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Zitiervorschlag

Pädagogische Qualität in Kindertagesstätten neu gedacht: Mit dem KI-Assistent ChatGPT mehr Zeit für Kernaufgaben

Matilde Heredia & Noreen Naranjos Velazquez        

 

 

Zusammenfassung

Während in Kindertagesstätten Themen wie Qualitätsmanagement und Fachkräftemangel als unvermeidliche Gegensätze die tägliche Praxis begleiten, wurde durch die freie Verfügbarkeit von ChatGPT im November 2022 eine neue Ära potenzieller Chancen eingeläutet (Angelis et al., 2023; Klaudy & Stöbe-Blossey, 2020; Kluczniok, 2018). Aktuell wird der auf dem Sprachmodell GPT3.5 bzw. GPT4 basierende Chatbot in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft getestet.

In diesem Zusammenhang werden beispielsweise in pädagogischen Kontexten auch Bedenken zu möglichen Gefahren dieser Form der Künstlichen Intelligenz (KI) diskutiert (Alkaissi & McFarlane, 2023; Deutscher Ethikrat, 2023, S. 185). Diese Bedenken sind jedoch nicht neu, sondern wurden bereits beim Vorläufermodell GPT2 diskutiert (Bauberger et al., 2021; Bauckhage, Fürnkranz & Paaß, 2021). Vor diesem teilweise sehr konträr diskutiertem Szenarium dient der vorliegende Beitrag einer fachwissenschaftlichen Einordnung von ChatGPT, und zwar bewusst vor dem Hintergrund von frühpädagogischen Qualitäts- und Fachkräftedebatten. Abgeleitet werden Impulse, um Chancen und Grenzen von ChatGPT für die Kindheitspädagogik in Wissenschaft und Praxis zu beschreiben. Ziel dieser Verortung des KI-basierten Tools ist es, 1.) Anregungen für eine verbesserte Strukturqualität zu geben und 2.) erste, zentrale Forschungsbedarfe herauszuarbeiten.

Hintergrund: Digitalisierung, Fachkräftemangel und Qualität in Kitas

Die pädagogische Praxis in Kindertageseinrichtungen (Kitas) wird zunehmend heterogener in Bezug auf Kulturen und Sprachen sowie auf Erwartungen der Eltern an die Bildungseinrichtungen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit differenzierterer Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsstrukturen sowie einer regelmäßigen Überprüfung von Qualitätsaspekten und einer kontinuierlichen Qualitätsentwicklung (Klaudy & Stöbe-Blossey, 2020; Kluczniok, 2018). Zudem gibt es digitale Angebote in Kitas, die aus der Perspektive einiger Autor:innen ganz am Anfang stehen. Mit diskutiert wird hier auch Digital Literacy. Damit sind Zugänge zu digitalen Angeboten, Algorithmen sowie hierfür notwendige Kompetenzen gegeben (Köller et al., 2022, S. 22f.). Zum Beispiel gehören hierzu verschiedene digitale Angebote und Kommunikationsplattformen (Schelle et al., 2022).

Praxis und Alltag in Kitas stehen neben dem Anspruch an Digitalisierung vor weiteren Herausforderungen. Eine der zentralsten ist der Fachkräftemangel. Ursachen für diesen sind multifaktoriell. Einen entscheidenden Einfluss hatte jedoch der Ausbau von Betreuungsplätzen in Deutschland über das Kinderförderungsgesetz (KiföG). Aufgrund dessen stieg der Personalbedarf in Kitas (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2021, S. 20).  

