Kerstin Paulussen
Soziologische Gruppen - Grundlagen
Als Gruppe wird das Zusammenkommen von mindestens drei Personen[1], welche eine direkte und dauerhafte Kontaktaufnahmemöglichkeit zueinander haben und miteinander in Beziehung stehen, gemeinsame Interessen verfolgen, ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln und ggf. gemeinsame Ziele haben, bezeichnet [2].
Gruppen definieren sich nach Innen durch Gemeinsamkeiten; „das sind wir“ und grenzen sich nach Außen ab; „das sind die Anderen“.
Die Gruppenmitglieder haben untereinander Kontakt und befinden sich in einem Geflecht von Rollen, Rollenergänzungen und Rollenerwartungen.[3] Durch Sanktionen, bzw. durch Ko-Konstruktion findet ein sich gegenseitig aufeinander beziehender Lern- und Anpassungsprozess statt.
a. Gruppengröße
Ferner wird zwischen Groß- und Kleingruppen unterschieden, in welchen oben genannte Definitionsmerkmale in unterschiedlicher Qualität (noch) erfüllt werden können. Als ideale Gruppengröße, sicherlich abhängig von der Art und dem Ziel der Gruppe als auch vom Alter der Gruppenmitglieder, wird eine Gruppengröße von ca. sieben Personen genannt.[4]
Von Gruppen sind Massen dadurch zu unterscheiden, dass sie oben genannte Definitionsmerkmale nicht mehr erfüllen können. Wenn die Anzahl der Mitglieder zu groß wird, nimmt die Anzahl der Kontaktmöglichkeiten zu. Ab einer bestimmten Anzahl stellen die potentiellen Beziehungsgestaltungen untereinander eine Überforderung dar. „Wächst die Gruppe auf 20 Mitglieder an, verändert sich diese Zahl (der Kontaktmöglichkeiten) auf 19 eigene (Einzel-) Beziehungen und 171 Zweierbeziehungen.“[5]
b. Gruppenarten
i. Formelle und informelle Gruppen
Unterschieden wird zwischen formellen und informellen Gruppen. Formelle Gruppen bilden sich nicht spontan, sie werden aufgrund verschiedener formaler Merkmale zusammengefasst. Als Beispiele können Schulklassen, kollegiale Teams, u. ä. genannt werden. Informelle Gruppen entstehen spontan und freiwillig. Die Grundlage des Kontaktes ist hier Sympathie und gemeinsame Interessen. Klassischerweise können hier Freundschaftsgruppen und Peergroups genannt werden.
Informelle und formelle Gruppen sind häufig nicht exakt voneinander zu unterscheiden. Fußballgemeinschaften können sich beispielsweise spontan bilden. Sie stellen dann eine informelle Gruppe dar. Sobald das Interesse ernsthafter wird, und an Meisterschaften teilgenommen werden soll, braucht es das Kennen und Einhalten von Regelungen, eine professionelle Anleitung und damit eine Zugehörigkeit zu Organisationen und Verbänden um die Teilnahme an Wettkämpfen zu ermöglichen. Eine formelle Gruppe ist so entstanden. Aus dieser heraus werden sich Teilgruppen bilden oder mehrere Freundschaftskreise (informelle Gruppen). Der Übergang von einer Gruppenform zur anderen kann also fließend oder auch koexistent sein.
ii. Homogene und heterogene Gruppen
Gruppen können homogen oder heterogen zusammengesetzt sein bezüglich verschiedener Merkmale. Das Geschlecht, das Alter, das Interesse, der kulturelle Hintergrund etc. der einzelnen Mitglieder können unterschiedlich, ähnlich oder gleich sein.
Häufig bilden sich Gruppen zu einem bestimmten Zweck und lösen sich wieder auf, wenn der Zweck, das Ziel erreicht wurde. Andere haben einen fließenden Zu- und Abgang der Gruppenmitglieder. Diese können bezogen auf den Start- und Endpunkt als homogen bzw. heterogen oder als geschlossene bzw. als offene Gruppen bezeichnet werden.
