren Gespräche über Probleme als unausgesprochene Bitte um pragmatische Lösungsvorschläge.
  • In öffentlichen Redesituationen beanspruchen Männer mehr Redezeit und unterbrechen häufiger, sie beziehen Frauen seltener mit ein als umgekehrt" (8).

Die Zusammenfassung macht deutlich: Männer reden anders als Frauen. Der Unterschied zeigt in einigen Nuancen, wie Äußerungen verschieden aufgefasst werden. Forscher nennen die Sprechweise der Frauen "Beziehungssprache" und die Sprechweise von Männern "Sachsprache". Wenn Frauen in Gesprächen mehr darauf achten, dass sie harmonisch verlaufen, so ist es für Männer attraktiv, Probleme zu diskutieren. Diese unterschiedliche Art und Weise, Sachverhalte anzusprechen, kann bei Frauen Befremden heraufbeschwören. Daraus kann bei Gesprächsleiterinnen der Verdacht entstehen, mit Vätern sei es schwerer über Erziehungsfragen zu reden. Das Gegenteil ist richtig! Denn Erkenntnisse aus den Kommunikationswissenschaften belegen, dass Gespräche auf der Sachebene weniger komplex, geradlinig und übersichtlich strukturiert sind. Entscheidende Vorteile bei der Führung von Gesprächen! Kurzum: Unterschiedliche Sprechweisen zwischen Männern und Frauen geben den Gesprächen Dynamik und Pfiff. Das Kommunikationsverhalten von Männern erleichtert in der Regel die Gesprächsführung.

Wie werden Elterngespräche für Väter attraktiv?

Die Vorleistungen sind attraktiv für die Beteiligung der Väter an Elterngesprächen: Untersuchungen konnten zeigen, das Interesse der Väter an der Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder nimmt zu. Das kommunikative Verhalten von Müttern und Vätern unterscheidet sich zwar in einigen Punkten, aber die Ziel orientierte Sprache der Väter kann Elterngespräche bereichern und die Leitung des Gesprächs sogar erleichtern.

Hemmnisse und Antipathie der Väter gegenüber Elterngesprächen sind daher in den gesamten Rahmenbedingungen der Kindertageseinrichtungen zu suchen. Wahrscheinlich ist es eine Vielzahl von Gepflogenheiten und Verhaltensweisen in den Einrichtungen, die auf Väter abweisend wirkt. Wenn Elterngespräche für Väter attraktiver werden sollten, so verlangt dies mehr als vereinzelte Aktionen, die Väter anlocken möchten. Die gesamte pädagogische Arbeit in den Kindertageseinrichtungen sollte dahingehend überprüft werden, inwieweit männliche Gesichtspunkte übergangen und vielleicht sogar zurückgewiesen werden.

Am Beginn einer solchen Umstrukturierung sollte eine eingehende Beschäftigung mit den Vorzügen einer Erziehung durch den Vater stehen. Darauf aufbauend kann erfolgreich die pädagogische Arbeit und das gesamte Geschehen in der Einrichtung untersucht werden.

In einer von mir betreuten Familienfreizeit beteiligte sich ein kritischer Vater. Knallhart analysierte er die geringe Beteiligung der Väter folgendermaßen: "Die meisten Aktionen haben den Anstrich eines Mädchenpensionats: einige Kreisspiele, kleine Tänze, Tanzspiele und wieder Kreisspiele." Es lohnt sich darüber nachzudenken, ob Aktionen und Konzepte insgesamt in den Kindertageseinrichtungen so stark weiblich eingefärbt sind, dass Männer automatisch Abstand halten.

Diese Vermutung bestätigt sich wahrscheinlich, da beinahe nur Frauen in Kindertageseinrichtungen tätig sind. Gerade deshalb sollten männlich gefärbte Aktionen und Verhaltensweisen große Aufmerksamkeit erfahren. Dazu gibt es bereits Erfahrungen und Vorschläge, wie Kindertageseinrichtungen erreichen können, dass Väter mehr eingebunden werden. M. Textor (9) beschreibt folgende drei Schritte, die zu einer intensiveren Einbeziehung von Vätern ins Kindergartengeschehen führen können:

  1. Den Kindergarten väterfreundlich gestalten
  2. Männer aktivieren
  3. Ein Programm für Väter zusammenstellen.

Beispielsweise sollte jede Gelegenheit für Hinweise genutzt werden, dass Väter willkommen sind. In den Elternbriefen, Plakaten, Einladungen und sonstigen Schriftstücken sollten die Väter ausdrücklich angesprochen werden. Wenn Väter an Veranstaltungen teilnehmen, so kann dies lobend herausgestellt werden. Oder wenn Männer bei Projekten mitwirken, seien es Großväter, Onkel oder Praktikanten, so wird dadurch die Attraktivität für Väter erhöht. Bei Elterngesprächen oder sonstigen Gelegenheiten sollten Väter nach ihrer beruflichen Tätigkeit, Interessen und Hobbys gefragt werden, damit sie gezielt für die Beteiligung an Projekten eingeladen werden können. Männergruppen, Ausflüge für Väter und Kinder, Beteiligung der Väter an handwerklichen Arbeiten, Väter-Kind-Gruppen oder Väter-Kind-Feste könnten Aktivitäten eines Väterprogramms sein.

