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Zitiervorschlag

Mediennutzung von Kleinkindern: die miniKIM-Studie 2020

Martin R. Textor

 

Im Sommer 2020 hat der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest eine Online-Befragung von 600 Haupterzieher*innen über den Medienumgang ihrer zwei- bis fünfjährigen Kinder anhand eines strukturierten Fragebogens durchführen lassen. 76% der Befragten waren Frauen (Mütter) und 24% Männer (Väter). Jeweils rund die Hälfte der Kinder war zwei und drei Jahre oder vier und fünf Jahre alt bzw. Jungen oder Mädchen.

Die „miniKIM-Studie 2020“ ist nur eingeschränkt repräsentativ, da Teilnehmer*innen an Online-Interviews in der Regel höher gebildet sind und digitale Medien intensiver nutzen. Dies zeigt sich auch an der Geräteausstattung der Haushalte der befragten Haupterzieher*innen: Beispielsweise haben 100% einen Internetzugang; 97% verfügen über ein Handy/ Smartphone, 97% über ein Fernsehgerät, 90% über einen Laptop/ PC, 76% über ein Tablet und 67% über eine Spielkonsole.

Rund 55% der Kleinkinder können laut ihren Eltern schon eigene Mediengeräte nutzen: So besitzen z.B. 19% der Kinder einen Kindercomputer/ Laptop, 16% einen CD-/ MP3-/ Kassetten-Player oder iPod, 14% einen Fernseher, 14% ein Tablet und 10% ein Radio. Nur wenige Kleinkinder haben einen persönlichen Zugang zu Streaming-Angeboten (8%) oder ins Internet (6%), können eine eigene Spielkonsole (4%) oder ein eigenes Handy/ Smartphone (4%) nutzen. Wie zu erwarten, können Vier- und Fünfjährige über mehr Mediengeräte selbst verfügen als Zwei- und Dreijährige.

Im Kleinkindalter haben jedoch andere Aktivitäten Vorrang vor der Nutzung von Medien: Laut ihren Haupterzieher*innen spielen 83% der Kinder (fast) jeden Tag drinnen und 77% draußen, schauen sich 70% ein Buch an oder bekommen es vorgelesen, malen bzw. basteln 47% und treffen sich 13% mit Freunden. Nimmt man die Nennung „ein-/ mehrmals in der Woche“ hinzu, spielen 97% der Kleinkinder während einer Woche drinnen und 96% draußen, beschäftigen sich 92% mit Büchern bzw. wird ihnen vorgelesen, malen und basteln 89% und treffen sich 63% mit Freunden. Dies sind auch die Aktivitäten, die Kleinkinder nach Auskunft ihrer Eltern am liebsten machen.

Die (fast) jeden Tag erfolgenden Medienaktivitäten sind das Anhören von Hörspielen/ Hörbüchern/ Podcasts (35%), das Anhören von Musik (29%), das Fernsehen (26%), das Radiohören (23%) sowie die Nutzung von kostenpflichtigen Streamingdiensten (18%) und kostenfreien Videoportalen (12%). Auch diese Prozentangaben sind (viel) höher, wenn man die Angabe „ein-/ mehrmals in der Woche“ zusätzlich berücksichtigt: Dann hören 62% der Kleinkinder während der Woche Musik, 61% Hörspiele/ Podcasts und 45% Radio, schauen 54% Fernsehen, nutzen 46% kostenpflichtige Streamingdienste und 38% kostenfreie Videoportale. Nur wenige Kleinkinder verwenden mindestens einmal in der Woche ein Tablet (29%), ein Handy/ Smartphone (18%) oder einen PC/ Laptop (6%), spielen digital (17%) oder sehen sich DVDs an (13%). Vier- und Fünfjährige nutzen Medien häufiger als Zwei- und Dreijährige. Mit Ausnahme des Anhörens von Hörbüchern/ Podcasts erfolgen Medienaktivitäten zur Hälfte oder überwiegend zusammen mit den Eltern. Der Zeitaufwand pro Tag nach Schätzung der Haupterzieher/innen kann nachstehender Tabelle entnommen werden.

