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Zitiervorschlag

Digitaler Transformationsprozess in frühpädagogischen Bildungseinrichtungen?

 Daniela Schäfer-Pichula

 

1       Einleitung

Der vorliegende Fachbeitrag beschäftigt sich mit der fiktiven Darstellung eines digitalen Transformationsprozesses in frühpädagogischen Bildungseinrichtungen. Home-Office, Videokonferenzen und Webinare sind seit der Corona-Pandemie feste Elemente im Berufsalltag geworden (vgl. hierzu BMWi 2021). Zwar benennen einige Autor:innen, dass sich mobiles Arbeiten weiter etablieren wird (vgl. Welchering 2021, o. S.), was allerdings nicht für alle Berufssparten umsetzbar sein wird. Das komplexe Thema der Digitalisierung birgt auch diverse Herausforderungen. Beispielsweise können pädagogische Fachkräfte nicht in vollem Umfang im Home-Office arbeiten. Realisieren ließen sich jedoch mobile Arbeitsmodelle, die sowohl für die Mitarbeitenden als auch für Träger von Bildungseinrichtungen praktikabel wären.

1.1      Problemstellung

Die Kindheit, so Tillmann/Hugger (2014), wird zunehmend zu einer „mediatisierten Kindheit“ (ebd., S. 32). Karsten (2020) konstatiert diesbezüglich, dass sich im „Feld der ganztagsinstitutionellen Bildungs- und Lebensgestaltung (…) nahezu alle sozialpädagogischen Fragen grundlegend (…) neu (stellen)“ (ebd., S. 17 f.). Für pädagogische Fach- und Leitungskräfte konkretisiert sich daraus ein neuer Arbeitsauftrag, da sie sich früher oder später mit digitalen Medien auseinandersetzen werden. Denn wie im Artikel 17 in der UN-Kinderechtskonvention aufgeführt, hat jedes Kind das Recht auf einen Zugang zur digitalen Welt (vgl. Kinderrechte.digital 2021, o. S.). Richtungsweisend sind hierbei die differenten Anforderungsprofile der pädagogischen Fachkräfte sowie die Rahmenbedingungen der Bildungseinrichtungen. Aus der gegebenen Problemstellung kristallisiert sich diesbezüglich die im nächsten Kapitel erörterte Fragestellung des Fachbeitrags.

1.2      Fragestellung und Aufbau des Fachbeitrags

Im Beitrag wird der Frage nachgegangen:

Welche Herausforderungen treten in einem digitalen Transformationsprozess auf und wie können die Mitarbeitenden eingebunden werden?

Die Fragestellung wird durch die Bearbeitung von relevanter wissenschaftlicher Literatur beantwortet. Aufgrund des Umfangs des Beitrags ist anzumerken, dass die ausgewählte Literatur nicht als erschöpfend anzusehen ist. In der Einleitung werden zunächst das Thema sowie die Problemstellung des Fachbeitrags konkretisiert. Daran anschließend folgt die Fragestellung. Das 2. Kapitel beinhaltet die Begriffsbestimmung der relevanten Begriffe Change-Management, Change-Agents und des Transformationsprozesses. Der systemische Handlungsansatz wird im 3. Kapitel erläutert. Ferner werden der lösungsfokussierte Beratungsansatz sowie Methoden der systemischen Beratung erörtert. Im 4. Kapitel folgt die Beschreibung eines digitalen Transformationsprozesses von frühpädagogischen Bildungseinrichtungen. Zu Beginn wird der IST-Stand, die Struktur des Prozesses sowie die Dimensionen im Veränderungsprozess inklusive der Herausforderungen ausgeführt.

Das letzte Kapitel schließt mit der Beantwortung der Fragestellung, der Ableitung von Handlungsempfehlungen sowie dem Ausblick.

2       Begriffsbestimmung

Im folgenden Kapitel werden die zentralen Begriffe Change-Management, Change Agents sowie Transformation näher bestimmt.

