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Zitiervorschlag

Sprachkompetenz bei Kleinkindern in einer Kindertagespflege

Muruchi Poma[*]

 

 

Diese Schrift ist das Resultat eigener Beobachtungen und Erfahrungen. Es ist auch das Ergebnis meiner geistigen Aneignung der Literatur und der Weiterbildungen. Ich arbeite seit 2012 mit den Kleinkindern. Dabei konnte ich immer auf die Unterstützung meiner Frau, Andrea Rosche-Muruchi, als deutsche Muttersprachlerin rechnen. Meine bisherige Arbeit leitet mich zu der Schlussfolgerung: Erst zuhören dann sprechen. Sie hören ihren Eltern zu und ahmen sie nach. Die Kleinkinder hören auf die Lautformen- und Inhalte, dann sprechen sie das Gehörte. Dabei gehen sie zunächst silbenartig vor, dann sprechen sie das ganze Wort mit der entsprechenden Melodie aus. Das Spracherlernen ist vordergründig ein gesellschaftlicher Prozess. Dabei entwickelt das individuelle Kind seine sozio-kognitive Fähigkeiten.

1. Das Zuhören ist das erste Glied des Sprechens.

Insbesondere das Buch von Gisela Szagun „Sprachentwicklung beim Kind“ (2007) half mir beim Verständnis bei der Sprachentwicklung von Kleinkindern. Es ist nicht so, dass die Babys ihre Muttersprache erst mit dem Sprechen lernen, sondern sie nehmen die Sprache ihrer Mutter viel früher wahr. Anders ausgedrückt, sie hören die Sprachlaute zunächst, um sie später auszusprechen. Also müssen sie zuallererst hören und das tun die Kleinkinder gern. Kinder, die nicht hören egal aus welchem Grund auch immer, können eine Sprache nicht lernen. Denn die gesprochene Sprache besteht aus Lauten, die in ihren Kombinationen zu Wörtern werden. Szagun schreibt „Laute werden zu Wörtern kombiniert.“ (2007, S.23) Diese Laute können Phoneme oder phonetisch sein.

Was ist ein Phonem? Ein Phonem ist die kleinste Einheit der gesprochenen Sprache, die einen Bedeutungsunterschied zwischen Wörtern bewirkt. Zum Beispiel unterscheiden sich die Wörter “Hut” und “Mut” nur durch das Phonem /h/ bzw. /m/ im Anlaut.

Die Phonetik hingegen ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit den hör- und messbaren Eigenschaften der gesprochenen Sprache befasst. Sie untersucht, wie Sprachlaute produziert und wahrgenommen werden. Die Einheiten der Phonetik werden als Phone bezeichnet.

In diesem Zusammenhang ist besonders wichtig zu wissen, dass wir Menschen ein phonologisches Arbeitsgedächtnis für die Aufnahme dieser Laute haben. Chat von Microsoft Bing gibt folgende Information dazu:

Das phonologische Arbeitsgedächtnis ist ein Teil des Arbeitsgedächtnisses und ist für akustische und artikulatorische Aspekte der Information zuständig1. Es basiert auf dem Zusammenwirken dreier Strukturen: der phonologischen Schleife, dem visuell-räumlichen Notizblock und der zentralen Exekutive1. Die zentrale Exekutive hat als eine übergeordnete Instanz primär Kontrollaufgaben und das neuronale Korrelat der zentralen Exekutive ist der präfrontale Kortex mit seinen multimodal vernetzten Assoziationsarealen1.

Die phonologische Schleife ist ein Teil des Arbeitsgedächtnisses und ist für akustische und artikulatorische Aspekte der Information zuständig. Durch “subvokales Wiederholen” (inneres, stummes Sprechen) wird die Information für maximal 2 Sekunden in der Schleife zum Aussprechen bereit gehalten. Werden die Wörter innerhalb von 2 Sekunden nicht ausgesprochen, zerfallen in der phonologischen Schleife die Repräsentationen und sind nicht mehr verfügbar. Quelle

Obwohl das Hören eine wichtige Voraussetzung für das Verstehen einer Sprache ist, sollten wir auch andere Fähigkeiten von Kleinkindern, wie körperliche Bewegung, Sehen oder Tasten, nicht außer Acht lassen. Siehe dazu unten die Rolle der Wahrnehmung.

