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Zitiervorschlag

Mit Eltern im Dialog - (bildungsbezogene) Zusammenarbeit mit Familien verändern

Verena Wittke

 

Eltern begleiten - Kindern Chancen eröffnen

Faire Chancen von Kindern sind eng mit der Förderung und der Begleitung verknüpft, die Kinder durch das Elternhaus erfahren. Schon früh im Kindesalter und weit vor Eintritt in Kindertagesbetreuung und Grundschule wird in der Familie das Fundament für die Bildungsbiografie der Kinder gelegt. Bildungsprozesse gelingen vor allem dann, wenn Eltern ihre Kinder von Anfang an selbstbewusst und kompetent auf dem Bildungsweg begleiten und in ihnen die Freude am Lernen fördern und erhalten. Dabei ist vielen Müttern und Vätern oft gar nicht bewusst, wie maßgeblich sie die Neugier und das Lernverhalten ihrer Kinder beeinflussen. Gleichwohl nehmen Eltern vom frühen Kindesalter bis an die Schwelle zu Ausbildung und Berufsleben - als Vorbild, als Beratende, als Begleitung und Unterstützung - eine Schlüsselrolle im Leben und in der Entwicklung ihrer Kinder ein.

Ihre Verantwortung als Erziehende und (Mit-) Gestaltende der Lebens- und Bildungsperspektiven ihrer Kinder erfordert von Anfang ein hohes Maß an sozialen, persönlichen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Der Zugang zu diesen Ressourcen ist abhängig von der Lebenssituation der Familie, von ihrem sozialen und ökonomischen Status, aber auch vom Bildungsstand der Eltern, und ist somit sehr ungleich verteilt, d.h. nicht jede Familie verfügt über einen ausreichenden Zugang zu Information und Beratung in ihren Fragen rund um die Entwicklung und Bildung ihrer Kinder oder auch zu Informationen über Unterstützungs- und Hilfeangebote.

Hier setzen die ESF-Bundesprogramme "Elternchance ist Kinderchance" und "Elternchance II - Familien früh für Bildung gewinnen" an: Seit 2011 werden in Deutschland durch zwei Projektträger bundesweit pädagogische Fachkräfte, die Aufgaben der Familienbildung im Sinne des § 16 SGB VIII erfüllen, zu Elternbegleiter/innen qualifiziert.1

Elternbegleiter/innen wenden sich an die Eltern und Familien mit dem Ziel, diese in ihrem Wunsch nach Bildung, in ihren Bildungskompetenzen und in der Wahrnehmung ihrer Bildungsinteressen zu stärken. Mütter, Väter und andere an der Erziehung Beteiligte werden für die Kompetenzen und Selbstlernprozesse junger Kinder, aber auch der Vorschul- und Grundschulkinder sensibilisiert. Gleichzeitig werden sie in ihren Ressourcen gestärkt, auf der Suche nach eigenen Lösungen begleitet und in der Erweiterung ihrer (bildungsbezogenen) Handlungsoptionen unterstützt.

Elternbegleitung wird so zu einem wichtigen Beitrag auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit im Hinblick auf Bildungs-, Teilhabe- und Gestaltungschancen und zu einem Aufwachsen aller Kinder im Wohlergehen. Seit 2011 hat das Trägerkonsortium Elternchance2 als einer der beiden Qualifizierungsträger auf der Grundlage eines gemeinsam mit dem Kompetenzteam "Frühe Bildung in der Familie" des BMFSFJ an der Evangelischen Hochschule Berlin erarbeiteten Curriculums bereits rund 4.000 Fachkräfte zu Elternbegleiter/innen qualifiziert.

Wie können Elternbegleiter/innen die Zusammenarbeit mit Eltern in den unterschiedlichen pädagogischen Kontexten verändern?