2.1     Change-Management

Organisationale Veränderungen werden oft im Zusammenhang mit dem Begriff des Change-Managements gebracht. Ferner werden Veränderungen auch als sozialer Prozess bezeichnet (vgl. Glatz/Graf-Götz 2018, S. 302). Nach Vahs (2005) ist Change-Management, „(…) die zielgerichtete Analyse, Planung, Realisierung, Evaluierung und laufende Weiterentwicklung von ganzheitlichen Veränderungsmaßnahmen in Unternehmen“ (ebd., S. 252; zit. n. Walde 2014, S. 18). Schewe (2018) definiert Change-Management „als laufende Anpassung von Unternehmensstrategien und -strukturen an veränderte Rahmenbedingungen“ (ebd., o. S.). Folglich haben sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geändert, die auch Auswirkungen auf die Berufswelt haben (vgl. hierzu BMWi 2021).

2.2     Change-Agents

Im Idealfall arbeiten Change-Agents mit der Leitung eines Unternehmens zusammen. Sie „(…) verfügen über Insider-Wissen und kennen die Strukturen und Abläufe des Unternehmens“ (Macha 2020, S. 21). Sie haben eine Moderations- und Vermittlungsfunktion (vgl. ebd., S. 22). Originär werden Change-Agents als interne oder externe Berater:innen definiert, welche den Change-Prozess unterstützen (vgl. Walde 2014, S. 40). Zur Umsetzung des hier dargestellten Transformationsprozesses werden interne Change-Agents eingesetzt. Die Nähe zum Unternehmen kann möglicherweise Misstrauen und Widerstände aufseiten der Mitarbeitenden minimieren (vgl. ebd.)

2.3      Transformation

„Der bei der Reorganisation von Geschäftsmodellen bzw. -prozessen gebrauchte Transformationsbegriff meint „(…) die methodische Anpassung von Fähigkeiten und Ressourcen in einem Unternehmen von einen Ist- in einen angestrebten Soll-Zustand“ (Alt 2020, o. S.). Primär wird unter einer Transformation „ein grundlegender Wandel verstanden“ (Deutsches Institut für Urbanistik 2017, o. S.). Transformationen unterliegen demnach Prozesse der Aushandlung, die für eine grundlegende Veränderung von Unternehmenszielen konstitutiv sind (vgl. ebd.).

3      Systemischer Handlungsansatz für Change-Agents

Folgend werden der lösungsorientierte Beratungsansatz sowie Methoden der systemischen Beratung dargestellt (vgl. Glatz/Graf-Götz 2018, S. 307). Ein zentrales Element des systemischen Ansatzes ist die Beteiligung der Mitarbeitenden. „Der Sinn (einer Organisation) (…) wird über Kommunikation in der Organisation hergestellt und hat auch für die Einleitung von Veränderungsprozessen (…) eine große Bedeutung“ (ebd.). Die Kommunikation und Partizipation mit den Mitarbeitenden ist für die Umsetzung des beschriebenen Transformationsprozesses in Kapitel 4 richtungsweisend.

3.1      Der lösungsfokussierte Beratungsansatz

Der Ansatz der lösungsfokussierten Beratung geht auf die Begründer:innen Steve de Shazer und Insoo Kim Berg zurück (vgl. Glatz/Graf-Götz 2018, S. 307). Systemisches Denken beruht insofern auf der Beziehungsorientierung von Menschen (vgl. Bamberger 2015, S. 27). Das Verhalten kann somit „(…) als interaktives Geschehen, als Aktion und Reaktion gesehen werden (…)“ (ebd.). Dies bedeutet, dass der Change-Agent eine lösungsorientierte Haltung einnimmt. „Ziele, Vereinbarungen und Maßnahmen werden ausschließlich aus dem Lösungswissen und der Lösungsenergie heraus entwickelt und haben daher eine besonders nachhaltige Qualität der Umsetzung“ (Glatz/Graf-Götz 2018, S. 309). Ressourcen der Mitarbeitenden sollen demzufolge identifiziert und erweitert werden.

Bamberger (2015) betont, die lösungsorientierte Beratung ziele auf eine „ressourcenaktivierende Beziehungsgestaltung“ (ebd., S. 152). Ferner sollten Change-Agents Wertschätzung für die Leistungen der Mitarbeitenden ausdrücken. Sicherlich kann dies als ein herausfordernder Aspekt gesehen werden, dennoch postuliert Bamberger (2015), „Stärken zu stärken“ (ebd., S. 159).