1.1 Kinder hören die Wörter und, ich vermute, sie speichern sie auch.

Die obere Feststellung von der künstlichen Intelligenz, dass die gehörten Wörter, die innerhalb von 2 Sekunden nicht ausgesprochen werden, zerfallen und nicht mehr verfügbar sind, trifft offensichtlich der Fähigkeiten der Kleinkinder nicht zu, eher eines Erwachsenen. Es ist gut möglich, dass inneres, stummes Sprechen („subvokales Wiederholen“) der Kleinkinder zur Speicherung des Gehörten führt. Denn die Kinder bis etwa ein Jahr jung können noch nicht sprechen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kinder in diesem Alter mir ganz genau zuhören, was ich sage, egal ob ich dies in Deutsch oder Spanisch tue. Mehr noch, sie verstehen mich – was ich mit dem ausgesprochenen Wort oder Satz meine. Beim Windeln wechseln zeige ich ihnen z.B. ihre Nase und spreche das Wort aus. Nächstes Mal wiederhole ich diese Prozedur. Dann frage ich das Kind, wo die Nase ist. Es zeigt mir seine Nase, obwohl es noch nicht sprechen kann. Ich vermute, dass die Kinder vor dem Sprechen in ihrem phonologischen Arbeitsgedächtnis nicht nur die Kombination der Laute, also Wörter, sondern auch deren Bedeutung speichern. Denn das Kind zeigt mir entweder seine oder meine Nase beim nächsten Windelwechsel an. Ich spreche dann das entsprechende Wort aus.

1.2. Also welchen Wörtern hören sie zu?

Das Kleinkind kann nur den Wörtern, egal ob sie von seiner Muttersprache oder Fremdsprache sind, zuhören, die ihre Eltern, Tagespflegepersonen und Verwandten aussprechen. Aber wie bewältigen sie das?

Szagun (2007) schreibt dazu: Die Babys „orientierten sich also von Geburt an auf lautliche Reize, die sprachlicher Natur sind. Um Sprache zu erwerben, müssen sie jedoch Unterschiede zwischen Lauten und Lautmustern erkennen, sie müssen lernen, Unterschiede zwischen einzelnen Sprechern zu ignorieren, und schließlich müssen sie lernen, im Strom der Rede einzelne Wörter zu identifizieren. Wie kommt es zu diesen Fähigkeiten?“ (S. 46).

Die Kleinkinder hören die Wörter im Strom der Rede eines Erwachsenen, „obwohl sie im Gegensatz zu den Erwachsenen kein Vorwissen über die möglichen Wörter der Sprache besitzen.“[1] Sie erkennen also die Unterschiede zwischen Lauten und Lautmustern beim Hören. Und das tun sie unabhängig, ob der Opa, Oma, Papa, Mama, die Tagespflegeperson, der Bruder oder die Schwester oder der Nachbar mit ihm spricht. Jede für sich hat eine eigene Stimme und Ton. Dennoch sind die Kinder in der Lage das richtige zu erkennen. Wie machen sie das?

Ich habe dazu eine sehr interessante Arbeit von Frauenfelder und Flocia[2] gelesen. Die Autoren gaben eine Untersuchung zur Phonementdeckung im Englischen wieder und meinten, dass diese Entdeckung in dieser Sprache „von der Position der betonten Silbe im Wort abhängen; wenn das Wort mit einer starken Silbe anfing, reagierten die Hörer schneller, als wenn das Wort mit einer schwachen Silbe anfing.“ Aus dieser Erkenntnis nahm ich für meine Arbeit die Wichtigkeit der Silbe und ihre Betonnung mit. Die Letztere wird auch als „prosodische Information“ genannt. Also die gesprochene Sprache oder der Sprechstrom geben die Informationsquellen für die Erkennung von Wörtern. Frauenfelder und Flocia gehen davon aus, dass es vier Informationsquellen gibt:

„Distributionale Regelmäßigkeiten: Allgemein kommt eine Phonemkette häufiger im Sprachinput vor, wenn sie zu einem Wort gehört, als wenn sie nicht aus einem Wort stammt.“ Für meine Erkenntnis war wichtig, dass diese Ketten regelmäßig oder häufiger in einer Sprache auftreten.

„Phonotaktische Beschränkungen: Diese Einschränkungen beziehen sich auf dem Umstand, dass bestimmte Phonemkombinationen in Wörtern nicht vorkommen dürfen.“ Die Kombination von [t] und [m] kann im Deutschen nicht am Anfang eines Wortes stehen, aber [str] und [kn], wie in Streifen und Knoten.

„Typische Wortform: Man nimmt an, dass die typische phonologische Wortform sprachspezifisch sein könnte. Beispielsweise beginnt ein großer Teil der englischen Inhaltswörter mit einer betonnten Silbe.“ Die Kinder hören also offensichtlich die betonten und unbetonten Silben in einem Wort. Es könnte sein, dass sie am besten die betonten Silben hören und sie deshalb auch erkennen.