Wenngleich in der allgemeinen pädagogischen Praxis unumstritten ist, dass eltern- und familienbezogene Arbeit ein zentraler Bestandteil institutioneller Erziehung und Bildung von Kindern sein sollte, erleben Fachkräfte diesen Aspekt ihrer Arbeit als Herausforderung und die (bildungsbegleitende) Zusammenarbeit mit den Eltern oftmals als schwierig. So ist z.B. immer wieder zu hören,

  • dass die Resonanz auf Angebote gering sei und Eltern nicht interessiert seien,
  • dass die Gespräche schwierig seien und nicht die Ansprüche der beteiligten Fachkräfte erfüllen,
  • Eltern wenig einsichtig und gegenüber Lösungsvorschlägen wenig aufgeschlossen seien,
  • Eltern und Familien mit aus Sicht der Fachkräfte besonderem Bildungs- und Beratungsbedarf entsprechende Angebote nicht nutzen.

Ausgehend von der Annahme, dass Eltern grundsätzlich das Beste für ihre Kinder wollen und durchaus bereit sind, sie zu unterstützen, so gut sie es eben vermögen, müssen diese Einschätzungen nachdenklich machen. Sicherlich mag im Einzelfall auch einmal fehlendes Interesse der Grund für eine dauerhafte Abwesenheit bei Angeboten oder Veranstaltungen für Eltern in Betreuungs- und Bildungseinrichtungen sein. Überwiegend sind es jedoch ganz andere Gründe, die Eltern von der Wahrnehmung solcher Angebote abhalten: Vor allem existenzielle Probleme wie Armut, ein unsicherer Aufenthaltsstatus, Arbeitslosigkeit oder Partnerschaftskonflikte, Sprachbarrieren und fehlende Informationen, thematisch eher mittelschichtorientierte Angebote oder eine fehlende Betreuung gerade für jüngere Kinder, sicher manchmal aber auch Furcht vor Stigmatisierung, Beurteilung und Kontrolle, sind Zugangsschwellen, die Eltern von der Teilnahme an solchen Angeboten oftmals ausschließen.

Gleichzeitig macht die Debatte um Begrifflichkeiten wie Elternarbeit, Erziehungs- und Bildungspartnerschaft oder Zusammenarbeit mit Eltern deutlich, dass diesem Handlungsfeld sehr unterschiedliche Annahmen, Werte, Bilder und Herangehensweisen zu Grunde liegen können: Meint "Elternarbeit" die Arbeit mit Eltern im Sinne einer Erziehung hin zu einer veränderten Erziehungspraxis? Oder vielmehr die gemeinsame Arbeit am Kind? Wie partnerschaftlich kann die Beziehung zwischen Expertin und Eltern vor dem Hintergrund einer ungleichen Verteilung von institutioneller Macht und fachlichem Wissen sein? Steht der Begriff der partnerschaftlichen Zusammenarbeit gewissermaßen automatisch für eine gleichberechtigte und gleichwürdige Begegnung? In jedem Fall ist Erziehungs- und Bildungspartnerschaft vielfach weit einfacher gesagt als getan.

Was ist also zu tun, um im Interesse der Kinder und Familien Wege zu einer guten Zusammenarbeit zu finden? Die nachfolgenden Überlegungen zu einer veränderten Zusammenarbeit mit Familien und Eltern werden anhand von Berichten zertifizierter Elternbegleiter/innen über die Durchführung ihrer Praxisprojekte im Rahmen der Weiterbildung und über ihre praktische Tätigkeit in unterschiedlichen Arbeitsfeldern und Einrichtungen konkretisiert. Wesentliche Aspekte dabei sind die Fragen nach Haltung, Zugängen und Ansprache, Setting und Formen sowie sozialräumlicher Vernetzung.

Haltung

Eltern in der Bewältigung ihrer anspruchsvollen Erziehungs- und Bildungsaufgaben wirksam zu begleiten und zu stärken, setzt voraus, dass Fachkräfte Müttern und Vätern vorurteilsbewusst und wertschätzend begegnen und sie als Expert/innen für ihre Kinder, ihre Familien- und Lebenssituation anerkennen. Sich des Wesens und Ursprungs der eigenen inneren und äußeren Barrieren ebenso bewusst zu werden wie der eigenen Annahmen, Vorurteile, Erfahrungen und Wertmaßstäbe ist unerlässlich, wenn es darum geht, Mütter, Väter, Kinder und Familien unabhängig von ihrer Herkunft, Lebenslage, Weltanschauung oder sexuellen Identität offen, erkundend und wertschätzend zu einer Zusammenarbeit einladen zu wollen. In der Weiterbildung zur/m Elternbegleiter/in ist die Überprüfung und gegebenenfalls Veränderung des eigenen Selbstverständnisses und der eigenen professionellen Haltung, wie sie sich in z.B. in folgenden Fragen spiegelt, eine zentrale Zielsetzung (vgl. Schopp 2016, S. 69):