„Das, was Entwicklung und Veränderung ermöglicht, sind allein die Ressourcen des Klienten (Mitarbeitenden). Aber: Ressourcen wirken erst dann als Ressource, wenn sie kognitiv-emotional präsent sind. Diesen ,Shift` beim Klienten (Mitarbeitenden) zu bewirken, das ist die Aufgabe des Beraters als, Agent von Veränderung´“ (ebd., S. 165).

3.2       Methoden der systemischen Beratung

In der systemischen Beratung gibt es ein großes Repertoire an Methoden. Diese werden nach Glatz/Graf-Götz (2018) auch als „Interventionen“ (ebd., S. 311) bezeichnet. Um mögliche Ängste der Mitarbeitenden (vgl. Walde 2014, S. 24 f.) transparent zu machen, bietet sich bspw. ein lösungsorientiertes Erstgespräch an (vgl. Glatz/Graf-Götz 2018, S. 334). Im Gespräch können die Erwartungen der Mitarbeitenden geklärt werden, die im Zusammenhang mit der Veränderung stehen. Hierfür eignen sich hypothetische oder skalierende Fragen:

  • Angenommen die Digitalisierung wäre schon lange in der Einrichtung angekommen, was wäre dann anders?“
  • Auf einer Skala von 1 bis 10, wie sicher fühlen Sie sich im Umgang mit digitalen Medien?“

Eine weitere Methode stellt die Überprüfung von Zielen anhand von S.M.A.R.T-Kriterien dar (vgl. Motzel 2010, S. 218). Ziele sollen spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein. Die folgende Auflistung verdeutlicht eine exemplarische Zielformulierung:

  • Spezifisch: Das Ziel wird präzise formuliert - „Was soll sich genau verändern?“
  • Messbar: Das Ziel wird messbar formuliert - „Woran erkennen Sie, dass das Ziel erreicht wurde?“
  • Attraktiv: Das Ziel wird positiv formuliert - „Die Digitalisierung ermöglicht eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung!“
  • Realistisch: Das Ziel wird so formuliert, dass es mit den jeweiligen Ressourcen der Mitarbeitenden erreicht werden kann - „Welche Ressourcen können Sie mobilisieren?“
  • Terminiert: Das Ziel wird zeitlich präzisiert - „Bis wann möchten Sie das Ziel erreichen? Welche Teilziele sind denkbar?“

Ferner ließen sich noch weitere Methoden wie das Führen von Interviews, des Coachings oder diverse Trainings realisieren (vgl. Glatz/Graf-Götz 2018, S. 334-338). Auch die SPOT- oder die Kraftfeldanalyse stellen geeignete Instrumente für moderierte Kleingruppen dar (vgl. ebd., S. 340 f.). Die skizzierten Methoden werden ebenfalls im Kapitel 4.3 des vorliegenden Fachbeitrags einführend beschrieben.  

4       Fiktive Darstellung eines digitalen Transformationsprozesses

Die hier skizzierten Darstellungen beziehen sich auf einen digitalen Transformationsprozess eines frühpädagogischen Bildungsträgers. Ausgeführt werden der Ist-Zustand, die Struktur des Transformationsprozesses sowie zentrale Dimensionen innerhalb eines Veränderungsprozesses.

4.1      Beschreibung des Ist-Zustandes

Folgend werden fiktive Prozesse beschrieben, welche für frühpädagogische Bildungsträger eine Praxisrelevanz begründen können. Bereits vor der Corona-Pandemie hat sich ein Bildungsträger Strategien überlegt, um die Digitalisierung sukzessive auszubauen. Vereinzelt arbeiten die frühpädagogischen Bildungseinrichtungen des Trägers mit einem E-Mail System. Die Kompetenzen der Mitarbeitenden sind sehr unterschiedlich und reichen von umfassenden IT-Kenntnissen bis zu wenig Kenntnissen. Es zeigt sich, dass es aufseiten des Trägers Handlungsbedarf gibt. Der Träger beschloss deshalb einen digitalen Transformationsprozess (vgl. Macha 2020, S. 19) für seine Einrichtungen umzusetzen. 

