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Zitiervorschlag

Kindeswohlgefährdung

Sibel Ngo

 

Kinder und Jugendliche haben grundsätzlich das Recht auf ein allgemeines Wohlergehen und die freie Entfaltung einer gesunden Entwicklung. Dieser Zustand wird auch als Kindeswohl definiert. Ist dieses gestört, gilt es, diesen Verdacht richtig zu erkennen und womöglich einer geeigneten Stelle zu melden. Doch wann genau ist das der Fall und an wen wendet man sich am besten?

Innerhalb Deutschlands sind laut dem Deutschen Kinderschutzbund etwa 300.000 bis 400.000 Kinder von einer Kindeswohlgefährdung betroffen. Sei es durch eine Misshandlung, Vernachlässigung oder durch sexuellen Missbrauch. Bei den Tätern handelt es sich nicht selten um eine Person, die sich im direkten Umkreis des Kindes oder Jugendlichen befindet. Umso schwieriger ist es auch, eine korrekte Einschätzung zu treffen und richtig zu handeln.

Woran eine Gefährdung des Kindeswohls zu erkennen ist

Eine Kindeswohlgefährdung zeigt sich stets anhand gewisser Auffälligkeiten beim Kind. Ist man aufmerksam, können diese auch recht frühzeitig erkannt werden. Je nach Form der Kindeswohlgefährdung tauchen zum Beispiel die folgenden Verhaltensweisen auf:

  • Das Kind entwickelt Über- oder Untergewicht.
  • Im Zuge dessen neigen manche Kinder auch zu Essstörungen.
  • Es zeigt Vernachlässigungen im Bereich der Körperpflege.
  • Das Kind ist unaufmerksam und chronisch müde.
  • In vielen Fällen zeigen die Kinder auch eine Verzögerung in Bezug auf ihre sprachliche Entwicklung.
  • Manche Kinder sind in sich gekehrt und zeigen Verlustängste, andere sind wiederum höchst aggressiv, reagieren schreckhaft oder sind apathisch.
  • Regeln und Grenzen werden von dem Kind mutmaßlich missachtet.
  • Im Zuge dessen lügen sie häufig.
  • Viele Kinder stellen auch keinerlei Blickkontakt her und meiden die soziale Interaktion mit anderen Kindern.
  • Schlimmstenfalls kommt es auch zu selbstverletzendem Verhalten, die Kinder laufen weg und haben weitere Schwierigkeiten im Kindergarten, als auch in der Schule.

Wie man sieht, sind die Erscheinungen einer Kindeswohlgefährdung sehr unterschiedlich. Entscheidend ist hierbei auch häufig, welche Art von Gefährdung vorliegt. Im Falle eines sexuellen Missbrauchs kann es zum Beispiel ein eindeutiges Zeichen sein, wenn das Kind über Unterleibsschmerzen klagt oder den Missbrauch offensiv auf andere Kinder überträgt.

Bei körperlichem Missbrauch beschränken sich die Hinweise außerdem nicht immer bloß auf Hämatome, die auf der Haut des Kindes zu sehen sind. Knochenbrüche oder eine häufige Abwesenheit durch Krankheit ist ebenfalls bezeichnend.

Welches Gesetz kommt zum Zug?

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) steht geschrieben, dass jedes Kind und jeder Jugendliche das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung hat. Genauer ist dies im Paragrafen 1631, Absatz 2 abgefasst. Neben der körperlichen Bestrafung ist es ebenfalls verboten, das Kind anderen Maßnahmen auszusetzen, die einen entwürdigenden Charakter besitzen.

Das Quälen von Kindern, sowie die mut- und böswillige Vernachlässigung wird laut Paragraf 225 des Strafgesetzbuchs (StGB) mit sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Innerhalb dieses Gesetzes werden alle Kinder und Jugendlichen bis zu einem Alter von unter 18 Jahren geschützt.

Außerdem gibt es dazu noch weltweit anerkannte Regelungen, die von der UN-Kinderrechtekonventionen zusammengefasst wurden. Hierin sind auch die Formen der Kindeswohlgefährdung klar definiert, sowie der der Zeitpunkt, wann ein Verstoß gegen die Kinderrechte vorliegt.

Was tun, wenn ein Verdacht besteht?

Besteht der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung, gibt es verschiedene Stellen, bei denen man sich melden kann. Familien und Angehörige können spezifische Beratungsstellen in Anspruch nehmen. Kinderschutzzentren bieten hier eine gute Anlaufstelle. Dort kann man bereits Hilfe suchen, wenn nicht ganz klar ist, ob der Verdacht berechtigt ist oder nicht. Tipp: In solchen Zentren werden auch Hilfestellungen gegeben, inwiefern man selbst dazu in der Lage ist, Einwirkung auf die Situation zu nehmen.

Ist der Verdacht jedoch berechtigt, aus welchen Gründen auch immer, geht die nächste Meldung umgehend ans Jugendamt. Hier handeln Experten, die nicht nur eine direkte Bewertung der Situation vornehmen, sondern im Notfall auch andere (rechtliche) Schritte ergreifen.

Was macht das Jugendamt bei einer Kindeswohlgefährdung?

Ist ein berechtigter Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vorhanden und das Jugendamt verständigt, wird dieses entsprechende Schritte einleiten, um den Verdacht zu bestätigen oder zu entkräften. Der typische Ablauf ist gewöhnlich wie folgt:

  • Bei einem berechtigten Verdacht stellt das Jugendamt zunächst die Verbindung zu den Eltern her. Die Kontaktaufnahme kann persönlich sein, aber auch schriftliche Form besitzen. Je nach Schwere des Verdachts ist der direkte Besuch jedoch durchaus gerechtfertigt.
  • Wird dabei klar, dass die Eltern total überfordert sind und Hilfe annehmen wollen, stellt das Jugendamt Möglichkeiten zur Unterstützung, sowie zur Beratung zur Verfügung. Häufig dienen die hier ergriffenen Maßnahmen auch dazu, eine weitere Eskalation zu verhindern.
  • Wird von den Eltern die Mitarbeit verweigert, organisiert das Jugendamt unter Umständen die nötige Hilfe, auch ohne deren Einwilligung. Diese Hilfe kann ein Arztbesuch sein und bei berechtigtem Verdacht auch eine vorübergehende Inobhutnahme.

Dabei ist es wichtig zu wissen, dass das Jugendamt nicht die Befugnis besitzt, die Eltern bezüglich ihrer Rechte einzuschränken. Hierfür ist wiederum das Familiengericht zuständig. Dieses sucht bei einem Verdacht das persönliche Gespräch mit den Eltern und beabsichtigt grundsätzlich eine einvernehmliche Lösung. Führen die Gespräche jedoch zu nichts, kann das Familiengericht veranlassen, dass das Sorgerecht eingeschränkt und das Kind aus der Familie genommen wird.

Weitere Informationen sind im kostenfreien Ratgeber unter https://www.anwalt.org/kindeswohlgefaehrdung/