„Prosodische Korrelate von Wortgrenzen: Eine Teilmenge der Wortgrenzen – nämlich die Wortgrenzen, die mit den Grenzen der prosodischen Hautgruppen zusammenfallen – lassen sich aus prosodischen Hinweisreizen ableiten, insbesondere aus Variationen des Rhythmus und der Intonationen.“ (Frauenfelder & Floccia 1999, S. 35-38) Für mein Verständnis gibt diese Aussage Hinweise, dass die Kleinkinder die Grenzen der Wörter erkennen, in dem sie den Rhythmus, Melodie und Betonung der Aussprache der Erwachsenen hören.

Was ist ein Lautmuster?

Die Wörter werden aus dem Lautmuster erkannt. Dazu muss man wissen, dass die Wörter eine Kombination aus Lauten einer Sprache sind. Diese Kombination beim Sprechen geschieht nach bestimmten sprachlichen Regeln. In der wissenschaftlichen Literatur werden sie als „phonotaktische Regelhaftigkeit“ benannt. In diesem Zusammenhang wird auch von „Betonungsmuster“ gesprochen. Szagun schreibt dazu: „In einer Sprache kommen bestimmte Lautkombinationen am Anfang oder am Ende eines Wortes vor…So können [str] und [kn] am Anfang eines Wortes stehen, wie in Streifen und Knoten, und [ə] kann am Ende eines Wortes stehen, wie bei Blume. Aber die Kombination von [t] und [m] kann im Deutschen nicht am Anfang eines Wortes stehen.“ (Szagun 2007, S.54).

Der Chat von Microsoft Bing gibt in Bezug auf die Rollen der Silben beim Spracherlernen folgende interessante Auskunft:

„Laut dem Wortlängeneffekt können Wörter mit wenigen Silben einfacher gespeichert werden, als solche mit vielen Silben.“

Aus der Praxis meiner Arbeit und der Lektüre der Bücher nehme ich mir zwei wichtige Begriffe mit: Silbe und Betonung, wobei Lautmuster viel genauer ist. Diese Erkenntnis ist für mich insofern wichtig, da jede Sprache ein eigenes Lautmuster besitzt. Das heißt wiederum, vor allem die Muttersprachler können diese Lautmuster beherrschen.

Wenn das Kleinkind, wie oben beschrieben, nur die Wörter, egal ob sie von seiner Muttersprache oder Fremdsprache sind, hören kann, die ihre Eltern, Tagespflegepersonen, und Verwandten aussprechen, dann ist es wichtig, dass diese Personen diese Lautmuster so beherrschen, dass die Kleinkinder es hören können. Eltern, die eine Fremdsprache beherrschen, sollten dies auch beherzigen. Kleinkinder sind offensichtlich in der Lage, die Unterschiede der Lautmuster zu unterscheiden und zu zuhören.

2. Das Aussprechen ist das zweite Glied des Sprechens

Ab welchem Alter fangen die Kinder zu sprechen an? Das hängt von Kind zu Kind ab. Mein Enkelkind schaffte es mit 14 Monaten. Ein von mir betreutes Kind (Chico), fing fast mit 13 Monaten an, aber der Durchbruch kam mit 18 Monaten, wo er ein Einwortsatz verwendete. Er sprach so viele Wörter, dass ich nicht mehr wusste, wie viele Wörter er sprach. Das hängt offensichtlich mit der Entwicklung der Muskeln seines Sprachapparates ab. Man weiß, dass es etwa 100 Muskeln gibt, die das Sprechen ermöglichen. Es handelt sich um die Muskeln in Brust, Hals, Kiefer, Zunge und Lippen. Es ist gut möglich, dass Kinder, die wenig Möglichkeiten zum Kauen hatten, auch später sprechen. Ich habe diese Tendenzen beobachtet. Kinder, die mit mehr als 2 Jahren noch gestillt werden, schaffen es auch richtig zu sprechen.

Für das Aussprechen der Silben oder Silbenkette ist es wichtig die sprachliche Umgebung, also wie die einzelnen Wörter lautlich in den jeweiligen Sprachen aufgebaut sind und wie reif die Sprachmuskulatur des Kindes ist. Es gibt z.B. Wörter, wie die Laute /st/ beim Stehen, oder /sch/ beim scharf oder schlafen erst später von den Kindern ausgesprochen werden. Gabriele Kinzel gab mir bei einer Weiterbildung eine interessante Tabelle für den Spracherwerb der Kleinkinder.