4.2      Struktur des Transformationsprozesses

Folgend wird die Struktur des Transformationsprozesses in Anlehnung an Macha (2020, S. 19 f.) dargestellt:

  1. Das Problem einer unzureichenden Digitalisierung im Kontext der frühpädagogischen Bildungseinrichtungen wurde identifiziert.
  1. Es wird eine „Powerful Coalition“ (Kotter 1996, o. S.; zit. n. Macha 2020, S. 19) gegründet. Der Bildungsträger beauftragt einen internen Change-Agent (vgl. Kapitel 2.2).
  1. Die Vision wird vom Träger Top-down entwickelt: Es werden Prozesse geschaffen, um die Mitarbeitenden zu qualifizieren sowie die Umsetzung mit digitalen Medien im pädagogischen Alltag zu etablieren.
  1. Die Vision wird in einer Betriebsversammlung durch den Träger kommuniziert.
  1. Anhand von geführten Interviews und der darauf basierten Leitfäden kann der Change-Prozess beginnen.
  1. Das gegründete Change Team setzt sich jeweils aus einer Leitung und einer pädagogischen Fachkraft zusammen. Die Fachkraft wird als Multiplikator*in eingesetzt und erhält Fortbildungen zum Umgang mit digitalen Medien.
  1. Alle acht Wochen treffen sich die Change-Agents und das Change Team. Das Treffen findet sowohl als Präsenz- oder digitale Veranstaltung statt.
  1. Die Evaluation wird anhand von Protokollen der Treffen sowie regelmäßigen Ist-Standerhebungen mit dem Change Team realisiert.
  1. Kontinuierlich werden Praxisbeispiele aus den Einrichtungen in einem digitalen Newsletter verfasst.

Der Veränderungsprozess wird anhand exemplarischer Beispiele im nächsten Kapitel konkretisiert. Die Ausführungen orientieren sich hierbei an den Dimensionen von Glatz/Graf-Götz (2018).

4.3      Dimensionen im Veränderungsprozess

Change-Agents benötigen ein fundiertes Wissen hinsichtlich der komplexen Anforderungen, die für einen Veränderungsprozess erforderlich sind (vgl. Glatz/Graf-Götz 2018, S. 320). Für den digitalen Transformationsprozess werden die sieben Dimensionen in Anlehnung an Glatz/Graf-Götz (2018) skizziert.

Dimension 1: Veränderung gestalten

Der Träger und der Change-Agent definieren einen klaren Auftrag und erstellen ein Grobkonzept. Hierbei sind eine transparente Vorgehensweise, eine klare Rollenverteilung sowie Raum zur Reflexion entscheidend (ebd., S. 323 f.). Zu Beginn des Veränderungsprozesses eignen sich bspw. Großgruppenveranstaltungen, „(…) in der Energie für die Veränderung zu wecken ist (…)“ (ebd., S. 326). Intensivere Arbeitsphasen können hingegen in Kleingruppen realisiert werden (vgl. ebd.). Um die jeweiligen Bedarfe des Teams in den Bildungseinrichtungen abzufragen, bieten sich Interviews an. Diese werden vom Change-Agent mittels eines Interviewleitfadens und der Anwendung von systemischen Fragestellungen durchgeführt.

„Interviews sind lebendiger als lange Inputs oder Berichte. Sie sollen die Funktion, Sichtweisen und Positionen beziehungsweise bestimmte Faktenlagen für andere Personen erschließen und verständlich machen“ (ebd., S. 335).

Change-Agents sollten zudem personelle Attribute wie Allparteilichkeit, Neugierde, Lösungsorientierung und Wertschätzung in ihre Beratungsarbeit integrieren (vgl. ebd.).

Dimension 2: Veränderungsbedarf diagnostizieren

Nach der Erhebung kann der Change Agent „(…) diffuse Unzufriedenheit von (Mitarbeitenden) (…)“ (ebd., S. 339) in weiterführenden Diagnosegesprächen thematisieren. Zentral ist hierbei, dass die Mitarbeitenden ihre Problemsicht schildern können und sie sich gehört fühlen. Change-Agents können auf die SPOT- oder Kraftfeld-Analyse (vgl. ebd.) zurückgreifen. Die Kraftfeld-Analyse bietet eine gute Möglichkeit, um förderliche sowie hinderliche Kräfte aufseiten der Mitarbeitenden zu analysieren. Mögliche Fragestellungen wären hierbei: „Was ist förderlich für die Digitalisierung?“ versus „Was ist hinderlich für die Digitalisierung?“