Als homogene Gruppen, bezogen auf ein Merkmal, können beispielhaft Interessengruppen, Initiativen oder Männer-bzw. Frauen-Gruppen genannt werden. Bezogen auf weitere Merkmale sind sie heterogen. Die Bürgerinitiative ist homogen bzgl. ihres gemeinsamen Anliegens, bezogen auf weitere Merkmale wie Geschlecht, Alter, soziales Milieu, etc. sind sie möglicherweise zufällig ähnlich, können aber auch sehr unterschiedlich sein.
Interessengruppen sind in der Regel offene Gruppen, da sie ein Ausscheiden der Mitglieder als auch ein Hinzustoßen neuer Mitglieder erlauben. Geschlossene Gruppen haben einen gemeinsamen Start und lösen sich insgesamt wieder auf. Schulklassen können als Beispiel genannt werden.
iii. Primäre und sekundäre Gruppen
Primäre Gruppen sind überschaubare Einheiten mit engen persönlichen Beziehungen aller Mitglieder untereinander. Das trifft auf die engere Familie, Freundschaftsgruppen etc. zu. Sekundäre Gruppen sind dagegen eher durch unpersönliche, distanzierte und unübersichtliche Beziehungsmuster geprägt. Als Beispiel werden Verbände und Parteien genannt, aber auch Gruppen von Mitarbeitenden einer Firma / Institution werden als sekundäre Gruppen bezeichnet[6].
Fazit
Deutlich wird, dass die Definitionsmerkmale in verschiedenen Kombinationen auftreten können und dass sie einer Dynamik unterliegen. Innerhalb oder aus Gruppen heraus können sich Sub-Gruppen bilden, welche andere oder gar gegenteilige Merkmale aufweisen.
Beispiel: Innerhalb einer Gruppe von Kollegen, welche als formelle und sekundäre Gruppe zu bezeichnen wäre, können sich Freundschaftsgruppen bilden, die sich in der Freizeit treffen und private Interessen zu ihrem Mittelpunkt haben. Diese wiederum können, bezogen auf einige Merkmale homogen, bezogen auf andere können sie jedoch heterogen sein.
Daraus ergeben sich vielfältige und unterschiedliche Bedarfe und Notwendigkeiten als auch Möglichkeiten der Begleitung und Intervention. Die vertiefende Analyse einer sozialpädagogischen Gruppe wird erforderlich.
Endnoten
[1] Fälschlicherweise werden teils bereits zwei Personen als Gruppe bezeichnet. Zwei Personen sind jedoch ein Paar, es handelt sich um eine dyadische Beziehung. Eine Gruppe zeichnet sich dadurch aus, dass triadische Beziehungen möglich werden. Vgl. Fuchs, W., u. a. : Lexikon der Soziologie, Opladen, Verlag der Soziologie; 5. Auflage 2011 und Reimann, Horst (Hg.): Basale Soziologie, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 1977/2013
[2] Doer, H. und Schneider, G.W.: Soziologische Bausteine, Bochum: Studienverlag Dr. N. Brockmeyer, 1997, S. 26,
Schäfers, Bernhard (HGg.): Einführung in die Gruppensoziologie Quelle und Meyer Verlag 1999 Seiten 80- 112 und Reimann, H.: Basale Soziologie: Hauptprobleme, VS Verlag für Sozialwissenschaften 2013
[3] Vgl. Das rangdynamische Positionsmodell nach Raoul Schindler
[4] Vgl. Geramanis, O.: mini-handbuch Gruppendynamik, Weinheim Basel: Beltz Verlag 2017, S. 45-55
[5] Vgl. Geramanis, O.: mini-handbuch Gruppendynamik, Weinheim Basel: Beltz Verlag 2017, S. 48
[6] Doer, H. und Schneider, G.W.: Soziologische Bausteine, Studienverlag Bochum: Dr. N. Brockmeyer, 1997, S. 27