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Zitiervorschlag

Aus: was + wie? 1995, 24. Jg., Heft 3, S. 167-171

Ein Elternabend: Wir sollten uns näher kennen?

Michael Schnabel

 

Wir beschäftigen uns im Forschungsprojekt "Sittlich-religiöse Entwicklung und Erziehung des Kindes" an der Universität Eichstätt mit der Erarbeitung von Elternabenden zu religiösen Schwerpunkten. Es geht uns bei dieser Arbeit darum, Modelle für die Elternarbeit zu entwerfen, die die Pädagoginnen im Kindergarten eigenhändig durchführen können. Wir haben dafür den erfahrungs- und handlungsorientierten Ansatz der Elternbildung entwickelt. Dies bedeutet, dass der Elternabend sich in Aktions- und Gesprächseinheiten vollzieht.

Der Elternabend zum Kennenlernen war ein besonderer Erfolg.

Der Anlass

Als mit Kindergärten im Raum Regensburg Modelle für die religiöse Erziehung erarbeitet wurden, kam immer wieder folgendes Anliegen auf: Erzieherinnen berichteten davon, dass nach einem Kindergartenjahr zu den Eltern vorzügliche Kontakte aufgebaut wären, aber am Beginn des Kindergartenjahres gäbe es beinahe unüberwindliche Schwierigkeiten, mit den Eltern Kontakt anzubahnen.

Ein geradezu einmaliger Fehlstart in der Elternarbeit sei die Elternbeiratswahl: Ein Großteil der Eltern kenne sich kaum, häufig komme nur ein kleiner Teil der Eltern, und es sei noch dazu schwierig, aus dem übrig gebliebenen Häuflein jemanden zu finden, der sich zur Kandidatur bereit erkläre. "Es wäre doch vorteilhaft, den Eltern zu Beginn des Kindergartenjahres die Arbeit näher vorzustellen und die Eltern untereinander bekannt zu machen", war die einhellige Meinung der Erzieherinnen.

Erezieherinnen und Projektmitarbeiter gingen daran, einen Elternabend unter dem Arbeitstitel "Kennenlernabend" zu erarbeiten. Der Elternabend sollte folgendes Intentionen einlösen:

  • Die Eltern sollten sich untereinander näher kennen lernen.
  • Die Eltern sollen das Kindergartenpersonal näher kennen lernen.
  • Die Eltern sollen einen Einblick ins Kindergartengeschehen erhalten.
  • Die Eltern sollten ihre Wünsche und Anliegen zur Kindergartenarbeit äußern können.

Nach der ersten Absichtsformulierung wurde darüber beraten, wie die Ziele erreicht werden können. Bald war klar: Gründlichen und hautnahen Einblick in den Kindergartenalltag erhalten die Eltern nicht durch einen Vortrag, der die verschiedenen Arbeitsweisen, Inhalte und Ziele der Kindergartenarbeit beschreibt. Im Gegenteil: Die Eltern sollten selbst einige Einheiten ausprobieren dürfen. Bei der Zusammenstellung verschiedener Einheiten zeigte es sich, dass es möglich ist, den ganzen Abend mit Aktionen aus der Kindergartenarbeit zu gestalten. Ich schlug dann vor, den Elternabend als Handlungs- und Gesprächseinheit zu konzipieren. Nach dieser Idee wurde er ausgearbeitet.

Die jeweilige Gruppenleiterin führte den Elternabend durch. Er wurde vorher bis in jede Einzelheit mit allen beteiligten Pädagoginnen besprochen und die Durchführung von mir begleitet.

Der Verlauf des Elternabends

"Darf ich vorstellen ..." Eltern lernen sich und die Kindergartenarbeit näher kennen. Pädagoginnen des Kindergartens laden ein zum Kennenlernen.

Am Eingang zum Gruppenraum werden die Eltern von den Pädagoginnen begrüßt und erhalten als symbolische Eintrittskarte ein Teil eines Puzzles. Auf den vorbereiteten Tischen liegen Vorlagen der jeweiligen Spiele. Die Eltern suchen, wo ihr Puzzleteil sich einsetzen lässt und nahmen an diesem Tisch Platz.