Dimension 3: Die Zukunft sichtbar machen

In einem Workshop erarbeiten der Change-Agent und das Change Team eine Vision. Die zentrale Fragestellung lautet: „Was wollen wir in zwei Jahren verändern und was ist wichtig für uns?“. Infolgedessen ist es zentral, Veränderungen vom Ist- zum Soll-Zustand zu formulieren (vgl. Glatz/Graf-Götz 2018, S. 343f.). Als Beispiel: „Wir wollen weg von einem intransparenten Digitalisierungskonzept hin zu einem transparenten und an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden ausgerichtetem Digitalisierungskonzept!“

Dimension 4: Veränderung als psychosozialer Lernprozess

Wie Glatz/Graf-Götz (2018) unterstreichen, bringen Veränderungen auch Widerstände hervor. Sollten Widerstände im Lernprozess der Mitarbeitenden auftreten, kann der Change-Agent die vier Arten des Zuhörens nach Scharmer (2015) anwenden.

„Diese vier unterschiedlichen Arten des Zuhörens und der Kommunikation unterscheiden sich im Hinblick auf den Punkt, an dem Aufmerksamkeit und Absicht entsteht. Beim Kommunizieren zu hören, was der andere wirklich sagt, schafft einen inneren Raum, in dem das Gegenüber anstelle der eigenen vorgefassten Meinung in Erscheinung tritt“ (Lüthi 2017, S. 11).

Die vier Arten des Zuhörens sind nach Lüthi (2017, S. 11 ff.):

  1. Downloaden: Neue Inhalte werden nach erlerntem Muster aufgenommen. Die Mitarbeitenden sehen und hören das, was ihren Glaubensmustern entspricht. Bsp. „Die Digitalisierung führt zu erheblichem Mehraufwand!“
  1. Faktisches Zuhören: Beim faktischen Zuhören richten die Mitarbeitenden ihre Aufmerksamkeit auf die Inhalte, mit denen sie sich schon auseinandergesetzt haben. Der Fokus liegt mehr auf den Unterschieden, die dann diskutiert werden.
  1. Empathisches Zuhören: Gegenteilige Positionen werden bei dieser Art des Zuhörens wahrgenommen. Die Mitarbeitenden sind in der Lage, eine andere Perspektive einzunehmen und Argumente aus Sicht des Gegenübers zu sehen.
  1. Schöpferisches Zuhören: Diese Art des Zuhörens eröffnet den Mitarbeitenden „(…) die Fähigkeit loszulassen und offen zu sein für Neues (…)“ (ebd.).

Die Aufgabe des Change-Agents „(…) ist es nicht, den Widerstand zu bekämpfen, sondern ihn zu erkennen, in einer wertschätzenden Form zu benennen (…)“ (Glatz/Graf-Götz 2018, S. 351). Diese Art der Intervention ließe sich sowohl in Einzel- oder Gruppenübungen realisieren.

Dimension 5: Lernen und Qualifizierung

Trainings und Coachings stellen wichtige Stellschrauben für die Qualifizierung der Mitarbeitenden dar (vgl. Glatz/Graf-Götz 2018, S. 356 f.). Nach Glatz/Graf-Götz (2018) fungieren diese „(…) als Lernunterstützung“ (ebd., S. 360). Für den Change-Agent bedeutet dies, ein Lernsetting zu schaffen, welches die Teilnehmenden zu einem wertschätzenden und konstruktiven Austausch anregt.

Ferner soll die Organisation respektive die Bildungseinrichtung als lernende Organisation verstanden werden (vgl. ebd.). Mit folgenden Geboten kann abgeleitet werden, wie lernfähig die jeweiligen Einrichtungen sind (vgl. Wildemann o. J., o. S.; zit. n. Glatz/Graf-Götz 2018, S. 359):

Gebot 1: Die Bildungseinrichtung hat verinnerlicht, dass sie sich stetig weiterentwickelt.

Gebot 2: Ein kontinuierlicher Lernprozess wird vom Change-Agent etabliert.

Gebot 3: Die Mitarbeitenden sind „der Motor des Wandels“ (ebd., S. 358).

