Martin R. Textor
Hexen und Hexerei - diese Themen interessieren Alt und Jung. Walpurgis ist ein geeigneter Anlass, um sich hiermit zu beschäftigen. Dieses Ereignis geht auf Sagen zurück. So schrieb Johannes Praetorius 1669 über den Brocken, den höchsten Berg des Harzes: "...dieser ist gar berühmt durch gantz Teutschland von den Hexen und Unholden, daß sie allda jährlich in der Nacht Walburgae auf den ersten Maji ihren Convent und Hof halten sollen". Goethe hat dann in seinem "Faust" den Brocken als Hexentanzplatz weltbekannt gemacht.
Zum Hexensabbat auf dem Blocksberg kommen die Hexen der Sage nach auf Besen, Katzen oder Ziegenböcken geritten, um mit dem Teufel zu tanzen. In dieser Nacht sind alle Zaubermächte losgebunden, so dass die Menschen am besten zu Hause bleiben sollten, weil sie dort noch am sichersten aufgehoben sind.
Die Entstehungsgeschichte der Sagen lässt sich bis zur Zeit der Christianisierung zurückverfolgen, als die Heiden von den Christen in immer abgelegenere und unwirtliche Gegenden abgedrängt wurden bzw. sich dorthin zurückzogen. Unter den Christen entstanden viele Gerüchte über ihre grässlichen heidnischen Sitten und Aktivitäten. Nicht verwunderlich ist, dass dabei Teufel eine große Rolle spielten... Eine andere Erklärung ist, dass sich zur Zeit Karls des Großen die Sachsen immer wieder im Harz zu gemeinsamen Opferfesten sammelten. Nach ihrer "Bekehrung" zum Christentum suchten viele weiterhin die alten Kultstätten auf - aus Angst vor der Strafe (Gottes) aber zunächst vermummt und später in einer abschreckenden Verkleidung: Spukgeschichten von Hexen und Unholden entstanden.
Seit mehr als 100 Jahren gibt es - vor allem im Harz - Walpurgisfeiern. Beispielsweise wird in Goslar ein großes Feuer entfacht, in dessen Schein der Teufel den Hexen eine Ansprache hält. Dann tanzen die Hexen um das Feuer herum. Später treten Fuhrmänner in alter Tracht auf, knallen mit den Peitschen und vertreiben so die "bösen Geister". Anschließend wird ein dürrer Strohwisch als Symbol für den Winter in das Feuer geworfen und verbrannt. Zu Mitternacht erscheint dann die Maikönigin unter einem Sonnensymbol, um den Frühling willkommen zu heißen.
Aktivitäten mit Kindern
Schon Tage vor Walpurgis kann im Kindergarten damit begonnen werden, Geschichten über Hexen zu erzählen und entsprechende Bilderbücher zu betrachten. Zusammen mit den Kinder werden Masken und Verkleidungen für Hexen oder Teufel hergestellt. Die Jungen bekommen einen roten, wehenden Umhang und Hörner auf den Kopf, die Mädchen erhalten lange bunte Kleider, Kopftücher und Reisigbesen. So ausgestattet, wird zu Walpurgis ein wildes Fest gefeiert. Dazu kann ein Raum des Kindergartens verdunkelt werden. Die Hexen reiten auf ihren Besen durch den Raum, gemeinsam mit den Teufeln wird getanzt und gesungen.
Ferner können folgende traditionelle Spiele eingeführt werden:
Zauberstab: Ein Kind verfolgt die anderen mit einem Zauberstab. Sobald es ein anderes Kind mit dem Stab berührt, muss es in der jeweilige Pose erstarren. Die übrigen Kinder versuchen nun, den Verzauberten zu berühren, da er so von seinem Los befreit werden kann. Dadurch bringen sie sich aber selbst in Gefahr... Sind drei Kinder verzaubert worden, wird das letzte von ihnen der nächste Zauberer.
Bastelanleitung für einen Zauberstab:
Material: Holzstab (aus einem Bastelgeschäft), bunte Papierschnipsel, Klebstoff (eventuell einen Holzkleber)
Durchführung: Die bunten Papierschnipsel werden an den Stab geklebt.
Variation: Der Holzstab kann auch mit Alufolie umwickelt werden. Aufgeklebte kleine bunte Pünktchen (Konfetti) verzieren den glitzernden Stab.