  • Vokale werden vor Konsonanten erworben
  • Laute, die vorm im Mundraum gebildet werden
  • 1,6-1,11 Jahre m – d
  • 2,0 – 2,5 Jahre n – p -b
  • 2,6 – 2,11 Jahre w – f – l – t – k – h – ch2
  • 3,6 – 3,5 Jahre j – r – ng – g – pf – kl – fr
  • 3,6 – 3,11 Jahre br – gr
  • 4,0 – 4,5 Jahre ch1 - dr
  • 4,6 – 4,11 Jahre sch

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass einige Kleinkinder gelegentlich ihre eigene Sprache entwickeln. Ich hatte ein Mädchen im Alter von 16 Monaten, dass jegliche Vokale und Konsonanten aussprach. Niemand verstand, was sie sagte, aber sie hatte Spaß damit. Für mich war wichtig, dass sie etwas sprach. Ich redete mit ihr ganz normal Deutsch und Spanisch. Sie hatte mich verstanden, das war für mich von besonderer Bedeutung. Monate später konnte sie auch beide Sprachen sprechen.

Ich bin mir voll bewusst, dass die Aussprache der Wörter bei Kindern viel mit Melodie oder Prosodie in Zusammenhang stehen. Akustische Wahrnehmung. Dabei stehen die Artikulierung und Betonung der Silben im Mittelpunkt meines Zuhörens von dem, was ein Kleinkind ausspricht. In meiner Arbeit fiel mir auf, dass Kinder leichter die Silben und zwar die letzte Silbe eines Wortes aussprachen, wie [ma] bei Mama oder [mi] von Rumi, [dea] von Andrea.

Mein Wissen über die Betonung der Silben beim Zuhören und Aussprechen der Sprachen bei den Kleinkindern ist durch mein Lesen der oben zitierten wissenschaftlichen Erkenntnisse reicher geworden. Die Kinder sprechen zwar die letzte Silbe eines Wortes aus, wie ich oben schrieb, aber es ist nicht immer so. Ich habe beobachtet, dass die Kinder Wörter, wie Wall, zu oder auf, leichter aussprechen. Es ist offensichtlich so, dass die Kleinkinder bestimmte Silben wahrnehmen, unabhängig ob sie am Ende eines Wortes oder am Anfang stehen. Dabei spielen höchstwahrscheinlich die 4 Aspekte eine Rolle, die von Frauenfelder und Flocia (1999) beschrieben wurden.

Für die Praxis meiner Arbeit ist wichtig gewesen, nicht die Silben zu sprechen, wie die Kinder es tun, sondern das ganze Wort. Das Kind kann in diesem Moment noch nicht z.B. „r“ von Rumi aussprechen, aber es hört die richtige Aussprache dieser Konsonante und wird es später auch tun.

In diesem Alter ist es nicht notwendig, die Kinder zum Sprechen zu motivieren. Sie sind gierig, die neue gelernte Sprache zu sprechen. Im Gegensatz dazu, die Eltern und Tagespflegeperson müssen sich motivieren und Zeit planen, damit sie mit den Kleinen sprechen. Je mehr sie mit den Kleinen reden, umso besser werden die Kinder beim Sprechen. Der Mund verwandelt sich wie in einer Druckmaschine für die Gehirnzellen. Es ist ja bekannt, dass Selbstaussagen oder Aussprechen von Informationen unser Gedächtnis sehr beeinflusst. Ich lernte eine Mama – eine Lehrerin, kennen. Sie beschrieb die Handlung, die sie gerade tat, so z.B. beim Schuh anziehen: „Ich ziehe dir deine Schuhe an.”

2.1 Methoden, die die Kleinkinder anwenden, um die Sprache zu sprechen

Nachahmen und Wiederholen

Welche Methoden wenden die Kinder an, um die Sprache zu lernen? Meine Erfahrung besagt, dass die Kinder ein bestimmtes Zeitfenster (12-36 Monate) haben, indem sie die Methode des Nachahmens und der Wiederholung der gelernten Wörter anwenden. Sie sagen nicht nur nach was ein Erwachsener spricht, sondern sie sprechen ständig was sie neu gehört und gelernt haben. Die Kinder tun dies mit so einer Begeisterung, wie Erwachsene es beim Lernen einer Fremdsprache tun. Sie versuchen mit einem Wort die Kommunikation mit den Erwachsenen in Gang zu bringen. Hier scheint die phonologische Schleife des Arbeitsgedächtnis auf seiner höchsten Leistung zu funktionieren. Wenn man eine Sprache, egal Mutter – oder Fremdsprache lernen will, dann musst du das gehörte Wort mündlich wiedergeben. Als Tagesvater muss ich das Kind nicht nur bewundern und loben, sondern das gesprochene Wort des Kindes immer wieder wiederholen. Das Kind fühlt sich bestätigt in seinem Bemühen. Nach dem oben genannten Zeitfenster ist die Begeisterung für das Wiederholen bei den Kleinkindern weg.