Gebot 4: Die Bildungseinrichtung versteht, dass Prozesse verbessert werden müssen.

Gebot 5: Die Familien und Kinder, welche die Kund*innen der Bildungseinrichtungen darstellen, werden als wichtige Komponente im Veränderungsprozess gesehen.

Gebot 6: Die Familien können am Veränderungsprozess partizipieren.

Gebot 7: Die Mitarbeitenden etablieren einen guten Kommunikationsprozess.

Gebot 8: Das Lernen wird reflektiert und neu ausgerichtet, wenn es stagniert.

Dimension 6: Informations- und Kommunikationsprozesse gestalten

Da es bei dem Veränderungsprozess um die Digitalisierung geht, werden vielfältige digitale Medien genutzt. Ziel ist es, die Mitarbeitenden schnell und transparent über die geplanten Aktivitäten in Kenntnis zu setzen (vgl. Glatz/Graf-Götz 2018, S. 366). „Wesentlich ist, dass neben technisch dominierten, monologischen Methoden auch dialogisch-aktivierende Methoden eingesetzt werden (ebd., S. 367). Für den Informations- und Kommunikationsprozess ließen sich folgende Instrumente nutzen:

  • E-Mails zur kontinuierlichen Information der geplanten Maßnahmen
  • Interviews zur Befragung der Mitarbeitenden
  • Kleingruppenveranstaltungen
  • Onlineworkshops
  • Webinare
  • Digitale Pinnwände mit allgemeinen Informationen

Dimension 7: Veränderungen erfolgreich umsetzen

In Anlehnung Glatz/Graf-Götz (2018) wurden folgende Meilensteine definiert. Diese kennzeichnen, was „(…) in einzelnen Zeitabschnitten erreicht werden soll“ (ebd., S. 369).

  1. Meilenstein: Alle Mitarbeitenden können ihre E-Mails abrufen.
  1. Meilenstein: Die Teilnahme an digitalen Teamsitzungen stellt eine zusätzliche Möglichkeit zu Präsenzveranstaltungen dar.
  1. Meilenstein: In jeder Bildungseinrichtung sind ausreichend Computer, Laptops sowie Tablets vorhanden.
  1. Meilenstein: In regelmäßigen Intervallen können die Mitarbeitenden mobile arbeiten.
  1. Meilenstein: Einmal im Quartal können sich die Mitarbeitenden zu thematischen Webinaren anmelden.

Die dargestellten Meilensteine greifen auf die Ressourcen der jeweiligen Bildungseinrichtungen zurück und sind innerhalb einer kurzen Zeitspanne umsetzbar. Ebenfalls können die Meilensteine, wie im Kapitel 3.2 angeführt, durch die S.M.A.R.T.-Kriterien überprüft werden.

4.4      Herausforderungen im Veränderungsprozess

Gefühle der Mitarbeitende spielen im Change-Prozess eine maßgebliche Rolle, denn „Change-Management ist (…) (weitestgehend) ,Emotionsmangement´“ (Glatz/Graf-Götz 2018, S. 347). Insofern sollten sich Change-Agents bewusst sein, dass bei dem Veränderungsprozess die „emotional-persönliche Ebene“ (Glatz/Graf-Götz 2018, S. 345) der Mitarbeitenden einbezogen wird. Nicht jede Veränderung wird auf Akzeptanz stoßen und ggbfs. Widerstand der Mitarbeitenden evozieren. Mögliche Ursachen können im vorliegenden Fall kontroverse Haltungen und Meinungen im Umgang mit digitalen Medien sein oder die Angst vor einer zusätzlichen Arbeitsbelastung.

Eine weitere Herausforderung begründet sich darin, dass sich ein Teil der Mitarbeitenden keinen neuen Wissenszuwachs erhofft. Der Change-Agent muss evaluieren, wie die unterschiedlichen Kenntnisse der Mitarbeitenden sind. Um bedarfsorientierte Fortbildungsmaßnahmen zu planen, benötigen Change-Agents und das Change-Team ausreichend Zeitkontingente. Des Weiteren spielen auch die finanziellen Ressourcen einen zentralen Faktor für das Erreichen der oben skizzierten Meilensteine.

