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Zitiervorschlag

Aus: Klaus Schüttler-Janikulla (Hrsg.): Handbuch für ErzieherInnen in Krippe, Kindergarten, Vorschule und Hort. Landsberg/Lech: mvg-verlag, 38. Lieferung 2001

Väter im Kindergarten

Martin R. Textor

 

1. Einführung

Väter spielen eine wichtige Rolle im Leben von Kleinkindern - eine gut lesbare Zusammenfassung wichtiger Forschungsergebnisse über die Bedeutung von Vätern für die kindliche Entwicklung finden wir z.B. in dem Buch "Engagierte Vaterschaft" (LBS-Initiative Junge Familie 1999). Wird ein Kind einmal von seinem Vater im Kindergarten abgeholt, so können wir immer wieder erleben, mit wie viel Liebe er von seiner Tochter oder seinem Sohn begrüßt wird. Können wir bei Elternveranstaltungen die ganze Familie beobachten, so werden wir feststellen, wie beliebt Väter als Spielkameraden sind - und sei es auch nur, weil sie aufgrund ihrer Berufstätigkeit für Kleinkinder weniger "verfügbar" sind als die (nicht erwerbstätigen oder nur Teilzeit beschäftigten) Mütter.

Jedoch haben viele Väter größere Probleme im Umgang mit Kleinkindern als Mütter. Zum einen leben sie in einem Zwiespalt: Wollen sie z.B. "neue Väter" oder "harte Männer" sein? Von ihrer Sozialisation her sind es viele Männer nicht gewohnt, Gefühle zu zeigen und auf Emotionen anderer Menschen zu reagieren - der Umgang mit Kleinkindern ist aber eine höchst emotionale "Angelegenheit". Zum anderen haben junge Väter heutzutage vor der Familiengründung kaum Erfahrungen mit Kleinkindern gesammelt. So wissen sie oft nicht, wie man Kinder beschäftigen kann und welche gemeinsamen Spiele altersgemäß sind. Schließlich beschäftigen sich Väter im Gegensatz zu Müttern viel weniger mit Elternzeitschriften und -ratgebern, sodass ihr Wissen über die kindliche Entwicklung und Erziehung geringer ist.

So ist es nicht verwunderlich, dass der Kontakt zur Kindertageseinrichtung weitgehend Sache der Mütter ist. Väter bringen nur gelegentlich ihre Kinder in den Kindergarten oder holen sie dort ab. Bei Elternabenden oder anderen Elternveranstaltungen sind fast nur Mütter anwesend. "Verirrt" sich einmal ein Vater in diesen "Frauenkreis", fühlt er sich oft unwohl - und kommt kein weiteres Mal. Die Ausnahme sind (St. Martins-, Weihnachts-, Sommer-, Grill-)Feste, Familienwanderungen, Ausflüge und ähnliche Veranstaltungen, von denen Väter wissen, dass dort auch andere Männer anzutreffen sind.

All das bedeutet nun aber nicht, dass Väter an ihren Kindern desinteressiert sind, sich mit Erziehungsfragen nicht befassen möchten oder keinen Kontakt zum Kindergarten wollen. Viele Männer sind sich ihrer "Mängel" durchaus bewusst. Auch wären sie bereit, sich zu ändern - wenn auch oft nur in einem begrenzten Rahmen. Jedoch wissen sie nicht, wie dies geschehen könnte. Hier kann der Kindergarten Hilfestellung bieten. Andere Väter wollen sich hingegen bewusst in die Erziehung ihrer Kinder einbringen: "Die 'modernen' Väter wollen sich auch eingehend mit ihren Kindern beschäftigen und miterfahren, was das Kind erlebt. Sie wollen sich auch mit anderen Vätern darüber unterhalten und Erfahrungen austauschen. Gerade der Kindergarten hat als erste Institution des Kindes die größte Chance, die Väter mit einzubeziehen" (Väter im Kindergarten 1999, S. 8). Gelingt dies, können ErzieherInnen Väter auch über die Entwicklung und Erziehung von Kleinkindern informieren und Interesse an der Kindergartenpädagogik wecken.