  • Welche Einstellung habe ich Eltern gegenüber?
  • Glaube ich daran, dass Eltern an der Erziehung ihrer Kinder interessiert sind? Halte ich sie für fähig, diese eigenverantwortlich zu bewerkstelligen?
  • Halte ich Eltern für ebenbürtig mir als Pädagog/in gegenüber?
  • Gehe ich davon aus, dass Eltern Fachleute in eigener Sache sind, die mein Fachwissen als Pädagog/in gleichrangig ergänzen?
  • Bin ich als Pädagog/in "besser wissend" oder "anders wissend"?
  • Brauchen Eltern Unterstützung und Verständnis oder benötigen sie Belehrung, "Rezepte" und klare Ansagen?

Eine besondere Bedeutung in der Begegnung von Elternbegleiter/in und Eltern nimmt die dialogische Grundhaltung ein, die durch ihren Respekt vor der Einzigartigkeit eines Menschen und durch ihre Offenheit für individuelle und vielfältige Lebensentwürfe eine gleichwürdige Begegnung ermöglichen kann (ebd.). Im Fokus einer dialogischen Betrachtungsweise stehen nicht die möglichen Defizite, sondern vielmehr Stärken und Ressourcen: Ein wertschätzender Blick auf das, was gut gelingt, lässt Offenheit, Vertrauen und Neugier auf Seiten der Eltern entstehen. In einer Atmosphäre, in der Schwächen und mittelschichtorientierte Normativitätsansprüche in den Hintergrund treten, finden Eltern Zeit und Mut, sich zu öffnen, eigene Bedürfnisse zu artikulieren, eigene Handlungsoptionen zu erweitern und sowohl eigene Stärken als auch die wunderbare Einzigartigkeit ihres Kindes wieder wahrzunehmen.

So schildert eine Elternbegleiterin die Veränderung des Verhaltens einer Mutter im von ihr begleiteten Spielkreis von der isolierten Außenseiterin hin zu einer Teilnehmerin, die mit viel Freude und Kompetenz mitgestaltet. Rückblickend schätzt sie ein, dass ihre Einladung zur Mitgestaltung, ein auf die Ressourcen der Mutter gerichteter Blick und die wertschätzende und vorbehaltlose Begegnung sicher dazu beigetragen haben, dass diese Mutter sich im Gespräch öffnen und sich engagiert in die Mitgestaltung der Gruppe habe einbringen können. Manchmal sind es Elternbegleiter/innen, die Eltern anregen, einmal eine andere Perspektive auf ihr Kind einzunehmen und so auch wieder seine Fähigkeiten und Stärken zu sehen.

Eine gleichermaßen respektvolle wie erkundende und lernende Haltung den Eltern gegenüber lässt diese erfahren, dass es nicht um Bewertung und Beurteilung ihres Erziehungshandelns geht, sondern um einen gemeinsamen und ergebnisoffenen, an ihrer tatsächlichen Lebenssituation, ihren Bedürfnissen und Bedarfen orientierten Lernprozess. Hilfreich dabei sind die dialogische Prämisse, eigene Vor-Annahmen und Bewertungen "in der Schwebe" zu halten, und die Bereitschaft, den eigenen Standpunkt als nur einen von vielen möglichen zu verstehen.

Gespräche und Veranstaltungen mit Eltern, die in einer von Offenheit bestimmten Atmosphäre und unter "dialogischen Vorzeichen" geführt werden, können die Basis sein für ein größeres gegenseitiges Verständnis und wachsendes Vertrauen. Als Gesprächspartner/in, die zuhört und eigene Kommentare und fachliche Einschätzungen zurückzustellen vermag, kann eine entsprechend geschulte Fachkraft Mütter, Väter und Kinder (neu) kennenlernen, die Familien in ihren ganz eigenen Ressourcen stärken, den Austausch unter den Eltern anregen und sie für eine intensivere Zusammenarbeit gewinnen. Dass in einem solchen offenen und vertrauensvollen Klima die Bereitschaft von Eltern wächst, sich auch mit für sie neuen Themen, Werten und Zielen auseinanderzusetzen und sie auf ihre mögliche Relevanz hin zu prüfen, erscheint mit Blick auf die Stärkung der elterlichen Begleitung von schulischen und außerschulischen Bildungsprozessen ihrer Kinder als sinnvoll.