Qualität in Bildungseinrichtungen kann anhand unterschiedlicher Merkmale gemessen werden. Ein zentrales Merkmal der Qualitätsentwicklung in Kitas ist die Ermöglichung von Inklusion für alle Kinder (Platte, 2020). Dieser Prozess der Qualitätsentwicklung beinhaltet nicht unbedingt große Umstrukturierungen, es kann bereits mit der Reflexion über Alltagssituationen aus dem pädagogischen Alltag beginnen. Becker-Stoll (2020, S. 198) betont die Bedeutung von Alltagssituationen im Krippenkontext, die aber von eine knappe Personal- und Zeitplanung gefährdet sein können. In der Diskussion zur Qualität in Kitas ist eine „Zielpluralität“ (Schelle et al., 2022) zu erkennen, die sowohl die pädagogische Praxis als auch die Forschung in diesem Kontext erkennen lassen. Auf einer weiteren Ebene ist die Strukturqualität zu benennen, die nachhaltig qualitative Aspekte bei Prozessen von Kitas sowie Kita-Trägern fokussiert. Darunter können unterschiedliche Aspekte, wie der Beschwerdemanagement, die Optimierung von administrativem Arbeitsprozesse und nicht zuletzt die Kommunikation innerhalb der Kitas sowie zwischen der Kita und weitere Akteurinnen und Akteure aus diesem Arbeitsbereich.

ChatGPT – ein KI-Tool

Seit Jahrtausenden beschäftigen sich Philosophen und Psychologen mit Intelligenz und intelligentem Handeln, wobei aktuelle Diskussionen die Übertragung dieser Prinzipien auf Künstliche Intelligenz (KI) betreffen (Bauckhage, Hübner et al., 2021). Maschinelles Lernen (ML) ist ein zentrales Forschungsgebiet der Informatik und essenziell für die Entwicklung von KI-Systemen. Dank großer Datenmengen können moderne KI-Systeme heute komplexe Aufgaben bewältigen (Bauckhage, Hübner et al., 2021; Deng & Lin, 2022; Steiner & Tschopp, 2022). Dies umfasst unter anderem die Erkennung von Verkehrssituationen in autonomen Fahrzeugen, Diagnose von Krankheiten oder die Verbesserung von Industrieprozessen. Zudem erleichtern KI-basierte Chatbots den Kundenservice und sparen Ressourcen (Kaiser et al., 2019; Mattas, 2023).

Neuronale Netze ergänzen das ML durch Simulation der Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Die Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP) erlaubt Computern, menschliche Sprache in schriftlicher und gesprochener Form zu verstehen und generieren. OpenAI entwickelte ChatGPT, um Gespräche zwischen Menschen und Computern zu ermöglichen (Deng & Lin, 2022). ChatGPT wurde im November 2022 von OpenAI (2023) zur freien Nutzung bereitgestellt. In Gesellschaft und Wissenschaft werden derzeit Chancen und Herausforderungen beim Einsatz von ChatGPT diskutiert. Einige dieser Herausforderungen wurden bereits beim vorherigen Modell GPT2 aufgeworfen, zum Beispiel hinsichtlich der Erstellung unkontrollierter Mengen an Falschinformationen (Bauckhage, Hübner et al., 2021). Erste Impulse zur Nutzung KI-basierter Tools, wie beispielsweise ChatGPT, im Kontext von Bildung liegen vor (Deutscher Ethikrat, 2023, S. 163ff.; Naranjos Velazquez, 2023; Steiner & Tschopp, 2022).

Kita-Qualität meets ChatGPT

Im Kontext der rasanten Erweiterung der ChatGPT Präsenz in verschiedenen sozialen Bereichen, stellt sich die Frage, für welche möglichen Einsatzgebiete ChatGPT in Kindertageseinrichtungen (Kita) nutzbar ist, um die Kita-Qualität zu erhöhen und idealerweise, um Arbeitsprozesse und die Belastung von Mitarbeitenden zu verringern? Die Nutzung von ChatGPT kann in vier verschiedene Bereiche der Arbeit in Kitas getestet werden. Die Autorinnen schätzen hierbei einen einfachen, niedrigschwelligen Einsatz mit langfristig große Entlastungsmöglichkeiten im pädagogischen Alltag für Teams von Kitas. Die Strukturqualität von Kitas kann anhand der Implementierung von KI, beispielsweise über das kostenfreie ChatGPT, in einigen Arbeitsbereiche, die nicht am Kind direkt zu verorten sind, prozessbezogen erfasst werden. Auf einer zweiten Ebene kann die Beobachtung und Dokumentation der Implementierung dieser Prozess nachhaltig optimiert werden (Angelis et al., 2023; Klaudy & Stöbe-Blossey, 2020; Kluczniok, 2018). Ausgehend vom aktuellen Kenntnisstand werden im Folgenden vier mögliche Impulse als erste Chancen für die Nutzung von ChatGPT in der Kita-Praxis abgeleitet.