Singen

Es gibt nichts Schöneres als das Singen. Kleinkinder lernen mit Leichtigkeit alle Kinderlieder. Ich habe beobachtet, dass sie den Liedern angetan sind, deren Inhalt selbst erleben und sie im Mittelpunkt stehen. Z.B. Schlaflieder eignen sich sehr dazu, in denen die Vornamen der Eltern und sein Vorname dabei vorkommt. So ein Lied auf Deutsch hat meine Frau für jedes Kind vor dem Schlafen vorgesungen und die Kinder, die zwischen 2 und 3 Jahren jung sind, ahmen es nach. Die Kinder und Eltern sind davon begeistert, denn die Kleinkinder singen auch zu Hause. Wenn meine Frau nicht in der Einrichtung beim Schlafen ist, singen es die Kinder. Das Kind, welches gerade singt, macht es auch für alle Kinder.

Da die Kinderlieder das Reimen in sich haben, erleichtert es den Kindern die Endung der Wörter zu wiedergeben. Mit diesen Liedern, egal ob sie auf Deutsch oder Spanisch sind, lernen Kleinkinder die Wörter richtig auszusprechen.

Bücher lesen

Ein Kinderbuch hat meines Erachtens fünf Vorteile: erstens hat es Bilder, zweitens sind sie in Farbe, drittens hat es kurze Texte, viertens enthält es das Reimen und fünftens sind diese grammatikalisch korrekt geschrieben. Im Allgemeinen schauen sich die Kleinkinder die Bücher selbst an. Wenn sie erfahren, dass das gemeinsame Anschauen mit einem Erwachsenen Spaß macht und dies umso mehr, wenn der Erwachsene es vorliest und erzählt, sind die Kleinkinder total motiviert. Konzentriert sitzen die Kleinkinder etwa 10 bis 20 Minuten da. Ausdauer und Motivation sind voll präsent.

2.2. Die Rolle der Wahrnehmungen beim Sprachlernen

Im Laufe meiner Arbeit bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass das Spracherlernen der Kinder viel mit den akustischen, optischen und haptischen Wahrnehmungen zusammenhängt. Es ging zunächst um das Erlernen der Muttersprache Deutsch, dann kam Spanisch dazu. Dieses Lernen ist vor allem interkommunikativ. Das Kasperletheater und Papiertheater eignen sich dazu sehr gut. Zu den feinmotorischen Bewegungen gehören nicht nur das Sprechen, das wie oben erwähnt etwa 100 Muskel in Bewegung setzt, sondern auch die genaue Bewegung der einzelnen Finger (Finger-Tracing). Die haptische Lerntechnik wurde von Montessori entdeckt. In Anlehnung an dieses Prinzip versuche ich, dass die Kinder „alles“ anfassen dürfen und ich dabei das entsprechende Wort ausspreche. Die Kinder lernen eine Sprache auszusprechen, nicht nur durch die akustische (z.B. beim Singen) und optische[3] (z.B. beim Buch lesen) Wahrnehmung, sondern auch durch die emotionale haptische Wahrnehmung der Objekte. Ich glaube, das Zusammenwirken dieser drei Wahrnehmungen plus das Aussprechen schafft die ideale Bedingung, um eine Sprache zu lernen.

Anfassen der Spielzeuge und es Aussprechen. Alles, was man sieht und berühren kann, sollte gleichzeitig ausgesprochen werden. Es ist leichter gesagt als getan. Als Tagespflegeperson versuche ich mir diese Prozedur anzugewöhnen, wenn ich mit den Kleinkindern spiele oder spreche.

Die Gesten als motorische Handlung gehören als wichtige Ergänzung zu den genannten Wahrnehmungen. Sie spielen deshalb eine wichtige Rolle beim Spracherlernen der Kleinkinder. Die Zeigegesten und ikonischen Gesten können meines Erachtens nach als Vorbote der Sprachentwicklung eine besondere Rolle spielen. Die Kinder machen diese Geste vordergründig, bevor sie das Sprechen gelernt haben. Danach verwenden sie sie, um ihrem Willen oder Wunsch Nachdruck zu verleihen. Diese nonverbale Kommunikation ist also bei den Kleinkindern vorhanden. Als Tagespflegeperson nutze ich diese Bedingung. Es reicht also nicht nur auf Augenhöhe mit dem Kind deutsch und spanisch deutlich auszusprechen. Es half mir ungemein viel, wenn ich dabei mit Gesten, der Melodie der Sprache und meine Emotionen beim Sprechen zum Ausdruck brachte.