Wenn alle Eltern ihren Platz gefunden haben, eröffnet die Leiterin den Abend: Sie begrüßt die Eltern, die Mitarbeiterinnen und erklärt kurz und bündig den Ablauf und die Zielsetzung des Abends. "Da ein Hauptanliegen des heutigen Abends das Kennenlernen ist, möchte ich mich und meine Mitarbeiterinnen ausführlicher vorstellen. Beim abschließenden gemütlichen Beisammensein können Sie noch ausgiebiger mit uns sprechen." Die Leiterin stellt sich und die Mitarbeiterinnen einzeln vor.

Zur Auflockerung und zum ersten Kennenlernen werden folgende Spiellieder durchgeführt:

  • Guten Abend, guten Abend ... (Lutz, I. 1980)
  • Hallo, hallo, schön, dass du da bist ... (Hofmeier, J. 1987)
  • Hallo, du im Nachbarhaus, öffne deine Türe ... (Hofmeier, J. 1987)

Dann folgt eine Bastelaktion: Die Eltern sollen sich ein Namensschild anfertigen und zwar folgendermaßen: Auf ein DIN A4-Blatt zeichnen sie ein Symbol für ihren Familiennamen und daneben schreiben sie den eigenen Vornamen und die Vornamen ihrer Kinder. Als kleine Einleitung wird erklärt: Jede berühmte Persönlichkeit hat ihr eigenes Familienwappen, in dem der Familienname symbolisch veranschaulicht wird, z.B. Buchberger: eine Buche auf einem Berg. Auf ein zweites Blatt sollen die Erwartungen an den Kindergarten geschrieben werden. Aus einem dritten Blatt werden zwei Papierstreifen geschnitten. Mit diesen Streifen werden beide Blätter zusammengeheftet. Jetzt können die Teilnehmer/innen sich die Blätter umhängen, so dass auf der Brustseite der Name zu sehen ist und auf der Rückseite die Erwartungen an den Kindergarten zu lesen sind. Die Auswertung dieser Aktion erfolgt mit folgendem Lied: "Modenschau, Modenschau, alle schauen ganz genau ... (Lotz, I. 1980).

Dazu stellen sich die Eltern in zwei Reihen auf und jeweils ein/e Teilnehmer/in geht durch die Reihen und führt ihr Werk zur Schau. Die Leiterin sagt zum Namensschild einige Worte: z.B. Frau Schneider malte eine Schere, Nadel und Faden. Sie heißt Josefine und ihre Kinder heißen Franz, Claudia und Dominik. Davon gehen die zwei Jüngsten in unseren Kindergarten.

Abgerundet wird diese Aktion durch Spiele zum Kennenlernen der Namen. Eine Pädagogin schlägt das Spiel vor: Hoch am Himmel, tief auf Erden ... (Trautwein, G. 1993).

Dann darf jede(r) im Kreis sagen, was er/sie als Einzige(r) in dieser Runde hat: z.B. "Ich bin die Frau Schneider und habe als einzige eine Kette mit einem Tigerauge".

Die Spielleiterin erklärt die Wichtigkeit der Kennenlernspiele für die Kinder im Kindergarten. Besonders am Beginn des Kindergartenjahres ist es erforderlich, die Kinder miteinander vertraut zu machen. Einige Mütter erzählen, wie sie bei Kindergeburtstagen solche Spiele einsetzen. Die Leiterin fordert die Eltern auf, Spiele zu nennen und mit allen durchzuführen. Es werden dann noch zwei, drei Spiele unter der Leitung von Müttern durchgeführt.

Zur Weiterführung und zur religiösen Vertiefung wird das Spiellied "Ich schreibe meinen Namen dir mitten in die Hand ..." (Krenzer, R. 1983) mit den Eltern gespielt und gesungen. Die im Lied angesprochenen Tätigkeiten werden während des Singens ausgeführt: Seinen Namen in die Hände der anderen schreiben, seinen Namen ins Ohr der Teilnehmer/innen sagen, miteinander tanzen.

Die Eltern setzen sich im Stuhlkreis und die Leiterin liest Psalm 104 "Danket dem Herrn! Ruft seinen Namen an! ..." vor.