Geschätzte tägliche Nutzungsdauer verschiedener Medien durch Kleinkinder (2020)

 

Zwei- bis Fünfjährige

Zwei- und Dreijährige

Vier- und Fünfjährige

Buch

36 Minuten

40 Minuten

31 Minuten

Radio

26 Minuten

26 Minuten

25 Minuten

Klassisches Fernsehen

21 Minuten

16 Minuten

26 Minuten

Pay-Streamingdienste

21 Minuten

16 Minuten

25 Minuten

Kostenfreie Videoportale

15 Minuten

12 Minuten

18 Minuten

Online-Angebote der TV-Sender

12 Minuten

13 Minuten

11 Minuten

Sonstige Internetnutzung

11 Minuten

7 Minuten

15 Minuten

Digitale Spiele

6 Minuten

2 Minuten

9 Minuten

Gesamtdauer

148 Minuten

132 Minuten

160 Minuten

Gesamtdauer (ohne Betrachten von Büchern/ Vorlesen)

112 Minuten

92 Minuten

129 Minuten

Quelle: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2021, S. 15

Addiert man die geschätzte tägliche Dauer von Medienaktivitäten – was der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest nicht tat –, so beträgt die Gesamtdauer 148 Minuten, also 2 Stunden und 28 Minuten. Sie steigt von 2 Stunden 12 Minuten bei Zwei- und Dreijährigen auf 2 Stunden 40 Minuten bei Vier- und Fünfjährigen. Selbst wenn man den Zeitaufwand für das Betrachten von Büchern bzw. das Vorlesen abzieht (Aktivitäten, die von allen Pädagog/innen positiv gesehen werden), kommt man zu einer Mediennutzungsdauer bei Kleinkindern von 112 Minuten pro Tag – 1,5 Stunden bei Zwei- und Dreijährigen bzw. mehr als 2 Stunden bei Vier- und Fünfjährigen.

Während nach Meinung der Eltern 45% der Kleinkinder von allen Medien am wenigsten auf (Bilder-) Bücher verzichten könnten, trifft dies nur zu 15% auf das Fernsehen zu. Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (2021) schreibt: „Die Zuwendung zum traditionellen linearen Fernsehen hat in den vergangenen Jahren stark eingebüßt. Ein Sechstel der Kinder sieht jeden oder fast jeden Tag fern (17%, 2014: 44%), bei den Vier- bis Fünfjährigen (20%, 2014: 55%) deutlich mehr als bei den Zwei- bis Dreijährigen (14%, 2014: 32%). Ein Viertel der Jüngeren sieht ein- bis mehrmals pro Woche fern, bei den Älteren ist es dagegen knapp ein Drittel. 33 Prozent der Kinder sieht nach Angaben der Haupterzieher*innen dagegen nie lineares Fernsehen (2014: 14%)“ (S. 19, ohne Fußnote). Jedoch nutzen 9% der Kinder (fast) jeden Tag und 20% ein- bis mehrmals pro Woche Onlineangebote der Fernsehsender, 12% bzw. 26% kostenfreie Videoportale sowie 18% bzw. 28% kostenpflichtige Streamingdienste.

Lieblingssendungen sind laut Auskunft der Eltern vor allem „Paw Patrol“ (bei 17% der Kleinkinder) und „Peppa Pig/ Wutz“ (11%); andere Serien werden von weniger als 5% der Haupterzieher*innen genannt. Generell werden Lieblingssendungen eher online angeschaut; nur 20% der Kinder sehen sie überwiegend im linearen Fernsehen. Hingegen wird Letzteres häufiger bei Wissenssendungen genutzt; 22% der Kinder schauen die „Sendung mit der Maus“ und 11% „Woozle Goozle“ an, andere Serien werden von weniger als 5% der Eltern genannt. „Generell erfolgt die Fernsehnutzung im Kindergarten- und Vorschulalter in der Regel zielgerichtet. Der Fernseher wird meist eingeschaltet, weil eine bestimmte Sendung kommt (58%). Bei 23 Prozent wird der Fernseher einfach so für die Kinder eingeschaltet, ohne die Absicht, ein bestimmtes Format zu verfolgen, 19 Prozent können hierzu keine Angabe machen“ (a.a.O., S. 26).