 

5       Ausblick  

Im letzten Kapitel werden die Fragestellung des Beitrags beantwortet sowie Handlungsempfehlungen für die Umsetzung eines digitalen Transformationsprozesses ausgeführt.

Wie in den vorangegangenen Kapiteln erörtert, können fehlende zeitliche Ressourcen sowie eine unzureichende Qualifizierung der Mitarbeitenden erhebliche Herausforderungen für die Umsetzung eines digitalen Transformationsprozesses darstellen. Change-Agents benötigen didaktisches Know-how, um die Mitarbeitenden für einen Veränderungsprozess zu sensibilisieren (vgl. Kapitel 3). Wesentlich ist, den Mitarbeitenden Raum und Zeit zu geben, damit sie ihre Ängste und Sorge kommunizieren können. Ferner kann das Emotionsmanagement von Change-Agents als zentrale Komponente für einen gelingenden Change-Prozess definiert werden (vgl. Kapitel 4.4).

Um einen digitalen Transformationsprozess umsetzen zu können, lassen sich zudem weitere Empfehlungen ableiten:

  • Etablierung von digitalen Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten,
  • Praktikable Tools, die datenschutzrechtlich abgesichert sind,
  • Datenschutzschulung für pädagogischen Fach- und Leitungskräfte, um die Rechte der Kinder zu schützen,
  • Bereitstellung eines Sachmittelbudgets,
  • Ausbau einer digitalen Infrastruktur,
  • Eine Fachkraft, die das Thema vorantreibt bzw. Ansprechpartner:in ist à Mögliche Rollen: „Appbeauftrage:r; „Medienbeauftragte:r“; Tabletbeauftragte:r,
  • Motivation und Offenheit,
  • Reflexionsräume.

Für den Bildungsträger kann Folgendes abgeleitet werden:

  • Abwesenheiten der pädagogischen Fachkräfte können reduziert werden,
  • Erhöhung der Fortbildungsquote durch digitale Angebote,
  • Effizientere und ortsunabhängige Teamsitzungen mittels Videokonferenzen,
  • Ökologische Aspekte durch digitale Anmeldemöglichkeiten,
  • Entwicklung eines Digitalisierungskonzepts,
  • Best-Practice-Beispiele, die auf die Trägerhomepage gestellt werden und zur Fachkräftegewinnung genutzt werden.

Schulze (2019) beschreibt, die Digitalisierung sollte „(…) als Aufgabe der Organisationsentwicklung verstanden und wahrgenommen werden“ (ebd., o. S.). Dies erfordert die Entwicklung von Qualitätsstandards sowie die Festschreibung eines Digitalisierungskonzepts (vgl. ebd.). Ferner sind bedarfsorientierte Weiterbildungskonzepte zu entwickeln, die auch präventive Maßnahmen im Umgang mit digitalen Medien forcieren. Zahlreiche Autor:innen betonen eindrücklich, dass pädagogische Fachkräfte diesbezüglich dezidierte Kompetenzen aufweisen müssen, um die Rechte der Kinder zu wahren (vgl. hierzu Leopold/Ullmann 2018; Friedrichs-Liesenkötter 2016).   

Abschließend ist anzumerken, dass es sich im vorliegenden Beitrag um eine fiktive Darstellung eines digitalen Transformationsprozesses handelt und insofern kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. Aufgrund des Praxisbezugs der Verfasserin bieten die dargestellten Prozesse Anknüpfungspunkte für frühpädagogische Bildungsträger. Des Weiteren kann unterstrichen werden, eine kontinuierliche Kommunikation, nachvollziehbare Begründungen sowie die partizipative Einbindung der Mitarbeitenden können sich förderlich für die Umsetzung eines digitalen Transformationsprozesses erweisen.

Literaturverzeichnis

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Leopold, M; Ullmann, M. (2018): Digitale Medien in der Kita. Alltagsintegrierte Medienbildung in der pädagogischen Praxis. Freiburg im Breisgau: Herder.

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Autorin

Daniela Schäfer-Pichula ist Kindheits- & Sozialwissenschaftlerin (M.A.), Kindheitspädagogin (B.A.) und Dozentin in der Erwachsenenbildung (SfG). Sie arbeitet als pädagogische Fachberatung an Qualitätsentwicklungsprozessen im Kinderschutz sowie der sprachlichen Bildung.