Inzwischen liegen viele Praxisbeispiele von ErzieherInnen vor, wie sie Väter in die Kindergartenarbeit eingebunden haben. Es gibt positive Berichte über Vater-Kind-Veranstaltungen und sogar einige über Vätergruppen. Allen ist aber gemeinsam, dass viele Hürden zu überwinden waren, bevor Väter in größerer Anzahl in die Kindertageseinrichtung kamen. In diesem Handbuchbeitrag werden nun einige Praxiserfahrungen ausgewertet.

2. Angebote für Väter

Angebote für Väter (und Kinder) sollten den Bedürfnissen und Interessen von Männern entsprechen - die von Vater zu Vater durchaus unterschiedlich sein können. Deshalb sollten verschiedene Angebote für Väter gemacht werden (s.u.). Auch dürfen ErzieherInnen nicht entmutigt sein, wenn zu einer Veranstaltung nur wenige Männer erscheinen - vielleicht haben sie mit einem anderen Angebot mehr Erfolg. Noch besser ist es natürlich, wenn sie vorab das Gespräch mit Vätern suchen und deren Wünsche und Vorstellungen erfragen: "Wir müssen einen Dialog mit Vätern beginnen, genauso wie wir in einen mit Müttern eingetreten sind, um zu lernen, was sie wünschen und benötigen. Dann können wir Schritte unternehmen, um diesen Prioritäten zu entsprechen" (Turbiville/Umbarger/Guthrie 2000, S. 79). Im Folgenden werden nun verschiedene Arten von Angeboten für Väter beschrieben.

2.1 Einbindung in den Kindergartenalltag

Generell ist es sinnvoll, schon zum Anmeldegespräch den "potenziellen Kindergartenvater" persönlich einzuladen - oder spätestens zu einem Elterngespräch gegen Ende der Eingewöhnungsphase. Dies bedeutet natürlich, dass die Termine auf den späten Nachmittag oder sogar auf den frühen Abend gelegt werden müssen. Bei diesem Gespräch kann zum einen die Botschaft vermittelt werden, dass die Bedeutung des Vaters für sein Kind anerkannt und seine Perspektive geschätzt wird. So können z.B. immer wieder Fragen hinsichtlich der Entwicklung und familialen Erziehung des Kindes direkt an ihn gerichtet werden. Zum anderen sollte als Botschaft deutlich herausgestellt werden, dass Väter im Kindergarten willkommen sind und ihre Teilnahme an Elternveranstaltungen erwünscht ist. So werden Erwartungen geprägt: Der "neue" Vater rechnet nun damit, dass er öfters in der Kindertageseinrichtung präsent sein soll. Natürlich muss ihm auch bald eine erste Gelegenheit geboten werden ...

Dies kann z.B. eine Einladung zur Hospitation im Kindergarten sein. Väter sind durchaus daran interessiert, was in der Kindertageseinrichtung geschieht und was ihr Kind dort erlebt. So sind viele bereit, ein solches Hospitationsangebot zu nutzen und dafür einen Tag Urlaub oder Überstundenausgleich zu nehmen. Zuvor sollte ihnen gesagt werden, dass nahezu jeder beliebige Tag möglich ist und dass wegen ihnen kein besonderes Programm geboten wird. Auch würde von ihnen erwartet, dass sie sich nicht als Beobachter in irgendeine Ecke setzen, sondern dass sie mit den Kindern spielen, ihnen vorlesen, mit ihnen am Computer "arbeiten" und an Beschäftigungen teilnehmen. Dann kann man erleben, dass ein hospitierender Vater nach kurzer Zeit von Kindern belagert ist - er wirkt wie ein "Magnet auf zwei Beinen", da viele Kinder wenig Gelegenheit zum Spielen mit Männern haben und nun die sich gerade ergebende nutzen wollen. Dies ist vor allem für Kinder allein erziehender Mütter vor Vorteil, die auf diese Weise mit männlichen Rollenmodellen konfrontiert werden, die sie oft daheim nicht vorfinden. Vor allem aber profitieren die Väter: Sie erfahren ihr Kind im Vergleich zu anderen, lernen kindgemäße Beschäftigungen kennen und können sich am Rollenmodell der Erzieherin orientieren.