Die gemeinsame Wahrnehmung der Gegenstände und Bilder fördert sehr die Sprachentwicklung der Kinder in dieser Phase der Ausbildung des kindlichen Sprachapparates. Wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass das Gestikulieren und Zeigen von Bildern für Kinder hilfreich sein kann (Spektrum).

Zu den Gesten und der Prosodie (akustische Fähigkeit) kommen offensichtlich die Emotionen[4] hinzu, als wichtige Grundlagen für das Erlernen der Sprache der Kinder. Als Tagespflegeperson muss ich darauf achten, dass ich mit dem Kind von Angesicht zu Angesicht spreche, damit ich dem Kind meine „echten“ Emotionen (Rüdiger Maas) zeige und ich dabei das entsprechende Wort ausspreche. Nur so kann es dem Kind gelingen, seine eigenen erlebten Gefühle zu benennen, diese zu deuten oder richtig einzuschätzen (Rüdiger Maas). Am Ende wird das Kind auch lernen, die Gefühle der anderen Kinder und Erwachsenen zu deuten, zu lesen und auszusprechen. Offensichtlich entwickelt das Kind so, nebenbei seine Empathie-Fähigkeit.

2.3 Die Kommunikationskompetenz der Kleinkinder geht mit der sozialen Kompetenz Hand in Hand

Die kooperative Kommunikation hängt viel mit den sozio-kognitiven Fertigkeiten zur gemeinschaftlichen Erzeugung gemeinschaftlicher Absichten und gemeinsamer Aufmerksamkeit zusammen (Michael Tomasello). Auf Grundlage dieser Erkenntnisse ergibt sich beim Erlernen der Sprache durch Kleinkinder in der Tagespflege eine Art Dreiecks-Konstellation: An einer Ecke stehen die Kinder, entweder als individuelle oder kollektive Subjekte; an der zweiten Ecke befindet sich die Tagespflegeperson ebenfalls als Subjekt, und an der dritten Ecke befinden sich die Objekte oder das Objekt, auf das sich die Subjekte gemeinsam konzentrieren und darüber sprechen. Es gilt daher die Sprache der Kleinkinder auf der Grundlage der interaktiven und gemeinsamen Aufmerksamkeit (Wahrnehmungen) zwischen den Kindern und mir zu entwickeln. Das Spracherlernen ist vordergründig ein gesellschaftlicher Prozess. Das einzelne Kind kann nur das lernen, was ihm angeboten wird.

Wenn ich vom gesellschaftlichen Prozess rede, dann beziehe ich mich nicht nur auf die Beziehung der Tagespflegeperson oder Eltern mit den Kindern, sondern auch auf die Beziehung zwischen den Kindern. Öfter wird die Aufmerksamkeit von Sachkundigen bei dem Teil der kollektiven Beziehung weggelassen. Ich habe beobachtet, dass die Kommunikation zwischen den Kleinkindern viel dynamischer als mit den Erwachsenen ist. Wenn es Spielzeuge gibt, die nur auf ein Kind zugeschnitten sind, wie z.B. ein Bobbycar, dann gibt es viel Streit und mangelt es an Kommunikation. Da kann die Tagespflegeperson mit bestimmen Regeln den Kindern helfen. Aber es gibt Spielzeuge, wie die Baukästen, wo die Kinder sich anstrengen können, um kommunikativ gemeinsam zu spielen.

Die Beherrschung der Sprache durch die Kinder ist sicherlich mit dem Wachstum eines der Körperteile des Kindes zu vergleichen. Sie ist ein “biologisches Organ wie die Leber oder die Lunge“. (Angela D. Friederici). Dennoch ist sie das Resultat eines komplexen Wachstums von Körper, Gehirn, Psyche und die Kommunikation mit den Erwachsenen und mit den anderen Kindern.

3. Zwei Sprachen gleichzeitig lernen

Auf diesem Bildungsbereich, also der Sprachentwicklung bei den Kleinkindern, habe ich wahrscheinlich meine meisten Ressourcen der Zeit und Finanzen gewidmet. Ich war auch deshalb so gefordert, weil es bei von mir betreuten Kindern immer ein Kind oder zwei gab, dessen Eltern spanisch Muttersprachler waren. Diese Eltern wollten, dass ich mit ihrem Kind auch Spanisch spreche. Im Laufe meiner Beschäftigung mit dem Spracherlernen im Kindesalter ist mir bewusst geworden, dass wir Menschen gerade in diesem Alter unsere Sprache lernen. Ich wusste also, wie wichtig für das Kind auch Deutsch als Muttersprache war. Die Weiterbildungen haben mir geholfen, aber es reichte nicht um das Thema theoretisch und praktisch zu erklären. Ich brauchte mein Selbstverständnis über das Thema Sprachentwicklung bei Kleinkindern und Mehrsprachigkeit für meine praktische Einleitung auf der Grundlage von mir gewonnenen Erkenntnisse.