Allerdings kann es sich für die Fachkraft - wie auch für die Eltern - im ersten Moment gleichermaßen ungewohnt anfühlen, sich nicht als Expertin in allen Erziehungsfragen zu verstehen und gleich die Lösung für ein Problem anzubieten, sondern gemeinsam mit den Eltern nach einer für sie passenden Lösung zu suchen. Gleichwohl ermöglicht ein solches Zutrauen in ihre Kompetenzen es den Eltern, sich selbst als gute Mutter oder guter Vater wertschätzend wahrzunehmen, sich der eigenen Ressourcen und Fertigkeiten zu besinnen und sich als selbstwirksam zu erfahren.

Dieser Erfahrung kommt eine hohe Bedeutsamkeit zu: Eltern, die sich selbst als wirksam erfahren, sehen sich in der Lage, den Herausforderungen von Erziehungs- und Familienalltag kreativ zu begegnen, ihre Lebensräume gemeinsam mit anderen zu gestalten und neue Handlungsoptionen zu entwickeln und zu erproben. Die Erfahrung von Selbstwirksamkeit bedingt das Gefühl, kompetent zu sein, stärkt das Selbstvertrauen der Eltern und stellt damit einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer selbstverantwortlichen und eigenständigen Bewältigung auch anderer Anforderungen dar (vgl. Solf/ Wittke 2007).

Ein eindrucksvolles Beispiel dafür liefert eine Krippenerzieherin, der es nach jahrelangen vergeblichen Bemühungen gelungen ist, die sehr jungen Mütter des angegliederten Mutter-Kind-Wohnens in die Arbeit der Kinderbetreuungseinrichtung einzubeziehen: Indem sie es ermöglichte, dass diese Mütter sich in selbstbestimmter Weise und mit ganz eigenen Kompetenzen an der Gestaltung eines Festes der Einrichtung beteiligten, schuf sie Raum für Anerkennung, Kompetenzerfahrung und Selbstwirksamkeit und ebnete damit den Weg für die Integration und das weitere Engagement dieser jungen Mütter.

Zugänge und Ansprache

Eingangs wurde bereits die Wahrnehmung von Fachkräften beschrieben, dass jene Familien, die aus Fachkraftsicht ganz besonders von Angeboten profitieren könnten, den Weg in die Angebote oft nicht finden. Diese gemeinhin unter dem Begriff "Präventionsdilemma" verortete Feststellung von Fachkräften zur schwierigen Erreichbarkeit insbesondere von Familien in benachteiligenden Lebenslagen mag ihre Berechtigung haben (vgl. z.B. Lösel 2006), greift aber zu kurz und schiebt die Verantwortlichkeit für die fehlende Inanspruchnahme einseitig den Familien zu. Vielmehr ist jedoch zu fragen, welche Wege gegangen und welche Hürden auf Seiten der Institutionen und Fachkräfte abgebaut werden müssen, um auch diesen Familien den Zugang zu stärkenden, begleitenden und unterstützenden Angeboten zu ermöglichen. Mehrsprachige Aushänge oder Flyer zeigen durchaus Wirkung und sind mittlerweile in vielen Institutionen selbstverständlich. Wesentlich jedoch scheint die persönliche Ansprache durch vertraute Fachkräfte zu sein, die den Müttern und Vätern Wertschätzung und ehrliches Interesse an ihren Fragen und Themen vermittelt und diese erkennbar ernstnimmt.