Dazu ein Vorschlag: Überprüfen Sie die von Ihnen verfassten Schriftstücke an die Eltern, ob die Väter direkt angesprochen wurden. Wenn nur von Eltern die Rede ist, so hat diese Ausdrucksweise für Väter einen zu geringen Aufforderungscharakter.

Für die Teilnahme der Väter an Elterngesprächen kann noch mehr getan werden: Beispielsweise eine sorgfältig überlegte Terminplanung; Termine für Elterngespräche sollten eigens mit Vätern zusätzlich abgesprochen werden. Eine Gepflogenheit aus der Wirtschaft steigert die Chance der Teilnahme beträchtlich: Am Tag des Gesprächstermins oder einen Tag vorher werden die Gesprächspartner nochmals telefonisch an den Termin erinnert.

Da Männer mehr sachorientiert denken, kommt es ihnen entgegen, wenn bei der Einladung zum Elterngespräch das Ziel des Gespräches konkret und präzise genannt wird. In den Early Excellence Centres - einem Konzept englischer Kindergärten - werden eigene Einladungen für Väter sachlich und nüchtern gestaltet - ganz anders als die Einladungen für Mütter (10). Allein solche Veränderungen seien sehr erfolgreich.

Eine zusätzliche Motivation für die Beteilung von Vätern an Elterngesprächen kann der Hinweis sein, dass damit eine wirkungsvolle Förderung der Kinder erreicht wird. Der Hinweis sollte wiederum möglichst konkret und kindbezogen formuliert werden - z.B. "Ich möchte Ihnen zeigen, wie intensiv sich Jörg für Zahlen interessiert. Und Sie können durch ähnliche Spiele dieses Interesse unterstützen..."

Wenn Pädagogen/innen in Kindertageseinrichtungen mit großem Engagement und voller Begeisterung darin ihr Anliegen sehen, dass sich bei den Elterngesprächen sowohl Väter als auch Mütter beteiligen, so sollten sie in den Betreuungsvertrag, den die Eltern bei der Aufnahme ihres Kindes unterschreiben, folgende Forderung aufnehmen: "Es wird erwartet, dass beide Elternteile nach Absprache mit der Gruppenleiterin zweimal im Jahr am Elterngespräch teilnehmen." Logischerweise muss dann bereits für das Aufnahmegespräch verlangt werden, dass Mütter und Väter zusammen ihr Kind anmelden.

Das fortlaufende und hartnäckige Bemühen, Väter in Kindertageseinrichtungen zu beteiligen und für Elterngespräche zu gewinnen, darf nicht so penetrant und ausschließlich betrieben werden, dass sich allein erziehende Mütter zurückgesetzt fühlen.

Anmerkungen

  1. Vgl. Rückert, R./Schnabel, M.: Welche Themen und Schwerpunkte werden in Elterngesprächen beraten? In: Bildung Erziehung Betreuung 2000, Heft 2, S. 21.
  2. Vgl. Fthenakis, W. E. u.a.: Engagierte Vaterschaft. Die sanfte Revolution in der Familien. Opladen 1999.
  3. Vgl. Fthenakis, W.E./Minsel, B.: Die Rolle des Vaters in der Familie. Stuttgart 2002.
  4. Wewer, A.: Neue Väter für das Land. In: www.vafk.de/themen.
  5. Schmidt, R.: S.O.S. Familie. Ohne Kinder sehen wir alt aus. Hamburg 2003, S. 94.
  6. Vgl. Mieke, T.: Einbeziehung von Vätern und Lebenspartner in die Elternarbeit einer Kindertagesstätte. Der Ist-Stand einer Organisation und die Auswertung einer Befragung. Unveröffentlichte Hausarbeit. Berlin o.J. (1999), S. 7.
  7. Vgl. Tannen, D.: Du kannst mich einfach nicht verstehen. Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden. München 1998.
  8. Thimm, K.: Warum Frauen und Männer so häufig aneinander vorbeireden. In: Geo Wissen, Hamburg 2000, S. 142.
  9. Textor, M.R.: Väter im Kindergarten. In: Bildung, Erziehung, Betreuung von Kindern in Bayern 1999, Heft 1, S. 10-13.
  10. Vgl. Whalley M./Pen Green Centre Team: Eltern als Experten ihrer Kinder. Berlin 2008, S. 68.