Beim Anmeldegespräch oder beim ersten Termingespräch mit Eltern - selbst wenn nur die Mutter kommen konnte - sollte auch nach Beruf und Hobbys des Vaters gefragt werden. Im Kindergartenalltag ergeben sich viele nämlich Gelegenheiten, zu denen Väter in die Kindergruppe eingeladen werden können: um beispielsweise über ihre Berufstätigkeit zu sprechen, ihr "Handwerkszeug" vorzustellen oder ihr Hobby zu präsentieren. Nahezu alle Väter sind erfahrungsgemäß bereit, sich hierfür einen halben oder sogar einen ganzen Tag frei zu nehmen. In anderen Fällen können Väter an ihrem Arbeitsplatz besucht werden, sodass die Kinder auch einen Eindruck von den Räumlichkeiten bekommen und größere Geräte oder Maschinen "in Aktion" erleben können. Sind die Väter Mitglieder in für Kinder interessanten Vereinen, können sie auch dorthin einladen. Immer aber sollten solche Besuche gut vorbereitet werden: Zum einen muss mit den Vätern besprochen werden, was sie den Kindern vorstellen wollen und wie sie dies kindgemäß tun können. Zum anderen wird mit der Kindergruppe vorab diskutiert, was sie von den Vätern wissen wollen. Der auf diese Weise entstehende "Fragenkatalog" erleichtert das Gespräch mit dem zumeist noch unbekannten Vater.

2.2 Vater-Kind-Angebote

Eine besonders hohe Beteiligung von Vätern kann bei reinen Vater-Kind-Aktionen erreicht werden - insbesondere wenn die Väter direkt von ihren Kindern eingeladen werden. Relativ wenig Arbeit machen gemeinsame Abendmahlzeiten, da diese von den Kindern vorbereitet werden können. Gegen 19.00 Uhr werden nahezu alle Väter den Weg in die Kindertageseinrichtung gefunden haben. Natürlich kann auch ein gemeinsames Frühstück angeboten werden. Hier entsteht aber eher Hektik; ein gemütlicher Ausklang wie beim Abendessen ist nicht möglich.

Schon etwas anspruchsvoller und aufwendiger sind Spielkreise für Väter und Kinder. Hierzu kommen eigentlich nur drei - für ErzieherInnen ungünstige - Zeitpunkte in Frage: der Freitagnachmittag oder der Samstagvormittag bzw. -nachmittag. Wenn man zwei bis drei Stunden für den Spielkreis ansetzt, ist z.B. folgendes Programm möglich: (1) die Kinder zeigen ihren Vätern den Kindergarten, (2) Freispiel, (3) Beschäftigung, (4) Imbiss. Beschäftigungen können Bastelaktivitäten, Tonen, Werken u.Ä. beinhalten. Beispielsweise berichtet ein Kindergartenteam, wie es Basteln eines Windspiels zuging: "Schon bald waren die Räume des Kindergartens angefüllt mit fröhlichem Lärm, mit Maschinengebrumm und Hammerschlägen. Manche Väter setzten bei der Arbeitsplanung ihre Meinung durch, die meisten Väter sprachen sich aber mit ihren Kindern ab und nahmen die Vorstellungen und Wünsche ihrer Kinder ernst. Das Material wurde gemeinsam bearbeitet ... Die Väter und Kinder tauschten ihre Erfahrungen und Vorgehensweisen untereinander aus, und so kam es sowohl beim Arbeiten als auch während der Pausen bei einem Getränk zu vielen guten Gesprächen. Wir erfuhren, dass sich die meisten Väter aus wirklichem Interesse an dem Projekt beteiligt hatten. Sie wünschten sich einen intensiveren Kontakt zum Kindergarten" (Becker/Team des Kath. Kindergartens St. Johannes d. T. 1996, S. 44).