So schildert die Leiterin einer Berliner Kindertageseinrichtung mit einem hohen Anteil an Familien in benachteiligenden Lebenslagen, dass sie nun - nach ihrer Ausbildung zur Elternbegleiterin - die Familien morgens schon an der Eingangstür persönlich begrüße und zu Veranstaltungen einlade. In diesen zumeist kurzen persönlichen Kontakten erlebe sie häufiger, dass Eltern erklären, weshalb sie an bestimmten Angeboten nicht teilnehmen können. So habe sich bei ihr als pädagogischer Fachkraft ein neues Verständnis für die Situation der Familien entwickeln können. Insgesamt habe sich seitdem die Zahl der teilnehmenden Mütter und Väter an Veranstaltungen deutlich erhöht, und gemeinsam mit den Eltern seien weitere Angebote konzipiert worden.

Dieses Bedürfnis von Eltern nach dem "Gesehen-Werden" erfüllen Plakate und Flyer erfahrungsgemäß nicht, so dass, wenn dieser Weg der Ansprache der alleinige bleibt, Eltern sich oft wenig angesprochen und eingeladen fühlen und sich gegen eine Teilnahme am jeweiligen Angebot entscheiden. Eine veränderte Art der Ansprache kann jene Weichenstellung sein, die eine Zusammenarbeit mit Familien grundlegend verändert. Auch eine ansprechend und übersichtlich gestaltete persönliche Einladung, die jede Familie erhält, kann durchaus ein Weg sein, über Veranstaltungen zu informieren und Familien zu einer Teilnahme anzuregen. Wie bei jeder Form der (schriftlichen) Werbung ist es dabei notwendig, im Blick zu behalten, dass sich allein durch z.B. die Gestaltung in Wort und Bild, den Veranstaltungstitel oder auch organisatorische Vorgaben manche Familien von vornherein wenig angesprochen oder sogar ausgeschlossen fühlen.

Settings und Formate

Wenngleich im Rahmen der Qualifizierungen zur/zum Elternbegleiter/in das Rad nicht jedes Mal neu erfunden wird, zeigt sich anhand der Projektberichte und der Rückmeldungen durchaus, dass Fachkräfte durch die in der Weiterqualifizierung vermittelten Inhalte und eigene neue Erfahrungen ermutigt werden, in ihrer alltäglichen Praxis neue Wege einzuschlagen.

So berichtet eine Erzieherin von der Umsetzung der Idee, Müttern und Vätern die Möglichkeit zu geben, im Rahmen einer Hospitation in der Kita-Gruppe ihres Kindes den pädagogischen Alltag in der Einrichtung näher kennenzulernen. Dieses Angebot sollte die bestehenden Formen der Zusammenarbeit mit Eltern wie z.B. Elternabende oder Tür- und Angel-Gespräche ergänzen, den Eltern die pädagogische Arbeit transparent machen und ein vertrauensvolleres Miteinander von Erzieherin und Eltern ermöglichen. Dieses Angebot sei von mehreren Müttern und Vätern mit Interesse angenommen worden, die - begleitet durch kurze persönliche Gespräche im Vorfeld wie auch im Nachgang - in ganz unterschiedlicher Art und Weise über einen bestimmten Zeitraum den Alltag der Kita-Gruppe begleitet, unterstützt und mitgestaltet haben. Aus diesem Angebot heraus habe sich ein Gruppenangebot entwickelt, das in seiner dialogischen Ausrichtung Raum geschaffen habe für die Themen, Fragen und Ängste der teilnehmenden Eltern und den Austausch der Eltern untereinander. Von allen Beteiligten sei dies als großer Gewinn erlebt worden.

Andere Elternbegleiter/innen berichten davon, dass eine stärkere Einbeziehung von Eltern bzw. ihrer Bedürfnisse in die Gestaltung z.B. von Elternthemenabenden rund um das Thema Bildung zu einem angeregten Austausch der Eltern untereinander führt und gleichzeitig die Zusammenarbeit von Eltern und Erzieher/innen verbessern kann. So geschah dies auch in einer großstädtischen Kita mit einem hohen Anteil an Familien mit Migrationshintergrund, in der verschiedene Angebote rund um das Thema Lesekompetenz wie mehrsprachige Vorlesestunden gemeinsam mit Eltern und Kindern, eine Bilderbuchwerkstatt und interkulturelle Familien-Workshops entstanden.

Nun werden innovative Wege einer veränderten Zusammenarbeit nicht gleich zum Selbstläufer, doch können sich in Einrichtungen, in denen diese Prozesse und Innovationen vom gesamten Team mit Interesse, neugierig und offen aufgenommen und begleitet werden, sicher deutliche Veränderungen erzielt werden.