Nun machen wir eine spielerische Kontrolle unserer Namenskenntnisse: Wir sind im Sitzkreis. Im Rhythmus schlagen wir mit den Händen auf die Oberschenkel, klatschen, schnalzen rechts und dann links. Beim Schnalzen mit der rechten Hand sagt eine Teilnehmerin ihren Namen, beim Schnalzen mit der linken Hand sagt sie einen Namen aus der Runde. Diese(r) ist als nächster dran.

Anschließend wird von den Pädagoginnen ein großes Plakat an der Wand befestigt. Es trägt die Überschrift: "Was erlebt mein Kind im Kindergarten?" Auf dem Plakat sind fünfzig Symbole, die die verschiedenen Aktivitäten des Kindergartens veranschaulichen. Die Eltern sollen miteinander beraten, um welche Aktivitäten es sich handelt. Danach löst ein gemeinsames Gespräch der Pädagoginnen mit den Eltern das Rätsel auf.

Diese Übung leitet zum Gesprächskreis über mit dem Thema: Welche Erwartungen habe ich an den Kindergarten? Die Leiterin fasst kurz zusammen: "Sie haben jetzt aus der Arbeit des Kindergartens viele Aktivitäten selbst erlebt. Jetzt können Sie Ihre Wünsche und Anregungen einbringen".

Ausführlich werden von den Eltern einzelne Aktivitäten diskutiert. Es kommen Einwände und Vorschläge für die Kindergartenarbeit.

Auch wenn die Diskussion noch so spannend ist: So gegen elf Uhr schlägt die Leiterin vor, den Abend zu beenden und verweist auf den nächsten Elternabend, an dem der Elternbeirat gewählt wird. Dort können verschiedene Anliegen noch weiter beraten werden und der neue Elternbeirat sollte versuchen, die Vorschläge zu verwirklichen.

Zum Abschied wird das Spiellied gesungen: "Alle Leut, alle Leut gehn jetzt nach Haus ...".

Didaktische Anmerkungen

Das Prinzip des Elternabends, Eltern werden miteinander aktiv, lässt sich durch Aktionen aus der Kindergartenarbeit gut verwirklichen. Je nach Arbeitsgewohnheiten im Kindergarten und Erfahrungen der Pädagoginnen lassen sich die Aktionen und Lieder austauschen. Es ist keinesfalls nötig, die vielen Arbeitsbereiche des Kindergartens eingehend zu erklären. Denn wenn sie die Eltern selbst Spiellieder erarbeiten, mit der Schere tätig werden, Puzzles zusammensuchen und vieles mehr, ist der Lerneffekt noch weit größer, als bei einer noch so anschaulichen Erklärung durch einen Referenten.

Die zweite Zielsetzung, Eltern lernen sich näher kennen, wird durch mehrere Spiele und Spiellieder erreicht. Die eingehende Beschäftigung mit dem Namen lässt die Einmaligkeit eines Menschen deutlich werden. Somit wird die Aussage für Eltern erlebbar: Gott hat jeden Menschen ins Leben gerufen. Gott kennt jeden Menschen. Wir sind in Gottes Hand geschrieben. Dadurch hat der ganze Elternabend, auch wenn nicht durchgehend direkt ausgesprochen, eine religiöse Dimension. Durch die Beschäftigung mit ihrem Namen lernen sich die Eltern untereinander und die Pädagoginnen des Kindergartens näher kennen. Die Zusammenarbeit kann auf einer vertrauensvollen Basis erfolgen. Auf diesem Hintergrund ist es leichter möglich, den Kindern im Kindergarten Vertrauen und Geborgenheit erlebbar zu machen. Denn Vertrauenkönnen ist das menschliche Fundament für Glaubenkönnen.

Literatur

Hofmeier, Johann: Religiöse Erziehung im Elementarbereich. München 1987, S. 159/160

Krenzer, Rolf; Jöcker, Detlev: Und sie fingen an fröhlich zu sein. Münster 1983, S. 31

Lotz, Inge; Krenzer, Rolf: Hast du unsern Hund gesehen? Lahr, München 1980/2, S. 14, S. 58

Trautwein, Gisela: Alte Kreisspiele neu entdeckt. Freiburg i.Br. 1993, S. 124