Bei solchen Spielkreisen erfahren die Väter, wie ihre Kinder gefördert werden und mit welchen (Spiel-)Materialien sie tagtäglich umgehen. Zugleich stellen sie fest, wie viel Spaß das gemeinsame Spiel macht - vielleicht werden sie sich dann auch daheim mehr Zeit zum Spielen nehmen. Die ErzieherInnen können sich weitgehend auf eine Zuschauerrolle beschränken: Sie werden viele interessante Beobachtungen über die Vater-Kind-Beziehungen machen.

Väter und Kinder können auch gemeinsam ein Fest planen, vorbereiten und feiern. So führte z.B. der Kindergarten St. Michael (1996) an einem Wochentag (17.00 bis 19.00 Uhr) eine "Monsterparty" durch: "Wir begannen unser Monstertreffen mit dem Herstellen von Rasseln und dem Basteln von Masken. Einmal mehr bewies sich die alte Erfahrung: Unsicherheiten und Berührungsängste verschwinden schnell, wenn die Menschen etwas Praktisches zu tun bekommen und sich gegenseitig Ratschläge geben können. So auch diesmal wieder - die Stimmung war sehr schnell locker und fröhlich" (S. 44f.). Dann wurde gemeinsam eine lange "Geisterbahn" im Turnsaal gebaut. Jeder Vater durfte sie mit seinem Kind dann einmal ausprobieren. Beim Schein von Taschenlampen wurde anschließend zu "Gespenstermusik" getanzt. Zum Schluss labten sich alle an "Spinnweben mit Blutsoße" (Spaghetti mit Tomatensoße).

2.3 Vateraktivitäten

Vielerorts sind auch positive Erfahrungen mit Angeboten nur für Väter gesammelt worden. Besonders bewährt haben sich Aktivitäten, zu denen Körperkraft und handwerkliches Geschick benötigt werden. So haben viele Kindergärten mit Hilfe von Vätern die Außenanlagen umgestaltet oder Holzeinbauten in Gruppenräumen erstellt. Auch zu Gartenarbeiten (Anlegen von Hochbeeten, Weidentipis, Kräuterschnecken, Taststrassen, Feuchtbiotopen usw.) und zum Reparieren von Geräten bzw. Spielsachen lassen sich Väter relativ leicht gewinnen. Insbesondere längerfristige oder häufige Projekte schweißen die Beteiligten zusammen: Es kommt zu intensiven Gesprächen, Freundschaften entstehen.

Die Beteiligung der Väter an solchen Aktionen ist größer, wenn sie persönlich angesprochen und um ihre Mitarbeit gebeten wurden. Selbstverständlich sollte ihnen auch für ihre Mühe gedankt werden (vor allem, wenn sie Material oder Werkzeug zur Verfügung stellten). Dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie sich auch das nächste Mal wieder beteiligen werden - und dann benötigen ErzieherInnen noch weniger Überredungskunst.

Ganz vereinzelt - etwas häufiger in den USA als in Deutschland - wird von reinen Vätergruppen berichtet. Hier treffen sich Väter abends im Kindergarten, um mit den Erzieherinnen über die Entwicklung und Erziehung von Kleinkindern, über altersgemäße Beschäftigungen und Erziehungsschwierigkeiten zu diskutieren. Ferner wird die Vaterrolle reflektiert, das traditionelle Männerbild hinterfragt und nach Wegen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesucht. Auf diese Weise wird der Weg zu eher partnerschaftlichen, verständnisvollen und empfindsamen Beziehungen zu Frauen und Kindern geebnet, wobei die Väter einander unterstützen können.