Dass Formate, in denen Eltern sich als Expert/innen für ihre Kinder anerkannt erleben und darüber hinaus - in ganz unterschiedlicher Weise - beteiligt werden, das Klima und die Kultur in einer Einrichtung zu verändern, zeigt auch folgendes Beispiel aus der Arbeit einer Erzieherin: Sie berichtet, dass sie mit dem Ziel, die Eltern der betreuten Kinder für die Durchführung einer gemeinsamen Projektwoche in der Kindertageseinrichtung zu gewinnen, Mütter und Väter persönlich angesprochen habe. Dabei habe sie ihnen signalisiert, dass ihre Ideen, Vorschläge und ihre individuellen Kompetenzen für den noch ergebnisoffenen Prozess der Projektplanung wichtig seien und ihre Mitarbeit eine Bereicherung darstelle. Nach einer zunächst schwierigen Anfangszeit seien immer mehr Eltern der Einladung gefolgt, hätten in eigener Regie Planung und Durchführung dieser Projektwoche übernommen, in Workshops Kostüme genäht und Bühnenbilder gemalt für die Theateraufführung der Kinder, die Abschluss und Highlight der Projektwoche darstellen sollte. Resümierend stellt sie fest, dass Eltern und Kinder sich begeistert beteiligten, neue oder verschüttete Talente an sich entdeckten und mit Freude auf das gemeinsam Erreichte schauten. Darüber hinaus habe sich ein neues Miteinander von Eltern und Erzieherinnen in der Einrichtung entwickelt und aus der Projektwoche heraus seien Ideen für neue Workshops entstanden.

An diesem Beispiel zeigt sich auch, dass es gelingen kann, Potenziale sichtbar werden zu lassen und Vielfalt als Reichtum für alle zu vermitteln, wenn ausreichend Raum und Zeit geschaffen wird und - vor allem - Unterschiedlichkeit unvoreingenommen respektiert wird.

Ein bedeutsames Format in der Begleitung von Eltern sind die aufsuchenden Angebote, die Eltern Information, Beratung und Bildung im häuslichen Umfeld ermöglichen. Etablierte Familienbildungsprogramme wie etwa Opstapje, PAT oder HIPPY arbeiten seit vielen Jahren mit Hausbesuchen (kombiniert mit Vernetzungstreffen für die begleiteten Familien). Während manche Familien mit großer Skepsis auf das Angebot eines Hausbesuches reagieren, empfindet die Mehrzahl den Besuch einer Fachkraft z.B. aus der Kita doch als Wertschätzung und als Möglichkeit, einander besser kennen zu lernen und einmal ohne Zeitdruck ins Gespräch zu kommen. Prämisse für ein in dieser Weise aufsuchendes Angebot muss unbedingt Freiwilligkeit auf Seiten der Familie sein. Gerade bei einer Begegnung im häuslichen Umfeld einer Familie erweist sich die dialogische Haltung der Elternbegleiter/innen als sehr förderlich für den Aufbau einer vertrauensvollen und tragfähigen Beziehung, in der Eltern sich öffnen und über ihre Sorgen und Nöte sprechen können.

Angebote, die dem aufsuchenden Ansatz folgen, kommen auch den zahlreichen geflüchteten Familien zugute: Zwar bietet die beengende Unterbringung in Gemeinschafts- oder Notunterkünften wenig Raum für Privatleben und Rückzug, dennoch profitieren diese Familien in hohem Maße durch die Begleitung hauptamtlich oder ehrenamtlich Tätiger, können Fragen stellen, bauen Kontakte außerhalb der Unterkunft auf, lernen den Sozialraum und Hilfeangebote kennen und werden so darin unterstützt, in Deutschland "anzukommen". Seit 2017 fördert das Bundesfamilienministerium mit dem Programm Starke Netzwerke - Elternbegleitung für geflüchtete Familien an ausgewählten Standorten den Auf- und Ausbau entsprechender Strukturen.3