Mit durchschnittlich 2,7 Jahren befassen sich Kleinkinder zum ersten Mal mit einem Handy bzw. Smartphone. Kinder, die es (fast) jeden Tag (7%), ein- bis mehrmals in der Woche (11%) oder seltener (24%) nutzen, setzen es überwiegend zum Anschauen von Fotos bzw. Videos ein (7% jeden/ fast jeden Tag, 31% ein- bis mehrmals pro Woche); das Machen von Fotos/ Videos (4% jeden/ fast jeden Tag, 15% ein- bis mehrmals pro Woche), das Anrufen anderer Personen (2% jeden/ fast jeden Tag, 14% ein- bis mehrmals pro Woche) und das Angerufen werden (2% jeden/ fast jeden Tag, 13% ein- bis mehrmals pro Woche) spielen eine geringere Rolle.

Erste digitale Spielerfahrungen machen Kleinkinder mit durchschnittlich 3,3 Jahren. Nur 2% der Zwei- und Dreijährigen nutzen (fast) jeden Tag und 6% ein- oder mehrmals pro Woche digitale Spiele; bei Vier- und Fünfjährigen liegen die Prozentangaben mit 4% bzw. 22% höher. Geschlechtsspezifische Unterschiede sind bei Kleinkindern nur minimal ausgeprägt: 3% der Mädchen spielen (fast) jeden Tag und 13% ein- oder mehrmals pro Woche; bei Jungen sind es 2% bzw. 15%. Überwiegend wird am Handy bzw. Smartphone gespielt; Internet, PC und tragbare oder feste Spielkonsolen werden eher selten genutzt.

Der erste Kontakt mit einem Tablet erfolgt mit durchschnittlich 2,9 Jahren und mit einem PC/ Laptop mit 3,1 Jahren. Kleinkinder, die mindestens wöchentlich Zugang zu einem Tablet (29%) oder einem Computer/ Laptop (6%) haben, nutzen das Gerät vor allem zum Malen (13% jeden/ fast jeden Tag, 21% ein- bis mehrmals pro Woche), Spiele spielen (12% jeden/ fast jeden Tag, 19% ein- bis mehrmals pro Woche) bzw. Anschauen von Fotos/ Videos (8% jeden/ fast jeden Tag, 29% ein- bis mehrmals pro Woche), zur Internetnutzung (6% jeden/ fast jeden Tag, 10% ein- bis mehrmals pro Woche), für Lernprogramme (4% jeden/ fast jeden Tag, 18% ein- bis mehrmals pro Woche) oder zum Schreiben von Texten/ Wörtern (3% jeden/ fast jeden Tag, 5% ein- bis mehrmals pro Woche).

Hinsichtlich der Nutzung von Computer und Internet durch ihre Kinder haben Eltern recht ambivalente Einstellungen. Wie die folgende Tabelle zeigt, sehen sie sowohl Lernmöglichkeiten als auch Gefahren.

Meinungen der Haupterzieher*innen zu Aussagen über Computer und Internet

 

stimme voll und ganz zu

stimme eher zu

Das Internet birgt für Kinder viele Gefahren.

62%

29%

Kinder sollten nur im Internet surfen, wenn auf dem Computer/ Laptop ein Filter- oder Schutzprogramm installiert ist.

61%

30%

Kindern den Umgang mit Computern/ Laptops und Internet beizubringen, ist Aufgabe der Eltern.

33%

48%

Kinder sollten den Umgang mit Computer/ Laptop und Internet in der Schule beigebracht bekommen.

25%

49%

Kinder können durch Computer/ Laptop und Internet viel lernen und Neues erfahren.

18%

58%

Tablets bieten viele Möglichkeiten, um gemeinsam mit dem Kind spielerisch zu lernen.

18%

52%

Durch die leichte Bedienung sind Tablet-PCs gut für kleine Kinder geeignet.

11%

42%

Tablets sind gut, um Kinder früh an den Umgang mit Medien zu gewöhnen.

11%

44%

Tablets sind nichts für Kinder.

12%

21%

Kinder sollten so früh wie möglich an Computer/ Laptop gewöhnt werden.

7%

25%

Mein Kind darf/ dürfte das Internet auch ohne Aufsicht nutzen.