Solche Vätergruppen kommen in der Regel nur zustande, wenn Väter von den Erzieherinnen persönlich (beim Bringen oder Abholen der Kinder) oder telefonisch eingeladen werden. Erfahrungsgemäß lassen sich mehr Männer gewinnen, wenn die Treffen ungezwungen beginnen (z.B. mit einem gemeinsamen Imbiss) und gemütlich ausklingen. Hat die Gruppe mit einigen wenigen Vätern begonnen, können diese gebeten werden, andere Väter anzusprechen - Männer lassen sich leichter von anderen Männern "anwerben". Manchmal wirkt es sich auch positiv aus, wenn die Gruppe von einem Mann, beispielsweise einem Erziehungsberater, geleitet wird.

Schließlich sind reine Freizeitangebote für Väter denkbar - die möglichst von anderen Vätern organisiert werden sollten: Fußball, Handball, Basketball, Kegeln, Besuch von Sportveranstaltungen, Skatabende, Ausflüge u.v.a.m. Hier lernen Väter einander besser kennen - und dann fällt es ihnen leichter, auch einmal über die Entwicklung und Erziehung ihrer Kinder zu diskutieren.

2.4. Einbindung in die traditionelle Elternarbeit

Möglichst jede Gelegenheit, bei der ein Vater in den Kindergarten kommt, sollte genützt werden, um ihn anzusprechen, mit ihm kurz über sein Kind zu reden oder ihn direkt zur Mitarbeit im Kindergarten bzw. zu Elternveranstaltungen einzuladen. Wird auf solche Art und Weise aktiv auf Väter zugegangen, können sie oft als Teilnehmer für "traditionelle" Elternveranstaltungen wie Elternabende oder Elterngruppen gewonnen werden.

Andere Väter können durch die zuvor beschriebenen besonderen Väteraktivitäten in den Kindergarten geholt werden. Bald werden sie sich in ihm genauso wohl wie Mütter fühlen und dann auch die "traditionellen" Angebote nutzen. Zudem wissen sie, dass sie dort ihnen bekannte Männer treffen werden und sich mit ihnen unterhalten können.

Je mehr Väter an Elternveranstaltungen teilnehmen, umso lebhafter werden die Gespräche, da Väter manchmal andere Ansichten als Mütter haben. So müssen die Meinungsverschiedenheiten ausdiskutiert werden. Auch werden Väter häufiger zu Termingesprächen kommen. Schließlich entstehen Netzwerke zwischen den Familien: Gemeinsame Freizeitaktivitäten und Nachbarschaftshilfe (z.B. Babysitting) werden häufiger, wenn sich bereits die Väter und die Mütter kennen (also nicht nur die Mütter).

Hiervon profitieren vor allem die Kinder: Sie kommen eher in andere Familien hinein, wo sie häufig andere Formen der Ausgestaltung von Mutter- und Vaterrollen sowie der Eltern-Kind-Beziehung erleben. Sie machen Erfahrungen mit anderen Menschen, die durchaus entwicklungsfördernd sein können. Auch gewinnen sie neue Spielkameraden, kommen sie in Kontakt mit älteren und jüngeren Kindern. Können sie in diesen Familien auch einmal übernachten, ist dies ein wichtiger Schritt auf dem Wege zu Selbstständigkeit und Eigenverantwortung.

3. Schlussbemerkung

Die Einbeziehung von Vätern ist nicht nur eine Aufgabe im Rahmen der Elternarbeit - insbesondere wenn diese als "Erziehungspartnerschaft" (Textor 2000) verstanden wird -, sondern auch ein Beitrag zur Förderung der gemeinsamen Erziehungsverantwortung von Eltern: "Diese neue Partnerschaft bringt für beide Elternteile eine Entlastung. Der Zugang zu den Kindern, Institutionen und Problemen wird leichter, da sie dies miteinander teilen können und gemeinsam tragen. Das Kind erlebt, dass sich beide Eltern intensiv um seine Belange und Bereiche kümmern" (Väter im Kindergarten 1999, S. 9). Dies prägt seine Geschlechtsrollenleitbilder.