Sozialräumliche Vernetzung/Kooperation

Eine Kernaufgabe der Elternbegleiter/innen besteht darin, im Interesse der Familien vor Ort professions- und trägerübergreifende Netzwerke innerhalb ihres Sozialraums auf- und auszubauen. Vielfach haben die Elternbegleiter/innen in ihrem regulären Arbeitsumfeld - Kita, Hort, Familienbildung - bereits Kontakt zu den Familien. Die Kenntnis weiterer Angebote im Sozialraum und ein guter Kontakt zu anderen Akteuren aus Kitas, Beratungsstellen, Schulen, familienunterstützenden oder medizinischen Diensten ermöglicht es, im Sinne einer "Lotsen"-Funktion diesen Familien ihren Bedürfnissen und Bedarfen entsprechend zügig andere oder weiterführende Dienste und Angebote innerhalb des sozialen Nahraumes zugänglich zu machen. Mitunter bedeutet dies auch, die Informationen der Träger und Einrichtungen in die Sprache der Familien zu übersetzen oder Familien tatsächlich über die Schwelle einer Institution hinweg zu begleiten. Auch wird von Elternbegleiter/innen beispielhaft beschrieben, wie sie mit den von ihnen betreuten Familien Freizeitangebote im nahen Umfeld besuchen, die Zeit dort begleiten und so Eltern und Kindern nicht nur neue Erfahrungen ermöglichen, sondern auch Kontakte und Austausch der Eltern untereinander anregen.

Praktikabel ist es offenbar auch andersherum: So haben sich Elternbegleiter/innen in Einrichtungen wie Kitas, Familienzentren oder Familienbildungsstätten auf den Weg gemacht, einmal im Monat im Rahmen eines Familientages ihre Türen für Akteure wie z.B. Vereine aus dem Sozialraum zu öffnen, die Menschen aus dem Stadtteil - insbesondere neu hinzu gezogene Familien - einzuladen, Mitmachaktionen zu organisieren und ihre Besucher zu einem gemeinsamen Imbiss mit mitgebrachten Speisen zu vereinen. Die Erfahrung zeigt, dass Eltern und Kinder das Angebot gern annehmen und mitgestalten und so die Einrichtung tatsächlich zu einem Lebensort, nicht nur für die Kinder, wird.

Durch Abstimmung mit anderen Akteuren können Elternbegleiter/innen dazu beitragen, eine für Familien transparente Angebotsstruktur herzustellen sowie "Lücken" zu identifizieren und durch entsprechende Angebote zu füllen. Gemeinsam geschaffene Begegnungsräume unterstützen Familien darin, Kontakte zu anderen Familien aufzubauen und sich ein soziales Netzwerk zu schaffen, das Austausch und Entlastung bieten kann. Auch denkbar sind z.B. begleitete Projekte, die Mütter, Väter und Kinder anregen, selbst ihr Lebensumfeld "in Augenschein" zu nehmen, Freizeit- und Bildungsangebote kennenzulernen und aus Elternsicht anderen Familien zu empfehlen.

Trägerübergreifende und regional ausgerichtete Workshops unterstützen qualifizierte Elternbegleiter/innen im Prozess des Auf- und Ausbaus von Vernetzung, in der träger- und ressortübergreifenden Zusammenarbeit im Sozialraum und in der gemeinsamen Weiterentwicklung der Angebotsstruktur vor dem Hintergrund sozialräumlicher Bedarfe und regionaler Rahmenbedingungen. Gleichzeitig bieten diese Vernetzungstreffen Raum für kollegiale Beratung und fachlichen Austausch.

Fazit

Elternbegleiter/innen erreichen - je nach Arbeitsfeld und Institution - Eltern in unterschiedlichen Familienphasen und Lebenslagen. Ihr Ziel ist es, Mütter und Väter in der Bewältigung von Bildungsaufgaben und -übergängen durch entsprechende Angebote zu begleiten, ihre Kompetenzen in Bildungsfragen zu stärken und die Entwicklung neuer Handlungsoptionen zu unterstützen. Die Berichte aus der Praxis der Elternbegleiter/innen lassen erkennen, dass nicht nur mehr, sondern auch andere Eltern als vorher angesprochen und erreicht werden. Angebote werden neu oder anders konzipiert; vielfach scheinen sich Eltern und Fachkräfte "neu" zu begegnen, und die Qualität der Zusammenarbeit mit Familien verbessert sich grundsätzlich. Fachkräfte mit der Qualifikation Elternbegleiter/in fühlen sich in der Zusammenarbeit mit Eltern sicherer, verfügen über ein breiteres methodisches Repertoire und sind sozialräumlich besser vernetzt. Die Evaluationsergebnisse4 belegen zugleich, dass auch die Kinder unmittelbar profitieren: So nutzen Mütter und Väter, die in Kontakt mit einem/r Elternbegleiter/in stehen, in einem höheren Maße Förderangebote für ihre Kinder als andere (vgl. BMFSFJ 2014 und 2015).