Ich habe dabei drei Aspekte beobachtet: die Aussprache, das Kodieren und die sozialen Bedingungen.

Zur Aussprache: Wenn der Ansprechpartner ein Muttersprachler ist, dann gelingt es dem Kind fast genau auszusprechen. Ich habe mit dem Kind auf Spanisch ein Wort ausgesprochen, dann hat das Kind es mit großer Begeisterung wiederholt. Die Kleinkinder tun das ganz von selbst ohne Aufforderung. Wie ich schon oben schrieb, hört diese Begeisterung ab 36 Monaten auf. Nun wollte ich wissen, ob das Kind auch ein anderes Wort einer anderen Sprache aussprechen kann. Ich spreche auch Quechua, das sich von der Aussprache her, sehr vom Spanischem oder Deutsch unterscheidet. Es ging um das Quechua Wort „Q’ala“, das für nackt auf Deutsch steht. Ich zeigte auf seinem nackten Bauch an und sprach das Quechua Wort aus. Das Kind hat es fast genau wiederholt. Ein Kind mit 23 Monaten kann immer noch nicht einfache Laute anderer nicht indogermanische Sprache wiedergeben.

Zum Kodieren: das Kind addiert zu seinem Wortschatz jedes neue Wort, was es hört. Es ist egal ob es sich dabei um seine Muttersprache oder Fremdsprache handelt. Dennoch macht das Kind einen Halt beim Sprechen von zwei unterschiedlichen Wörtern für ein und derselben Sache. Wenn das Kind zunächst zu Hause ein neues Wort seiner Muttersprache gelernt hat, z.B. Teller, und ich sage ihm, dass es auf Spanisch „plato“ heißt, wird das Kind stutzig und streitet mit mir, dass das erwähnte Objekt eben Teller heißt. In diesem Fall muss ich das spanische Wort wiederholen und ihm erklären, dass ich es so ausspreche. Das Kind beginnt die Methode zu verstehen: eine Person eine Sprache. Wenn ich ihm das Wort „plato“ wiederhole, weiß das Kind, dass ich so das Objekt benenne. Später, wenn das Kind die zweite Sprache beherrscht, so wie mein Enkel, dann redet er mit mir auf Spanisch.

Zu sozialen Bedingungen: Fast alle mehrsprachigen Kinder, die ich betreute und gleichzeitig Deutsch und Spanisch lernten, hatten zu Hause eine Person, die Deutsch als Muttersprache hatte, und eine andere Person, die Spanisch als Muttersprache hatte. Das war ein großer Vorteil für Deutsch, denn in der Tagespflege wird überwiegend Deutsch gesprochen und in der sozialen Umgebung (Spielplätze, Medien und Menschen) wird ebenfalls Deutsch gesprochen. Spanisch lernen stand nicht im Vordergrund. Das Kind hatte nur die Mama oder Papa und mich in der Tagespflege. Vor allem wenn das Kind schon sprach, war es für uns eine große Herausforderung die Kommunikation mit dem Kind auf Spanisch aufrecht zu erhalten. Ich sagte oben, dass alle meine betreuten Kinder mehrsprachig aufwuchsen. Ich hatte aber auch 2 Kinder, deren deutsche Mamas und Papas unbedingt wollten, dass ihre Kinder auch Spanisch lernen sollten. Außer mir, hatten sie auch andere Personen, die ihnen dabei geholfen haben. Von einem Kind weiß ich, dass das Kind Spanisch beherrscht.

Ich hatte bis jetzt nicht den Fall, wo beide Elternteile oder ein Teil Deutsch nicht als Muttersprache hatten und eine Sprache beherrschen, die ich nicht kann. Dennoch weiß ich was ich zu machen hätte in solch einer Situation. Wenn beide Elternteile Deutsch nicht beherrschen, würde ich ihnen empfehlen, zu Hause nicht Deutsch zu reden. In der Tagespflege würde ich nur Deutsch mit diesen Kindern reden. Damit das Kind den großen Vorteil nicht verpasst, die Muttersprache ihrer Eltern zu lernen, würde ich den Eltern raten, diese Möglichkeit dem Kind zu geben. Mehrsprachigkeit hat große Vorteile für alle.

