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Zitiervorschlag

Spiel mit mir!

Grundsätzliche Gedanken zum Stellenwert des kindlichen Spiels im Rahmen religionspädagogischen Handelns

Werner Eitle

 

Einführungsgedanke

„Der Mensch spielt nur, wo er im vollen Umfang des Wortes Mensch ist, und er ist nur da Mensch, wo er spielt.“ (Friedrich Schiller, 1795)

Das Spiel ist Sprache und Ausdrucksform eines Kindes. Schon seit Friedrich Fröbel [i]dem Begründer des Kindergartens ist diese Erkenntnis in der Pädagogik bekannt und als Grundlage für eine positive Entwicklung angenommen worden.

In der religionspädagogischen Arbeit mit Kindern wird das Spiel leider oftmals nur als Methode eingesetzt, um z.B. einen Sachverhalt zu verdeutlichen. Doch das Prinzip Spiel sollte als ein bedeutendes Element des Menschseins stets beachtet werden. Der Mensch in seiner Wesensganzheit drückt sich über das Spiel aus. Daher sollte das Spiel in der religionspädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen stets einbezogen werden. Aus diesem Grunde gehören die nachfolgenden Ausführungen auch zu einer religionspädagogischen Praxis.

Im Spiel verfolgt das Kind keinen materiellen Zweck, sondern der Wert ergibt sich aus der spielerischen Tätigkeit. Im Spiel erprobt das Kind seine Möglichkeiten im Umgang mit Material und Mitmenschen. Über spielerische körperliche und geistige Tätigkeit wird der eigene Körper erfahren und grob- und feinmotorische Fähigkeiten eingeübt. Über vielfältige sinnliche Wahrnehmungen werden die Sinne geschult. Geistige Fähigkeiten, wie denken, sprechen, fragen werden erprobt und erweitert.

Über Versuch und Irrtum werden neue Erkenntnisse gesammelt und erfolgreiche Erfahrungen verinnerlicht. Im Spiel werden Aktivitäten ausgeführt, die Wille, Anstrengung, Konzentration und Zuverlässigkeit erfordern und somit zu einer positiven Werteerziehung beitragen können. Spielerisch wird das menschliche Leben, die Natur und die Sachwelt aufgenommen und verarbeitet. Über das Spiel können biblische Geschichten nachgespielt und das Leben von Jesu verdeutlicht werden.

Kinder erfassen also spielend die Welt.

Den Erwachsenen erscheint das Kinderspiel nicht immer zweckmäßig und wichtig zu sein, sodass intensives Kinderspiel uns manchmal auch lästig erscheint und wir ungehalten reagieren, z.B. wenn es zu laut ausgeübt wird. Andererseits schicken Erwachsene Kinder auch zum Spielen, wenn Sie beispielsweise bei einer Arbeit stören.   

Kinder dürfen aber nicht am Spiel gehindert werden!

Neben Nahrung, Kleidung und Liebe ist vor allem das Spiel ein Medium, mit dem Kinder wachsen und reifen können.

Maria Montessori führt dazu aus:

„Da die menschliche Seele sich nicht vom Brot, sondern von geistiger Größe nährt, das die Intelligenz sich von Wissen, der Wille sich von spontaner Aktivität nährt, so müssen wir, wenn wir ein gesundes Kind erziehen wollen, ihm geben, was es braucht: Erlebnisse, Erfahrungen und Wissen, Geborgenheit zur Entfaltung seiner Aktivität. Das Kind will verstehen, handeln, wachsen, sich entwickeln“ (Montessori 1968, S. 38).

Um dies zu ermöglichen, braucht das Kind Raum, Zeit, (Spiel)Material, Ruhe und Mitmenschen.

Raum

Uns Erwachsenen muss bewusst sein, dass ein Raum, in dem sich das Kind aufhält, ein Lebensraum ist, indem es im besten Fall voll und ganz aufblühen und sich öffnen kann. Aus diesem Grunde muss auf die Atmosphäre und Ausstattung besonders geachtet werden.

Diese Lebensräume müssen also Räume sein, die Geborgenheit und Sicherheit vermitteln können und Anregungen geben zur Exploration (Erkundung). Ein z.B. total einsehbarer und spartanisch eingerichteter Raum ohne Nischen und Möglichkeiten des Rückzugs kann evtl. weder Geborgenheit noch Sicherheit vermitteln.

Die Ausstattung des Raumes soll zur Aktivierung des kindlichen Spiels mittels geeigneter Möbel und Materialien anregen. In solchen Lebensräumen kann das Kind Spielmöglichkeiten entdecken, ausprobieren und andere Kinder beim Spiel beobachten und anschließend das Gesehene nachahmen.

Zeit

Vor allem brauchen Kinder Zeit zum Spielen.  

