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Zitiervorschlag

Rezension

Gerhard Friedrich, Sandra Jestand: Ich wäre der Verkäufer und du… Frühe mathematische Bildung in Rollenspielen. Weinheim, Basel: Beltz Juventa 2022, 112 Seiten, EUR 15,95 – direkt bestellen durch Anklicken

Mit den ersten Bildungsplänen der Bundesländer gewann die frühe mathematische Bildung an Bedeutung. Immer mehr Wissenschaftler*innen und Fachkräfte befassten sich mit den Inhalten einer elementaren Mathematik, entwickelten für Kleinkinder geeignete Methoden, Projekte und Förderprogramme. Zugleich beschäftigten sich andere Forscher*innen und Fachleute mit dem frühkindlichen Spiel, beschrieben dessen Bedeutung für die Entwicklung von Kleinkindern und analysierten die unterschiedlichen Spielformen.

Inzwischen ist allgemein bekannt, dass sich mit Regelspielen mathematische Kompetenzen fördern lassen. Es ist das besondere Verdienst des Privatdozenten Gerhard Friedrich, der den meisten frühpädagogischen Fachkräften durch das „Zahlenland“ bekannt sein dürfte, sowie der Kita-Leiterin und Fortbildnerin Sandra Jestand, dass sie in ihrem gut verständlichen Buch nun auch die Bedeutung der Rollen- und Fantasiespiele für die frühe mathematische Bildung herausgearbeitet haben. Dabei geht es ihnen nicht darum, diese in „zielgerichtete Mathematiklernspiele zu übersetzen“ (S. 8), sondern die ihnen inhärenten, mathematisch bedeutsamen Aspekte zu erkennen und zu fördern.

Das praxisnahe Buch mit seinen 99 Farbfotos umfasst zwei Teile: Unter dem Titel „Grundlagen“ (18 Seiten) betonen Gerhard Friedrich und Sandra Jestand, dass es viele Wege gibt, Kleinkindern mathematische Inhalte bildungswirksam zu erschließen. So könnten sich Kinder diese auch „im Rahmen von Fantasie- und Rollenspielen selbst ‚erspielen‘“ (S. 17). Dabei können Animismen und Modelllernen unterstützend eingesetzt werden. Unter dem Titel „Beispiele zur praktischen Umsetzung“ (77 Seiten) wird dann kurz beschrieben, dass frühe mathematische Bildung in Rollenspielen besonders erfolgreich verläuft, wenn es bestimmte vorbereitende Aktivitäten gibt, das jeweils benötigte Spielmaterial zur Verfügung gestellt wird und die Kinder während des Spiels von den Fachkräften ko-konstruktiv unterstützt werden. Diese Gedanken werden dann an den Beispielen „Einkaufsladen“, „Zugfahren“, „Post“, „Wir spielen Schule“ und „Zahlenland“ ganz praxisnah verdeutlicht. Aber nicht nur in solchen vorgeplanten, länger andauernden und pädagogisch begleiteten Projekten kann frühe mathematische Bildung erfolgen, sondern auch in alltäglichen, kürzeren und unbegleiteten Rollenspielen. Dies wird abschließend anhand der Beispiele „Eisverkäufer*in“, „Mathedetektive“, „In der Pizzeria“ und „Autogarage“ aufgezeigt.

Das Besondere an dem Buch von Gerhard Friedrich und Sandra Jestand ist meines Erachtens, dass es hier nicht um eine gezielte mathematische Frühförderung in Lerneinheiten geht, wobei vor allem schulische Vorläuferfähigkeiten entwickelt werden sollen, sondern dass Kinder mathematische Kompetenzen von selbst im Rahmen von (fachlich begleiteten) Rollenspielen – oder „Projekten“ – entwickeln, in denen sie zugleich viele andere Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben. Ein sehr empfehlenswertes und praxisorientiertes Fachbuch!

Martin R. Textor