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Zitiervorschlag

Rezension

Judith Allert, Stéffie Becker: Tiger im Gepäck. Ravensburg: Ravensburger Verlag 2020, 142 Seiten, EUR 12,99 – direkt bestellen durch Anklicken

 

Den Eltern des Grundschulkindes Mika gehört ein kleiner Zoo. Das Gelände – und damit auch der Platz für die Gehege – ist immer kleiner geworden, da die schnell wachsende Stadt einen Teil der Zoofläche als Bauland beansprucht hat. Und nun wird auch noch ein Einkaufszentrum direkt neben den Zoo gebaut. Kein Wunder, dass immer weniger Besucher kommen und Mikas Eltern immer mehr Angst um ihre Existenz haben. Zunächst kaufen sie als neue Attraktion einen alten Zirkustiger namens Tucker. Und schon kommen wieder mehr Besucher. Aber sie sind enttäuscht, weil sich der Tiger die ganze Zeit in seiner Box versteckt und nicht zu sehen ist. Dann vergrößern die Eltern den Kiosk, um den Besuchern ein größeres Warenangebot machen zu können. Aber auch dies macht den Zoo nicht attraktiver – und immer mehr Menschen beschweren sich über den unsichtbaren Tiger.

So nehmen die Sorgen von Mikas Eltern weiter zu, und wegen ihrer vielen Besprechungen haben sie immer weniger Zeit für Mika. Da sie viel über den Tiger diskutieren, beschließt Mika, ebenfalls unsichtbar zu werden: Wenn die Eltern sie vermissen, werden sie bestimmt wieder mehr mit ihr sprechen! Und so packt Mika ihren Rucksack und läuft weg. Sie will nicht zu weit gehen, damit die Eltern sie leichter finden können. Dann würden sie sie bestimmt umarmen, lachen und wieder Zeit für sie haben...

Als Mika durch die Straßen der Stadt läuft, hat sie auf einmal das Gefühl, dass sie verfolgt wird. Sie biegt in eine ruhigere Seitenstraße ein, sieht wieder aus den Augenwinkeln einen Schatten – es ist der Tiger! Und Tucker kann auf einmal sprechen: Er verlangt von Mika, dass sie ihn in sein Heimatland Indien bringt. Und Mika hat so viel Angst vor dem großen Tier, dass sie nicht wagt, ihm zu sagen, dass sie den Weg nach Indien nicht kennt. Und so läuft sie mit dem Tucker ziellos durch die Stadt. Zu ihnen gesellen sich noch ein Straßenköter namens Tell und eine kleine Maus, die auch sprechen können.

Damit habe ich noch nicht einmal den Inhalt der ersten Hälfte des Buches zusammengefasst. Und ich habe nicht vor, noch mehr von dieser spannenden Erzählung zu verraten! Die weiteren Abenteuer von Mika, Tucker, Tell und dem Mäuschen werden Sie selbst (vor-) lesen müssen. Ob die kleine Reisegruppe wohl bis nach Indien kommen wird?

Das von Judith Allert erdachte und von Stéffie Becker mit vielen Bildern illustrierte Buch wird älteren Kleinkindern gut gefallen. Dank der etwas größeren Schrift eignet es sich auch für Grundschulkinder, die schon längere und anspruchsvollere Bücher lesen können. Wenn auch Eltern bzw. Erzieher/innen den Inhalt des Buches kennen, können sie mit den (ihnen anvertrauten) Kindern über Themen wie Existenzängste – sicherlich ein Problem vieler Eltern während der Corona-Krise bzw. Rezession –, Vernachlässigung von Kindern, Wahrheit und Lüge, Freundschaft zwischen ganz unterschiedlichen Wesen oder das Einsperren von wilden Tieren „philosophieren“.

Martin R. Textor