Es gibt zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass die Kinder in diesem Alter zweisprachig aufwachsen können. Wissenschaftler sind der Meinung: „Wenn man früh zwei Sprachen lernt, dann hat man ein Netzwerk, welches insgesamt offener und weniger starr festgelegt ist und dann ist es später einfacher, eine dritte und vierte Sprache zu lernen“ (A.D.Frederici). Wissenschaftliche Untersuchungen (Wolgang Wendlandt) kommen zu dem Ergebnis, dass Mehrsprachigkeit den Perspektivwechsel, mehr Arbeitsgedächtnisleistung und die exekutive Funktion der Kinder fördert. Mit der Methode eine Sprache- eine Person, wird die Mehrsprachfähigkeit der Kinder begünstigt. Meine Beobachtung der Aussprache der Kinder lässt mich vermuten, dass die Kinder mit dem Erlernen anderer Sprachen die Vielfalt der Vokale und Konsonanten besser beherrschen.  

4. Schlussfolgerungen für die Praxis der Kinder beim Hören

  • 2 wichtige Wahrnehmungsfähigkeiten, das Hören und Sehen, müssen bei den Kleinkindern vorhanden sein. Die Tagespflegeperson muss darauf achten, dass bei den Kleinkindern diese Organe gesund sind und sie schützen.
  • Die Erwachsene sollen mit den Kleinkindern sprechen, es ist egal ob sie noch nicht sprechen oder verstehen. Das gilt auch für die Mehrsprachigkeit der Kinder. Die Eltern, die 2 Sprachen sprechen, sollten mit den Kindern in diesen Sprachen sprechen.
  • Wir sollten die betonten und unbetonten Silben der Sprache klar und deutlich sprechen. Betonung und Melodie sollte beim Sprechen immer verwendet werden.
  • Beim Sprechen der Wörter immer den Bezug zu dem Objekt oder Handlung herstellen. Wenn ich von der Hand spreche, dann zeige ich auf meine Hand oder auf die des Kindes zeigen. Wenn ich vom Aufmachen der Tür spreche, dann zeige ich diese Handlung an.
  • Kinderlieder eigenen sich sehr gut zur Aussprache der Wörter und für das Reimen. Es gibt in Deutschland zum Glück ein Reichtum der Kinderlieder.
  • Den Kindern immer wieder Bücher auf Deutsch oder auf Spanisch vorlesen, ist sehr wichtig, vor allem wegen der Grammatik. Dabei sollte man auf die abgebildeten Objekte mit dem Finger zeigen.

Endnoten

[1] Sprachrezption, Sprache 2, Enzyklopädie der Psychologie, Das Erkennen gesprochener Wörter, Uli H. Frauenfleder und Caroline Floccia, S. 38

[2] Sprachrezption, Sprache 2, Enzyklopädie der Psychologie, Das Erkennen gesprochener Wörter, Uli H. Frauenfleder und Caroline Floccia, S. 35

[3] Offensichtlich lernen die Papageien auch durch sehen. Ich habe dazu einen interessanten Artikel gelesen: Die Eigentümer eines Papageis ließ es „nicht einfach nur Worte und Geräusche nachplappern, sondern schulte ihn mit einer speziellen Methode: Pepperberg ließ den Vogel zuschauen, wie sie Menschen belohnte, wenn sie etwa einen Gegenstand richtig benannten.“ https://www.tagesspiegel.de/wissen/heute-vor-16-jahren-ein-gefiedertes-genie-10419460.html

[4] Für mich stellt sich immer wieder die Frage, wann ab und welchem Alter Kinder ihre Gefühle entwickeln? Ich habe gesehen, dass die Kinder bis zu ihrem 2 Lebensjahr noch keine Empathie haben. Es verhalten sich wo wie der Papagei Alex: „Sogar entschuldigen konnte er sich, allerdings ohne echte Reue, erzählte Pepperberg in einem Interview: ‚Er tat etwas Ungezogenes, sagte mit säuselnder Stimme ‚es tut mir leid‘ und kurz darauf tat er das Gleiche wieder.‘“ https://www.tagesspiegel.de/wissen/heute-vor-16-jahren-ein-gefiedertes-genie-10419460.html

Literaurverzeichnis

Frauenfelder, U. H., & Floccia, C. (1999). Das Erkennen gesprochener Wörter. Friederici (Hrsg.), S. 1-48.

Szagun, G. (2007). Das Wunder des Spracherwerbs–So lernt ihr Kind sprechen. Beltz: Weinheim/Basel.

Autor

Dr. Muruchi Poma, G. (Rumi) Tagespflegeperson seit 2012

[*] Die Veröffentlichung dieses Artikels benötigt die ausdrückliche Genehmigung des Autors. Ich werde durch die Kinder Rumi genannt.

Leipzig, 06.12.2023. [email protected]