Und was ist nun mit Kindern allein erziehender Mütter? Auch hier gibt es oft einen Lebenspartner, der zu der jeweiligen Veranstaltung kommen kann. Bei geschiedenen Müttern kann - nach Rücksprache mit ihnen - häufig der Vater eingeladen werden; außerdem nehmen die Fälle gemeinsamer elterlicher Sorge nach Trennung und Scheidung stark zu. Schließlich kann der Großvater oder ein Onkel angesprochen werden. Hier wird deutlich, dass die Einladungen vorsichtig formuliert werden müssen. Gerade in den genannten Fällen ist es wichtig, die Mütter direkt anzusprechen und von ihnen die Einladungen übermitteln zu lassen. Sorgeberechtigte Väter können direkt angeschrieben bzw. angerufen werden - die ErzieherInnen sollten sowieso mit ihnen in regelmäßigem Kontakt stehen -, aber auch nicht sorgeberechtigte Väter können mit Einverständnis der Mütter auf diese Weise eingeladen werden. In der heutigen Zeit sollte es außerdem möglich sein, dass Stiefvater und leiblicher Vater gemeinsam eine Elternveranstaltung besuchen ...

Natürlich werden manche allein erziehende Mütter hiermit nicht so ohne Weiteres einverstanden sein. Dann ist es Aufgabe von ErzieherInnen, mit ihnen ein Gespräch über die Bedeutung des Vaters für ihr Kind zu führen. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen zeigt, dass sich Kinder nach Trennung und Scheidung ihrer Eltern viel positiver entwickeln, wenn sie einen guten Kontakt zu beiden Eltern haben. ErzieherInnen als VerfechterInnen des Kindeswohls (vgl. § 1 Abs. 3 SGB VIII) sollten dies getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern immer wieder deutlich machen.

Vereinzelt muss auch mit Widerständen von anderen Müttern gerechnet werden: Gerade wenn sich (nicht erwerbstätige) Frauen über die Mutterrolle definieren, sind sie nicht ohne Weiteres bereit, Erziehungsverantwortung an die Väter abzutreten - was für manche Männer durchaus "bequem" ist. In diesen Fällen ist es ebenfalls Aufgabe von ErzieherInnen, Mütter auf die Bedeutung von Vätern für die Entwicklung ihrer Kinder aufmerksam zu machen und sie zu motivieren, nach Erziehungspartnerschaft mit ihren Männern zu streben: "Das Vorurteil, dass nur Frauen für Kinder sorgen sollten - oder dass sie allein dazu fähig sind -, schränkt die Möglichkeiten und Fähigkeiten beider Geschlechter ein. Es platziert die Bürde, daheim bei den Kinder zu bleiben, auf Frauen und enthält Männern die Freuden eines intensiveren Engagements als Vater vor. Es führt Frauen zu einem überdurchschnittlichen Anteil in 'pflegerische' Berufe, ohne dass sie weitere Karrieremöglichkeiten durchdacht haben, und es hält Männer davon ab, in ihre beruflichen Optionen 'pflegerische' Berufe einzubeziehen, trotz entsprechender Interessen oder Fähigkeiten. Darüber hinaus perpetuiert es die Abwertung sowohl von Frauen als auch von Kindern, die einer 'femininen' Welt zugeordnet werden, die als weniger bedeutungsvoll und wichtig als die Welt 'maskuliner' Aktivitäten angesehen wird" (Levine/Murphy/Wilson 1993, S. 10). Widerstände von Müttern (oder von einzelnen Kolleginnen) können jedoch auch darin begründet sein, dass sie Angst vor Männern haben, da diese über mehr Macht und eine größere Durchsetzungskraft verfügen.