Impuls 1: Fachkräftemangel

KI-basierte Tools, wie ChatGPT werden nicht alle Probleme hinsichtlich des Fachkräftemangels in Kitas lösen.  An einigen Stellen kann der Einsatz von ChatGPT jedoch dazu beitragen, Arbeitsprozesse systematischer zu gestalten, um Zeit zu sparen. So können kurz- und langfristige Auswirkungen auf die pädagogische Qualität in Kita unterstützt werden (Kluczniok, 2018). Die Gestaltung, Planung und Dokumentation von pädagogischen Angeboten im Praxisalltag oder die pädagogische Konzeptarbeit gehören hierzu. Nicht selten werden in pädagogische Einrichtungen reflexive und konzeptionelle Arbeiten verschoben, wenn Fachkräfte fehlen, beziehungsweise Stellen länger unbesetzt sind. Folgende Arbeitsbereiche könnten im Zusammenhang mit ChatGPT im Sinne einer Arbeitsentlastung diskutiert werden:

  • Portfolioarbeit
  • Kommunikation und Mehrsprachigkeit
  • kulturelle Vielfalt und
  • Digitalisierung und
  • digitale Kompetenzen im Kontext der frühen Kindheitspädagogik

Ein pädagogischer Arbeitsbereich, der oft vernachlässigt wird, wenn Fachkräfte fehlen, ist die Portfolioarbeit. Diese ist aufwendig und verlangt in regelmäßigen Abständen kreative Ideen, um individuelle Portfolios zu gestalten, die Erfahrungen und Bildungsprozesse der Kinder in der Kindertageseinrichtung verankern. Die Portfolioarbeit hat als Grundlage die Beobachtung und die Dokumentation der Kinder im Alltagsgeschehen, um daraus zentrale Erfahrungen und Bildungsprozesse der Kinder für das Portfolio auszuwählen. Außerdem sind Beobachtung eine anspruchsvolle Aufgabe die nützlich sind, wenn diese systematisch und regelmäßig durchgeführt werden (Becker-Stoll, 2020, S. 170).

Die Beobachtung, die Dokumentation und die Portfolioarbeit sind eine Grundlage von gelungener pädagogischer Arbeit. Es handelt sich um dynamische Prozesse, die regelmäßige Reflexion, Weiterentwicklung und Anpassung an die gegenwärtige und sich verändernde Situation der Kindergruppen und ihre Familien verlangt. Obwohl den Fachkräften die zentrale Funktion von Portfolioarbeit und die notwendige Prozessbegleitung bekannt sind, leidet diese Arbeit unter Zeitmangel aufgrund von Fachkräftemangel. Die Gestaltung von individuellen Portfolios ist zeitintensiv und im pädagogischen Alltag fehlt oft die Zeit neue Portfoliovorlagen und -strukturen zu entwickeln, die ausgehend von den verschiedenen Erfahrungen der Kinder, diese individuell und zielgerichtet in Portfolios festhalten können. Die Formulierung von Portfolioideen oder sogar von Lerngeschichten, die stärkenorientiert über individuelles Lernen eines Kindes erzählen (Verbeek, 2020) sind ebenfalls zeitintensiv und können für alle Beteiligten belastend sein, wenn die unerledigte Arbeit sich ansammelt.

Anhand von ChatGPT können neue Ideen entwickelt werden, es können Texte oder Textbausteine für die Portfolio in einfacher Sprache und sogar in weiteren Sprachen formuliert und übersetzt werden. Ebenso kann mit ChatGPT Bildvorlagen und sogar Bausteine für Lerngeschichten verfasst werden, die neue Formulierungen anschließend vereinfachen können. Mit ChatGPT ist es auch möglich, einzelne Elemente oder sogar gesamte Vorlagen für Protokolle, Dokumentation, Beobachtung und Angebote zielgerichtet für die Kita zu gestalten. Ebenso ist es möglich mit dieser Arbeit nachhaltig vorzugehen und dabei innerhalb des Teams Multiplikatoren zu suchen, die andere Teammitglieder bei der Nutzung von ChatGPT unterstützen.