Diese Zeit kann im Freispiel der Kinder untereinander zur Verfügung stehen, aber auch bewusst eingesetzte Zeit von Erwachsenen mit dem Kind sein. Ein minutiös geplanter Alltag kann das kindliche Spiel behindern und damit ggf. verhindern. Wenn nämlich die Zeit abgelaufen ist, keine Zeit bleibt, ist das Spiel vorbei.

Zeit ermöglicht es Kindern sich auf Angebote einzulassen und positive Grunderfahrungen (angenommen sein) mit anderen Kindern und mit Erwachsenen zu machen.

(Spiel)Material  

Generell soll sich das (Spiel)Material an den Bedürfnissen der Kinder orientieren. Die jeweilige Spielphase (Funktionsspielphase, Konstruktionsspielphase, Rollenspielphase, Regelspielphase) ist dabei zu berücksichtigen.

Generell gilt, dass es sich um Material zum Spielen handelt, welches das Kind zum Spiel anregt und die Kommunikation mit sich und anderen ermöglicht. Hierbei muss nicht Spielzeug im herkömmlichen Sinne vorhanden sein, sondern Material, das zum Spiel anregen kann (z.B. auch Haushaltsgegenstände oder Naturmaterialen).

Hierbei ist zu bedenken, dass durch Spielzeug z.B. die Phantasie angeregt oder behindert werden kann. Daher ist auf eine wohlüberlegte Auswahl zu achten, die zum Experimentieren und Gestalten anregt und u.a. auch Umwelterfahrungen ermöglicht. Auch religiöse Figuren und Gegenstände können hier als Material angeboten werden.

Ruhe

Ruhe heißt, dass Möglichkeiten und Strukturen vorhanden sind, sich mit den Spielmöglichkeiten zu beschäftigen, ohne in Hektik und Streit mit anderen Kindern zu geraten.

In der Ruhe kann sich das Kind auch für spirituelle Aspekte öffnen. Beispielsweise können eigene Anliegen in einer Gebetsecke vor Gott gebracht werden.

Mitmenschen

Spielpartner von Kindern sind zunächst einmal andere Kinder. Aber auch Erwachsene nehmen als Spielpartner eine wichtige Rolle ein. Als Spielpartner versucht ein Erwachsener die Eigenaktivität des Kindes zu unterstützen und sich eher im Hintergrund zu halten.

Der Erwachsene als Spielpartner des Kindes kann aber über die Beobachtung erkennen, welche Rolle z.B. ein Kind innerhalb einer Kindergruppe einnimmt und welche Befindlichkeiten ein Kind über das Spiel verdeutlicht. Daneben können sprachliche und körperliche Auffälligkeiten erkannt werden.

Für die religionspädagogische Praxis heißt dies, dass der Erwachsene über die Beobachtung konkrete Lebenssituationen des Kindes erkennen und Spielangebote im Hinblick auf die jeweiligen Bedürfnisse bereithalten und anbieten kann. Geschichten von Jesus können u.a. als Hilfe erzählt oder auch nachgespielt werden.

Maria Montessori führt hierzu aus:

„Wir fordern von allen Erziehern Bescheidenheit und innere Einkehr. Wir fordern Achtung vor dem Kinde vom ersten Tag seines Lebens an, damit nicht entartete Kinder zu entarteten Erwachsenen heranwachsen, sondern damit das von uns erkannte normale Kind der Menschheit seinen Segen bringe…Aus einem Kinde, das seine Entwicklung in der Form des Sklaventums durchgemacht hat, wird kein Erwachsener werden, der große Werke vollbringt.“ (Montessori 1968, S. 26)

„Ich wiederhole immer wieder, dass derjenige nicht für die Aufgabe des Erziehers vorbereitet ist, der glaubt, dass er die Seele des Kindes bilden, ihm Charakter, Intelligenz und Tugend geben könne. Der Erzieher muss erkennen, dass im Kinde, wie schon im kleinsten Lebewesen, eine Entwicklungsrichtung angelegt ist, die stärker ist als alle Einwirkung von außen, durch die wir weder einen Grashalm erschaffen noch unserer eigenen Gestalt einen Millimeter hinzufügen können. Der Erzieher, der das erkannt hat, wird bescheiden sein und begreifen, dass das Kind sich im Frieden, den Gesetzen des Lebens gehorchend entwickeln muss.“ (Montessori 1968, S. 36)

Endnoten

[i] Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782-1852) stiftete 1840 den „ersten Allgemeinen deutschen Kindergarten“

Literatur

Maria Montessori, Grundlagen meiner Pädagogik in Grundlagen und Grundfragen der Erziehung, Quelle & Meyer Verlag, 1968

Autor

Werner Eitle
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