1%

10%

Quelle: Die Formulierung der Statements wurden entnommen aus: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2021, S. 35

Die Tabelle verdeutlicht, dass Eltern die Vermittlung von Kompetenzen im Umgang mit Computer/ Tablet und Internet sowohl als ihre eigene Aufgabe als auch als solche der Schule verstehen. Obwohl 91% der Haupterzieher*innen die Notwendigkeit von Filter- oder Schutzprogrammen bejahen, kennen 44% der Befragten keine entsprechenden Programme; 28% wissen nicht, wo sie sich über solche Apps informieren können. Allerdings sind 53% der Befragten der Meinung, dass sie Filterprogramme nicht benötigen, da ihr Kind das Internet nicht alleine nutzen darf.

Viele Eltern haben für ihre Kinder Regeln zur Mediennutzung aufgestellt bzw. Absprachen getroffen: 85% für die Nutzung von Internet und Apps, 84% für das Fernsehen, 76% für die Nutzung des Tablets, 71% für die Verwendung des Handys/Smartphones und 65% für die Nutzung von PC/ Laptop. Mit Vier- und Fünfjährigen werden häufiger Absprachen getroffen als mit Zwei- und Dreijährigen.

Insgesamt 19% der Haupterzieher*innen fühlen sich sehr gut und 65% gut über das Thema „Kinder und Medien“ informiert. Nur 14% bezeichnen sich als wenig und 1% als überhaupt nicht informiert. Jedoch würden 85% (sehr) gerne mehr über diese Thematik erfahren.

Da 75% der Zwei- und Dreijährigen sowie 92% der Vier- und Fünfjährigen eine Kindertagesstätte besuchen, wurden die Haupterzieher*innen auch gefragt, ob das Thema „Kinder und Medien“ bei Elternabenden oder in Elterngesprächen behandelt würde. Dies geschieht häufig bei 7%, gelegentlich bei 28%, selten bei 34% und nie bei 21% der Kitas. Die Ausstattung der Einrichtungen mit Medien ist laut der Elternbefragung recht dürftig: 41% haben überhaupt keine Geräte, 31% einen CD-/ MP3-/ Kassettenplayer oder iPod, 22% ein Radio, 7% ein Fernsehgerät, 7% einen Kindercomputer bzw. einen PC/ Laptop speziell für Kinder, 5% ein Tablet, 2% einen DVD-Player und 2% eine feste oder tragbare Spielkonsole.

Fazit

Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest hat mit der „miniKIM-Studie 2020“ zum dritten Mal Basisdaten zum Medienumgang von Kleinkindern vorgelegt. Leider lassen sich die Ergebnisse kaum mit denen der vorletzten Umfrage aus dem Jahr 2014 vergleichen, da sich die Erhebungsmethode und die Zusammensetzung der Stichprobe (s.o.) verändert haben. Letzteres führt auch zu einer eingeschränkten Repräsentativität der Studie. Außerdem ist zu bedenken, dass die Umfrage während der Corona-Pandemie stattfand, die mit Sicherheit die Medienaktivitäten von Kindern beeinflusst hat, und dass nur Eltern befragt wurden, die vielleicht gelegentlich im Sinne der „sozialen Erwünschtheit“ geantwortet haben.

Zusammenfassend verdeutlicht die „miniKIM-Studie 2020“, dass Kleinkinder in ihren Familien von vielen Mediengeräten umgeben sind, deren Nutzung miterleben und sie mit zunehmendem Alter immer häufiger selbst verwenden. So verbringen sie schon durchschnittlich 2 Stunden und 28 Minuten pro Tag mit Medienaktivitäten. Bedenkt man, dass Kleinkinder zwischen 11 und 13 Stunden lang schlafen und in der Regel eine Kindertageseinrichtung besuchen, wird die verbleibende Freizeit bereits intensiv durch die Nutzung von Medien (-geräten) geprägt.

Literatur

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hg.): miniKIM-Studie 2020. Kleinkinder und Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 2- bis 5-Jähriger in Deutschland. Stuttgart 2021

Autor

Dr. Martin R. Textor studierte Pädagogik, Beratung und Sozialarbeit an den Universitäten Würzburg, Albany, N.Y., und Kapstadt. Er arbeitete 20 Jahre lang als wissenschaftlicher Angestellter am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Von 2006 bis 2018 leitete er zusammen mit seiner Frau das Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung (IPZF) in Würzburg. Er ist Autor bzw. Herausgeber von 45 Büchern und hat 770 Fachartikel in Zeitschriften und im Internet veröffentlicht.
Homepage: https://www.ipzf.de
Autobiographie unter http://www.martin-textor.de