Die angesprochenen Aspekte basieren auf den vom deutschen Ethikrat (2023) gegebenen Impulsen, dass ChatGPT Bildungskontext abwechslungsreicher gestalten werden kann, und zwar immer dann, wenn ein „Verständnis des Menschen als einer zu Selbstbestimmten und Verantwortung fähigen Person entsprechen“ (S. 164) dem Einsatz KI-basierter Technologie zugrunde liegt. Wie aufgezeigt kann dies besonders in herausfordernden Arbeitssituationen notwendig sein. Zeit- und Fachkräftemangel verlangen kreative Ideen, die Arbeitsschritte erleichtern und eine positive Arbeitsatmosphäre generieren können.

Impuls 2: Kommunikation und Mehrsprachigkeit

Durch Globalisierung und technologische Entwicklung, aber ebenso durch weltweite Migrationsbewegungen gehört die Mehrsprachigkeit zu eine der zentralen Merkmale gegenwärtiger Gesellschaften (Gogolin, 2019). Auch wenn die Sprachenvielfalt eine Bereicherung auf verschiedene Ebenen sein kann, ist Mehrsprachigkeit im pädagogischen Alltag eine Herausforderung, besonders dann, wenn zwischen Kinder, Familien und das pädagogische Personal keine gemeinsame Sprache existiert. In solchen Situationen kann die Gestaltung von einer gelungenen Kommunikation viele Zeit- und Arbeitsressourcen verlangen, die nicht immer vorhanden sind. Auch hier kann ChatGPT nicht alle Probleme lösen, aber anhand von Chatbots kann im mehrsprachigen Kontext die Kommunikation und die Inklusion in die Amtssprache von Kindern und Familien aus anderen Ländern gezielt, individuell und nachhaltig unterstützt werden. Die Implementierung von ChatGPT im mehrsprachigen Praxisalltag in Kindertageseinrichtungen bietet vielfältige Handlungsmöglichkeiten, die sprachliche Komplexität von Bildungseinrichtungen wertschätzend zu begegnen und ebenso zielgerichtete Entlastungsmöglichkeiten für pädagogische Fachkräften.  

Das Ziel vom Einsatz der KI in der Bildung in der Entwicklung adaptiver, integrativer flexibler, persönlicher und effektiver Lernumgebungen, die klassische Bildungsformate ergänzen (Deutscher Ethikrat, 2023, S. 164ff.). Seit einigen Jahren werden im Bereich der Sprache und des Spracherwerbs KI-basierte Ansätze getestet bzw. weiterentwickelt. Dazu gehört die Entwicklung von Chatbots (Haristiani, 2019). Ausgehend von einer zunehmenden Komplexität der Mehrsprachigkeit in Bildungs- und Kindertageseinrichtungen, kann diese Technologie greifbare Entlastungsmöglichkeiten für Teams anbieten. Die Autorinnen des vorliegenden Beitrags leiten folgende Aufgaben für ChatGPT ab:

  • komplexe Mitteilungen verständlich in Text oder Audio formulieren
  • komplexe Aussagen in Text oder Audio in leichte Sprache umformulieren
  • Text- und Audioinformation in verschiedene Sprachen übersetzen
  • wichtige Information inhaltlich zusammenfassen

Eine weitere Entlastung für das Kita-Team bietet ChatGPT im Kontext der Dokumentation und Weiterentwicklung alle Kommunikationsvorlagen, die für alle Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt werden können. Idealerweise kann im Kontext der Reflexion der Kommunikationskanäle, innerhalb der Einrichtung und nach Außen, anhand der Unterstützung von ChatGPT, die gesamte Kommunikationskultur der Kita reflektiert und bei Bedarf optimiert werden.