Wenngleich die vorgestellten Praxisbeispiele sich inhaltlich nicht in erster Linie auf das Thema "Bildung" konzentrieren, stellen sie doch in der Art und Weise, wie Eltern angesprochen und beteiligt werden, wie sie in ihren Ressourcen, ihrer Selbstwirksamkeit und ihrer Kompetenzerfahrung gestärkt werden, die Weichen auch für die Zusammenarbeit mit Fachkräften in Einrichtungen z.B. der schulischen und der außerschulischen Bildung. Dies ist möglich, weil an die Stelle einer einseitigen Betonung von Expertenstatus und starrer Lösungsorientierung eine von gegenseitigem Respekt getragene Kooperation von Eltern und Fachkräften tritt und Mütter, Väter und Kinder in ihrem Selbsthilfepotential gestärkt werden. Grundlegende Voraussetzungen für eine tragfähige Zusammenarbeit sind gegenseitiges Vertrauen in die Kompetenzen des Gegenübers und die Bereitschaft, auch andere Sichtweisen als die eigene anzuerkennen und wertzuschätzen. Gleichwohl dürfen Risiken im Bildungsverlauf, kindeswohlbeeinträchtigende Entwicklungen oder Verhaltensweisen in keiner Weise ausgespart bleiben, doch es ist davon auszugehen, dass Eltern, die sich - bei aller manchmal notwendigen Unterstützung - auch in der Interaktion mit pädagogischen Fachkräften als kompetent, selbstwirksam und selbstbestimmt erleben, Hinweise, Förderbedarfe oder professionelle Unterstützung von außen leichter annehmen können.

Vielfach lebt Elternbegleitung derzeit vom Engagement einzelner Fachkräften und deren Einrichtungen. Wünschenswert ist es daher, dass Einrichtungen und Kommunen ausreichend Ressourcen an Zeit, Geld und Personal zur Verfügung stellen, um im Interesse von Kindern, Eltern und Familien Elternbegleitung wirksam und langfristig vorzuhalten.

Anmerkungen

1 www.elternchance.de

2 www.konsortium-elternchance.de

3 www.elternchance.de

4 Die wissenschaftliche Evaluation des Bundesprogramms "Elternchance ist Kinderchance" wurde vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) gemeinsam mit der Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) durchgeführt.

Literatur

BMFSFJ (Hrsg.): Das Bundesprogramm "Elternchance ist Kinderchance" - zentrale Befunde der Evaluation. Berlin 2014

BMFSFJ (Hrsg.): Wie Familien für frühe Bildung gewonnen werden. Erfahrungen aus 100 Standorten "Elternbegleitung Plus". Berlin 2015

Lösel, F. et al.: Bestandsaufnahme und Evaluation von Angeboten im Elternbildungsbereich. Erlangen, Nürnberg 2006

Schopp, J.: Eltern Stärken. Die Dialogische Haltung in Seminar und Beratung. Opladen: Verlag Barbara Budrich, 6. Aufl. 2016

Solf, C./Wittke, V.: Elternbeteiligung in Tagesgruppen. Frankfurt am Main: Verlag Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen 2007

Wittke, V.: Wegbegleiter. Meine Kita, Heft 3/2017, S. 8-9

Weitere Informationen

www.elternchance.de

www.konsortium-elternchance.de

Autorin

Dr. Verena Wittke ist Diplom-Pädagogin und arbeitet im AWO Bundesverband als Referentin für Familienbildung. Sie begleitet die Umsetzung der ESF-Bundesprogramme Elternchance I und II seit 2011.