Es lohnt sich aber, all diese Widerstände und Hemmfaktoren zu überwinden, da letztlich die Kinder von einer Einbindung ihrer Väter in die Familienerziehung und Kindergartenarbeit stark profitieren. Zum einen wird der "Vaterhunger" (Levine/Murphy/Wilson 1993) von Kleinkindern gestillt, die wenig Kontakt zu ihren Vätern haben (weil diese aufgrund beruflicher Anforderungen oder aus anderen Gründen wenig Zeit haben oder weil sie nicht mehr in der Familie leben). Zum anderen wird ihre Entwicklung in vielen Bereichen gefördert. So zeigten viele Untersuchungen, dass Kleinkinder, deren Väter mindestens 40% der Erziehungsaufgaben übernahmen, in der kognitiven Entwicklung fortgeschrittener als Gleichaltrige waren sowie mehr Empathie und schwächer ausgeprägte Geschlechtsrollenstereotype zeigten (a.a.O.). Dasselbe gilt übrigens für die Schulzeit: "Eine Studie des U.S. Ministeriums für Bildung von 1997 bestätigte erneut die wichtige Rolle, die Väter hinsichtlich der Schulleistung ihrer Kinder spielen. Diese Untersuchung, die auf Daten von dem 1996er Zensus beruht, fokussierte auf der Beteiligung von Vätern an der Schullaufbahn von Kindern aus den Klassen 6 bis 12. Die Studie zeigte, dass Kinder aus Zwei-Eltern-Heimen, deren Väter an Schulaktivitäten teilnahmen (wie allgemeine Veranstaltungen, Termingespräche mit LehrerInnen, Schul- oder Klassenereignissen, freiwillige Mitarbeit in der Schule), häufiger ein 'sehr gut' erhielten, an mehr extracurricularen Aktivitäten teilnahmen und mehr Spaß an der Schule hatten. Der Bericht, obgleich er Mütter als essenziell für die soziale und emotionale Anpassung des Kindes anerkannte, verwies darauf, dass die Beteiligung von Vätern wichtiger für die schulischen Leistungen sein könnte" (Turbiville/Umbarger/Guthrie 2000, S. 76). Nach anderen Untersuchungen sind solche Kinder auch weniger auffällig bzw. gewalttätig und werden seltener kriminell. So lohnt es sich, schon früh an einer Erziehungspartnerschaft von Vätern, Müttern und ErzieherInnen zu arbeiten.

4. Literaturhinweise

Becker, A./Team des Kath. Kindergartens St. Johannes d. T.: Wir bauen ein Windspiel. Kindergarten heute 1996, 26 (7/8), S. 43-44

Kindergarten St. Michael: Monsterparty. Kindergarten heute 1996, 26 (7/8), S. 44-45

Levine, J.A./Murphy, D.T./Wilson, S.: Getting men involved: Strategies for early childhood programs. New York: Scholastic Inc. 1993

LBS-Initiative Junge Familie (Hrsg.): Wassilios E. Fthenakis u.a.: Engagierte Vaterschaft. Die sanfte Revolution in der Familie. Opladen 1999

Textor, M.: Kooperation mit den Eltern. Erziehungspartnerschaft von Familie und Kindertagesstätte. München: Don Bosco 2000

Turbiville, V.P./Umbarger, G.T./Guthrie, A.C.: Fathers' involvement in programs for young children. Young Children 2000, 55 (4), S. 74-79

Väter im Kindergarten. Modell im AWO-Bezirksverband Ober- und Mittelfranken e.V. Helfer 1999, 53 (10), S. 8-9

Autor

Dr. Martin R. Textor studierte Pädagogik, Beratung und Sozialarbeit an den Universitäten Würzburg, Albany, N.Y., und Kapstadt. Er arbeitete 20 Jahre lang als wissenschaftlicher Angestellter am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Von 2006 bis 2018 leitete er zusammen mit seiner Frau das Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung (IPZF) in Würzburg. Er ist Autor bzw. Herausgeber von 45 Büchern und hat 770 Fachartikel in Zeitschriften und im Internet veröffentlicht.
Homepage: https://www.ipzf.de
Autobiographie unter http://www.martin-textor.de