Impuls 3: Der Umgang mit Kulturelle Vielfalt und Diversität

Auf den ersten Blick scheinen Kulturen weit entfernt von KI zu stehen. Ebenso vermag der Einsatz vom ChatGPT keinen Mehrwert im Kontext kultureller Vielfalt zu bieten. Gerade ChatGPT bietet jedoch im pädagogischen Alltag bei der interkulturellen Arbeit eine niedrigschwellige Dialog- und Fragenplattform für Mitarbeitenden: „Auf welche Aspekte sollte man bei einer Familie aus Ghana achten?“ oder „Welche ist die wichtigste Information, die wir Eltern, die vor vier Woche aus Afghanistan nach Deutschland gekommen sind, geben sollen?“ Die Akzeptanz neuer heterogener Kulturen in Bildungseinrichtungen geschieht nicht von allein.

Vielmehr brauchen pädagogische Fachkräfte und Teams von Bildungseinrichtungen Konzepte, die der Orientierung dienen. Die zunehmend vielfältig werdende Gesellschaft verlangt auch eine vielfältige Pädagogik (Prengel, 2019). Eine Situation, vor der häufig viele pädagogische Fachkräfte stehen, ist in kurze Zeit so viele Aspekte, wie möglich aus den unterschiedlichen Kulturen der Familien zu erfahren, um kulturellen Missverständnisse, die im Kontext von Normalitätsannahmen und Erwartungshaltungen sichtbar sein können (El-Mafaalani, 2012), zu vermeiden.

In diesen Situationen könnte der Wunsch nach einem universellen Verhaltenscodex, worauf man zurückgreifen könnte, verständlich werden (Broszinsky-Schwabe, 2017). Die kulturelle Vielfalt kann auf innerhalb von Diversität verordnet werden. Diversität beinhaltet neben kulturelle Unterschiede weitere Kategorien, wie Religion, ethnische, soziale Zugehörigkeit oder Behinderungen. Auch bei dieser Thematik kann ChatGPT nicht alle Herausforderungen meistern, jedoch aber eine niedrigschwellige Quelle an Information über zentrale Aspekte aus unterschiedlichen Kulturen bieten. Ebenso kann der Austausch mit ChatGPT über kulturelle Unterschiede und Diversität einen bewussten Umgang mit der Thematik innerhalb der Kita-Teams fördern. Hierbei ist eine kritische Perspektive auf ethische Aspekte unabdingbar.

Impuls 4: Digitalisierung und Digitale Kompetenzen im Kontext der frühen Kindheitspädagogik

Einen weiteren Bereich, in dem ChatGPT Impulse für eine verbesserte Strukturqualität geben kann, ist die Auseinandersetzung mit Digitalisierung und Digitaler Kompetenz im Kontext der Kindheitspädagogik. Digitale Transformation gehört mittlerweile zur gesellschaftlichen und menschlichen Entwicklung. Dies gilt sowohl für beruflichen als auch private Lebenswelten. In den Handlungsempfehlungen „Digitalisierung im Bildungssystem“ von der Kita bis zur Hochschule definieren Köller et al. (2022) digitale (Medien-)Kompetenz, Digital Literacy und ICT-Literacy als „die Fähigkeit entsprechende Technologie zu verstehen und sie kompetent anwenden zu können“ (S. 23).

Gerade weil sich durch KI neue Erfahrungsbereiche eröffnen, ist die inhaltliche und pädagogische Auseinandersetzung mit Digitalisierung und die dazu erforderlichen Kompetenzen, alle beteiligten Akteur:innen unabdingbar. Gemeint sind Kinder, Eltern, Familien und pädagogische Fachkräfte. ChatGPT kann in diesem Kontext erste Annäherungsversuche für Erwachsene zur Thematik ermöglichen und gleichzeitig Grundwissen zu Medienkompetenz sowie Grenzen der Mediennutzung anbieten. ChatGPT bietet niedrigschwellige Zugänge zu Programmierung, Text- und Bildverarbeitung. Obwohl pädagogische Fachkräfte und Eltern hoch digitalisiert leben, sind bei der Vermittlung von Medienkompetenzen Unterschiede und bei dem richtigen Umgang mit digitalen Medien bei Kindern ist oft eine Lücke zu erkennen. Die Anwendung von ChatGPT ermöglicht niedrigschwellige Zugänge zu unterschiedlichen Themenfelder, wie beispielsweise Programmierung, Algorithmen oder virtuelle Realitäten zu gestalten. ChatGPT bietet demnach die Möglichkeit für:

  • niedrigschwellige Zugänge zu Digitalisierung
  • Inkursion in Programmiersprache/n
  • Funktion und Anwendung von Algorithmen im medialen Alltag
  • virtuelle Realitäten erkennen

Sichtbar werdende Forschungsbedarfe

Die oben genannten Herausforderungen und die möglichen Anwendungen von ChatGPT im Kita-Alltag lassen gleichzeitig aktuelle Forschungsbedarfe bezüglich KI und ChatGPT erkennen. Ausgehend von der skizzierten Entwicklung der KI im gesellschaftlichen Kontext und durch das Interesse der Eruierung von Einsatzmöglichkeiten im pädagogischen Bereich, werden potenzielle Chancen für die frühpädagogische Praxis sichtbar. Dabei ergeben sich zwei grundsätzliche Fragen, welche erste Impulse für Forschungsprojekten sein könnten:

  1. Gibt es im Gegensatz zu anderen Bildungsbereichen Besonderheiten im Arbeitsfeld Kita?
  2. Wie kann die Haltung pädagogischer Fachkräfte im Arbeitsfeld Kita gegenüber der Nutzung KI-basierter Tools theoretisch beschrieben und empirisch untersucht werden?

(a) Wie wird Künstliche Intelligenz im frühpädagogischen Kontext aufgenommen?

(b) Welche Einsatzmöglichkeiten bietet ChatGPT im pädagogischen Alltag, um die Strukturqualität der Kindertagesstätte zu erhöhen?

(c) Welche Entlastungsmöglichkeiten bietet ChatGPT im pädagogischen Alltag?

Chancen und Grenzen KI-basierter Tools

Die Nutzung von ChatGPT, einem KI-basierten Tool, bietet vielfältige Vorteile, jedoch müssen auch Grenzen berücksichtigt werden, die vor allem ethischer Natur sind. Ethische Aspekte wie die sichere Verwendung generierter Informationen sowie der Datenschutz sollen Missbrauch oder Diskriminierung verhindern (Bauberger et al., 2021; Deutscher Ethikrat, 2023). Um Verzerrungen oder Vorurteile zu minimieren, sollte ChatGPT auf eine breite Datenbasis zugreifen (Alkaissi & McFarlane, 2023; Mattas, 2023). Bei der Nutzung von ChatGPT gibt es Limitationen, die aus der begrenzten Datenbasis resultieren und zu unvollständigen oder ungenauen Antworten führen können. Zum Beispiel tendiert ChatGPT dazu, Informationen zu fantasieren oder halluzinieren, was unvorhersehbaren Outputs entspricht (Alkaissi & McFarlane, 2023).

Verzerrungen oder Bias in der Datenverarbeitung sind eine weitere Herausforderung und können Stereotypen oder Vorurteile in bestimmten Kontexten erzeugen (Deutscher Ethikrat, 2023, S. 185). Die Weiterentwicklung von ChatGPT (GPT-3.5) zu GPT-4 verspricht bedeutende Optimierungen. GPT-4 basiert auf aktuelleren Daten und bietet verbesserte Outputs, die anhand verschiedener Kriterien gemessen werden (OpenAI, 2023). Trotz dieser Fortschritte sind KI-basierte Tools wie ChatGPT und GPT-4 weiterhin mit Risiken verbunden. Die Entwickler betonen, dass diese Modelle sowohl große gesellschaftliche Vorteile als auch Schäden verursachen können, je nach Art der Outputs (2023)​. Daher ist es entscheidend, die Nutzung solcher Tools kontinuierlich kritisch zu reflektieren und fachlich zu überprüfen. Zu diesem Thema bieten der Deutsche Ethikrat (2023)​ sowie Steiner und Tschopp (2022)​ weiterführende Diskussionen und Informationen.

Literaturverzeichnis

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