Gesellenfangen: Zunächst wird ein Spielfeld abgegrenzt und ein Kind als Jäger bestimmt. Die übrigen Kinder laufen im Spielfeld herum. Der Jäger muss versuchen, ein Kind zu fangen. Läuft er hinter dem ausgewählten Opfer her und gelingt es diesem, sich noch rechtzeitig einen "Gesellen" zu greifen, muss der Jäger von ihm ablassen. Sobald der Jäger ein anderes Kind verfolgt, muss sich das Paar wieder trennen. Gelingt es dem Jäger, ein Kind ohne Gesellen zu fassen, wird dieser der nächste Jäger.
Ein nicht historisch begründetes Spiel ist das
Hexenspiel: Jeweils zwei Spieler stehen mit dem Rücken zueinander, wobei die Beine gegrätscht sind. Zwischen den Beinen ist ein Besen, den sie mit den Händen festhalten. Die Erzieherin stellt direkt vor das Stielende eine leere Plastikflasche. Der Spieler, dessen Gesicht der Flasche zugewandt ist, muss verhindern, dass der Mitspieler die Flasche mit dem Besen umstößt. Gelingt letzterem dies, werden die Rollen getauscht. Die Erzieherin kann stoppen, wie lange der Kampf dauert, so dass ein Sieger ermittelt wird, der dann gegen den Sieger aus einem anderen Hexenspiel antritt.
Besonders spannend ist, wenn die Schulanfänger/innen die Walpurgisnacht mit ihren Erzieher/innen zusammen im Kindergarten verbringen... Besonders viele Möglichkeiten gibt es, wenn sich der Kindergarten in einer ländlichen Region befindet und von ihm aus ein kleines Waldstück (oder ein Park) schnell erreicht werden kann. Als Hexen und Teufel verkleidet, stehen die Kinder um ein hell loderndes Feuer herum, singen und tanzen um die Feuerstelle. Nach dem Hexenmahl geht es in einem Fackelzug zum Waldstück, wo zur Überraschung der Kinder der "Oberteufel", ein Vater, aus dem Dickicht heraustritt. Er begrüßt die Hexen und "Unterteufel", es wird gesungen, und dann geht es unter Leitung des Oberteufels wieder zurück zum Kindergarten. Hier erwartet die Kinder eine zweite große Überraschung: Der Kindergarten ist hell erleuchtet, die Eingangstür mit einer Laubgirlande geschmückt. Im Eingangsbereich wartet die prachtvoll gekleidete Maikönigin (eine Mutter), die den Oberteufel vertreibt und eine neue Zeit, den Frühling, einläutet: Zusammen mit den Kindern singt sie das Lied "Der Mai ist gekommen...". Die Kinder ziehen ihre Verkleidung aus und die Schlafanzüge an. Der Abschied vom Winter wird mit einem kleinen Imbiss gefeiert. Dazu können - eine Tradition aus Wales - Haferkekse mit Butter, Honig und Buttermilch serviert werden. Dann ist es Zeit für die Bettruhe. Ob die Kinder nach all diesen Erlebnissen schnell einschlafen werden?
Eine ganz andere Gestaltungsmöglichkeit des Walpurgisthemas ist, von der Angst früherer Generationen vor Hexen und anderen Unholden auszugehen. So wurden früher zu Walpurgis eine ganze Reihe von Abschreckungsmaßnahmen getroffen, die im Kindergarten nachgespielt werden können: Türen und Fensterbänke werden mit Hilfe von Kreide mit Kreuzen versehen; diese werden auch auf den Rücken der Kinder gemalt - denn das Kreuz wehrt Hexen ab. Dasselbe gilt für Lärm und Feuer. Nun versuchen einige Hexen (z.B. verkleidete Eltern) von außen in den Kindergarten einzudringen. Die Kinder versuchen, sie abzuwehren, indem sie Gegenstände über Kreuz in ihren Weg legen; darüber können Hexen nicht hinwegsteigen. Zugleich machen sie einen Höllenlärm. Schließlich ziehen sich die Hexen zurück... Wenn im Außengelände ein Feuer entfacht werden kann, wird hier zum Schluss eine mit Bändern und Federn verzierte Strohhexe verbrannt.
Anmerkung
Der Text ist - zum Teil leicht verändert - in dem Heft "Armes Häschen, bist du krank?", Bausteine Kindergarten, Ausgabe 1/1999, erschienen. Das Heft ist vergriffen.